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LMv«L, 6« -I. vittad« Der Heereszug -urch Sachsen Blutiger Zusammenstoß in Pirna — Sine Dresdner Re-ieruugsltmßge-ung Dresden, 23. Oktober. (Eig. Te l.) Die Truppen unter dem General Felsch sind heute mit ihrer Kavallerie bis Pirna, Niedersedlitz und Potschappel vorgedrungen, westlich bi« Wils» druff und südlich Karant. Die Truppen de» General» v. Ledebur haben die Gegend Grimma, B a d La usick und Borna, die de» Obersten Föhrenbach Oelsnitz und Plauen erreicht. Beim Einmarsch des zu den Truppen des General» Felsch gehörenden 2. Bataillons des Infanterie regiments Nr. 10 inPirna kam es zu einem Zu sammenstoß mit einer Menschenmenge, die den Trupven den Weg versperren wollte. Als die Menge trotz mehrmaliger Aufforderung nicht aus einanderging und die Truppen schon aus einem Hause am Marktplatz beschossen wurden, gab der führcnoe Offizier den Befehl zum Feuern. Auf selten der Demonstranten gab es nach bisherigen Meldungen einen Toten und zwei Verwundete. Das Rathaus von An na berg ist seit gestern abend von Demonstranten besetzt. Auch in Chemnitz haben gestern bis spät in die Nacht hinein trotz des Ausnahmezustandes große Demonstrationen stattgcfundcn. Dresden, 23. Oktober. (Eig. Tel.) Die für die sächsischen Industrieorte bestimmten mecklenbur gischen Verstärkungen der Reichswehr kamen auf ihrem Vormarsch heute vormittag durch Dresden. Generalleutnant Müller hatte gestern bekannt ge geben, daß er vor dem Rathaus in Dresden-Neustadt 10^0 Uhr den Vorbeimarsch der Truppen abnchmen werde. Schon eine Stunde vorher waren der weite Platz vor dem ehemaligen Kriegsministe rium, die König-Friedrich-August-Brilcke, die Brühl- sche Terrasse usw. von einer dichten Menschen masse belagert. Das schöne herbstliche Wetter hatte Tausende und aber Tausende Menschen heraus gelockt. Berittene Schuhabteilungen der Sipo sorgten für di« übrigens mustergültige Ordnung. Punkt 10M Uhr rückten die Reichswchrregimenter an, voran ein Panzerauto, dann eine Schwadron Rcichswehr-Husaren mit ihrer Musikkapelle, zwei In- santcricregiincnter mit leichten und schweren Maschi- »engewchrabteilungen und vollkommen kriegsmäßig ausgerüsteten Bagagen, Feldküchen, Sanitätsmann schaften und Radfahrerkompanien sowie Artillerie. Der Vorbeimarsch währte etwa ein« Stunde. Zu Zwischenfällen ist es nicht gekommen. * Dresden, 23. Oktober. (Eig. Tel.) Im Lause der heutigen Sitzung des Landtages ergriff Ministerpräsident Dr. Zeigner das Wort zu folgender Regierungserklärung: Im Namen der sächsischen Regierung habe ich Ihnen folgendes mitzuteilen: Am 18. Oktober di^' s Jahves habe ich hier im Ramen der sächsischen Re». - rung Stellung genommen zu der Entwicklung, die der Ausnahmezustand hier in Sachsen ge nommen hat. Ich habe dabei Verwahrung ein legen müssen dagegen, daß das Reich diesen Aus nahmezustand zu einer durch nichts gerechtfertigten Sondermaßnahme gegen den Freistaat Sachsen und sein« Bevölkerung hat auswachsen lassen. (.Sehr richtig!"' links.) Der Herr Wehr kreiskommandeur hat mir inzwischen, wie schon in der Presse veröffentlicht worden ist, am 18. Oktober ein Schreiben zugehen lassen, wonach er de« Angelegenheit zur weiteren Erledigung dem Reichswehrminister unterbreitet habe. In einem weiteren Schreiben vom gleichen Tage hat der Wehrkreiskommandeur erklärt, daß er nichts unter» lassen wolle, was zur Aufrechterhaltung von Ruhe und Ordnung, Sicherheit und Wirtschaft erforderlich sei. Am Sonnabend vormittag ist mir nun au« Berlin ein Schreiben zugegangen, in dem mir versichert wurde, di« Verlegung der Reichswehr truppen nach Sachsen habe lediglich den Zweck, Sachse» gegen einen etwaigen Einmarsch