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Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 28.10.1923
- Erscheinungsdatum
- 1923-10-28
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-192310284
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-19231028
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-19231028
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1923
-
Monat
1923-10
- Tag 1923-10-28
-
Monat
1923-10
-
Jahr
1923
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Leite * Leipzigs wertbeständiges Geld Wo« durch währnngstechnische Selbst hilfe zur Uebcrwindung der gegenwärtigen äußerst zugespitzten Krise getan werden kann, ist in Leipzig geschehen. Die Oeffentlichkeit wird der Handels kammer sür ihren raschen Entschluß und die ent- schlossen« Durchführung ihrer Pläne Dank wissen, da« Geleistete ist erstaunlich, wenn man die Fülle ter Schwierigkeiten bedenkt, die zu überwinden waren. Interessante Einzelheiten darüber wurden in einer Sitzung bekannt, die am Sonnabend vor- mittag mit Vertretern der G e w e rk s ch a s t s v e r- bände in der Handelskammer abgehalren wnrde. Ursprünglich war die Absicht der Gewerkschaften gewesen, gemeinsam mit den Vertretern der Arbeit- geber Richtlinien auszustellen, nach denen die L o h n- zahlnngcn in wertbeständigem Geld erfolgen können. Dos ließ sich nicht erreichen, da keine Arbeit- geber anwesend waren. Diese wichtige Frage soll nun in einer kleinen Kommission am Montag be- sprachen werden. Dr. Clad non der Handelskammer berichtete über die technischen Einzelheiten bei der Aufgabe des Notgeldes. Der Beschluß wurde am Mittwoch gefaßt. Maßgebend war di« Absicht, den notwendigen Abbau der Popiermarkzahlungcn, unter der Arbeitgeber und Arbeitnehmer in gleicher Weise keiden, möglichst zu beschleunigen. Die Handels- kammer übernahm die Aufgabe im Einverständnis mit Industrie und Handel, nm einer unzweckmäßigen Zersplitterung der Ausgabe narzubrugen. Beabsichtigt war zunächst, Devisen und Dollar- schatzanweisungen als Deckung für das aus- zugebende Notgeld zu verwenden. Das wurde durch die Verfügung des Reiches, nach der nur Gold- anleihe zugelaffen ist. unmöglich. Also nur gegen Einlieferung de« entsprechenden Betrages in Gold- anleihe ist das neue Notgeld bei den Banken zu be- kommen. Gewiß bringt das manche Schwierigkeiten mit sich, Devisen und Dollarschatzanwcisunge,, wären für manche Firmen leichter zu beschaffen gewesen, doch kann die Verordnung des Reiches nicht um- gangen werden. Der Einzelhandel hat an allen Beratungen mitgewirkt und ist bereit, den Zahlungsverkehr mit dem neuen Notgeld nach Kräften zu fordern. Nach den ersten unvermeidlichen Schwierigkeiten wird dos Notgeld in allen Geschäften in Zahlung genommen werden. Selbstverständlich wird das Papiergeld seine volle Kaufkraft behalten-, es darf nicht zurückgewiesen werden. Mit dem Druck der Scheine wurde schon am Mittwoch begonnen. Bis Sonnabend früh um II Uhr waren bereit« für 120000Gold- mark hergestellt und den Banken überwiesen. Natürlich wäre diese Summe weit höher gewesen, wenn e« sich nicht um Scheine mit kleinem Nennwert gehandelt hätte. Am Dienstag soll mit