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Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 11.11.1923
- Erscheinungsdatum
- 1923-11-11
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-192311111
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-19231111
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-19231111
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1923
-
Monat
1923-11
- Tag 1923-11-11
-
Monat
1923-11
-
Jahr
1923
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SorwtLg, «le» 11. irovesd« Ohne Heimat Don ^rlsEelek Xt»1»»Lk» Den Jvaendsckrtst«, Kie-sAes, In« iein« Äywcsier ^usaveth gSrst«-Rtcdickr letzt tm Mu» sarton-Yerlag. München, tzerauLfleaebci, hat tft r>icscS tapfere Godicktletn des HiSpriaen cnt- muieit. Flucht'« Ross« tragen Mich ahn' Furcht und Zagen Durch die weite Fern'. Und wer mich sieht, der kennt mich. Und wer mich kennt, der nennt mich Den heimatlosen Herrn- Heidideldi! Verlaß mich nie. Mein Glück, du Heller L' r?.! .niemand darf er wagen Mich darnach zu fragen, Mo meine Heimat fei ich bin wohl nie gebunden -n Raum und flücht'ge Stunden, Pu: wie der Aar so frei. Heidideldi! verlaß mich nie. Mein Glück, du holder Ma .' Daß ich einst soll sterben, Müssen muß den herben Tod, das glaub' ich kaum. Zum Grabe soll ich sinken Und nimmermehr dann trinten De? Lebens duft'gen Schaum? Heidideldi! Üerlaß mich nie, Mein Glück, du bunter Traum! Das Kind Don ^utltztzlz vro „Ich hab« amtliche Gelder unterschlagen. . . Das Weib erblaßte. „Höchstens vier oder fünf Tage stehen mir noch zur Verfügung — dann weiß man alles. Ich werde fliehen." Die Frau stammelt« endlich: „Vielleicht tft nach eine Rettung möglich... Mein Vater." „Ausgeschlossen. Meine Anter- schleife erstrecken sich aus «in« R«ih« von Jahren. Es ist «ine ungeheure Summe, tzeut' nacht fahre ich fort. Aeber Hamburg — nach Amerika." „Ich fahre mit dir," Sein Antlty erhellte sich plötzlich, urch er wurde fröhlicher. „CS ist mir noch einiges Vargeld übrig geblieben," sagt« er. „Dort drüben »vollen wir dann «in neue« Leben beginnen . . , Zu -weit geht'S leichter . . ." „And das Kind?" Der Mann schaute sein« Frau verwundert an. „Du wirft es doch nicht mit- nehmen wollen? Lin Kind von vier Monaten hält eine derartige Reise nicht aus. Lasten wir eS bei der Mutter." „Wenn so, dann fahre ich nicht!" sagt» sie kalt. Run begann er -u betteln: „Meine Süße, mein« Teuerste, meine Einzige. . ." „Rein, unter keiner Bedingung!" Endlich muhte er ihr den Willen tun. Abends »uhrcu sie -um Bahnhof. Sie dielt das Kind auf de» Arm. ES war im Spätherbst, ein dichter Rebel lag über der Erde, und der Nein« Wurm hustete ohne Unterlaß. Sie wagten es nicht, den Warte saal zu betteten. Knapp vor der Abfahrt des Zuges stahlen sie sich in die Bahnhofshalle und bestiegen -inen Wagen. Das Abteil, in dem sie Platz fanden, war von dem eindringenden Rebel ganz feucht und außerdem voll von brenzlichem Zigarrenrauch. Pasta- giere stiegen «in, stieg«« aus — endlich waren die beiden allein. Die Frau machte sich um das Kind zu schaffen, der Mann schaute zum Fenster hinaus und zitterte, so ost er nur herannahende Schritte vernahm. Schnaubend und pfauchend branste der Zug der nebeligen Ferne zu. Der Wagen schien nicht aeheizt zu sein, denn