bayrischer rechtsradikaler Formationen z« schützen- („Hört, hört!"' bei d«n Deutschnationalen.) E« handle sich nicht um angeblich« Lxekuttvmaßnahmen des Reiche» geaen Sachsen; di« sächsische Regierung wolle daher diese Maßnahmen nicht al» einen feind lichen Akt betrachten. Wenige Stunden da nach erhielt ich vom Herrn Wchrkreiskommandeur im Widerspruch zu dieser Erklärung ein ebenfalls in der Presse schon veröffentlichtes Schreiben, nach dem die Reichsregierung sich schlüssig gemacht habe, den Reichswehrkommandeur zu be auftragen, im Freistaate Sachse« verfassungsmäßige und geordnet: Verhältnisse wiederherzustellen- Am Abend desselben Tage», in der achten Stunde, wurde mir ferner vom Herrn Wehrkreiskommandeur jener Aufruf zugestellt, welcher allerorts an den Litfaßsäulen prangt. In ihm wird ausgeführt, die Ursachen unserer unsäglich schwierigen wirtschaft lichen und Ernährungslage seien die gewalttätigen Eingriffe in die Gütercrzeugung und in die Bewirt schaftung der Lebensmittel, (»sehr richtig! bei den Deutschnationalen.) In sonderbarer Verkennung des Verhältnisse» von Ursache und Wirkung wird dort behauptet, diese erst durch die Not ver ursachten unzweifelhaft bedauerlichen Ex- zcffe seien die Ursache unserer Not. E» mag hier mangelnde Erkenntnis der wirtschaftlichen Zu sammenhänge vorliegen. Was soll man aber zu den weiteren Erklärungen in diesem Aufrufe sagen, in denen wohl versucht wird, die wirkliche Legitimation für den Einmarsch der Reichswehr in Sachsen zu schaffen. Wie kann ein Mensch ernsthaft behaupten, diese Notexzcfle seien erfolgt in der Absicht, da» wirtschaftlich« Lhao» herbeizuführen, um an» Eigennutz unser schwergeprüfte» Volk nicht zur Ruh« kommen zu lassen und in ihm durch die Not zur Verzweiflung getriebene gefügige Werkzeuge für unverantwortlich« Pläne zu finden! Cs wird ge sprochen von Versuchen, die gewaltsame Vorherrschaft einer Klasse zu errichten. Ich weiß nicht, ob ein solcher Aufruf geeignet ist, auch nur für geeignet gehalten werden kann zur Aufrechterhaltung von Ruhe und Ordnung im Lande! (Sehr richtig! Links.) Wer das will, muß doch wohl den ernsten Willen habe«, klar die Dinge zu er- kennen. Wir sehen trotz der formalen rechtlichen Gleichheit aller deutschen Staatsbürger vor dem Ge setz die größt« tatsächliche Ungleichheit. Wir sehen die unbestreitbare Vorherrschaft einer Klasse, einer schmalen Schicht des großen Kapitals in Industrie, Landwirtschaft und Finanzen. Wir bekämpfen diese Diktatur einer Minderheit. Wir bekämpfen sie nicht, um eine andere Diktatur zu errichten, sondern um jene verfassungsmäßige Gleichheit vor dem Gesetz weiterzuentwickeln zu einer Garantie menschenwür digen Daseins für jeden Staatsbürger! (Zuruf bei den Deutschnationalen: Siehe Böttcher!) Der tiefe Unterschied zwischen der Berliner Erklärung, wonach die Reichswehr nach Sachsen gekommen sein soll, um uns gegen Bayern zu schützen . . . (Zuruf bei der Deutschen Volkspartei: Wer hat denn das unter schrieben?) Ein Rcichsminister. (Abg. Dr. Rein hold: Offiziell oder inoffiziell?) Wir stehen nicht in privatem Verkehr, wir stehon selbstverständlich im dienstlichen. Dieser große, tiefe Unterschied zwischen dieser Erklärung und den beiden von mir verlesenen Schreiben des Herrn Reichswehrkommarrdvur» läßt sich nicht bestreiten. Rur «ine dieser Erklärungen kanpl wahr sein, nicht beide. Darüber, welcher Erklärung Glau ben zu schenken ist, kann ich mir wohl Ausführungen ersparen. Mit tiefer Bitterkeit muß ich aber fest stellen, daß uns Berliner Stellen bewußt oder un bewußt unrichtige Auskünfte gegeben haben über Zweck und Anlaß von Maßnahmen, di« unsere sächsischen Verhältnisse aufs schwerste beeinflussen! Ich