dem Druck zunächst aufgehört werden-, e« wird dann ein Betrag von etwa bi« 1 Million verfügbar sein. Ist bis dahin da» wertbeständige Geld de« Reiches immer noch nicht erschienen, so werden weiter Geldscheine hergestellt werden. , Der Wert des neuen Zahlungsmittels hängt natürlich davon ab, wie weit es nun auch in die Oeffentlichkeit kommt, d. h. zu Lohnzahlungen Verwendung findet. Hierüber bestehen bisher noch keinerlei Abmachungen. Gerade darauf legen die Arbeitnehmer mit Recht den größten Wert. Bis setzt steht es gänzlich im Belieben der einzelnen Arbeitgeber, welchen Teil des Lohne» sie in wertbeständigem Geld auszahlcn. Line einheitliche Regelung wäre natürlich sehr «r wünscht. Die neuen Geldscheine sind in kleinem, handlichem Format gehalten und mit ollen Mitteln der Drucktcchnik gegen Fälschungen gesichert. Das Papier ist mit Wasserzeichen versehen; jeder Schein trägt Serienbezeichnung und Nummer und in der rechten obern Ecke einen Faksimilestempel, die Scheine größeren Nennwerte« mit dem Namen Dr. Clad, die kleinen mit dem Namen Dr. Uhlig. Von der Oeffentlichkeit muß erwartet werden, daß die Scheine wirklich umlaufen und nicht ge- hamstert werden; denn nur wenn sie dem Zoh- tungsvcrkehr auch wirklich zur Verfügung stehen, werden sie die günstige Wirkung haben, die man von ihnen erwartet. Goldmarkpreise im Kleinhandel Der erst kürzlich gegründete Zent.raloor- band für Lebensmittel-Handel und -Gewerbe nahm am Freitag im dichtbesetzten Saale de« Restaiuants „Sanssouci" in einer Protest- Versammlung Stellung zu den Nöten des Lebens- mitteleinzelhandels. Nach einer Rede des Landtage abgeordneten R ö l l ig - Leipzig wies Stadtverord- neter Merseburger darauf hin, daß die Per- ordmingen über Wucher- und Standgerichte, Preis treiberei und Preisschilderzwang keine Schutzmittel seien, die dem gewerbetreibenden Mittelstand nach der Reichsverfassmrg zu gewähren seien. Man könnte auch bei der gegenwärtigen Preisbildung nicht von einer Preissteigerung, sondern nur von einer Mark entwertung sprechen. Die Kleinhändler würde» als letztes Glied der Erzeugerschaft vom kaufenden Publikum sür die hohen Preise verantwortlich ge- macht, die letzten Endes von der Industrie und dem Großhandel diktiert würden. Der Einzelhandel müsse vom Großhandel auch weniger scharfe Liefe rungsbedingungen fordern, da er sie in den meisten Fällen doch nicht einhalten könnte. Der Vorsitzende des Leipziger Einzelhandels Eid mann meinte, daß man von vornherein die Preisgestaltung als Lohnproblem hätte ansehen müsseir. Der Arbeiter und Angestellte bekomme Löhne, die ihn schon am nächsten Tage außerstande setzten, sich nur die notwendigsten Lebensmittel zu kaufen. Der Umsatz bliehe daher anormal. Die interessantesten Ausführungen machte der Syndikus der Verbandes de« Lebensmitteleinzel handels, Dr. Hilpert. Er betonte, daß d«M Kleinhandel auch eine KaSkulationsmöglichkeit ge geben sein müsse, wen» der Industrie und dem Groß- handel offiziell die Goldmarkpreise zugestanden wor den sind. Wenn der Kleinhandel verlange, seine Preise ebenfalls nach Doldmark zu berechnen, so ver- lange er damit kein Sonderrecht. Eine offizielle Er laubnis zur