Suche löschen...
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 20.10.1923
- Erscheinungsdatum
- 1923-10-20
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-192310209
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-19231020
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-19231020
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1923
-
Monat
1923-10
- Tag 1923-10-20
-
Monat
1923-10
-
Jahr
1923
- Links
- Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
8onnnd«nck, 6«« 20. Oktober sönlich aufgesetzten „Berichte" de» Quai d'Orsay vor. daß sie in ihrer van Berlin aua verbreitet« Dar stellung der Unterredung »wischen Poincarö und de« deutschen Geschäftsträger auch Punkte erwähne, di« in der Unterhaltung gar nicht berührt worden seien. .Petit Paristen" behauptet, die Aeußerungen Poin- cart» seien in der deutschen Darstellung so wieder» gegeben, al« habe der französische Ministerpräsident sich auf eine unmotivierte brutale Zurückweisung der deutschen Anregungen beschränkt. Die Blätter äußern den Verdacht, daß die deutsche Schilderung dazu be stimmt sei, in England und Belgien gegen Frankreich Stimmung zu machen. Der „Matin" bemerkt dazu, e« sei schwer verständlich, daß die Berliner Regierung unter Schädigung der eigenen Interessen die Weigerung Poincar^s ander« dar- stelle, als sie im Laufe der Unterhaltung zum Aus- druck gekommen sei. Darlegungen und Forderungen Stresemanns Reichskanzler Dr. Stresemann erklärte in einer Untcrrcduug mit dem Berliner Berichterstatter der „Daily News", di« deutsche Negierung strebe mit allen Mitteln, die in ihrer Macht lägen, danach, der finanziellen und politischen Schwierigkeiten im Innern Herr zu werden. Die« könne ihr jedoch nur gelingen, wenn sie eine Periode der Ruhe mit Bezug auf die auswärtig« Politik erhalte. Di« Wiederherstellung Deutschland» sei ein euro päische« Problem, das da» größte Interesse auch für England haben müsse. Nach der russischen Katastrophe würde ein Zusammenbruch Deutschland» die ernstesten wirtschaftlichen,' sozialen und mora lischen Folgen nach sich ziehen. Der Zusammenbruch der deutschen Einheit könne so wichtig« Rück wirkungen auf England haben, daß die» eine Frage größten Interesse» für die öffentliche Meinung Eng lands sein und die Stellung Englands beeinflussen müsse. Heber den Völkerbund erklärte Stresemann, die deutsche Regierung verfolge sein« Wirksamkeit mit großem Interesse und hoffe, daß er einst ein nützliches Mittel zur Förderung internationalen Einver nehmen« sein werde. Es sehe jedoch für den Äugen- blick keineswegs so aus, al» ob die Aera des Völkerbundes eine Herrschaft des Rechtes und der Gerechtigkeit oarstellen sollte. Deutschland sei von dem Völkerbund bereit» schwer enttäuscht worden. Daß der Völkerbund sich weder mit der Frage der Reparationen noch mit der fran- zösischbelgischen Ruhrbesetzung befaßt habe, sei leider Beweis genug dafür, wie wenig Bedeutung er augenblicklich habe. Wo er eingegriffen habe, wie in der oberschlesischen Frage, könne Deutsch land nicht zugeben, daß seine Entscheidung mit Recht und Gerechtigkeit übereinstimmc. Der augenblickliche Geist des Völkerkunde» spiegle di« internationale Atmosphäre wieder; e» sei der Geist der Mächte, die seine Politik bestimmten. Der Berichterstatter hebt hervor, daß Stresemann« Ansichten zweisello« von einer großen Mehr- heit gemäßigter Deutscher geteilt würden. Zum Schluß habe der Reichskanzler bestätigt, daß Deutschland daran sei, eine neue Note an die Reparationskommission zu senden, habe c» jedoch abgelehnt, ihren Inhalt zu erörtern. Lloyd Georger geläuterte Erkenntnis Landon, IS. Oktober. (Eig. Tel. Lloyd Georg« hat sich in einer Rede in Lhieago n außerordentlich schroffen Ausdrücken über di« unser- nünftig Politik Potnearäs geäußert, der da» Mittel derRuhrb «s e tz u n g angewendet habe, da» vor ihm Elemencrau, Millerand und Vriand nach langen Beratungen al» ungeeignet zurück gewiesen hätten. Di« einzig möglich« Lösung der R«paration»frage zeig« der Vorschlag von Hugh«», Deutschland» Leistungsfähigkeit abschätzen zu lassen. Europa — so schloß Lloyd Georg« — stehe jetzt vor der neuen Welt wie ein zer lumpter Strolch vor den Spiegelscheiben eine» Lebensmittelgeschäfte«. L» könne di« Leb«n»mittel und die Rohstoffe, di« e» so nötig brauch«, nicht mehr bezahl«». Lsndsu, 18. Oktober. Einem vom „M anch « ster Guardian" veröffentlichten Telegramm au» Minneapolis zufolge erklärte LloydGeorg« in einer Unterredung mit dem Senator Magnu« Johnson, seiner Ansicht nach habe Deutschland aufrichtig versucht, Reparationszahlung«» zu leisten; e« habe bereit» über 400 Millionen Pfund Sterling beahlt. Di« Franzosen erhiel- ten sehr wenig au» dem Ruhrgebiet. Ein« Revo lution in Deutschland sei nicht unwahrscheinlich. Ein Dilemma für Italien No«, 19. Oktober. (Eia. Tel.) Zn Rom wird der Reise de» tschechoslowakischen Präsidenten Masaryk nach Pari, und London groß« Be deutung beiaemessen. „Epoca" und „Messagacro" geben offen ihren Unmut »u erkennen, daß Masaryk es nicht für opportun gehalten bade, auch nach Rom zu kommen. „Messoggero" zweifelt gar nicht daran, daß di« Reise besondere politische Ziele verfolg«. Zu d»n von Frankreich kräftig unterstützten gielen der Tschechoslowakischen Republik gehöre der Versuch, Ungarn in di« Kleine Entente aufzu- nehmen. Auf jeden Fall steh« fest, daß sich di« Be ziehungen -wischen der Tschechoslowakei, die di« führend« Rolle ln der Kleinen Entente übernommen hab«, und Frankreich immer mehr festigen würden. Der franzöfisch-belalsche Bund mit der Kleinen Entente, der beute ourch den Besuch de» Präsident«» Masaryk sozusagen sein« offiziell« Sanktion erhalt«, stell« also ein politische» Ereigni» von arößter Bedeutung im zentral ¬ europäischen Staatensystem dar. Nrcht ohne ein ge wisses Befremden stellt man fest, daß Masaryk bei seinem Besuch der Hauptstädte der interalliierten Länder einen Besuch in Rom versäumte. Man hätte e» für richtiger befunden, daß di« Tschechoslowakei gerade Italien nicht veraast, da» al» erste» Land für die Errichtung «ine» unabhängig«» tschechoslowakischen Staate» einaetreten sei. In Lhnucher Weis« drückt sich die „Epoea" au», di« wegen der Annäherung der Tschechoslowakei und Ungarn in größter Besorgnis ist. Sollt, sich di» be- zeichnet« Verbindung verwirHichen, so wär« di« Grundlage für di« große Donaukonfödera- tion schon gegeben. Leider", so fährt da« Blatt so t. „werden wir in unserer Bewegungsfreiheit an der Donau und auf dem Balkan durch den Streitfall mit Jugoslawien über Fium« behindert. Denn wir un« gegenüber Jugoslawien intransigent zetaen, so würden darunter unser« Veziehungen zu der Kleinen Enteilt« leiden. Erklär«« wir un» ab«r zu d«m Ab- ko««» bereit, io v«rd«rb«n wir un» unser« Be- giehunnen mit Ungarn." Aus -er sächsischen Volksvertretung Dresden, 19. Oktober. (Eig. T «l.) Der dritte Tag der großen politischen Au»sprache über die An fragen betreffend die Demonstrationen und Gewalt taten brachte zunächst einen interessanten Zwischen fall: E» kam zu einem ersten Krach zwischen den Komm uni st en und den Sozialdemo, kraten; allerding» dürfte der Innenminister Liebmann dir Sache im Laufe des Tage, schon wieder einrenken. Der Vorfall spielte sich folgendermaßen ab: Vor Eintritt in die Tagesordnung erklärte Abg. Schneller (Komm.) zur Geschäftsordnung: In der heutigen Morgenpreffe ist festgestellt worden, daß das Ultimatum de» Generals Müller an die sächsische Regierung im Einverständni» mit dem Reichspräsidenten Ebert, dem Reichskanzler und dem Rcichswehrminister ergangen ist; weiter ist festgestellt, daß der Ziviltommissar Meier, der von dieser Tatsache gewußt hat, e» pflicht widrig unterlassen hat, die Regierung davon zu unterrichten. Weiter steht fest, daß Meier mehrere rechtsstehende Sozialdemokraten, dar unter den Abg. Bethke, davon unterrichtet hat. Meier und Bethke haben e» also zugelassen, daß die sächsische Regierung in ihrer Erklärung gegen den Gensral Müller den Vorwurf eines Vorstoßes gegen die Verfassung erhoben hat. Dieser Vorwurf richtet sich demnach gegen Ebert und alle diejenigen, die diese Tatsache verschwiegen haben. Die rechtsstehen den Sozialdemokraten haben offensichtlich einen Vor stoß gegen die Regierung unternommen. Wir haben eine Anfrage formuliert, wie sich die Regierung zu diesen Dingen zu stellen gedenkt. Wir beantragen, daß diese Anfrage noch auf die Tagesordnung der heutigen Sitzung gesetzt wird. (Zuruf: Di« neue Koalition! Gelächter.) Weiter be antragen wir, die Sitzung auf eine Stunde zu ver tagen, um den Fraktionen Gelegenheit zu geben, kurz hierzu Stellung zu nehmen. