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Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 11.11.1923
- Erscheinungsdatum
- 1923-11-11
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-192311111
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-19231111
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-19231111
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1923
-
Monat
1923-11
- Tag 1923-11-11
-
Monat
1923-11
-
Jahr
1923
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^«^esderirlit VieRartthalle am (Sonnabend Schmatz m»d Talg avsvertauft Gleich dem Donnerstag brachte der Sonnabend in der Städtischen Markthalle einen außerordentlich starken Verkehr mit sich. Die Preise hatten wieder angezogen. Lebensmirtel waren in ausreichender Menge vorhanden, nur Fettwaren wurden recht knapp angeboten. Ns Grund wurde von den Händlern Devisenmangel für den Einkauf angegeben. Amerikanisches Schweinefett kostete 240 Milliarden, Margarine 140 bis 160, Speckfett 320 Milliarden Mark. Für Talg mußte man 240 Milliarden, für Kunstspcisefett 160 'Milliarden an legen. Butter schwankte zwischen 330 und 360 Milliarden, Räucherspeck fehlte ganz. Der Andrang an den Gefrierfleisch ständen überstieg alles bisher Daoewesrne. Trotz- dem auch hier die Preise nicht unerheblich iu die Höhe gegangen waren, ging die Ware reißend ab. Suppenfleisch wurde mit 92, Rippe und Komm mit 98, Keule mit 100, Rindfleisch ohne Knochen mit l20, Rumpfstück mit 124, Roulat^ und Lende mit 132 und gehacktes Rindfeisch mit 120 Milliarden Marl notiert. Schweinefleisch stellte sich aus 240, 260 und 28o Milliarden,- Kalb aus 180, 200 und 280, Hammel" fleisch aus 220 nnd 240 Milliarde» Marl. Frischfleisch war bedeutend teuerer, wurde aber ebenfalls gut gekauft. Für Rindfleisch mußte man 360, für Gehacktes 320 Milliarden Mark be zahlen. Schwei» schwankte zwischen 400 und 600 Milliarden. Für Kalbfleisch wurden 320, für Hani- melfleisch 360 Milliarden gefordert. Rindskopf stellte sich aus 150, Hammelkopf auf 140 Milliarden Mart. Kuheuter sollte 230, Flecke ISO Milliarden kosten. Billigere Fleischsorten waren bereits in den frühesten Morgenstunden ausverlanft. ' Wurst waren hatten sich ebenfalls dem all gemeinen Preisausstieg angcschlofsen. Blut- rmd Leberwurst wurden mit 720 Milliarden, Jagdwurst zum gleichen Preis notiert. Knack-, Mett- und polnische Wurst stellten sich auf 800 Milliarden. Knoblauchwurst wurde mit WO Milliarden ange boren. Hiichsenfleisch kostete 280, Schwarzfleisch 800 Milliarden Mark. Reges Interesse sanden die Auslagen der Fisch händler. Schellfisch stellte sich auf 110, Kabeljau auf 180, Seelachs auf 160 Milliarden Mark. Gold barsch wurde mit 120, Rotzunge mit 160, Heilbutt zunge mit 140 Milliarden angeboten. Grüne Heringe waren nicht vorhanden, dafür größere Mengen Weiß- fische auf den Markt gebracht worden. Das Pfund kostete 70 Milliarden. Karpfen wurde mit 220 Milli- arden Mark cmgeboten. Außer Matjes, die 30 Milli arden das Stuck kosteten, wurden Heringe nicht on- oeboten. Bücklinge stellten sich auf 160 Milliarden das Pfund. Kartoffeln wurden mit 7Z Milliarden notiert. Zwiebeln stellten sich auf 12 bis 15 Milli- arbeit. Weißkraut sollte 10, Rotkraut 20, Welsch" kraut 12 Milliarden kosten. Möhren wurden zum gleichen Preise angeboten. Kohlrüben sollten 10 Milliarden, Petersilie 20 Milliarden kosten. Für Sellerie wurden 10 Milliarden, für Wurzeln 25, für Karotten 15, für Kohl 6 und für Kohlrabi 20 Milli- arden Mart gefordert. Blumenkohl schwankte zwi schen 60 und 150 Milliarden, Pilze zwischen 35 und 80 Milliarden. Für Tafeläpfel wurden 80, für Mus- äpfel 30 Milliarden notiert. Birnen kosteten 40 Milli arden, Tomaten ebensoviel. Das Angebot in Eiern war schwach. Da? Stück wurde mit 35 Milliarden abgegeben. Leipziger Schulkinder la die Schweiz Für die Unterbringung von 52 Leipziger Schulkindern in der Schweiz auf die Dauer von 8 Wochen, hat der Rat SO Billionen Mark bewilligt. * Umbau der Leutzscher Allee-Brücke. Der Bereit stellung von Mitteln zum Uwbau der Leutzscher Allee-Brücke hat der Rar zugestimmt, ebenso der Nachbewilligung weiterer Mittel zu den für den Um bau des Korridorteils der Ostfront im Erdgeschoß des Neuen Rathauses bereits bewilligten 2012 Mil- liarden Mark. Oie Gedankenfabnk für alle Oie Einförmigkeit der amerikanischen presse - Man denkt nur in Aerv York In den Bereinigten Staaten von Nordamerika mit seinen 110 Millionen Einwohnern, von denen die übergroße Mehrheit mir den Händen arbeitet und von den verlockenden Aussichten materieller Wohlfahrt geblendet ist, muß das Denken, die Ideenproduknon auf eine verhältnismäßig kleine Gruppe beschränkt bleiben, die sich vor die Aufgabe gestellt sieht, 110 Millionen Mitmenschen täglich mit leicht verdaulichen Ideen zu versorgen. New Hork ist der Hauptsiss der Gedankcnfobriken. Hier woh nen die bestdezahlten Verfasser kartellmäßiger Lonntagspredigten, Leitartikel für Blätter ver schiedener Richtungen, Erzählungen zum Linschla- fern für die Kinder, humoristischer Beiträge, Er- zehungsrubriken, historischer Aufsätze. Modeberichte, Gesellschaftsneuigkeiten,aus New Wrk und Washing ton. Wallstreetvrophezeiiingcn, ausläudischer Ueber- sichten, demokratischer Propaganda, republikanischer Propaganda, populärer Poesie mit Moral, patrio tischer Verherrlichung usw. Je nach ihrer Leistungsfähigkeit abonnieren die Provinzzeirungen bis zum legten Dorfblättchen bei den New Portern Ideensyndikaten, was sie wünschen: Scherze, Leitartikel, Karikaturen, Bilder, Frei- handelsaufsätze, Tarifpropayanda, Sensatiaus- rcportage. Die Folge ist, daß mau mir der Reise von New Pork nach San Francisco von denselben Leitcrufsätzen, denselben Humoristen, denselben Volks wirtschaftlern, Politikern und Moralisten verfolgt wird, denen man außerhalb Manhattans zu cul- gehen gehofft hatte. Die weitere Folge ist, daß ganz Amerika lucht, weint, heult, grübelt, lobt, schimpft, wie die syndikalisierten New Parker Gedanken schöpfer es angeben. Der .Slang" der New Parker Straßentypen verdrängt dank diesen Syndikaten örtliche Dialekte und Gewohnheiten, die humoristi schen Rubriken und Bilder verbreiten den Groß- stadtskeptizismus bis in die frömmsten und gemüt lichsten ländlichen Gemeinden, die allerdings ihr Gleichgewicht zu retten suchen, indem sie sich auch ans die Sonntogspredigt abonnieren. Für kleinere Blatter in den Kleinstädten und Dörfern bedeutet dies ein angenehmes und leichtes Arbeiten. Die New Parker Syndikate schicken ihnen die halbe Zeitung fix und fertig ins Haue. Mit unter bekommt der Dorfzeitunqsmann bereits das Negativ des Satzes für die bestellten Rubriken, so daß er sofort die Platten für die Druckpresse gießen lassen kann. Oder dos Syndikat schickt ihm sein« ganze Zeitung von acht Seiten, von denen vier mit Lyndikatsneuigkeiten und Syndikatsinfersten be druckt find, während die vier anderen Seiten frei sind, so daß sie der Dorfredakteur mit seinen eigenen Mitteilungen füllen kann. Alle kleineren Zeltungen haben deshalb ein Standardformat und Standard druckmaschinen: sie können sich auf diese Weise äußer- lich der New Parker Hedankenzentrale vollkommen anpaffen. Die Arbeit des Dorfredaktrurs besteht rrur darin, die leeren Seiten mit schreienden Titeln nnd lokalen Inseraten zu versehen. Von Indivi dualität, lokalem Charakter und persönlicher Fär bung ist in seinem Blatt keine Spur mehr. Seine Zeitung sieht wie ein ärmeres Familienmitglied des „New Park American* von Hearst ans. Wie die Kartellkolnmne den täglichen geistigen Horizont von Millionen abgrenzt, so sorgt die syndikalisierte Annonce für familiäre Vertrautheit mit den An nehmlichkeiten des Lebens, mit Gummisohleu, Zwickelfocken, Berdauungsmitteln usw. Und die .hiaii c-rcl^r"-Geschäfte, die ihre hundert Seiten starken Kataloge bi» in die fernsten Winkel des Landes schicken, garantieren dafür, daß das Klavier, die Dessertlöffel, Pcrumwolljacken und Wandbilder des Farmers K in Oracle, Arizona, genau so aus- sehen, wie die des Halzhackers P in Strandquist, Minnesota. Erzwänge einmal ein Erdbeben oder eine Epide mie die Einstellung der New Porker Denk- und Lach fabriken, so würde halb Amerika vor geistigem Durst verschmachten. Die Konversation in Colorado und North Dakota würde ans Rlangel an fertigem Material in grundl.se Tiefen versinken oder zu einer Revolution führen. Ein neuer Individualismus ' würde geboren werden, alle die heterogenen alten Rasseneigenfchaften, die aus dem alten Europa mit gebracht ".nd von dem Firnis, der von den Denk fabriken gelieferten Fiinfcentkultnr bedeckt worden sind, würden wieder aufleben und aus die Liu- richlung neuer, nach Raffen gesonderter Denkzentren hinarbeiten. Die zentrale Denkfabrik ist daher nicht bloß eine industrielle und kommerzielle Organisation, sondern zugleich eine Kraftquelle, eine Quelle binden- der Kraft, die in einer aus so vielen ungleichen Elementen zusammengesetzte» Nation wie die ameri kanische unentbehrlich ist. Angestelltenversicherung a) Gehalts- nnd ^eitragsklassen für November 1923 SeValtS- klaffe Monatliches Entgelt MonatSVeitrog von mehr als viS zu -14 - - 1 Billion 83,6 Milliarven 45 1 Billion 1,4 BMionen 44,8 1.4 Billionen 63,2 17 Z 8 «._> -!8 3 4 1304 -ill 4 . 5 » 167.6 >1 5 » — 2018 Der Wertausdruck auf den Marken beträgt nur den zweitausendften Teil des obigen Verkaufspreises. Die zu den früheren Preisen gekauften Marken der Klaffen 44 bis 50 dürfen ohne Nachzahlung verwen det werden. Für die Zeit nor dem l. 'November 1923 werden Marken der früheren Klassen nicht mehr abgegeben, ebensowenig Marken der Klaffen 44 bis 50 zu den früheren Preisen. Entsprechende Anträge an die Neichsversichernngsanstalt sind zwecklos. Soweit Beiträge noch rückständig sind, muffen mindestens Marken der Klaffe 44 zum obigen Preise gekauft werden. Das gleiche gilt für die freiwillige Ver sicherung. Besonders wird noch darauf hingewiesen, daß der- jenige, der die versicherungspflichtige Höchstgrenze überschritten hat, erst mit dem 1. Tage de» vierten Monats nach Ueberschreitung der Derdienstgrenze aus der Verücherungspflicht ausscheidet. Die Festsetzung der Persicherungspflichtgrenze für November steht noch aus. Für die Zeit vom 1. 1. an sind die Beiträge durch Marken zu entrichten, die nur bei den Postanstalten erhältlich sind, llebersichten und Peränderungsan zeigen sind sür diese Zeit nicht mehr einzuscnden. Die Marke ist spätestens am Schluffe des Nlonnts in die Berstche- ruw >.ie einzukleben. Steht zu diesem Zeitpunkte der <. .rgelt noch nicht fest, so ist der Beitrag nach demjenigen Entgelt zu berechnen, das bis dahin vor schußweise gezahlt worden ist, oder gezahlt wird. Bei jeder Postanstalt erscheinen regelmäßig grüne Aushänge der Angestelltcnversicherung. Es muß noch daraus hingewiesen werden, daß etwaige Beschwerden über Postämter nicht bei der Amtshauptmannschaft Leipzig — Perficherungsamt — (Ausschuß für An- gestelltenversicherung), sondern bei der Oberpostdirek- tion Leipzig anzubringen sind. Wettere Ausgabe von städtischem Notgeld. Um dem Mangel an Zahlungsmitteln abzuhelfen, gibt der Rat der Stadt Leipzig vom 10. November an Gutscheine heraus, die aus 500 Milliarden Mark lauten. Aufruf des Polizeipräsidiums Das Polizeipräsidium Leipzig r r- öffentlich, durch Anschlag folgenden Aufruf- Ai, di« Einwohnerfchaft Leipzigs! V»r«r! Republikaner! Die Vorgänge in München zeig«, daß es Bcc- vlendete genug gibt, die sich nicht scheuen, die Gero «tue» Bürgerkriege, heraufzubeschwören, und zur Freud« de» uns feindlich gesinnten Ausland«» das Deutsche Reich zu zerschlagen. Wer diese B e - weguug direkt oder indirekt unter- stützt, «acht sich zum Hoch- nnd Landes- Verräter und hat schwerste Strafe zu gewärtige»! Der Reichsprkfident und die Reichsregierung habe» erklärt, daß alle Maßnahmen zur Rieder, tämpsnng de» Putsche» und Wiederherstellung der Ordnung getroffen sind «nd mit rücksichtsloser Energie durchgesührt werde». Auch die staatlich« Polizei wird «it aller Ent schiedenheit ihre Pflicht erfüllen »nd die gesetzmäßige repabltkanische Versassnng schütze«. Bürger, Republikaner! erschwert der Polizei diese Aufgabe nicht dnrch zweckloses Umherstehen aus Straßen and Plätzen! Weist diejenigen zurück, die die schwer« Notlage des größten Teile» der Botts- genoffen zu einer wüsten Hetze gegen einen Teil unserer Einwohnerschaft und zu Anschläge» auf die republikanische Reichs- und Landesverfassung de- nutzen wollen. Di« Polizei wird allen Teile» der Bevölkerung gleichmäßig ihren Schutz angedelhen lassen nnd ihre ganzen Machtmittel elnsetzen, >nn jede Putsch, bewegung im Keime z» ersticken. Leipzig, 9. November 1928. Da« Poliz«ipräfidi»m Leipzig. Grmäßiguugssätze beim Steuerabzug Die für die zweite Lcptemberhälste in Geltung ge wesencn Erwäßiqunqssätze beim Steuerabzug ?