Goldmarkberechnung wäre aber für den Kleinhandel nicht mehr nötig, da ja jetzt sowieso ein wertbestänides Zahlungsmittel in Gestalt des Goldnotgeldes und der Rentenmark vorhanden oder in nächster Zeit zu erwarten sei. Der Redner ging auf die Preisschilderverordnung ein und führte au», daß mit einer solchen Verordnung ein Währungsver- fall nicht mehr aufzuhalten sei. Der Wucher, den man mit dieser Verordnung hätte bekämpfen wollen, wäre in anderen Kreisen, nicht aber im Kleinhandel zu treffen. Erst dann, wenn ein Wertmesser vor handen sei, der von keinen Kursschwankungen ab- hängig wäre, würde sich zeigen, wer der tatsächliche Wucherer ist. Nur in der Schaffung einer wert- beständigen Währung liege der Kern zu einer Be ruhigung der wirtschaftlichen Verhältnisse. Diese wertbeständige Währung käme in Kürze in der Rentenmark zum Ausdruck. Bis zur end- gültigen Einführung diese« wertbeständigen Aah- lungsmittels, zu dem man unbedingt Vertrauen haben könne, sei Goldnotgeld herauryegeben worden. Dieses Geld baut sich auf der Goldanleihe auf und würde nur an denjenigen Unternehmer ab- gegeben, der dieses Geld durch Goldanleihe decken kann. Der Kurs dieses wertbeständigen Notgeldes wird nach der amtlichen Berliner Notierung der Goldanleihe berechrttt. Zur Zeit beträgt der Wert einer Goldmark (nach unten abgerundet) 15 Milliarden Papiermark, di« weiter bi» zu ihrer Aufsaugung durch di« Rentenmark ge- setzliches Zahlungsmittel bleibe und von jedem Kauf- mann angenommen werden müsse. Es sei falsch, diese« Goldgeld nun zu Hamstern, da es das bleiben Tagebuchblätter Don Sorftlj Komische» .... Auch im Kriege kann man manche» Ko- misch« erleben. Da waren wir zum Beispiel zu fünft in den Wald gegangen, um Holz zu holen, und plötzlich schlägt so eine deutsche Tante ein. Ich fiel in ein Loch, wurde verschüttet, und wie ich zu mir komme, sage ich mir: Verloren bist du, Ssemjon! Dann reibe ich mir die Augen, sehe mich um: die Kameraden sind weg, die Baume sind zerschunden, und an den Aesten hängen hie und da Gedärme. Da sina ich zu lachen an. E» war schon gar zu komisch: diese Gedärme in den Aesten. Später wurde es mir doch etwa» traurig zu Mute: waren doch auch Men schen und immerhin meine Kameraden, und nun sind sie plötzlich alle bi» aus den letzten Mann ver- schwuoden. Aber anfangs hatte ich doch ordentlich gelacht." „Wir kommen in ein Dorf, das besteht im ganzen au« drei Hütten, vor einer Hütte sitzt eine Alt« und nicht weit von ihr weidet eine Kuh. Wir fragen sie: .Großmutter, wem gehört die Kuh? Dir!' Eie sängt zu weinen an und kniet vor uns nieder. Ich habe,' sagt sie, »Enkelkinder im Keller sitzen, und wenn ihr mir die Kuh nehmt, müssen sie alle ver- recken.' — »Schrei nicht,' sagen wir ihr drauf. ,wir werdeu dir darüber einen Schein ausstellen? In unserer Kompanie war aber ein Bursch au» Ko- stroma, ein fürchterlicher Galgenstrick, und der schrieb ihr einen solchen Zettel: »Diese Alte hat schon neunzig Jahre gelebt und möchte noch neun- zta Jahre leben, aber da» wird ihr nicht gelingen.' wrd der Hundesohn unterschrieb den Zett»! mit ,D« lieb« Gott'. Dir gaben ihr den Zettel, nah men die Kuh und gingen. Und wir lachten dabei sp, daß wir kaum geben konnten: jeden Augenblick bleiben wir stehen und lachen, daß uns die Träne« au» den Augen fließen."« Heute beobachtete ich, wie ein« kleine blonde Dam« in Hellen Strümpfen, mit dem unfertigen Gesicht eine» kleinen Mädchen«, auf der Trotzkis- Brücke stehend und sich mit den Händen in grauen Handschuhen im Gelander sesthaltend, al» wollte fw in di« Newa springen, dem Mond ihre spitz» rote Zunge zeigte. Der Mond war groß und rot, wie betrunken. Die Dame neckte ihn durchaus ernsthaft, sogar schadenfroh, — so kam e« mir vor. Diese Dame rief mir einige seltsame Beobach, tungen in Erinnerung, über die ich mich seit langem wunderte. So oft ich sehe, wie ein Mensch sich be nimmt, wenn er sich unbeobachtetglaubt, muß ich ihn „wahnsinnig" nennen, — ein anderes Wort finde ich nicht. Ich sah, wie Tschechow, in seinem Garten sitzend, mit dem Hute nach einem Sonnenstrahl haschte und sich vergebens bemüht«, den Hut Mit dem Sonnenstrahl aufzusetzen. Ich sah, wie dieser Miß- erfola den Sonnenstrahljäger ärgerte und wie dessen Gesicht einen immer böseren Ausdruck annahm. Schließlich schlug er sich den Hut, völlig entmutigt, gegen da» Knie, stülpte ihn sich dann auf den Kopf, stieß seinen Hund „Tusik" mit dem Fuß zur Seite stieß seinen Hund „Tusik" mit dem Fuß zur Seit«, kniff die Augen zusammen, schielte zum Himmel hin- auf und ging dem Hause zu. Al« er mich erblickte, lächelte er und sagt«: „Guten Taa! Haben Sie bei Valmont gelesen: ,Die Sonne duftet nach Gräsern?' Wie dumm! Bei uns in Rußland riecht die Sonne nach Seif» und hier — in der Krim — nach Tatarenschweiß..." Der gleiche Tschechow bemühte sich lange ver» gebens, einen dicken Rotstift in den Hal» einer win zigen Apothekerflasche zu stecken. Er hatte offensicht lich das Bestreben, gegen- ein gewisses physikalische» Gesetz anzukämpfen. Tschechow gab sich dieser Be schäftigung mit der Hartnäckigkeit eine» Experimen tator» hin. Leo Tolstoi fragte aber leis« ein« Eidechse: „Dir geht e» gut, was?" Sie wärmt« sich in der Sonne auf einem Stein auf der Straß« nach Djulb« (Krim)» und rr stand vor ihr, di« Finger in de« Gürt«lriem«n gesteckt. Der groß« Mensch dieser Welt sah sich vorsichtig ,nn und gestand der Eidechse: „Mir geht es aber nicht gut." Alexander Block und di «Dirn«. Im Restaurant „Dekor" erzählt« mir ein Mädchen vom Newskij-Prospekt; „Sie haben hier ein Buch von Block, dem be- rühmten Block? (Alexander Block war in den 9yrr Jahren einer der bekanntesten russischen Schrift- Haller.) Ich hab' ihn auch gekannt übrigen» npr ein mal. Es war einmal im Kerbst, fe« -spät, bei müsse, wo» e« ist, nämlich Umlaussmittel. Es muß rin wertbeständiges Zahlungsmittel in die brtiten Massen der Verbraucher gebracht werden und e» seien Maßnahmen getroffen, daß die Kauf- Mannschaft dos eingenommen« Goldnotg«ld bei Ab- rechnungsstellen verrechne. Hinsichtlich der Preis, gestaliung gäbe' es bei einem wertbe st ändi- gen Zahlungsmittel aber nur eine wert- beständige Preisberechnung. Dann sei auch wieder eine gesunde Konkurrenz und eine Kal- kulation möglich. Daher müsse die Gold mark auch die Basis der Preisgestaltung werden. ' De» einzelnen Ausführungen der Redner folgten Debatten. Es wurden zwei Resolutionen an- genommen. Die erste lautet.- . „Ter Zeutralvrrband sür Sebcnsmiilklvondcl und Ge- werd« fordert von der Reqieruna auf« dringendste da» : Rewt für den KlrtndSndler, be, Frsisepvng der Ver- ' kaus-prciie Berechnung aus GoldmarkbafiS > vornnnedmen. Mit Rücksicht darauf, daß der Kleinhändler tast nur > Ware gegen Bar,adlung aus OwlvmarkvastS bzw. Bor- auörablung crdalt. muh er berechtig« sein, naw dem , «yegcht-punkte der yrhaltung seiner Lubstanz zu kalku lieren. Tte stetig sortschreirende, geradezu kamluwpbale Geldentwertung vat den gesamten Lebensmittel kleinhandel in eine verzweifelte Lage verte bi. indem Ne di« Betriebsmittel derart vermindert bat. datz Ne nicht mehr ,ur Wicdcrbefchasiung der aüer- uolwendigsten Warrn auSreichen. Einen deutlichen Be weis für den drohenden Verfall des Lebcusmittelbandels liefert die zunehmende Achliehung der Läden „wegen Warenmangel«-, die auch durch behörd liche Berordnungen nicht aufgebalten werden kann. Der Verband erachtet es als beiltge Pflicht der Ge samtheit gegenüber, das WirtschastSministerium über den Ernst der gegenwärtigen Lage im LevenSmittelklein- handel aus;uklären. damit die Regierung noch rechtzeitig Mäftnabmen tresfrn kann, um tu verhindern, das, der Kleinhändler, ohne eigenes Verschulden, seinen ausverkauften Laden schlirtzen muh." Die »weite Resolution an di« Jufti,Verwaltung lautet: „Der Zentralverband iür LebcnSmitlelhandel mrd -Gewerbe ;u Leipzig fordert aufS schärfste die Auf hebung 'der Preisschilder. Verordnung sowie der Ltand- und Marktgerichte. Mit grökter Entrüstung nimmt di« Versammlung davon kennmiS, daß in letzter Ze« Kleinhändler, die versehentlich «ine Ware im Schaufenster nicht beschildert batten, nach dem Standgerichte abgeführt und mit Ge- sängnis beslrast worden sind, und legt hiergegen schärf- sien Protest «in. Der Verband sorderr iür die mit Gc- sängnir bestraften Kleinhändler Ttrascrlatz. Tollte da» Justizministerium dieser berechtigten For derung nicht »achkommeu, so ist der Verband entschloßen, für jeden Daa verhängter GesängniSstrase einen Tag die Geschäfte i «Leipzig und in der städtischen Markthalle schließen zu lassen." Di« Lage de» Arbeitsmcrrkter in der 3. Oktober- woche hat sich weiter verschlechtert. Di« Zahl der Erwerbslosen ist stark gestiegen, da die Neuanmeldungen beim Arbeitsnachweis die Der- mittlungen um ein Vielfaches überschritten. Zu größeren Entlassungen kam es in der Teppich. Industrie, in der Metallindustrie, im Kürschner» aewerbe, im Baugewerbe und im Handels- und Transportgewerbe. Auch das Sattlergewerbe und die Lederindustrie Meßen vereinzelt Arbeitskräfte ab, obwohl hier in den meisten Betrieben die wöchentliche Arbeitszeit aus 8 Stunden herabgesetzt ist. Don den Entlassungen wurden Arbeiter und Angestellte betroffen. Auch sel ständige Hand- werksmeister haben sich in größerer Zahl er- werbslo» gemeldet, so <n» dem Bekleidung«- gewerb« und dem Tapezievgewerbe. Die Zahl der unterstützten Erwerbslosen einschließlich Kurz- avbeiter (ohne Familienangehörige) betrug in Leip zig in der 3. Oktoberwoche rund 89600 (gegen 96 000 in der Vorwoche); an