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Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 21.10.1923
- Erscheinungsdatum
- 1923-10-21
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-192310212
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-19231021
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-19231021
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1923
-
Monat
1923-10
- Tag 1923-10-21
-
Monat
1923-10
-
Jahr
1923
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Lkim T o ririt S-Nrrio rgssr». «r rso SoaalLg, «Leu 21. Oktober Selle 6 Liebe und Aeroplan Don KrUeU/ ^HveiteeUenI««» La eine« schönen Tage mußte ich mit der Post nach Lupatoria fahren. Außer mir saßen in der Vomutsche erstens ein junges, fesche», blondlockiges Weib, in da» ich mich nach fllnf Minuten verliebte, und -weiten» eia eleganter, sehr eingebildeter, junger Mann. Während ich zur Prüfung meiner Gefühle fünf Minuten brauchte, ging der junge Mann sofort auf da» Ziel los, da» Herz der jungen, blonden Schönen im Sturm zu erobern. Zwischen uns beiden begann ein Wettlauf, der dank einem Aero plan... doch greifen wir den Ereignissen nicht voraus... Kaum setzte sich die Kutsche in Bewegung, so wendete sich der junge Mann an die Dame, sagte, er heiße Golubzow, und daß er glücklich sei, daß er solch ein entzückendes Visavi» habe. Ich suchte ihn zu übertrumpfen, indem ich erklärte, daß ich zwar schon lange nicht in Damengesellschaft gewesen sei, daß ich aber die feste Ueberzeugung habe, daß eine so reizende Gesellschafterin, wie unsere Reisebegleiterin, uns die Reise bedeutend verkürzen werde. Darauf erklärte Golubzow, daß er zum ersten Rial« nach Gupatoria komme, daß er dort gänzlich fremd sei, und daß er sich al» glücklichster Mensch schätzen würde, wenn die Dame — sie hieß Marja Nikolajewna — den Tag mit «ihm verbringen werde. Da ließ ich sofort die Bemerkung fallen: „Ich kann Ihnen ein Chambre garni empfehlen!" Der junge Mann wurde ein wenig verlegen, dann sagte er: „Wilsen Sie, Marja Nikolajewna, dir russischen Kurorte sind so uninteressant... Da« Ausland dagegen..." „Ah, Sie waren im Auslande?" Marja Nikolajewna zeigt für Golubzow lebhafte» Interesse und ignorierte mich vollständig. „Ja. Ich habe fast ganz Europa vereist." Marja Nikolajewna richtete auf mich einen provozierenden Blick, al» ob sie sagen wollte: „Und Sie?" „Waren Sie auch in Stritzel?" fragte ich lachend. „Das glaube ich. Zweimal, aber der Ort gefiel mir nicht!" i „Welcher Ort?" fragte ich giftig. l „Na — Stritzel!" „Wissen Sie, daß Stritzel überhaupt gar kein Kurort ist, sondern ein Gebäck?" „Ich danke," sagte der junge Mann, ohne mit der Wimper zu zucken, „da» wußte ich auch ohne Sie. Das Gebäck ist nach dem Kurort benannt, genau so wie Straßburg nach der Straßburger Pastete be nannt wurde. Ja, Marja Nikolajewna, in diesem Kurort Stritzel hatte ich eine interessante Begegnung, die ich Ihnen erzählen werde, wenn wir allein sein werden." „Dann müssen Sie sa perfekt Deutsch sprechen?" sagte Morja Nikolajewna. „Selbstverständlich... Genau so gut wie Russisch!" „Wieviel Uhr ist es, mein Herr?" fragte ich den jungen Mann auf Deutsch. Er schaute mich ein wenig an, daun sagt« er: .Dissen Sie, seit der Zett, wo Deutschland die Bolschewisten in plombierten Waggons nach Rußland geschickt hat, habe ick ein Gelübde getan, kein Wort auf Deutsch zu reden!" „Dann