es herrschte darin eine grimmige Kält«. Das Kind hustete immer und immer fort. Es wurde allmählich Tag. Durch froren, blaß und entnervt blickten Mann und Frau einander an. „Das Kind hat Fieber", murmelte ft«. Di« Stirne des Mannes legte sich in düster« Falten. „Ach, wenn ich nur einen Arzt irgendwo finden könnte!" seufzte sie. „Ansinn! Dem Kind wird nichts geschehen. Gib ihm zu trinken!" Flammend« Röte schoß plötzlich in die Mangen des Kindes; Hitze und Schüttelfrost quälten abwechselnd feinen winzigen Körper. „Ich werde einen Arzt suchen gehen!" rief das Weib, und Tränen kamen ihr in die Augen. Der Mann faßte sie brutal am Arm. .Keinen Schritt! Bist du toll? Willst du mich verraten?" „Aber das Kind ist ja krank! Liehst da denn nicht, wie sehr «S leidet . . ." „Wozu hast du es mitgenommen? Hast es selber so gewollt!" Sie antwortete nicht mehr. Rur ihre Augen, denen heiße Tränen entquollen, verrieten ihre äcelenpein. In einer Station hielt der Zug längere Zeit. Tie Passagiere verliehen ihre Abteile und begaben sich in den Speisesaal. Ter Mann ging ebenfalls einen Imbiß holen, die Frau wich aber keinen Schritt von ihren» Kinde. Endlich schlief es ein, und «S war eine Zeitlang vollkommen still. „Es schläft," tagte dis Frau. Sie hüllte den klestwn Wurm fest in ihr Tuch ein und schaukelte ihn behutsam. Ter Mann schloß die müden Augen. Plötzlich weckte ihn ein gellender Aufschrei seines Weibes: „Cs ist tot! Cs ist tot! Cs lebt nicht mehr!" Der Mann stierte das K»nd mit entsetzten Augen an. In der Tat: lebte nicht mehr. Irgendein Reugieriger trat, än ihr Abteil -eran. Rasch legte der -Mann seiner Frau «ine Hand vor den Mund. „Am Himmels willen! Schweig doch!" flüsterte er in ihr Ohr. Tas Weib gab nur ein Stöhnen von sich, während der Mann die Zähne zusammenpreßte. „Ruhig, zum Teufel hinein!" And er li«f au- dem Abteil, di« Reisegefährten, di« das Weinen der unglücklichen Frau hinausaelockt hatte, zu beruhigen. Richt-, nichts ist geschehen!" murmelte er. „Ein arme hysterisches Weib." Er kehrte zu feiner Frau zurück, die noch immer schluchzend dasaß. „Wirft du schon einmal aftfhvren? Wer hat dir geschafft, das Kind mitzunehmen?" Das Weib antwortet« nicht, son ¬ dern drückte nur seine teuere Last an de« schmerz- durchtobten Busen. „Riemand darf erfahren, daß das Kind gestorben ist. Wir müßten es begraben; Leichenbeschau, Poli zeiverhör, Paßrevision, da- wären die unvermeid lichen Folgen. Halte also das Kind weiter wie bisher." Wieder eine Station. Aus- und Cin- steigeu. Der Mann befiehlt mit halblauter Stimme: „Deck dem Kind das Gesicht zu und tue als ob es lebte!" Die Frau gehorchte und sprach zu dem Kinde in zartesten Worten, ja sie tat sogar als würde sie es stillen. Rach langer Fahrt käme»» sie endlich in Hamburg au. In einigen Minuten sollte der Zug in die Bahnhoshalle hineinbrausen. Die ungeduldigen Passagiere hatten die Abteile bereits verlassen und standen aus dem Korridor. „Mit dem Kinde können wir nicht aussteigen; man muß es verstecken," sagt« der Mann. Sie blickte zu ihm empor. „Also rasch, leg' es in den Koffer." Sie faltete die Hände wie zum Gebet. „Es muß sein!" erwiderte er barsch. Ter Mann öffnete schnell den Koffer und streckte die Hände nach dem Kind aus, aber die Mutter hielt -s Kampfhast