Unterstützungen wurden über 61 Billionen Mark (in der Bor- woche 14 Billionen) gezahlt. Eine Reformation «frier de» Christlichen Eltern- verbände« findet am 31. Oktober, -j8 Ukr, im Großen Saale de« Evangelischen Dereinrhause», Doßstraße 14, statt. Den Hauptvortrag mit Lichtbildern über „Das Christen tum und die anderen Religionen" wird Universitäts- prafeffor l)vr. Leipoldt halten. Kürzere An sprachen halten die Perbandevorsitzenden Pfarrer Barchewitz undStudienratDr. C. Wunderlich. Di« musikalischen hat der Leipziger Männerchor unter eitung seine» Ehormeister« Prof. Wohlgemuth übernommen. . . Rebel und Rässe, die Rathau»uhr zeigte schon argen zwölf, ich war sehr müde und wollte schon heim- gehen, al« ich an der Ecke von einem gutgekleideten, hübschen Herrn mit stolzem Gesicht angesprochen wurde, ich glaubte es sei ein Ausländer. Wir gingen -u Fuß, ganz in der Nähe, in der Karawannaja 10, gibt es em Absteigequartier. Ich gehe - mit ihm, sprech«, er aber schweigt, und es ist mir unangenehm, denn ich mag unhöfliche Leute picht. Wie wir an kamen, bat ich um Tee. Er läutet«, der Kellner kam nicht, da ging er selbst in den Korridor hinaus. Ich war aber so müde und erfroren, daß ick auf dem Sofa sitzend einschlief.- Wie ich plötzlich aufwache, sehe ich: er sitzt mir gegenüber, hat den Kopf mit den Händen umfaßt, die Ellbogen auf den Tisch gestützt und sieht mich so streng an — schreckliche Augen! Dor lauter Schande empfand ich sogar keinen Schreck, ich dacht« mir bloß: Mein Gott, er ist sicher ein Musiker. Einen Lockenkopf hatte er. ,Ach, entschuldigen Sie,' sagte ich, ,ich werde wich gleich ausziehen.' Er aber lächelte höflich und antwortete: Lst nicht nötig, bemühen Sie sich nicht.' Er setzte-sich auf« Sofa zu mir, nahm mich auf den Schoß, streichelte mir da« Haar und sagt«: ,Nun„ schlummern Sie noch ein wenig!' Und denken Sie sich: ich schlief wieder ein, dieser Skandal! Dabei wußte ich sehr gut, daß e» unrecht war, aber ich konnte nicht ander». Er lullte mich zärtlich ein, e» war mir so gemütlich mit ihm. Zuweilen öffne ich di« Augen und lächle, und auch er lächelt. Ich war wohl ganz einaeschlafen, al« er mich plötzlich schüttelte und sagte: ,Nun leben Sie wohl, ich muß gehen.' Und er leate auf den Tisch fünfundzwanzig Rubel. Hören Sie,' saae ich ihm, ,«a» ist denn da«?' Ich war natürlich sehr verlegen und entschuldigte mich, «« war so furchtbar komisch, sogar sonderbar. Er aber lachte leise, drückte mir die Hand und ksißte sie sogar. Al» er fort war, sagte mir der Kellnet: ,Weißt da, wer mit dir eben war? Der Dichter Block, da, schau' Herl' Und er zeigte mir sein Bild. Mein Gott' denke ich mir, ,wie dum« ist e» doch gewesen!'" Urber ihr freche« Gesicht mit der Stupsnase und den verschlagenen Auge» eine« herrenlosen Hündchen» huschte tatsächlich der Au»druck eine» herzlichen Kam- mer» und Aerger». Ich gab Hem Mädchen da» ganze Geld, da» ich bei mir hatte, und von der Stunde an war mir Block besonders nahe und verständlich. Mir ««fällt sein strenger Gefichtsausdruck und foin Kopf'eine* Florentiner» der > Renaissance. . , Vie demokratische Lifte zu den Ztadtverorenetenwahlen Die Deutsche Demokratische Partei