beantworten Eie meine Frage auf Russisch!" bemerkte ich hämisch. „Ich liebe zu sehr Rußland, um mein Gelübde zu brechen. Ich will die deutsche Sprache nicht ver stehen!" „Sie sind ein Patriot!" rief Marja Nikolajewna. .Lieben Sie denn so das arme Rußland?" Ihre zarte Hand berührte die Hand des jungen Mannes, und ich war ganz in die Ecke gedrückt... In diesem Augenblick hörten wir das Rattern eine» Motor«, und ein Aeroplan tauchte vor un« auf. Wir schauten nach oben und verfolgten ge spannt die Evolutionen des Flugzeuge«. „Sind Sie schon einmal geflogen, Herr Golubzow?" fragte Marja Nikolajewna. „Ich? Selbstverständlich! Ich war ja Flieger... Im Wüüriege.. „Was Eie nicht sagen? Ach, wie interessant! Sind Eie jemals mtt einem feindlichen Aeroplan zusammrngestoßen?" „Ich habe sogar »tt einem feindlichen Aeroplan gekämpft..." Sie packte ihn fest bei der Hand, sah ihn mit schmachtendem Blick an und sagte leise: „Bitte! Bitte! Erzählen Sie mir eines Ihrer Abenteuer!" „Wa» ist da zu erzählen?" antwortete blasiert der jung» Mann... „Uebrigen»... Also hören Sie: Ich b«am einmal den Befehl, da« Terrain de» Fernde« zu rekognoszieren. Ich drehe den Propeller an, stelle den Motor ein und fliege. Fliege... fliege... zwei .. drei Stunden. Auf einmal kommt ein feindlicher Flieger... auf einem Blsriot... Ich verliere nicht den Kopf, rücke mit dem Deroplan gegen ihn, halte ihm einen Browning unter die Nase und sag« kaltblütig: „Ergib dich, Schurke!" Er bittet uw Gnad«, aber ich mache kurzen Prozeß, schleppe ihn auf meinen Aeroplan, binde seinen Blöriot mit einem Sttsick an meinen Aeroplan, und lo brachte ich da« Flugzeug und den Flieger in unser Lager!" „Mein Gott, Ei« sind ja ein Held!" rief entzückt Maria Nikolajewna, und dann schaute sie mich ver ächtlich an. „Dissen Sie, Herr Golubzow, Sie könnt« «ich einmal auf so «in Flugzeug mitnehmen!" „Sehr gern!" sagte Golubzow. „Und werde ich nicht abstürzenf" fragte Marja Nikolajewna nervös. „Mit mir? Ausgeschlossen!" antwortete selbst bewußt Golubzow. „Also, wann fliegen wir?" fragte ungeduldig di« blonde Schöne. „Boa mir au« morgen," antwortete der junge, elegante Herr, „aber woher nehm« ich d«n Aeroplan?" „Herrs" rief ich, „Sie haben verteufelte« Glück! Gegenwärtig befinden sich in Lupatoria zwei tadel lose Bläriot». Sie, Kutscher! Dann sind wir in Lupatoria?" „In zwei Stunden!" — „Gegen 4 Uhr essen wir, dann ziehen wir un» um, und gegen b Uhr führe ich Sie auf den Aerodrom, und dann können Ä« die Dame ausführen!" Golubzow schaute mich an — er «ar einfach sprach!»» —, dann kam er zu sich und stammelte: .Ich fliege nur dann, wenn der Motor mit Nobel- be^ta gespeist wird... Dann muß ich erst festste!«!, wa» für ein Wind ist, und dann habe ich keine Er- laubni«, um aufzusteigen/ „Beruhigen Ei« sich," sagt« ich lachend, „ich habe eine solch« Erlaubst» in der Tasche. Bet der Wind- VIL yEvr« yMvVWkg klMNLN orE orrriyitzr avs« Da begann Golubzow mit Ausflüchten: er sei heute dringend beschäftigt, und auch in den nächsten Tagen habe er viel zu tun, und er wisse überhaupt nicht, wann er über freie Zeit verfügen werde... Maria Nikolajewna wendete sich von Golubzow ab, schaute mich an und schmiegte sich leicht an mich an. ! In diesem Moment flog, wie segnend, über uns der > Aeroplan hinweg. So gelang es mir, dank, dem ! Aeroplan, Marja Nikolajewna vor der Nase meines Nebenbuhlers wegzuschnappen und ihr Her- zu