brauche nicht zu betonen, daß da» Vertrauens. Verhältnis, welche» zwischen Reich und Land bestehen soll, durch solch« Vorkommnisse schwer er schüttert werden muß, und durch die zahl reichen Vorgänge der letzten Monat« tatsächlich schwer erl.lüttert worden ist. Mit Sorge sehen wir, daß das Reich rücksichtslos und oft ohne den er forderlichen guten Willen über unser« Lebensinter essen, über unsere politische Eigenart und über unsere verfassungsmäßig verbrieften Rechte hinweg- geht. Wir müssen die» feststellcn und hinzufügen, daß kri» anderes Land sich rühmen kann, »ehr getan »» haben in der Treue »nr Verfassung! (Gelächter rechte: Na, na! und Oho-Rufc). Ich muß aber fcststellen, daß anscheinend in Berlin nur der Gehör und Beachtung findet, der sich über die Ver fassung hinwegsetzt. (Abg. Dr. Schneider ruft: Das verdient einen Ordnungsruf! Großer Lärm im ganzen Hause.) Was ist der Zweck dieser Maß nahme, die die sächsische Bevölkerung auf da» tiefste erregt und uns immer mehr dem Bürgerkrieg nähert? Wir stehen vor ungeheuren Schwierig keiten. Zn dieser Situation ist cs unverant wortlich, daß Aufrufe wie die de» Generals Müller die Nervosität noch steigern. E» bedarf nur der unverantwortlichen Tat eines einzelnen, und das ganze Land steht in Flammen! Wir Sitzung dauert fort.) Vie Chemnitzer Wirtschaftskonferenz Dre»de», 23. Oktober. (Ei g. Tel.) Die Wirt schaftskonferenz in Chemnitz war außer ordentlich stark besucht. Es waren erschienen: 79 Ver treter von Kontrollausschüssen, 26 Vertreter der Kon sumvereine, 102 der Gewerkschaften, 16 der Arbeits losen, 20 von gewerkschaftlichen Bezirksleitungen, 140 Betriebsräte, IS Vertreter von Akttonsausschüssen. Al» Parteivertreter waren erschienen 7 Vertreter der DSPD., 6« der KPD. und einer der USPD. Arbeitsmtnister Graupe eröffnete den Kongreß mit einer Begrüßungsansprache, die den Ernst der Lage und die soziale Not scharf kennzeichnete. Da» Präsi dium wurde seinem Vorschlag gemäß aus je einem Vertreter der Gewerkschaften, der Konsumvereine, der Betriebsräte, der Kontrollausschüffe und der beiden Parteien zusammengesetzt. Ein Vertreter de, Chem nitzer Kontrollausschusse» begrüßte die Konferenz im Namen der Chemnitzer Arbeiterschaft. Den Vorsitz übernahm der Parteivertreter, Mgeordnater Siewert, der für di« KPD. Begrußungswvrte an den Kongreß richtete. Die Vormittagssitzung leitete dann ein Vertreter der VSPD. E» sprach als erster Redner zur Tages ordnung Dirtschaftsminister Heckert, der Mitteilun gen machte über die im Gange befindlich« Rstftandsaktto» zur Bersorg»»g der bedürftig«» Be»ttter«l- mit Brot, Kartoffel» «d Kohle». Er betonte den festen Willen der Regierung, daß diese Rotstandsarbeit«» auch gegen die Sabotage der Industrie und Bankherrrn durchgeführt werden. Finanzminister Böttcher, der da» zweite Referat hielt, kennzeichnet« die Finanzlage de» Reiche», wie auch de« Lande». Die Besitzenden müßten unbedingt zu Rotopfern gebracht wer» de». Er schildert dir Verhandlungen mit den Ver treter« der Industrie und der Banken, dir jede finan zielle Unterstützung der Regierung abgelehnt hätten. Er wies im Gegensatz hierzu auf die Hilfe, di« durch die Mehrlieferungen der Internationalen Arbeiter hilfe und durch den Getreidelieferuutzsabschluß mit Eowjetrußland dem sächsischen Proletariat geleistet werde. Di« Durchführung dies«» Abkommen» werde di« Inbetriebnahme zahlreicher stillgelegter Unter nehmungen ermöglichen, da Rußlaad im Austausch Industrieware beziehen wolle. Der Finanzminister erklärte, daß die katastrophale Finanzlage des Reiches nur durch einen energischen Eingriff in bi« Sachwerte de» Besitze» und di« völlig« Be schlagnahme der Devisen erfolgen