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Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 27.10.1923
- Erscheinungsdatum
- 1923-10-27
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-192310276
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-19231027
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-19231027
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1923
-
Monat
1923-10
- Tag 1923-10-27
-
Monat
1923-10
-
Jahr
1923
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Ein neues Schema für die Buchhändler-Schlüsselzahl Keine tägliche Festsetzung mehr Die bisherige tägliche Festsetzung der Schlüssel zahl für den deutschen Buchhandel Hal sich infolge der überstürzten Geldentwertung al» vollständig unzulängli ch erwiesen, da die Frist zwischen Ermittlung und Veröffentlichung der Schlüsselzahl die Anpassung an die Kurslvrünoe de» Dollars un- möglich machte. Die Vorstände des deutschen Ver- lrgervereins, der deutschen Buchhändlergilde und des deutschen Musikalienverletzerverein» haben da her beschlossen, die Schlüsselzahl künftig nicht mehr von Fall zu Fall besonders zu ver öffentlichen; sie ist vielmehr von jedem Buch händler täglich selbständig an Hand einer Tabelle unter Berücksichtigung des amtlichen Berliner Dollarbriefkurses vom Vortag zu er mitteln. Einer Besserung der Mark hat di« Schlüsselzahl erst dann zu folgen, wenn der Dollarkurs um mehr als eine Stufe der Tabelle zurückgeht. Bei einem Dollarbrief- lurs von 62,1—68 Milliarden beträgt die Buch händlerschlüsselzahl 16 Milliarden, bei einem Dollarkurs von 100 Milliarden 26 Milliarden. Die Tabelle ist bi» zu einem Dollarkurs von einer Billion errechnet (entsprechende Schlüsselzahl 240 Milliarden), so daß man für alle Eventualitäten ge rüstet ist. Die Buchhändlerschlüsselzahl beträgt ab 27. Oktober 16 000 Millionen Mark. Leipziger Teuerungszahl 1 Stichtag 26. Oktober 833 070 000 000 Mark Stichtag 24. Oktober 586 592 000 000 Mark Die innere Geldeatwertnvg betrug am 26. 10. — gemessen an der Teuerungszahl de» Sta tistische» Amte» Leipzig — (833 070 000 000), seU 24.10. 42 Proz., 22. 10. 454 Proz., 19. 10. 886 Pro»., 17. 10. 1524 Pro»., 15. 10. 2078 Pro»., 12. 10. 2798 Pro»., 10. 10. 7421 Pro»., 8. 10. 10 932 Pro»., 5. 10. 14 805 Pro». Für die Berechnung der Düngerabfuhrgebühr be trägt der Wert des Pfennigs vom 27. 10. an 156 000 000. Erhöhter Vrolpreis Infolge gesteiizerter Mehl- und Kohlenpretje und mit Rücksicht auf dir Aufbesserung der Löhne für Gesellen, hat sich die Leidiger BLcker-Zwaug»- Innung genötigt gesehen, ab Sonnabend die Brot preise zu erhöhen. Es kostet ein Pfund 70pro- zentige« Brot 2430 Millionen und ei» Pfund 85prozcntige» Brot 2360 Millionen Mark. Ratsbeschlüsse Zum Direktor der II. höheren Mädchenschule mit Lehrerinnenseminar wurde der bisherige stellver tretende Direktor der II. höheren Mädchenschule, Studiendirektor Eduard Köhler, und an seiner Stelle zum stellvertretenden Direktor Oberstudien rat Dr. Gedan gewählt. Nachdem seitens der Industrie in dankens werter Weise beträchtliche Mittel für das Diako nissen Haus zur Verfügung gestellt worden sind, wurde beschlossen, den Betrieb dieses Krankenhauses in beschränktem Umfang aufrecht zuerhalten und die nach Einrechnung der Mittel der Industrie noch weiter aufzuwenden den Kosten zu bewilligen und hierzu die Zustim mung der Stadtverordneten einzuholen. Die Bau abgaben sollen ebenso wie die reinen Verwaltungsqebühren vom 1. November d. I. ab auf wertbeständiger Grundlage erhoben werden. Gewandhaus Bach — Schubert — Berttoz — Pfitzner Das dritte