er obern. Ja, wenn der Aeroplan nicht gewesen wäre — lo wäre ich nicht als Sieger ans diesem Kampfe hervorgeqangen. (Aus dem Russischen von M. Hirschmann.) Vie Mgerkn Don Arkttur Sestuvsrl Wir entnehmen diese ungemein spannende Erzählung dem soeben erschienenen reich illustrierten 5. Heft der Monatsschrift „Das Leben" (Leipziger Verlagsdruckereis, die eine Fülle unterhaltende Beiträge enthalt. Kurz vor meiner ersten norwegischen Iagdreise besuchte ich einen im Ruhesrand lebenden Offizier, an den ich empfohlen war, weil er mehrmals im Norden auf Elche und Bären gejagt hatte und mtt allerhand Aufschlüsse für meine Fahrt geben konnte. Der Major, ein sportgestählter Iunggesell Ende der Fünfziger, der in einer malerisch gelegener. Provinzstadt ein hübsches Gartenhaus bewohnte, empfing mich sehr liebenswürdig, zeigte mir seine Trophäen, die jeder Ausstellung zur Zierde gereicht hätten, und setzte mir schließlich einen Imbiß vor, wobei es sich gemütlicher plaudern ließe, wie er, die Gläser füllend, bemerkte. Im Lauf unseres ebenso angeregten wie für mich belehrenden Gespräches, kamen wir, ich weiß nicht mehr in welchem Zusammenhang, auf die Groß katzen-, mein Wirt, der auch in Afrika gewesen war, hatte mehrere Löwen und Leoparden erlegt, deren Felle sein Rauchzimmer zierten, und sagte mit einem Blick voll zärtlichen Stolzes aus diese Zeugen unver geßlicher Weidmannswonne: „Ich hätte auch einmal «inen Tiger haben können, wenn ich gewollt hätte." „Sie waren auch in Indien?" warf ich neugierig dazwischen. „Nein, den hätte ich hier schießen können — dort drüben ..." Er wies durchs offene Fenster aus einen Diesengrund, der al« Bauplatz zu ver kaufen war. Ich mochte wohl ein ziemlich verdutzte« Gesicht gemacht haben: denn der Major meinte lächelnd: „Es ist kein Jägerlatein, sondern Tatsache — eine gan- sonderbare Geschichte, die sich erst vor «in vaar Jahren ereignet hat. Im Juni kam ein Schonbudcnbesitzer mit einem Wanderzirkus hierher und schlug seine Zelte dort unter: auf, so daß er mein unmittelbarer Nachbar wurde. Da ich mich zeitlebens lebhaft kür Tiere inter essiert habe, nahm ich diese günstige Gelegenheit wahr, meiner Liebhaberei nach Herzenslust -u frönen, befreundete mich mit dem Besitzer, einem verstan- digen gefälligen Mann, und erhielt von ihm bald die Erlaubnis, mich auch außerhalb der Besuchsstunden im Zirkus aufzuhalten, sooft und solange ich wollt«. Am meisten fesselte mich eine prachtvolle benga lisch« Tigerin, die ihre vier, erst vor kurzem ge worfenen Jungen säugte, und mir ein hochwill, kommen»« Modell siir meine zeichnerischen Per- suche bot. Während dieser Sitzungen hakte ich reichlird Ge legenheit, das herrliche Tier in allen möglichen Lagen und Stimmungen zu studieren, so daß es bald mein besonderer Liebling wurde, wie ja überhaupt tiefere« Eindringen in da» Wesen eine« edlen Geschöpf« noturnotwcndig zur Liebe führt, wenigstens für meins Veranlagung . . . In der unerträglich schwülen Nacht des 25. Juni gegen 11 Uhr war ich eben daran, zu Bett zu gehen, als mich auffallende Unruhe im benachbarten Zirkus nochmal an« Fenster treten ließ. Uebelriechender Qualm drang an« dem dunklen, langgestreckten Gebäude in die mondhelle Nacht — jetzt mischt« sich Menschcnlärm mit dem angstvollen Gebrüll der gefangenen Tiere — kein Zweifel, es brannte dort drüben. Während ich eilig in meine Kleider fuhr, nm, wenn irgend möglich, meinen