könne. Arbeitsminister Graupe besprach die Arbeiten seines Ressort», die Notlage der Erwerbslosen und der Rentenempfänger. Er stellt fest, daß einerseits durch eine rückständige Reichsgesetzgebung und anderseits durch die rücksichtslosen kapitalistischen Maßnahmen durch Betriebsstillegungen und Kurz- arbeit die Hilfe für die bedürftigsten Schichten in katastrophaler Weise behindert werden. Er verwahrte sich dagege», daß t» Sachsen besonder» zugespitzt« Verhältnisse seit». In der Erwerbslosenziffer der deutschen Land« marschiere Sachsen keineswegs an der Spitze. Der Minister legte noch im einzelnen dar, welche Maßnahmen von ihm für die nächste Zeit ge plant sind. Den Vorschlägen schloß sich eine umfang, reiche Diskussion an, in der immer wieder di« Not- wendigkeit eines sofortigen Kampfes, ins besondere gegen die Militärdiktatur, be tont wurde. Ein Redner nach dem anderen forderte offene» Auftreten der Regierung und schließlich die Aus rufung de» Generalstreikes gegen Belage rungszustand und militärische Rüstungen. Ministerialdirektor Heinrich Braudler von der KPD. schlug vor, über einen Antrag auf Aus rufung des Generalstreikes durch di« Wirtschastskonferenz sofort zu entscheiden, selbstverständlich könne ein solcher Generalstreik- bcschluß nur dann einen Sinn haben, wenn er ein mütig chesaßt werd«. Arbeitsminister Graupe erklärte hierzu, daß eine solche Beschlußfassung nicht zu den Aufgaben dieser Konferenz gehöre. Jedenfalls könne er, falls nur noch über den Generalstreik verhandelt werden solle, sich an diesen Verhandlungen nicht weiter beteiligen. Er schlug vor, den Generalstreiksantrag einer Kam- Mission zu überweisen. Rach kurzer Aus sprache wurde eine solche Kommission eingesetzt, die je aus drei Vertretern der VSPD. und KPD. besteht. In der Diskussion brachten Vertreter aller säch sischen Organisationen die dringendsten Forderungen der Arbeiterschaft an die Regierung vor. Als die Kommission zur Beratung des Generalstreiks ihre Arbeiten beendet hatte, wurde die Diskussion abgebrochen. Die Kommission legte einen Antrag vor, einen Aktionsausschuß, bestehend aus je fünf Vertretern der KPD. und VSPD., zu be- stimmen, der sofort mit den Spitzenorganisationen und der Regierung über die Ausrufung de» General streiks zum Schutze Sachsen» gegen die Militär diktatur verhandeln solle. Soll! n die Epitze«orga»tfatiove» u»d die Regierung diese Fordenrng abiehne», f» habe der Aktionsausschuß das Recht, selbständig de» Generalstreik durchzuführen. Dieser Antrag wurde fast einstimmig an- genommen. Die ablehnenden Stimmen wurden nur abgegeben, weil der sofortige Generalstreik ver- langt wurde. Die Mitglieder des Ausschusses wurden nach den Vorschlägen der Parteien sofort gewählt. An- genommen wurde gegen eine Stimme noch ein An trag, der den sofortigen Austritt der SPD -Minister au« der Reichsregierung und den Austritt der Ge- werfschaftsinstanzen au» der Arbeitsgemeinschaft fordert. Dem Ausschuß wurde der Auftrag erteilt, in Praunschwei g auf die Bildung einer sozialistisch - kommunistischen Regierung hinznwirken und sofort einen gemeinsamen Aufruf an das sächsische und deutsch« Proletariat herauszugeben. Probleme ber ttommunalverrvaltung Der Vorstand des Deutschen Städtetage» be faßte sich im Berliner Rathaus mit den großen brennenden Fragen der Finanzpolitik, der Wohnungswirtschaft und der Vereinfachung der Armen- und Wohlfahrtsverwaltung. Zn der Steuerfrag« sieht der Städtetag nach wie vor in der Zuweisung kommunaler Steuern und der Wiederherstellung der Steuerautonomi« der Ge meinden den einzig möglichen Anfang zu einem Ausweg au» der gegenwärtigen Finanzkatastrvph« der Gemeinden. Dabei muß aber auch nach