Gewandhaustonzert ergab eine Summe von ungetrübt großen Eindrücken, ein Gesamtbild vollendeter künstlerischer Leistung. Furtwängler ist sich selbst, seiner musikalischen Natur mit dem Programm denkbar weit entgegen gekommen. Daß auch Derlioz, der Dämon unter den Romantikern, zu jenen Wesen zählt, die Furt wängler ganz frei, hemmungslos aus seiner Indivi dualität darstellt, erschien mir als die erfreulichste Erkenntnis Dieses Abends; von Bach, Schubert, Pfitz- ner dürfte man's voraussetzen. Furtwängler diri gierte den „Benvenuto Celli ni" mit einem jünglingshaften Enthusiasmus, mir fast weiblicher Einfühlung in die Schwermut gewisser Berliozscher Meiodien und, lebendigem Sinn für die Raffe dieser Musik und ihren Eigenklang, für die gleichsam bild mäßige Drastik gewisser Episoden. Dieser Tat öff ne len sich alle Herzen. Ich gestehe, selten etwa» Kraftvolleres, Befreiteres von Furtwängler Aehörr zu haben, etwas, das so problemlos geschaut, so nur au» Musik empfangen und wie der in Musik, in Wohlklang gelöst er ¬ schien. Eine dämonisch glühende, erschreckend mächtige Gestalt, in deren Dann man lange bleiben mußte. — Im Programm diese« Konzert» waren die Kraftpunkte außerordentlich gewissenhaft und geschickt verteilt. Die Romantik in ihrer vollen Aus dehnung wird auf Musikalischen Urboden eine» Bachschen Brandenburgischen Konzerts gestellt; das ist ein denkbar glücklicher Gedanke. Denn Bach, wie ihn Furtwängler hinstellt: in jenem kraftvoll statio nären Tempo, mit jenen in sich verharrenden Stärke- graben und klanglichen Schichtungen, vertragt jede Belastung. Da» war Dachsche Musik au» der Rein- beit ihrer platonischen Idee empfangen und Gestalt geworden. Zwischen Bach und Derlioz stand Schubert» Unvollendete und Pfitzner» Klavierkon zert — Romantik au» einer kosmischen Weltstimmung das eine, Romantik aus der Literatur, aus einer Sehnsucht über sich, über ein bitterliche» Ich hinan» das andere; beides in sich groß und doch niemals fähig, einen Gegensatz in sich zu tragen, denn Pfitzner und Schubert sind keine Antipodennaturen. Pfitzner, der liebenswerte, charaktervolle Meister, hat in sich den Widerspruch auszutragen. E» gelängt auch in dieser letzten seiner Schöpfungen nicht voll Der Streit um die Versuchsschule Ein Vater, dessen Sinder nack» der städtischen BezirtSeintetlung tn die -4. Lotksich-utc (VcrluchK- scdul«) ta L«tpztg-Eonnewtv gehören, har seinen Lohn eigenmächtig vom Besuch dieser Schule zurüagchalten. Er hält sich sür berechtig! dazu, west «4 sich um ein« VersuchSschM« handelt, und weil er glaubt, da« sein Sind dor, nicht stvcchmätztg erjagen wird. Die Schulbehörde ha» ihn bestraft, un» er har gerichtlich« Ent" scheidung verlangt. Vor dem Tchöfsenge- richrr «rsolgte Verurteilung, vor dem Landgerichte Sretsprechung. Ta» Nevistonsgertcht, das unterdessen angerujen wor den ist, hat noch nicht gesprochen. Dir nachstehenden «uSftihrungen stammen von einein an erster Stelle stehenden Leipziger Schul mann, der vom Standpunkt de» Fachmann» aus über die besonderen Ausgaben dieser VersucvL- schule berichtet, mn die tn der Bevölkerung ver breiteten falschen Vorstellungen über diese Schul« zu zerstreuen. Der Prozeß vor dem Landgericht, iiber den das „Leipziger Tageblatt* kurz berichtete, Hal an eine Reihe pädagogischer und schulorganisatorischer Fra gen gerührt, über die in der Oeffentlichkeit — wie sich gezeigt hat, auch bei recht gebildeten Menschen — noch allerlei bedenkliche Irrtümer bestehen. Sie zu beseitigen, ist für die Schule ungeheuer wichtig; denn ohne das Verstehen und die innere Zu stimmung