Nachbarn zu helfen, schrillte dir Klingel am Gartentor, und fast zugleich hörte ich den Menaoerisbesitzer herausrufen, ich möge herunterkommen und mein« Löwenbüchse mitnehmen — er wisse sich nicht mehr zu helfen. Ich stürzt« halb angekleidet an meinen Gewehr schrank, riß di« „Afrikanerin" heraus, lud und hastet« die Stiege hinunter. Al« ich ins Freie trat, schlug eben eine funken- sprühende Flommensäule zum sternhellen Himmel empor, und während ich, gebannt von diesem furcht- bar schönen Anblick, unwillkürlich stehen blieb, fühlte ich mich am Arm ergriffen und horte eine verstörte Stimme neben mir heißer vor Aufregung sagen: „Sie müssen mir dir Tigerin erschießen, Herr Major, damit ich wenigstens die vier Jungen retten kann-, verbrennen auch sie, bin ich zugrunde gerichtet, und die Alte laßt natürlich niemand in den Käfig." Inzwischen waren wir durch Funkenreaen und Qualm, umgellt vom Brüllen der Tier« und dem Geschrei kopflos durcbeinanderrennender Menschen vor dem Zwinger der Tiger«! angekommen, di« voll Todesangst in fiebernder Unrast ihren engen Kerker durchmaß, dem sich der Brand mit reißender Schnelligkeit näherte. „Schießen Sie, schnell' Dir haben keinen Augen blick Zeit zu verlieren!" drängt« der geisterblasse Mensch neben mir . . . „In drei Minuten ist es zu spät!" „Lassen Sie — warten Sie noch einen Augen- blick — ich hab' einen Auswegl" schrie ich ihn an, und schlug die rückwärtig« Zeltwond beiseite, di« in» Frei« führte. Dort standen gegen den Fluß zu di« Transportwagen beisammen — durch ein« ziemlich lange Gass« au« Zeltbahnen von den Käfigen ge trennt —. „veffnen Ei« den vordersten Dagen und dann den Tigerküfig ... sie wird flüchten und vielleicht ihr« Zungen «itnehmen. Machen Sie schnellt" brüllte ich dem mich verständnirlo» Anstarrenöen zu und rüttelte ihn an der Schulter. Er rannte fort, kam atemlos wieder und schloß di« rasselnde Tür zum-Käfig auf, hinter der wir uns hochklopfenden Herzens an die Mauer drückten. Die Tigerin stutzte einen Augenblick, ergriff eines ihrer winselnden Jungen im Nacken und sauste wie ein fahler Blitz die Gaffe entlang in den Wogen. Ein Seufzer aus tiefster Brust entrang sich uns beiden . . . „Die ist wenigstens gerettet!" stammelte der Mann. „Ich schließ« jetzt die Wagentür, holen Eie inzwischen vielleicht die drei Jungen . . . ?" Zn diesem Augenblick sprühte ein Feuerregen in den Käfig herüber, die katergroßen Iungtiger quiekten durchdringend, es war tatsächlich kein Augenblick mehr zu verlieren. „Also schnell! Laufen Sie! Senft kommt die Alt« über uns!" . . . Ich hatte es kaum hrrvocgestoßen, als kie Tigerin, den ihr kn der engen Zeltgasse entgegen rennenden Mann streifend, teranschoß, wieder ein Junge» aufnahm und so gedankenschnell mit ihm forthuschte, wie sie gekommen. „Sie holt auch die anderen! Bleiben Sie, wenn Ihnen Ihr Leben lieb ist!" schrie ich, als der Buden besitzer an mir vorbei 4n den Käfig stürzte. Aber der Mann hört« nicht, nahm die zwei hellauf quiekenden Iungtiger, die sich in einen Winkel gedrückt hatten, unbekümmert um den angstvollen Widerstand der kleinen Epeiteusel ouf den Arm und wollte sie und sich durch eine Tür der Zcllgass: in Sicherheit ! bringen ... al» die Tigerin wieder erschien. Ich sah nur dicht voc mtt «inen mächtigen Schot- ten, hörte «inen heiseren Aufschrei, und schon «ror da« schlangenbehende 3i rnbitte wieder im Wagen verschwunden . . Ls