in den Armen. „Gib es her!" zischte r sie an und streckte ihr die geballte Faust entgegen. Brutal packte er den Leichnam des kleinen Wurmes : »d legte ihn rasch in den Koffer, den er sofort ver zerrte. In demselben Augenblick blieb der Zug u.hen, und die Gepäckträger drangen in die Wagen. Biner packte den Koffer mit dem Leichnam. Tas Leib streckh! die Hände wie im Traum von sich, der Mann aber zog sie sofort zurück. Sie bestiegen eine Droschke. „Wo ist der Koffer?" flüsterte sie ihm zu. „Auf dein Vock, neben dem Kutscher." Bald darauf waren sie bereits im Hasen, begaben sich direkt aus das Schiss und fragten nach ihrer Kajüte. „Vergiß nicht den Koffer! . . ." bat das Weib wieder. „Dort bringt man ihn." Tatsächlich stellte man den Koffer in der Kajüte hin. „Wo ist der Schlüssel?" „Rein, jetzt noch nicht! Cs könnte jemand kommen, und wir sind verraten." „Ach, nur einen Augenblick. . ." „Vor der Rächt absolut nicht!" Cr ging aus Deck und suchte einen abgelegenen Platz. Unterdessen kauerte das Weib in der Kajüte aus dem Boden und hielt den Koffer krampfhaft in den Händen. Der Dampfer begann die Anker zu lichten. Anter Kommandoworten und Kettengeklirr verließ das Schiff den Hafen. Der Mann ging in die Kajüte hinab. ,Fkomm, esien!" „Gib mir den Schlüssel." Er verneinte nur mit dem Kopfe und ging allein in den Speisesaast Stunde um Stunde verrann. Das Weib rührte sich nicht von seinem Platz, der Mann ging auf dem Verdeck herum. Abends. Der Speifefaal und die Salons sind bereits ganz menschenleer; die Passagiere begeben sich zur Ruhe. Auf dem Verdeck ist es iinster und leer. „Reim Ahr. Zeh,» . . . Elf . . / Lr geht in ds, Kafüte hinab. ,„Komm, jetzt können wirde begraben." Sie schaute ihrem Mann in die Angen, als würde sie ihn nicht begreifen „Ick habe eine Stelle gefunden, von wo auS wir die Leiche unbe- merkt ins Wasser wersen können." Er öffnete den Koffer. Zwischen den Kleidern laa das tote Kind. Ein wilde- Schluchzen begann die Brust deS Weibes zu schütteln. Leidenschaftlich schloß sie ihr Teuerstes in die Arine. „Also vorwärts! Schnell!" drängte der Mann. Sie rührte sich nicht einmal. „Wenn du willst, so bleibe hier! Ich werde die Sacke allein in Ordnung bringen!" „Laß mir das Kind!" flehte das Weib. Cndlick erhob sie sich und begann die steile Treppe hiuaufz,»klettern. Auf dem Verdeck ist es finster. Der Mann führt sie bei der Hand, sie drückt das tote Kind immer leidenschaftlicher an die Brust . . . „Hier! . . ." flüsterte er mit kaum hörbarer Stimme. Zu ihren Füßen tönt das rhvtbmiscke Aechzen der Maschine»» und das Brausen der Wogen, die, vom Schiffs körper durchfurcht, an der» Seitenwänden abprallen. Da« Weib sinkt in die Knie. „Tu' das nicht! Er barm dich meiner! Tu' es nicht!" Ta gerät der Mann in böchsten Zorn und flüstert ibr mit ge ballten Fäusten zu: „Willst du also, daß wir uns selber verraten?" Ihre Hände umfassen den kleinen Leichnam wie eiserne Zangen, und er muß seine ganze Kraft aufbieten, um ihr das Kind zu ent-' reiße»». Endlich ist eS ihm gelungen. Roch einige Sekunden — dann vernimmt sie ein schwache- Plätschern . . . Da- Weib fällt ohnmächtig zn Boden — der Mann atmet erleichtert am. . . Huudegeschichie« Don Kleksrck Xol« Ich besitze fünf Hündchen, die alle derselben eng lischen