der Elternschaft kann sie ihre Aufgaben, besonders die erzieherischen, nur halb erfüllen. Wer gewillt ist, die staatliche Schulführung und die Bestrebungen der Berufserzieher von heute zu verstehen, der suche sich vorerst von der Last einer langen Echultradition zu befreien und zu begreifen, daß sich durch Gesetzgebung und Verwaltung zwar die Einrichtung der Schule, ihre wirtschaftliche Grundlage, ihre Organisation nach Altersstufen usw., das Maß der unterrichtlichen Versorgung der Kin der, die zweckmäßige Verteilung der Lehrkräfte, schließlich auch eine Festlegung und Abgrenzung der Arbeitsgebiete ordnen, aber niemuls die eigentliche innere Schularbeit, die unmittelbare Einwirkung des Lehrers auf das Kind erfassen läßt. Die Erziehungs- und Unterrichtsmethode wie die Pädagogik kann nicht Gegenstand der Gesetzgebung sei», ebensowenig wie es beispielsweise die Medizin sein kann. Zwar hat man in alter Zeit geglaubt — die Mängel in der Vorbildung der Lehrer mögen mit die Ursache dazu gewesen sein — dem Lehrer allerlei Vorschriften und Rezepte in die Hand geben zu müssen, um ihn vor methodischen Fehltritten zu bewahren. Und lange genug haben die Schulbehörden die Schaffung von Lehrplänen, in denen über Auswahl, Reihenfolge und Behandlung des Stoffes bis ins einzelnste gehende Bestimmungen vorhanden waren, als ihre besondere Aufgabe angesehen. Aber heute hat wohl kein deutsches Ministerium mehr die Auffassung, daß es eine Konzentration pädagogischer Einsicht dar stelle und daraus das innere Recht ableiten könne, die pädagogische Entwicklung zu regeln und für die Unterrichtsarbeit bestimmte Methoden anzuordnen. Gerade wo man in den Ministerien be- gönnen hat. pädagogisch zu fühlen, muß man sich auf diesen Standpunkt stellen, und gerade die Unpädago gischen unter den Eltern sind es, die die Zurück haltung der Regierung in Sachen der inneren päd agogischen Arbeit und auch die Schule nicht verstehen. Sodann verschließe man sich nicht der Erkenntnis, daß es in der Pädagogik, wie aus allen Gebieten geistigen Lebens, niemals Abschluß, niemals Still stand, niemals ein Fertigsein, sondern immer Ent wicklung und Fortschreiten gibt. Darum eben stimmt die Schule von heute so wenig mit dem Bilde überein, das die Däler und Mütter der Gegenwartsschul kinder in ihren Köpfen tragen. Die meisten kennen die Volksschule, soweit sie eine persönliche Erinnerung an die Volksschule haben können, yls ein Abbild, als eine verkleinerte Aufgabe der Gelehrtenschule. Von dem, was die höhere Schule bot, sollte das Dolks- schulkind einen möglichst großen Anteil haben. Und Sache der Lehrer war cs, immer neue Methoden zu ersinnen, mit deren Hilfe diese Aufgabe erfüllt wer den konnte. Cs entstand die Schule, in der die An eignung einer großen Menge von Wissensstoff die Hauptarbeit darstellle, die Schule, als deren Symbol der Nürnberger Trichter, und als deren Hauptakteur der „Panker" erschien. In dieser Schule ist zweifellos tüchtig gearbeitet worden, und es haben in ihr viele einsichtige Päd agogen gestanden, die durch ihre Persönlichkeit er setzten, was dem System abging, nämlich die Rück sicht auf die kindliche Eigenart. Aber aufs Ganze gesehen, war diese Schule verurteilt, hart gegen die Jugend und eine Stätte der Freudlosigkeit zu sein. Mit der Mehrzahl der Eltern waren allzuviele Lehrer der Ueberzeuguna: je bitterer die Medizin, desto mehr hilft sie. Daß sich hierin ein gründlicher Wandel vollzogen hat, ist nicht das Werk der Gesetz- gebung, auch nicht der plötzliche Einfall einer radi kalen Lehrerschaft, sondern das Ergebnis einer