>ach 8 46 Absatz 2 des Einkommensteuergesetzes werden auf die Zeit vom 11. bis 17. November 1923 dreihunderttausendsocht". Die Ermäßigungen be tragen hiernach wächcntli c>i für d u Steuerpflichtigen und seine Ehefrau je 51 840 000 000 -k sür jedes Kind 34« 600 000 000 und für Werbunqskostcn 432 000 000 000 Die einbchaltenen Sreuerieträge sind aus 1 Mil liarde Mark nach unten abzurundeir. Auf dir amtliche Bekanntmachung der Finanzämter i» dieser Zeitung wird Bezug genommen. BedarfSsätze der allgemeinen Fürsorge Der Rat hat mit Rücksicht darauf, daß die Preise der unentbehrlichen Lebensmittel in diesen Tagen wiederum in die Höhe geschnellt sind, beschlossen, die für diele Woche zunächir festgesetzten Bedarfssotz.' nochmals um 100 Prozent zu erhöhen, soweit da? mit den der Stadt zur Verfügung stehenden Mittel» möglich ist. Für die neu« Woche sind dir Brdar' - sätze wie folgt erhöht worden: ein Mann 320 Milliarde» Mark eine Fran 280 „ , ctt. Sind 210 , , I s r c o, x 0 z yt Bunte Bilder aus Bayern Eine mißglückte Hitler-Versammlung von 0. tzck Seal Bis vor kurzem hatte» die Versammlungen der Rationalisten cm Bezirkeort Karlwies stets einen ansehnlichen Erf.,,g. Iedrsmal strömte die Bauernschaft der ganzm Umc.egend zusammen und füllte den großen „Post-Saal". Reicher Beifall lohnte den Redner. Wenn schließlich auch die Banern keine Parteimitglieder wurden — man konnte d.-rt in der Gegend immer noch billig bamswrn. Schwer' bepackt kamen die Referenten der Partei und ihre Begleitmannschaften oic Stadt zurück. Man riß sich im nationalsozialistischen Haupt quartier gerade darum, wenn cs hieß, Karlwies gelte es wieder zu bearbeiten. Sankt Hitler (unser unphotographierbarer Bcikshcros) aber war schließ lich doch unzufrieden, als trotz der regsten Pro vagandaarbeit so wenig Mitgliederanmcldungcn in Karlwies zustande kamen. Daß die Bauernschaft mit uns in der Abneigung gegen Berlin und die Juden einig ist, sei kein verzeichncnswerter Erfolg, Nationalsozialisten müssen aus dem Boden wachsen wie die Pilze, wo wir hüikommen! Und er schickte einen seiner gewandtesten Redner hinaus nach Karl- wie«. Strengste Weisungen erhielt derselbe. Wieder »rar es das gleiche Bild in Karlwies. Der große Postsaal war überfüllt. ,ÄH, unsere Spezi nl Grüaß enk!" riesen die Bauern von allen Seiten den Nationalsozialisten zu. Ueberall war man hoch, erfreut, wieder einmal einen richtig schimpfen zu hören, so wie ihm der Schnabel gewachsen ist. Alles nahm den besten Anlauf, aber mitten drinnen gab es einen Riß. Mitten in der Rede des gewandten Referenten trat eine seltsame Wandlung ein. , — — aber, Zuhörer au» dem ehrenhaften Bauernstand, Handwerker und Arbeiter! Ich will euch verraten, lang dauert dieser Saustoll mit der Wucherei und dem Schiebertum nicht mehr! Laßt'» euch nur Zeit, unser Adolf, der Hitler, ver saht diesen sauberen Regierungshuren die Suppe/ Hub mit größerer Betonung der Referent beim zwei ten Absatz seiner Red« an, und wurde ermutigter, al» ex ein allgemeines Heben der Köpfe in der Zu- Hörerschaft bemerkt«. ,Nicht einen Pfifferling haben'« «ehr wert, dir Papisrsttzen, di« WncherbonknoSe», j die wo jetzt die Reichsregierung in einer Tour druckt, und, fowahr ich da steh', die längste Zeit hat der Saustall gedauert, kann ich euch verraten!" Er wischte sich schnell den