Rass« angehören: Yorkshireterriers. In Wien, wo dies« Rasse — und auch der Stame — ziem lich fremd ist, helfen sich dis gemütlichen Leute und sagen: Seidenpinscherl. Dos ist natürlich eine offen sichtliche Beleidigung, denn die Yorkshireterriers sind ein gar edles Geschlecht und in ihrem Heünatland hoch angesehen; sie unterhalten in den größeren Städten Albions sogar eigene Klubs, die Yorkshire- terriersklubs, wohin sie ihre Besitzer entsenden, deren Klubgespräche sich hauptsächlich um die Qualitäten ihrer Lieblinge drehen. Dor Jahren machte ich u» einer Gesellschaft die Bekanntschaft des Sekretärs des Londoner Yortshireterrierklubs. Ruck wir sprachen — neben dem unvermeidlichen Thema Wer das Wetter, das ein richtiger Engländer nie zu erwähnen ver gißt — von nichts andern, als von den Schönheiten und Eigenheiten der Rasse. Ein richtiger Yorkshireterrier ist klein, schlank, zart und in der Regel zweifarbig, da Kops und Brust beigesarbig, das Hintergestell stahlgrau ist. Er hat einen runden Kops mit ffedermausartigen, oft mit Reiherbuscheln versehenen Ohren, und isi langhaarig. Lange, leidig« Haare überall am ganzen Körper; vom Bauch« hängen sie fast bis zur Erde lnnob. von der Stirne fallen sie über di« Armen so daß hierdurch — sollte man meinen — di« Sehkraft beeinträcht-'at wird. Dem ist aber nicht so, sondern die Ratnr weiß genau, was sie will: Hat man etwa Mitleid mit den Tierchen und schneidet die Kopshaar« weg. so entsteht binnen kurzem «in« Augenentzündunq, die erst »nieder ver schwindet, wenn die Hoare nachwachsen und den natürlichen Schutz der großen, dunklen, runden Kirscheiuiugen bilden. Diese fiuä von ungewöhn- sicher Lebhaftigkeit und der sichtbar« Ausdruck der l ohen Intelligenz, die in dem kleinen Köpfchen wohnt, !>as kaum größer ist als die Faust eine« einjährigen Bin des. Boauty hatte das schönste Leben führen können und wäre unumschränkter Herr im Hause geblieben — es ist wohl überflüssig, -u erwähn«», daß sich zu Hause alles um ihn drehte —, wenn nicht plötzlich da weibliche Element in Gestalt eine« Hündchens „Little Prinzeß" erschienen wäre, das mir, bzw. meitzer Gattin von einem Londoner Freunde gleichzeitig mit zwei anderen Yorkshireterriers, einem Ehepaare namens „Billy" und „Queen", als Geschenk über geben wurde. Der Engländer — Garden« Sinclai ist sein Name, und er ist Managing director der Edinburgher Weltsirma Dobson, Moll L Co. — kam nach dem Zusammenbruche nach Wien und lernte Beauty kennen und lieben. Als er Höri«, daß Beauty, der vor den, Kriege nach Wien gekommen war, so viel« Jahre von seinen Landsmänninnen ab geschnitten war, verwünschte er den Krieg und tels- graphierte sofort seinem Sekretär, « möge ein Weibchen kaufen und nach Dien bring«». Dann fiel ihm ein, daß sich das Ehepaar vielleicht langweilen könnte, und er telegraphierte nach, noch ein York shire-Ehepaar nach Wien zu bringen. Drei Tage später tauchte der Sekretär, der alles stehen und liegen lassen und nach Dien reisen mußte, mit den drei Hündchen auf, die von mein« Gattin jubelnd in Empfang genommen wurden. Es waren drei reizende Tierchen, zwei Weibchen, namens „Little Princeß" und „Queen" und ein Männchen namens „Billy". Als sie zum erstenmal in unser Heim kamen, war Beauty maßlos erstaunst. Zuerst tat