Auf- fassung des Städtetaqes daran festaehalten werden, daß die Einkommensteuer eine rerchsgesetzlich zu regelnde Steuer bleiben muß. An eine end gültige Sanierung der Gemein definanzen könne fteilich erst dann heranqegangen werden, wenn die Währunqsfrage gelöst sei. Bis dahin sei es auch unbedingt nötig, die Notaushilfen, mit denen das Reich zurzeit durch Besoldungszuschüffr, Wohl- fahrtszuschüffe und Kredite die Gemeinden über Wasser lrält, bcizubehalten. In der Wohnungswirtschaft kann sich der Städtetag nicht mehr der Erkenntnis verschließen, daß die bisherige Wohnungswirtschoft, aufgebaut auf dem Höchstmietengesetz und dem Vohnungsbau- abgabengesetz, das Ziel, eine ausreichende Er haltung der Altwohnungen zu sichern und die er forderlichen Neubauten zu ermöglichen, nicht er reichen wird. Der Städtetag haft e» daher für un- vermeidlich, auch auf dem Gebiete der Wohnungs wirtschaft an da» Problem der Anpassung an den gegenwärtigen Geldwert entschlossen heranzugrhen. Freilich würde es für die Wirtschaft ganz unmöglich sein, etwa die Mieten in kurzer Frist einfach auf den Friedensgeldwcrt hinaufzusetzen, vielmehr wäre nur ein schrittweises Vorgehen, angepaßt an die Leistung»- kraft der Bevölkerung, möglich. In der Armen- und Wohlfahrt»»««- waltung besteht ei» außerordentlicher Ber- waltungslccrlnuf infolge der veralteten Unter- stützungswohnsitzacsetzgebung und infolge der Art des Verrcchnungsverfokren» bei den Sozial- «ad Klein- entnern sowie bei den Krieasbeschädigte» und Kriegshinterbliebenen. Notwendig ist, daß all« Zweig« der Wohlfahrtspflege zu einer einheitlichen, allgemeinen Fü.sorge verbunden werden, daß die alte Unterstutzungswohnsitzgesetzgebung auf gänzlich neue, vereinfacht« Grundlagen gestellt und ebenso bas Vrrr chnvngsverfahren für di« Nach krieg »Wohlfahrts pflege wesentlich vereinfacht wird. , Vie deutschen Parteien an die rheinische Vevölkerung KL», 23. Oktober. (Eig. Tel.) Die vereinig ten politischen Parteien de» Rhein land«» veröffentlichen folgenden Aufruf: .Rheinländer! Bewaffnete Bande» der Sonderbündler versuchen in einer Anzahl rheinischer Orte die öffentlichen Gebäude zu besetzen und sich der Verwaltung zu bemächtigen. Sie vermehre» dadurch in verbrecherischer Weife das Unglück unsere» Volke». Rheinländer! Vertraut in diesen schweren Tagen unseres Lande» Euren Führern und habt Vertrauen zu den politischen Parteien. Sie find sich ihrer Auf gabe und ihrer Verantwortung bewußt und werde» ihre Pflicht tun. Größer denn je ist gegenwärtig die auf uns lastende Verantwortung. Deutsche Demokratisch« Partei, Deutschnattonale «olkspartti, Deutsche Volkspartei, Sozialdemokra- tisch« Partei, gentrumspartei"' Englische Alarmrufe London, 23. Oktober. (Eig. Tel.) Das Schick- sal der deutschen Reichseinheit steht nach wie vor im Vordergründe de» politischen Inter esses. Während die Regierung eine ab war- tende Haltung einnimmt, werfen die Politiker und die Zeitungen immer entschiedener die Frage auf: Das wird die englische Regierung tun, wenn die Separatisten in der britischen Zone ihre Aktton fortsetzen, und welche Politik macht die Re- gierung gegenüber den immer deutlicher werdenden Anzeichen eines Zerfalls des Deutschen Reiches? Während bisher immer angenommen wurde, daß Baldwin in Plymouth die Reugier der außen politischen Kritiker der Regierung befriedigen werde, wird heute morgen von einem sehr gut informierten konservativen Journalisten angekündigt, daß — an- scheinend auf Grund eines Beschlusses des Kabi netts — die außenpolitischen Fragen vom Premier- Minister -nur in einigen Bemerkungen gestreift" werden würden, während die Rede sich im wesent lichen mit der Ankündigung einer Schutzzoll politik, über die zu einem Isöteren Zeitpunkt ein Appell an die Wähler gerichtet werden soll, be schäftigen werde. Die .Times"' nimmt diese Ankündigung zum Anlaß, die Regierung darauf aufmerksam zu machen, daß die Katastrophe des Zusammenbruch» der deut schen Einheit einen Umfang erreicht habe, g«g«n den die Meinungsverschiedenheiten, die di« Sieger im Weltkrieg bis jetzt trennten, von geringer Bedeutung seien. Es komm« darauf an, daß die Alliierten sich rasch zur Beratung über di« geeigneten Mittel, den Zusammenbruch des Reiches zu verhinl rn, zu- sammenfänden. Das Interesse Englands uuo Frank reichs fei in diesem Punkt identisch mit dem aller europälscher Lander. Der Augenblick fei gekommen, wo e« notwendig sei, durch eine klug« und mutige Aktion zu verhindern, daß ganz Europa in den Abgrund versinke, in den Deutschland zu gleiten im Begriff« sei. Der .Daily Telegraph"' behauptet, daß Poincar^, seitdem er sich gegenüber dem deutschen Geschäftsträger bis auf weitere» geweigert habe, irgendwelche deutschen Reparationsvorschläge in direkten Verhandlungen ödes in der Reparations kommission erörtern zu lassen, nicht mehr auf die Zustimmung der führenden französischen Politiker außerhalb seine» Kabinetts rechnen könne. Unter seinen Anhängern mache sich eine Berr-egnng geltend, dir sorder«, daß ein neuer Mann, der sich nicht durch engherzige Erklärungen festgelegt habe, die Ruhrpolitik zum Abschluß bringen solle. Es sei in Paris offenes Geheimnis — so behauptet das englische Blatt —, daß nicht nur Briand, sondern auch Barthou in einem kaum noch verhüllten Gegensatz zu PoinoarS steh«. Barthou, der in Eng land den Ruf genießt, unter allen Umständen eiüe dauernde Verstimmung zwischen England und Frank- reich vermeiden zu wollen, soll einen Reparation«- plan ausg«arbeitet haben, der den englischen An- schaarungen entgegenkomme Der Plan Barthou» sieht nach Angabe des .Daily Telegraph"' vor, daß Deutschlands Zahlungspflicht einstweilen auf öOMilliarden Goldmark beschränkt bleibe, und daß die ihm auferlcgten Iahreszahlungen wahrend der nächsten Jahre in der Form einer internationalen Anleihe, die von allen Alliierten, einschließlich Frankreich», anerkannt werden müßte, aufzubrinqen wären- Für den Be trag der französischen Schuld an die Bereinigten Staaten wäre eine Hypothek auf die deutschen Staats- einnahmen einzutragen. Während man in konservativen Kreisen ein« rasch« Annäherung zwischen England und Frank- reich zweck» technischer Lösung der Reparationsfragr lebhaft begrüßen würde, fahren di« liberalen Blatter „Daily Rews" und .Westminster Gazette"' fort, der englischen Regierung vorzu- werfen, daß sie sich mit ihrer schwankenden und Frankreich stets entgegenkommenden Haltung iu eine unmögliche Situation gebracht habe. * Dße britisch« R e i chss kian >e r« nz hat gestern unter dem Vorsitz Baldwin» die Frage der Reichverteidigvng erörtert und beschlossen, die Verhandlungen geheim zu halten. Lin Appell an die Deutsch-Amerikaner Wie ein Funkspruch de» Wolff-Büros »eldet, wurde auf einem von den Bereinigung« der Deut- sthen Rew Dork» veranstalteten „Deutsche» Tag"" einmütig und unter stürmischer Zustimmung der Anwesenden eine Entschließung angenommen, m der die siebeneinhalb Millionen amerikanisch« Bür ger deutscher Herkunft ausgrrufen werden. Deutsch" land in der Stunde der Gefahr zu helfen, und ihre Aufmerksamkeit auf di« Notwendigkeit gelenkt wird, flr ein« angemesseue finanzielle llate» stütz»»! z» sorgen, um Deutschland wieder aus» zurichten, ehe es auseinandersall«. Zmn Nachfolger de« Generalmajor» von Epp ist Generalmajor Ritter von Ruith, Komman deur des Infanterieregiments 19 in München er nannt worden.