Schweiß au« dem Gesicht. In die Zuhörerschaft kam jetzt mit einem Male eine Bewegung, ein Gemurmel begann. „Wos — wos, wos sogt er? . . . Wos, was sogt er?" fragte es hinüber und herüber. „Wos — wos sogt er?" lief weiter wie ein halblautes Hin und Her. „S' Geld wird abgeschasst . . . Unser Geld gilt nix mehr!" antwortete der Fingerer und deutete auf den weibersprechenden Referenten: „Do, hart's zua!" Der wackere Redner hotte sich in eine beschwörende Haltung hineingeredet und schrie von neuem: „Keine zwei Monat mehr, Bauersleut', und die ganze Bank notenwirtschaft hat aufgehört! . . . Unser großer Führer Adolf Hitler hat schon seit einem halben Jahr bis aufs Haar einen ganz neuen Plan über die Umgestaltung der Währung ausgearbeitet — und da könnt'» euch verlassen, was unser Adolf sich vornimmt, da« geht durch Er kam plötzlich ein wenig au« der Fassung, der mutige Referent, als er jetzt die erregtere Bewegung im Saal bemerkte, und hielt es für ratsam, nach kurzer Zeit mit einiacn Kernworten mit seiner Rede zu enden. Kein Beifall kam. Er wurde beklommen. Um wieder Schwung in die Sache zu bringen, forderte er mit den bekannten Worten: „Nicht daß es heißt, wir Nationalsozialisten lassen keine andere Meinung auf- kommen . . die Versammelten auf, sich recht zahl reich an der Diskussion zu beteiligen. Aber selt samerweise, auch das vervuffte vollkommen. Nicht ein Bauer meldete sich, auch auf die wiederholte Auf. forderung tat keiner dergleichen. Plötz- lich wurde die Unruhe der Dauern lauter. Aus einem unerfindlichen Grund fingen sie zu schimpfen an. »Sollt'« drinn bleib'n in der Stadt, di« plärr- mäulertrn Sprecher, dir pliirrmäulertcn!" graunzte der Schnauzbaner von Arqelsried: „Kemma ja so bloß weg'n unsre Oar (Sier) und weg'n unfern Butter, do Kengeln! San ja so derhungert!" Man kümmerte sich keinen Pfifferling mehr um die Ver- onstalter der Versammlung. „Freilil . . . Und macht'« uns noch schnell dös ungültig' Geld alles geb'«, dö Schnointreib« (Zuhälter), dö windig«!* polterte der Finqerer bekröitiqend. Und der Irael- bacher verzog finster fein Gesicht und schrie aus voller Kohle: «Net was Schwarz'» untrem Nagel ist, krchgt > mir einer noch! . . . Lieber gib ich mei Milli und mei Butter dö Ferkeln, voreh' ich nochmoi solcher« Faulenzer wos gib!" Und alle zollten Beifall. „Naus! . . . Verziagts enk, Zuchthäusler!" schrie die ganze Bauernschaft wie ein Mann und begann die Tribüne zu schieben. „Dir National. . schrie der Referent mit aller Kraft. „Papp'n holt, Sauhammi, gselchter! . . . Schla winer seid»!" ergoß es sich auf ihn und „Nous! Raus aus unsem Gau!!" brüllte es unwiderstehlich, daß di« Nationalsozialisten den Schauplatz verlassen mußten. Unverrichteterdingc kamen sic ohne Ei, ohne Milch, ohne Butter in die Stadt zurück. Seitdem bekommen sie keinen Saal mehr in Karlwies, und in den anderen Ortschaften unseres Gaue» erst recht nicht. Eine Abordnung der Bauern schaft fuhr schon in den nächsten Tagen nach dieser Versammlung^ in die Stabt und beruhigte sich erst wieder, al» sie ausdrücklich von der höchsten Regie rungsstelle den bündigen Bescheid erhalten hatte, baß die mitgebrachten Banknoten alle gültig seien. Gewandhaus und Motette Das fünfte