er, was jeder andere Hund in seiner Lage getan hätte: er bellt«, bellte lange und fragend. Dann beschnupperte er die beiden Weibchen und entschied sich nach kurzem Uoberlegen für die blonde, etwas üppige Princeß, da die zarte Queen einen offenbar zu nervösen Eindruck aus ihn machte. Die kleine Prinzessin ihrerseits schmiegte sich, Koh, in der Fremde einen Landsmann gesunden zu haben, sofort zärtlich an» ihren Bräu tigam an. Kindersegen blieb den beiden Hunde-Ehepaaren lange Zeit versagt. Die Mäirnchen waren zur ge gebenen Zeit wohl eifrig hinterher, auch die Weibchen .zeigten sich in, allgemeinen nicht besonders spröde — nur Queen, die Schamhaft«, versteckte sich häufig unter dem Kasten, ließ sich aber dort willig finden — nick» trotzdem: «s wollte ihnen kein Wurf gelingen... Ick zog einen erfahrenen Tierarzt, Herrn Dr. Karl Witzmann, zu Rate. Dieser meinte, die Tierchen seien zu ungeschickt, und riet, es mit einer künstlichen Be fruchtung zu versuchen. Wenige Wochen später war es dann auch offensichtlich, daß die Bemühungen des Arztes Erfolg hatten: Princeß sah einem freudigen Ereignis entgegen. . . Leider stark Dr. Witz mann eines plötzlichen Todes, noch bevor die junge»: Hunde das Licht dieser Erdenwelt erblickten. Sein Lehrer, Professor Kart Keller, der Leiter der Tierärztlichen Hochschule ii, Wien, setzte die Behandlung fort und mußte an d« kleinen Hündin, als ihre schwere Stunde nahte, den Kaiserschnitt vornehmen, um ihr das Leben zu retten. Princeß überstand di« schwere Operation glänzend, von den drei daumengroßen Hündchen, die sie geworfen, blieb aber nur eines, just das zarteste, am Leben, dos sie mit groß« Liebe und Sorgfalt selbst nLhrte. Ls war ein putzige» Ding, lebhaft und wild, wir ein« richtige Alraune, und so gar nicht aufs Gehorchen gerichtet. Sie bekam den hübschen eng lischen Namen „Gladys". Trotz ihrer zwei I<chr« tollt sie immer noch vergnügt und lustig den ganzen Tag umher, und ich glaube, von allen mir bekannten Lebewesen beherzigt nur die Alraune Gladys das herrliche Goethesche Wort: Weißt du. worin der Spaß des Lebens liegt? Sei lustig! Kannst du'» nicht, so sei vergngügt! Uebrigrn» — ganz iw Ernst« gesprochen: Wirkt der Umgang mit Hundei» nicht überhaupt versöhnend auf das Gemüt? Wer Hunde liebt, der kann kein grundschlechter Mensch sein, und wer Hunde haßt, der kann nicht herzensgut sein, auch wenn er noch so übertünchte Manieren hat. Rein, da lobe ich mir die Leute, die Hundesreunde sind; die können wahr haft lachen, wahrhaft enwfinden, wahrhaft vergnügt - sein. Und die werden es vielleicht auch begreifen, warum ich der Oeffentlichkeit so viel'von meinen Hunden erzähle.'. . . Meine Sirene Von ffrsilzs Meine Sirene schluchzte. Ja. freilich, auch brüllen konnte sie . . . und sie brüllt«, daß alles Reißaus nahm im Umkreis von anderthalb Kilometern. Sie hatte im koivischen Stevpengebiet zu Friedenszeiten, als sie noch jung war und blitzblank, ganze Kamel- tarawanen in panikartige Flruht gejagt. . . hatte in den Pyrenäen — ein paar Tage vor dem Weltkrieg — einen Maulesel zum Weltrekord üb« zehn Kilometer für Maulesel angestachelt . . . hatte mir in Grottkau in Schlesien «inen Prozeß eingetragen wegen „un- befugt« Abgabe eines Feuerwehrsignals",.war auf gewissen Strecken in meiner