gatte seine beiden letzten Zungen, die der Bnd-:akesitz:r in tödlichem Schreck fallen gelassen batte, ausgenommen und in Sicherheit gebracht, ohne sich um uns dicht dabei Stehende zu bekümmern. Eine Weile standen wir wie gelähmt von dem erst jetzt in uns aufdäinmernden Bewußtsein, welcher Gefahr wir entronnen, dann durchzuckte uns beide fast gleichzeitig der Gedanke, daß ja das Schlimmste erst noch zu tun sei. . . Wir näherten uns, ich schußbereit voran . . . dem dunkel gähnenden Wagen, in dem die Tigerin ver- schwunden war: c» galt, die Tür zuzuwerfen, um unabsehbare« Unheil zu verhindern . . . „Ich habe in meinem reichen Iägerleben viele höchst heikle Lagen durchgemacht," fuhr der Maser nach kurzer Pause fort, „ober ich kann Sie versichern, sie schienen mir alle harmlos im Vergleich zu diesem Beginnen. Dor mir das durch Feuerlärm und Muttersorge aufs höchste erregte furchtbare Raubtier, das jeden Augenblick au« dem unheimlichen, gähnenden Schlund des Wagen« hervorstürzen konnte, rechts und link« der schmal« Gang, ous dem es kein Ent- rinnen gab, hinter mir der Brvnd, der schon den Tigerkäfig ergriffen hatte. E« waren nur etwa 120 Schritte, und doch ist mir kein Weg in meinem ganzen Leben so lang und grauenvoll erschienen, wie dieser damals. . . Endlich standen wir hart am Wagen, au« dessen drohendem Dunkel zwei gcünschillernde Seher leuch teten ... ein giftigknurrev.des Fauchen schlug uns entgegen, dann schmetterte die schwere, «isen- beschlagene Tur ins Schloß . . . wir und dir Tiger waren gerettet. . . Zrancesca Don Kurt Kllettlvr Taravrella! Da« Blut in den Adern beginnt zu kochen, wenn die schönen Neapolitanerinnen, flammend in der grellen Buntheit ihrer Tracht, die heißen Blitz« ihrer Augen versenden. Unter der weißen flachen Kappe knistert und schimmert da« schwarze Haar. Da» Tamburin rasselt. Pon runden, hellbraune» Armen fallen die weiten, weißen Aermfl herunter bi» zur Schulter, und um die wild beweg- ten Beine flattert und schlägt d-r grellrote Rock — — Dicke dieser neapolitanischen Mädchen, die auf Eapri, hoch über den Gärten voll leuchtender Gold orangen die Tarantella tanzen, sind sehr hübsch. Doch auch die weniger hübschen sind rassig, beweg lich und feurig. Und im wilden Sechs-Achtel-Takt des Tanzes, im fliegenden blau-rot-weißen Farben spiel ihrer Kleider, sind sie oll« heiß und bezaubernd. Francesca! Unvergeßlich in meiner Erinnerung! Denn diese junge und schöne. Francesca ihre Taron- tella beendet, dann bebten in der Osteria unweit der Villa Liberia die Wände und klirrten auf den Tischen die Flaschen und Gläser unter den lauten Lvinorufen. dem Füßestampfen und dem Hände klatschen der hingerissenen Gäste. Sie jauchzte, wenn ihr im Taumel das schneeweiße Hemd von den Schul tern glitt und tief hinab über di« junge, leidenschaft lich erregte Brust Sie war blond. Bon jenem käst- lich warmen, goldfchimmernden Blond des Südens, an dem nichts Grctchenhoftes ist. Sie hatte blaue Augen. Mer auch die waren nicht deutsch. Wenn sie ruhig zum Tisch kam, um die Saldi zu sammeln und mit hochgeschlossenen Augen tief atmete, daß die feinen Nasensüyel bebten, dann war ihr Blick kühl und blau wie Stahl. „Sie ist aus Neapel," sagte mir der deutsche Wirt, „aus einer sehr feinen Familie." Mehr wußte er nicht oder wollte er mir nicht sagen. Dies; Francesca war stolz, erwiderte keinen Blick, so heiß er war! Nur einem Neapoli