vier telhundertjährigen Entwicklung, einer fortschreitenden Erkenntnis über die Natur des Kindes und einer langjährigen, auf die pädagogischen Klassiker zurück gehenden öffentlichen Erörterung allgemeiner päd agogischer Probleme. Und so Kat sich das Bild der Schule geändert. Zwar auch heute noch sollen die Kinder viel „lernen", aber die Aneignung der Wissensstoffe ist in zweite Linie gerückt. Sie sollen lernen, eine Aufgabe selbständig uufzusaffen und zu erledigen. Sie sollen alle ihre Kräfte entfalten. Dar um werden alle Sinne, nicht bloß Auge und Ohr, in Anspruch genommen und alle Darstellungsmetho den geübt. Ls wird nicht bloß geredet und ein- geprägt, sondern auch mit der Hand und mit dem ganzen Körper gearbeitet und bargestellt. Es wird arbeitend gelernt und lernend gearbeitet. Das Kind soll den Arbeitsvorgang selbst mit herbeiführen und Mitwisser der Methode sein. Im besonderen wird das Kind an die Dinge selbst herangeführt und der Zusammenhang mit Natur und Leben gesucht. In erziehlicher Hinsicht mußte die alte Schule am meisten versagen. Tugenden kann man nicht lernen, sie müss^m geübt werden. Darum suchen die Lehrer jetzt die Schulklassen zu einer Gemeinschaft zu machen, in der Kameradschaft, Hilfsbereitschaft, Opfer sinn wachsen können. Der Lehrer holt die Kinder heraus aus den Bänken, in denen sie früher mit ge falteten Händen saßen, und steigt selbst herab von seinem Schulthrone, um sich mitten in die Schul- gemeinschaft hineinzustellen. Er bleibt selbstverständ- lich der Führer der Kinder, sucht aber gleichzeitig ihr Freund zu werden. Es ist klar daß eine Schule die von diesen Ge danken beherrscht ist, äußerlich ein anderes Bild bie ten muß als das von altersher gewohnte. Sie braucht in jeder Hinsicht ein größeres Maß von Freiheit. Der Lehrplan, der das allgemeine Ziel der Unterrichts arbeit aufstellt und für gewisse Sachgebiete auch zeit liche Abgrenzungen vorsieht, bleibt weiterhin verbind lich. Aber er darf nicht jede Einzelarbeit vorschrei ben und den llnterrichtsbetrieb in bestimmte Formen einengen wollen. In der pädagogischen Gestaltung muß der Lehrer frei sein. Der Stundenplan mutz viel von seiner alten Bedeutung verlieren. Er kann nur den äußeren Rahmen des Unterrich tes regeln. Die Fächerung muß auf der Unterstufe gänzlich dem Gesamtunterrichte weichen, auf der Oberstufe aufgelockert den jeweiligen Bedürfnissen angepaßt werden. Das Schulzimmer ist nicht der einzige und nicht einmal der erste Arbeitsplatz der Klasse. Und die Hauptsache: in der Klasse herrscht Bewegung, Leben, natürliches Ungebundenscin — und dennoch und in einem höheren Sinue, Ordnung, Sitte, Zucht, Autorität. Was hier in knappen Umrissen ausgezeichnet wurde, ist nicht Spezialeigentum der Dersuchsschule in Leipzig-Connewitz, sondern ist in allen Leipziger Volksschulen Tatsache, aber ebenso in allen noch Ziel und Aufgabe. Mentha Iben strebt man danach und steckt doch überall noch in den Anfängen. Immerhin darf gesagt werden, daß manches bereits erreicht ist. Im allgemeinen sehen die Kinder in der Schule nicht mehr den natürlichen Feind, in dem Lehrer nicht mehr den gefürchteten schwarzen Mann. Sie kommen gern zur Schule und haben Vertrauen zum Lehrer. Die Erlerung des Lesens, in alter Zeit mit Seufzen und Tränen verbunden, ist für ein normales Kind eine Freude geworden. kommen. Neben überwältigend schönen Ein gebungen ist trockenes, handwerklich gesicherte» Können. Aus der Sphäre des Dämmrigen, Traum haften, mit jener ganz eigenen Logik der verhaltenen Gedanken, tauchen kecke, weltfröhliche Gesichter, aber gerade wo's