engeren Heimat bekannt, so daß alle Leut« wußten: Das ist der grasgrüne Acktzigpserdige. Aber sie konnte schluchzen . . . herzzerbrechend. Wenn nämlich der Wagen stand, und der Motor lief. Dann jammerte sie und war verzagt, daß es nicht weiter ging nach ihr« Herzenslnst im ... mzig- Kilometer-Tempo. Und weil meine Sirene schluchzte, bin ich just al» Mcidchenhändl« verdächtigt worden und beinahe ein gesperrt . . . und ein Duell obendrein und wa» derlei schöne Dinge noch mehr sind. Denn die Sache ' ging so zv: ... in Lausanne lernte ich fie kennen. Nicht meine Sirene — bewahr«! sondern et» Frauchen, entzückend^unbeschreiblich nett. So etwa ein Zwitter- ding zwischen der Venus von Milo und Margot, dem „Clou" de« Palais de danse. Verheiratet war sie, richtig verheiratet, an einen deutschen Staatsanwalt. Gegen Staatsanwälte hab' ich immer so ein« gewisse Animosität, weiß der liebe Himmel, warum. Wir tanzten Jimmy. Sie hatte entzückende Fesseln, wir tanzten Foxtrott . i . eine Taille hotte sie. Formen, formvollendet, und war dabei so mollig — östlich! Dir tanzten Boston. Und Augen hatte sie . . < bezaubernd. - Der Herr Staatsanwalt mußte verreisen in revue politieir, für ein paar Tage in seine niederrheinische Heimat, und Lu, sein Frauchen, blieb allein in Lausanne zurück. Sie war nicht spröde, gewiß nicht, hielt aber — leider — zu sehr Distanze. Bis wir nach dem Chablis zum Röderer übergingen ... da taute sie auf. Und wie sie auftaute . . . Die dritte bauchige Flasche reifte den Entschluß: morgen ein kleiner Abstecher nach München. Mit meinem 80-?. 8. ja eine Kleinigkeit, und in München . . . dort kannte sie niemand . . . dort war es mög lich, laut »ans xeve, was hie: inmitten einer vier hundertköpfigen Schar von Aufpassern und Bekannten nicht möglich war . . . Wir waren einig. Stießen mit dem ersten köst lichen Naß der vierten Flasche an. Sahen uns tief in die Angen, sehr tief. . . . und morgen. Mein Herz schlug höher bei dem Gedanken, und ich verschlang sie schon jetzt mit den Augen. Denn morgen . . . Famos stand ihr die bastseidene Rennkappe. Sie nahm neben mir -- ich steuerte selbst — Platz. Die achtzig Pferde begannen zu wiehern und meine alte getreue Sirene ihr sentimentales Warnungsgestöhn. Sie war verschwiegen, meine Sirene . . . verschwiege ner als Albert, mein Chauffeur. Drum ließ ich den daheim, pflegt man doch Hochzeitsreisen mit jungen Frauen besonders, wenn/s nicht die eigene ist, aus Opportunitatsgründen nur zu zweit zu unternehmen. Eine prächtige Fahrt. Morgendämmerung. Tau- bedecktc Bergwiesen. Erfrischende Morgenluft. Staubfreie Wege. Kuhglockengeläut von hoher Alm. Sommersonnenfriede und Frühsonnenglanz. Vi» Schaffhausei». Zollrevision. Der grüne Rhein. Der Bodonsee. Das Lchwabenjändl«. Frühstücksrajt in Meersburg. Süffiger Portwein, glänzende Laune. Meine Nachbarin plauderte und unterhielt entzückend, und wie sie aß. . . nein, dieses Tranchieren mit an zusehen, war eine Lust, eine eigene Delikatesse. Nur Pflosterzoll. Immer und immer wieder. Bayrische Straßen, weniger gut als in der Schweiz und in Boden. Die bayrischen Alpen im Mittags- sonncnglanz. Kühle, schattige Wälder. Meine Sirene schaffte uns freie Bahn. Meine 80 ?. 