taner. d«r jung und träg in einer Ecke saß, griff sie liebkosend ins schwarze Haar, wenn sie vorüberkam. Al» ich drei Jahre später wieder nach Lapri kam, stieg ich sogleich zu der Leinen Osteria unweit der Villa Tiberio hinauf. Eine schläfrige Lapreserin von etwa dreißig mit dünnen Deinen und mageren Armen tanzte ungraziö, und ohne Leidenschaft di« Tarantella. Oder schien es nur so? Denn di« ich zu finden gehofft, war nicht do! Doch der deutfche Wirt war noch da. Ich fragte ihn au«. Za, er ent- sann sich genau der schönen und jungen Neapoli tanerin, die ihm ein tüchtige« Stück Geld eingetra gen und sich selber ttn Feuer ihrer Beine und Augen ein, HWsch« Summ« geschmiedet und mit nach Neapel genommen hatte. Ich mußt« zwei Flaschen seine» kostbarsten und hitzigsten Lapriweine« mit thm trinken, ehe er sich grinsend bereit erklärte, mir die Geschichte der Tänzerin France«a Wahrheit«- getreu zu erzählen. Schon nach den erst«! Worten staunt« ich Die schön« und junge France»co, Tochter l eine» Leinen, neapolitanischen Deingutdefitzer» ,,. I des Fürsten Roberto Grtmini kirchlich und staatlich vermählte Gattin! Fürstin Francesca Grimini? Und tanzte in Eapri unter den Ruinen de» mar mornen Märchenschlosses de» großen Kaiser» Tibe riu«? Und nahm mit spöttischem Lächeln, kühlen Augen und stolz erhobener Stirn, darüber die goldenen Locken brannten, auch die kleinste Münze entgegen? Und griff dem jungen Neapolitaner spie lend und schmeichelnd ins schwarze Haar? Za. da war sie schon längst nicht mehr di« Gattin de» Fürsten Roberto Grimini. Da war sie einr schöne, geflüchtete Frau, für die große Gesellschaft in Neavel und Rom nur noch eine pikante Erinne rung, über die man lächelte- Sie hatte sich un sinnig in den schlanken Pietro Peroni verliebt, der ihr Kammerdiener gewesen, ein junge», sonnenvrr- brantrs Gesicht hatte, frische Lippen, die so rot waren wie die Korallen in den Felsenriffen von Lapri, heiße Augen und krauses, schwarzes Haar, das sich so willig streicheln ließ. Dann kam der Skandal und die Francesco Grimini hatte nicht viel mehr als den schlanken Pietro Peroni, ein wenig Geschmeide, das nachsichtige Lächeln der großen Gesellschaft und die Erinnerung an einen liebenswürdigen, doch etwa« alten und matten Fürsten und an leuchtende Sonnen- tage in der traumlmftcn Stille des Park». Frauen sind seltsame Geschöpfe, der schlanke Pietro Peroni war ihr mehr wert ols diese Erinnerungen. Sie ließ nicht von ihm ab. Und Pietro war treu und an ständig genug, sie zu behalten. Doch Geld mußte sie schaffen! Da schickte er sie nach Eapri. Oh, er hatte oft genug gesehen, wie die Fürstin Francesca Grimini im hohen Lichtsaal des Palazzo, weiß überflammt vom elektrischen Licht, vor ihren Gästen die Taran tella tanzte. Er hatte gesehen, wie selbst der Kar dinal Marotto sich über ihre Hand gebeugt und ge flüstert hatte, die» sei die reichste Stunde feine» Lebens gewesen. Wo« die hohen Gäste des Palazzo Grimini erhitzte, das mußte den Fremden von Eavri die Saldi« locker machen. So tanzte sic für sich «nd Pietro. Tanzte drei Sommer lang. Bis Pietta meinte nun sei es genug, um in Neapel eine klefn« Osteria anfmachen zn können. In der Via Eistinä, ganz nah beim Lorso Umberto, eine kleine Öfters«, wo man einen halben Liter Dino roffo oder Vinn bianco für fünf Saldi bekommen könne. Und es fei kein schlechter Wein. „Und sie ist glücklich mit Pietro Peroni?" ich