hat für die Stadtverordnetenwahlen am 18. November nach- sichenden Wahlvorschlag eingereicht: 1. Kaufmann und Fabrikbesitzer Max Deickert, 2. Etudienrat Pros. Reinhart Herz, 3- Frau Anna verw. Kröber, 4. Stadtamtmann Arthur Leh mann, 5. Gewerkvereinssekretär Eduard Sauer, 6. Lehrer Arno Wetzig, 7. Baumeister Otto Sommer, 8. Fabrikbesitzer Emil Schmidt, 9. Kaufmann Math. Saedler, 10. Telegraphensekretär Klara Adlung, 11. Obrrstcuerinspektor Max Küttner, IL Schneider meister Friedrich Sikora, 13. Krankenkaffenvorsteher Friedrich Mantel, 14. Brauer Johann Grethlein, 15. Kaufmann Josef Frank, 16. Oberpostsekretär Wilhelm Diermann, 17. Prokurist Oskar Radel, 18. Frau Theodora Rüdigeer, 19. Dr. med. Gerhard Fischer, 20. Diplomingenieur Betriebsvorstand Max Nöhmer, 21. Iustizamtmann Karl Koch, 22. Apo- thekcnbcsitzer Dr. phil. Oskar Birnbaum, 23. Direktor Olto Weber, 24. Lokomotivführer Theodor Schreyer, 25. Hebamme Emma Rauschenbach, 26. Postsekretär Otto Thiele. 27. Verlagsbuchhändler Dr. phil. Felix Meiner, 28. Stvdtamtmnnn Richard Ritter, 29. Ober- lehrer i. R. Otto Berlin, 30. Malermeister Karl Löschdurg, 31. Landgerichtsdirektor Dr. Karl Riedel, 32. Sttudienrat Margarete Schocker, 33. Maschinen bauer Karl Krahmer, 34. Lehrer Richard Voigt, 35. Frau Marta Keßler, 36. Fabrikant August Bar- nikol-Deit, 37. Baumeister Max Zahn, 38. Abteilungs- Vorsteher Hans Fallentinsen, 39. Straßenbahnwagen- führer Wilhelm Frenzcl, 40. Stadtamtmann Max Börner, 41. Eisenbahnoberinspektor Karl Hausmann, 42. Frau Anna Hrrzlieb, 43. Bankbeamter Waldemar Echcnklcr, 44. Fabrikant Max Janke, 45. Regierungs- baudirektor Julius Baer. Bon den bisherigen Stadtverordneten erscheinen Frau Edith Mendelssohn-Bartholdy und Bankier Wilhelm Meyer nicht wieder auf der Vorschlagsliste. Beide, die seit 1919 dem Stadtverordnetenkollegium angehören, haben wegen Ucberlastung mit Berufsgcschäften eine Wiederauf, stellung abgelehnt. Alle Bemühungen der Partei, eine Zurücknahme dieses Entschlusses herbei- zuführen, sind leider ergebnislos gewesen. Frau Mcndelssohn-Bartholdy war Vorsitzende des Slis- tungsausschuffes. Sie ist fast bei allen Fraaen her- vorgetreten, die die Frauen besonder» betreffen, und hat vorwiegend soziale und kulturelle Angelegen- heilen bearbeitet. Bankier Wilhelm Meyer hat seine Mitarbeit im Stadtverordnetenkollegium in der Hauptsache den Wirtschafts-, Verkehrs- und Finanz fragen gewidmet. Seine außerordentliche Sachkunde und seine ungewöhnliche persönliche Aufopferung, wesentlich im Finanzausschuß, sind für die Stadt von unschätzbarem Werte gewesen, was auch allseitig rück haltlos anerkannt worden ist. Frau Mendelssohn- Bartholdy und Bankier Wilhelm Meyer ist die Partei und die Stadt zu aufrichtigem Danke verpflichtet. Als Spitzenkandidat hat sich wiederum in dankenswerter Weise der bisherige Fraktionsvor- sitzende Kaufmann und Fabrikbesitzer Max Weickert zur Verfügung gestellt. An hervor ragender Stelle der Liste stehen von den bisherigen demokratischen Stadtverordneten Professor Reinhart Herz und Gewerkvereinssekretär Eduard Sauer. Stadtamtmann Richard Ritter, der infolge der llebernahme des Umsatzsteueramte« durch das Reich aus dem städtischen Dienste ausgeschieden ist, hat seinen Platz dem Stadtamtmann Arthur Leh mann überlassen, um den Gemeindebamten eine Vertretung im Stadtverordnetenkollegium zu sichern. An Stellys des verstorbenen Oberlehrers Billhardt ist Lehrer Arno Wetzig getreten. Im übrigen spricht di« demokratische Vorschlagsliste sür sich selbst. Gestützt auf die verdienstvolle Arbeit der gegenwärtigen Stadtoerordnetenfraktion, darf die Deutsche Demokratische Partei mit Zuversicht in den Wahlkampf eintreten und auf Verständnis in allen Kreisen der Leipziger Bevölkerung rechnen. Wetterbericht für Sonntag, den 28. Oktober Erneut unruhige Witterung mit Regenschauern, Temperatur schwankend, Loch vorwiegend mild. Versteigerung einer baltischer» Schloßt ibliothek. Don Dienstag, den 13. November, bis Donnerstag, den 15. November, findet bei F. A. Brockhaus, Leipzig, die Versteigerung einer baltischen Schloßbibliothek statt. Der 1555 Nummern umfassende Katalog zählte wie der „Cicerone" mit teilt, eine ganze Reihe wertvoller, z. T. sehr gesuchter Werke auf, darunter viele Erstdrucke, z. B. von Kant: „Zum ewigen Frieden" (erste Ausgabe der ersten Auflage, 1795), „Streit der Fakultäten" (1798), „Prolegomena" (1783), von Jean Paul, erste Gesamt- ausgab« seiner Werke, von Lessing, Fabeln (1. Aus gabe). Außerdem: Der neue Pittaval, 60 Bände (1842—1883), alte Drucke und illustrierte Werke, ausländische Literatur, Kunst, Archäologie. Professor Wölfflta geht »ach Zürich. Wie aus München gemeldet wird, hat der Kunsthistoriker Pro- seflor Heinrich Wölfflin die erbetene Entlassung aus dem bayrischen Staatsdienst erhalten. Er verläßt München, um dem an ihn ergangenen Ruf an die Universität Zürich Folg« zu leisten. Die größte europäische Kuastsamnrlung ft» Japan vernichtet. Trotz den noch immer widersprechenden Nachrichten über den Umfang der Verluste, die das große Erdbeben den Kunstsckmtzen Japans gebracht hat, scheint es festzustehen, daß die einzige große Sammlung europäischer Kunst de» Japaners Matsukata der Katastrophe zum Opfer gefallen ist. DieseroSamrnler hatte mit einem auch für Japan seltenen Temperament in den letzten Jahren ungestüm in Europa moderne Kunst gesammelt nnd den Händ- lern in Pari« und Berlin vorübergehend glänzende Geschäfte ermöglicht. Hauptsächlich sammelte er französische Impressionisten, deren Werke »um zum Teil ein jähes End« gefunden haben. Der Sammler selbst, bekannt al« einer der größten Echiffsreeder Japan«, scheint au» der Katastrophe mit de« Leben davongekommen zu sein. Eine Fortsetzung des „Kaufmanns >» Venedig". Wie die literarische Beilage der „Time«" berichtet, hat Shakespeare» „Kaufmann von Venedig" jetzt eine Fortsetzung gefunden. Verfaßt ist der Tragödie zweiter Teil von dem schon mit andere» Bühnen- werke» hervorgetretenen Theaterkritik« St. John G. Ervin«. Da« Drama führt den Titel „The Lady of Belmont" und hat fünf Akte; e» spielt in Porzia» Hau« in Belmont zehn Jahre nach dem Prozeß zwischen Shylock und Antonio. Shylock be- kommt schließlich sein Stück Fleisch, aber auf ein» andere Art, al» er es ursprünglich gefordert hatte. ,
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