8. waren heute besonders brav. Und wenn» hinauf ging waldumsäumte Steigungen mit 70M Stundenkilometer», Ge'ckwindlgkcit, dann jauchzt« mein Frauchen in sportlichem Frohsinn, daß es feine Arr hatte. Den Forrdteil meines grasgrünen Sechssitzers hatte ich mit Wachsleinewand überspannt. Les Staubes wegen. Und drunter ein Baar Autnvelze. Die Notsitz-. Sonst nichts. .Mr bogcn ab nach Be-gte-gaben. Machten dort Karftcstation — Mekka mit Benediktiner. Und e:u Gebäck . . . die Norddeutschen würden erblassen vor Neid. AbendsonnenglonZ bei der Einfahrt in München. Im Hotel waren bereits Zimmer für uns reser viert. Ein Schlafzimmer, in seiner Architektur ge schaffen 'ffir köstliche Schäferstündchen. Ein Salon. Ein Badezimmer. Ich befahl, im Salon zu ser vieren. Ä»s Beste der Küche. Und Burgess, ein paar Flasche», gleich. Wir saßen bei den Hors d'oenvres. Frau Staats anwalt im tangogelben Teo—gomn. Bildschön in strahlender Jugend. Ein fachen an der Tür. Sie huschte ins Bade kabinett. Ich war ärgerlich, hatte ich mir. doch mit Nachhilfe von einem Franken jede Störung aus drücklich verbeten. Ein bayerischer Schutzmann, ein Zivilist und der Portier an der Tür. Ich war ebenso peinlich be rührt wie wütend. Di» lieber Himmel — wa, »»achte denn sein? ... . Der Zivilist legitimierte sich. Kriminalkrllwnssur Obermayer. Erklärte mir im schönsten Bayerisch: „Sie san verhaftet!" Ich mag sehr dumm dreingeschaut habe». Mein „warum denn?" mag nicht gerade überzeugend un schuldbewußt geklungen haben . . meine Gedanken überstürzten sich. . Was hätte Widerstand, was hätten Proteste ge holfen? Die Leute durchstöberten meine Zimmer, entdeckten „sie", die Frau Staatsanwalt — wir waren rot bis in die Ähläfen — ein gegenseitiges plötzli^es Mißtrauen ... in einer geschlossene,» Droschke aufs Polizeipräsidium. Und dann ... ich habe in meinem Leben noch nie so gelacht. Der Grund der Verhaftung: „Verdacht des Mädchenhandels . . . Entführung . . Nicht etwa der Frau Staatsanwalt. Beileibe nicht. Sondern einer „Unbekannten", die laut Aus sage des Landgendarmen Knötelhuber in Kauf beuren, in dem planüberspannten Fond meines Wagens schrecklich gewimmert. ... Lokaltermin in der Hotelgarage. Mir war beim Anhören der Anklage gkich einem Seifensieder aufaegangen: meine Sirene. - Meine alte, treue Sirene hatte gejammert. Hatte geschluchzt, dieweil der Wagen beim gollzahlen hielt, mit leise bebendem Motor. Hatte herzzerbrechend gestöhnt aus ihrem metallenen Munde . . . Und Herr Knötelhuber, in der Nähe beftndlich, hatte das Wimmern verdächtig empfunden. Mel- düng erstattet. Und nun war der Befehl ergangen von Gendarmeriestation zu Gendarmeriestation: ^Haltet den Mädchenhändl« im grasgrünen Wagen." Und ich hätte statt 80 ?. 8. nur 48 gelenk, schon in Berchtesgaden wäre ich „verhaftet". Man entließ uns mit sauersüßem Lächeln. Dis Frau Staatsanwalt und ich kehrten in unsere Ge- «Scher zurück: Nur Amor war verscheucht durch den Fehlgriff der Iustitita. Aber es war sa «ft nenn Uhr abends. Und noch viel belebendes Raß in den Flaschen. In Lausanne sagten wir uns 24 Stunden später Palet. Dort habe ich auch meine Sirene verkauft. Für alle Fälle . . . man kann nie wissen. Fuhr traurig bergauf, bergab gen Bern. Ohne sie, ohne Sirene. Zwei Freunde blieben zurück . . .
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