weltfröhlich zugeht, muß auch das Haus backene in Kauf genommen werden. Furtwängler ging ganz in dem Werke auf; die meist sinfonisch ein gewobene, eingesponnene Klavierstimme spielte Frau Kwast-Hodapp mit einer unerhörten Einfiih- lung in Pfitznersches Wesen und künstlerischer Vollendung. Verglichen mit der Dresdner Urauf führung stand gestern vor einem ein völlig neues Wert, neu in der Forn, und echt Pfitznerisch dem Geist nack». Schuberts Unvollendete wächst unter Furtwänglers Hand klar und in seltener Klangpracht aus dem Element —: eine jener Schöpfungen, die unumstrittenes Gut des Dirigenten sind; Furtwängler ist jetzt der Verwalter Schuberts. Wie er gestern das Werk wieder zur Feierlichkeit einer Natur stimmung erhob, dabei alles auf'» Menschliche be zogen, vom Menschlichen gesehen, aus fühlenden Innern gedeutet. — wie er hart an die Grenze der Uebermannung durch das Gefiihl ging, ohne doch sentimental zu werden —, wie sich die feinste Einzel- heil ihm unter die große Linie ordnete — das alles war bedeutend. Ein nachklingendcs Erlebnis. Seknoor Marissas halbes Herz Kleine» Theater.' Mit der berühmten Tragödin Klarissa Purpus, verehelichten Baronin Gart, ist es so bestellt: Sie braucht immer mal wieder die große Liebe, sonst ist «» Essig mit ihrer Kunst. Wenn sie daher, eben noch rechtzeitig, bevor er es rat, denn sie ist die Jüngste nicht yiehr, einem Liebhaber die Garderobentür ge wiesen hat, dann sagt sie zu ihrem Direktor: „Macht euren Dreck alleenel" Denn sie ist ein Kind der Gasse und so hat st« eigentlich kernen Anlaß, sich vornehmer auszudrucken, al» r» Könige tun. Aber nachher, wenn ein neuer Liebhaber, Sportsmann, Tenni»-Champion (fingierter Autounfall, fingierter Dichterehvgeiz, fingierte Verlobung) in ihre theater- ferne Arrückgezogenheit hineinplotzk, da lebt sie wieder auf, da springt sie mit beiden Deinen wieder hinein — in den Dreck. Während der Zwischenzeit hat sie sich den Pro blemen einer rationellen Düngerwirtschaft hin» gegeben. Denn ihr Gatte, der Baron, ist natürlich Rittergutsbesitzer wie alle besseren Barone. Aber während die besseren Barone es sonst mit dem Ehren, punkt ziemlich genau nehmen — es kommt im Stücke auch einer vor, äh . . . Rejimentskamerad — ist unser Baron, auf dessen Acker schon so viele gepflügt haben, hierin von einer Weitherzigkeit, die dem An sehen, das er als Mann, geschweige denn als Baron, genießt, unmöglich dienen kann. Seine — wie sagt man am schicklichsten — Sexualtoleranz geht bis zum Märtyrertum. (Einmal spielt er selbst den gerade aktuellen Liebhaber seiner Frau, damit sie ihn wenig stens in Gedanken mir ihm selber betrügen kann.) Der Baron wäre ergreifend, rr wäre ein Heiliger oder ein Weiser, wenn er von Max Brod, dem Autor, ausqeführt, mit Sonderzügen versehen wäre Aber er wurde nur vorausgesetzt, mit der Durch führung des Lustspielexempels beauftragt, und so ist er eine ziemlich langweilige Rolle geblieben, und Karl Keßler — man muß der Wahrheit die Ehre geben — spielt ihn ganz im Sinne des Dichters. Max Brod, der geistreiche Schriftsteller, hat sich » «in bißchen zu leicht gemacht mit dem Boron und mit der Baronin auch. Schließlich, die großen Aktricen sind doch wohl komplizierter. Die Erotik ist kein Rechenexempel und Leidenschaften, die man auf der Bühne ausstrahlen will, lassen sich nicht einneymcn wie Kolapastillen, für jede neue Rolle ein neuer Liebhaber, in Schachteln mit der Schutzmarke des Er zeugers, eine Goldmark das Stück. Also die Psychologie der großen Tragödin, der Herzblutverspritzerin, de» genialen Luder», wird nicht eben