staunend den Wirt. Das sei gut möglich. Denn sie liebten sich sehr. Tags darauf suchte ich in Neapel die Bia Sistino- E« war eine enge Gasse in der alten Stadt. Ls roch nach verbranntem Oel und faulenden Früchten. Große Nudel halbnackter, schmutziger Kinder lärm ten. Don einer Seite der Gasse zur anderen, von Haus zu Haue, zogen sic Strick«, überall Äende. trocknende Wäsche. Eine schöne, blonde Fra» mtt stahlblauen Augen brachte mir Wein. Das Haar war in Zöpttn sauber geordnet. Der Feuerbrand der blonden Locke fiel nicht mehr tief in die stolze und weiße Stirn. Sie trug ein enges, blan verwaschenes, hvk^esckilosscnes Kleid. Darunter atmete rtM immer der biegsame Körper, und wenn sie schrlkt, war es verhaltener Tanz. „Ich habe sie auf Eapri die Tarantella tayzen sehen", sagte ich leise. Sie nickte und lächelte kFsil. Line Sekunde lang blieb sie am Tisch. Ihre Augen schonten groß über mich weg. Sah sie durch» Fenster die trostlose Dunkelheit der Gasse? Träumte ste in einen bohr», kristallenen Spiegel hinein, in dem schön, strahlend und jung ihr Diderbild stand? Sah sie zwischen den Palmen des Parke» Grimini das blaue Meer und das jubelnde Licht der Sonne? Ich legte Geld ouf den Tisch. „Dracia, Signore!" Weich und dunkel klang ihre Stimme. Sie nahm das Geld und ging in den Schatten einer Ecke, wo airf einem Haufen alter Kleider ein Kindlein schlief. Den Pietro Peroni habe ich nicht gesehen. Doch ich denke mir, er ist ein Mann, der seinen kostbaren Schatz besser zu hüten versteht, als der Fürst Ro berta Grimini. Am gleichen Abend stand ich auf dem Posillipo vor dem Palazzo des Fürsten Grimini. Ucber den feinen Kies der Wege schritt, begleitet von eine wundervollen, dänischen Dogge, ein alter Herr- Sr' ' Gesicht war im Schatten. Ich sah nur einen langen silbernen Bart. Er stand plötzlich still und schaut: über das Meer. Ich folgte seinem Blick. Da lag weit im blauen Golf, wie ein Rubin im roten Licht der Sonne, die Insel Capri, wo Neapolitanerinnen, schöne und sehr schöne, für zehn Saldi di« Taran tella tanzen . . . Der alte Herr stand, bi» ein junger, vornehm gekleideter Mann zu ihm kam und ihn be grüßte. Sie gingen langsam zum Palazzo und schritten nebeneinander die breite Marmortrcpve hinauf. Die dänische Dogge folgte. Zwei Diener in reicher Livree öffneten dos schwere, kunstvoll ge schmiedete Portal. Francesco Grimini — warum mußte e» Pietro Peroni sein? So viele schöne, junge und vornehm« Ldelleute gingen im Palazzo Grimini ein und aus. Kurios sind die Frauen . . . Valzae über ZreunbschUst und Liebe Freundschaft kennt keinen Bankerott des Gefühls, keine Pleite des Dergnüaens. Liebe gibt anfangs mehr, als sie hat, am Ende zumeist weniger, al« sie empfängt. Nicht« kommt der himmlischen Liebe näher als hoffnungslose Liebe. Diese schweigende, opferbereite Resignation, darin sich ein väterlicher und zugleich göttlicher Stol» birgt, bedeutet den Kult der Liebe um ihrer selbst willen — I'amour ponr l'»mcmr, gewissermaßen. O Auch die unkomplizierteste Frau ver langt vom bedeutendsten Manne noch eine Dost» Schauspielerei — die schönste Liebe gibt nicht», wenn sie natürlich ist. Sie braucht Inszenierung, braucht «in gewisse« Drum und Dran. Fronen sind Heldinnen, sobald sie wissen, daß sie eine» iodentendrn, makellosen Manne olle« sind. (-»4 Deutsche Lbnttaor» von Utti, Mwer^eesben 1
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