Gewandhauskonzert stellte keine neuen Werkprobleme, gegen die bisherige Gewohnheit. Maa hörte di« „Sommernachtsttaum"-Ou»B:tLr«, dos Doppelkonzert von Brahms für Violine und Violon cello und dir viert« (F-Moll-) Sinfonie von Peter Tschaikowsky. Der Enthusiasmus des Gewandhaus stammpublikums, den diese roh gezimmerte, oft da» Banale und Barbarische Kreisende Sinfonie aus löste, wird nicht von jedem geteilt worden sein. Daß hier virtuoser Elan in der Darstellung und nicht die Qualitäten des Werke» den Erfolg bestimmten, ging sehr unzweideutig aus den: Beifall nach dem dritten Satz in russischer Balalaikaweise und nach dem mit unerhörter rhythmischer Verve strettaortig musizierten Schluß des letzten Satze« hervor. Furtwängler hat Tschaikowsky im allgemeinen «doch zum Nachteil seines ursprünglich«, musikali- chen Charakter» enttnelancholisiert, hat dessen Salon- entimentalität gemildert. In Mendelssohn» Ouver türe geriet über äußerster Derieinerung und Ver deutlichung der Einzelheiten das Ganze ein wenig aus dem Blickfeld. Brahms bedeutete den eigent lichen Gewinn de» Abend«, d« hier die Soko instrumente von den Herren Dollgandt und Klengel mir einer gewinnenden Schlichtheit de? Vortrages, selbstverständlicher technischer Meist."' schäft und starker Einfühlung in die Seele Brahmsischcr Musik gespielt wurden. Furtwängler war gleichsam der dritte Mann bei diesem ganz ganz nach innen gerichteten Kammcrmusizieren. Da? Orchester konnte den verdienten Dank für seine außerordentlichen Leistungen am Schluß des Tschai kowsky entgegenehmen. Die Kräfte, aus denen sich dos Leipziger Musik leben erhält und erneuert, sind das Gcwondhcwr- und die Motette. Straube ließ von den Thomanern das Werk eines zeitgenössischen eng lischen Komponisten singen: Bruchstücke einer Messe von R. Vaughan Williams. Ein Werk, da? in der äußeren Form eine» Resvonsorialgesanges zwischen Priester und Chor katholisch anmutet und im Kern doch protestantisch ist: das mit allen Mitteln einer artistisch verfeinerten Satzkunst altkrrchlichen Geist «insängt, ohne bewußt zu archaisieren. Es wird bei Gelegenheit der ersten Gesamtausführung dieser Meffe noch mehr darüber zu sagen sein. N. ». -Oie Räu-er" irr neuer Besetzung Ezimea spielt den Karl Moor. Er spart mir den physischen Eprochmitteln und schaltet das Pathos der Verse selten auf einen starken Ton ei», vielleicht aus Willkür, vielleicht auch ans einem Nichtanderekönnen. Dadurch aber wird der Kar! unversehens zum leutseligen Charakter, brav, lieb, sympathisch, gelegentlich in Momenten der Nach- denklichkeit und der philosophierenden Bc-trachtun, auch ergreifend: aber im ganzen ist er doch nicht be stärke Träger und Künder der Idce oder nur da? spielerische Gegengewicht des -Franz. Wendel ol.r Spicgelbcrg: ein beweglicher Komödiant, ei.! amphibisches Lebewesen mit schillernder Außenseite. Sch lag« ter ist al» alter Moor ein greisenhafter Jüngling. — Da» Publikum, dessen bewußt, daß dos Schillersche Reoolutionsaedicht wieder einmal aus der Ueberzcitlichkeit in oie Zeitlichkeit unserer Tage herabgestiegen sei, aing begeistert mit und zeichnete naursntltch Schindler» Franz Moor mit feinem Wohlwollen an».
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