vertieft, sondern nur als Echwankgerüst ausgebaut und mit Schwankstukkatur geschmückt. Kla- rissa, hysterisch kreischend, zum Inspizienten: „Denn ihr wenigstens das eine von uns lernen wolltet, niemals nervös zu werden." Nach diesem Schema ist e» gearbeitet. Bei alledem der Schwank eines kulturvollen Autor«, voll grote»ker Situationen, die der Spiel wart Neubürger besser ausnützen würde, wenn die Qualitäten seines Personals nicht einstweilen noch die Grundsätze d»r Sprechtechnik zum Problem werden ließen. ' Ohne di« Helene Konschewska würde sich da» Publikum bestimmt nicht so gut unterhalten haben. Um «in«r gewissen Leer« und Starrheit de» Mien«n- Ilnd wer sich die Müke gemacht hat, Schulklassen Zst beobachten, die mit ihrem Lehrer im Frei«» messen, zeichnen, beobachten, turnen, spielen oder auch nur „spazierengehen", der wird merken, daß hier auf eine Weise „gelernt" wird, bei der gewiß nicht weniger, sondern mehr als früher herauskommt und bei der doch die Kinder da» Recht behalten, Kinder zu sein. Von der erstrebten inneren Reform sind das freilich nur ein paar für Eltern sichtbare Dinge. Der Fachmann weiß, daß dazu noch vieles andere gehört, und daß vorher noch viel Schul meistertum überwunden werden muß. Aber der Weg ist vorgezeichnet. Eine pädagogische Entwick lung, auch wenn sie von einer Mehrheit von Lehrrkn erstrebt wird, braucht Zeit. Dabei sind noch mancherlei äußere Hemmungen zu überwinden. Wer mit einer Anzahl Kinder in die Halde zieht und dort eine Schule errichtet, der hat es nicht schwer, die neuen Gedanken zu verwirklichen. Aber damit ist einem großen Gemeinwesen nicht ge dient. Die Volksschule wird immer eine Massen- schule sein, und auf die Frage, inwieweit die ge wünschten inneren Reformen hier, im Großbetriebe, möglich sind, kommt es an. Diese Frage zu beant worten, betrachtet die Dersuchsschule als ihre be- besondere Aufgabe. Sie sammelte daxum einen Kreis von Lehrern, die ausnahmslos von dem Wil len beseelt sind, das von der Lehrerschaft erstrebte Ideal im Rahmen eines großen Schulorganismur zu verwirklichen, und die auch zu den persönlichen Opfern bereit sind, ohne die das Ziel «Erreichbar ist. Die Stadt half ihnen, indem sie ihnen ein neues Echnlhaus mit für die neuen Zwecke besonder» günstigen Einrichtungen zur Verfügung stellte, ver pflichtete sie aber gleichwohl, und das mik Recht und mit voller Zustimmung der Versuchsschullehrer, aus die Endziele des allgemeinen Leipziger Lehrplanes. Damit war die Frage, ob die Versuchsschule eine Volksschule im Sinne des Volksschulgesetzes ist, aus äußeren und inneren Gründen bejaht und die Einordnung in die städtische Bczirkseinteilunz ohne weiteres gegeben. Zn der Gerichtsverhandlung, von der eingangs gesprochen wurde, ist über diesm Sachverhalt keine irgendwie genügende Klärung geschaffen worden. So konnte es kommen, daß nicht bloß von falsch unterrichteten oder irregeleiteten Zeugen, son- dern auch vom Gericht selbst geradezu seltsame Auf fassungen iiber die Schule im allgemeinen und über die Versuchsschule im besonderen zutage gebracht wurden. Dazu ein ganz krasses Beispiel: Lei rer, die mit ihrer Klasse häufig ins Freie gehen, wurden als nicht genügend pflichteifrig, sagen wir es deutsch, als faul angesehen. Eine gröbere Verkennung der tatsächlichen Verhältnisse läßt sich kaum vorsrellen. Die Schule hat es den Eltern in der Gegenwart nicht schwer gemacht, in das Wesen der Lehrerarbeit Ein blick zu nehmen. Sie sollten davon Gebrauch machen. Sie würden das, was sie von und in der Schule sehen, dann mit ganz anderen Augen betrachten, als es jetzt zumeist geschieht, und sie würden für ihr« eigene Erziehungsarbeit nur die stärkst: Förderung erfahren. Vie poft rechnet nur nach Millionen Infolge der starken Geldentwertung und der da durch hervorgerufenen Aufblähung des Zahlen systems, unter deren Wirkung die pünktliche Abferti gung der Bevölkerung an den Postschaltern außer ordentlich leidet, sieht sich die Reichspost- und Tele- grophenverwaltung genötigt, ihren gesamten Zahlungs- und Rechnungsverkehr und das Gebührenwesen vom 1. November an auf die Millionenmarkrechnung einzu stellen. Postanweisungen, Nachnahmen, Postaufträge Wert angaben bei Wertsendungen, Zahlkarten, Post- Überweisungen, Ersatzüberweisungen, Postschecks und Zahlungsanweisungen dürfen vom 1. No vember an nur über volle Mil lionen Mark lauten. Bei der Angabe de» Betrags in Ziffern ist dabei an Stelle der sechs Ztullen das Wort „Millionen" zu schreiben. Er ist z. B. also statt 16 000 000 Mk. k ü n f t ig 16 M t l- lionen Mk. zu schreiben. Die. S t a m m e i n l a g e, dir auf jedem Postscheckkonto zu halten ist, wird aus 10 Millionen Mk. festgesetzt werden. Bruch- teile von 1 Million Mk., die üoer den I. November hinaus als Guthaben steyengeblieben sind, werden ge strichen werden. I spiels abzuhelfen, tut sie zunächst noch zuviel, spielt gewissermaßen auf Fernwirkung. Erst wenn man in ! die letzte Parkettreihe flüchtet, wirkt es einiger maßen diskret. Aber sie hat wenigstens das Spiel- temperament, dem man — aus angemessenem Ab stand — die groß« Tragödin glaubt. Und ein Organ, das melodische Verführung nicht nur Vortäuschen, sondern bewirten kann, wenn sie sich davor hütet, die Süßigkeit bis zum Limonadengeschmack zu steigern, «SN, Soors Sleklor Die deutsche medizinische Wissenschaft in Japan. Seit einiger Zeit wirkt Professor Dr. Leonor Michae lis an der japanischen Uniersität Nagoya. Der Be richt, den er der „Deutschen Medizinischen Wochen schrift" sendet, betont, daß der deutsche Arzt und die derttsche medizinische Wissenschaft, völlig unge trübt durch den Krieg, in einem solchen Ansehen stehen, daß wir nur wünschen können, in Deutschland auch unter den jetzigen traurigen Bedingungen die Kraft zu haben, durch unsere Leistungen diesen Ruf auf die Dauer aufrechtzuerhalten. Die ganze Medizin, so schreibt Michaelis, ist hier germa nisiert; die technischen Ausdrücke werden selbst vom Hilfspersonal, soweit sie sich nicht durch chinesische Neubildungen wiedergcbeu lassen (Chinesisch spielt für Wort neubildungen hier die Rolle wie bei uns Latein und Griechisch), in der deutschen Form oder in der germa nisierten lateinischen Form gebraucht. Dor bedin- gung für das medizinische Studium ist dreijähriges Studium der deutschen Sprach« in den Gym nasien. Ein Autogramm oder kein»? Bernard Shaw wurde von einer französischen Schauspielerin um ein Autogramm mit dem Hinweis gebeten, daß sie sich auch mit einem kurzen Wort begnügen würde. Shaw, der niemals rin Autogramm gibt, der Künstlerin aber gefällig sein wollte, setzte sich hin und schrieb: „Ich bin leider nicht in der Lage, Ihrem Ersuchen um ein Autogramm Folge geben zu können. Ber nard Shaw." Vucctni» neue Oper. „Turan dot", das Werk, an dem der italienische Meister zurzeit arbeitet, soll im Winter 1924/25 an der Mailander Scala uraufgeführt werden und kurz danach an der Wiener Staatsoper erscheinen. Aus de» LdralrrdLr,» tStödttsche Bühn»»-. Segen der überaus statten Nachfrage nttrd Sonata«. d«n 28. Oktober tm Allen Tbeater anstatt roller« .Htat« mann« «ch«r «dlmcht »Hst«».
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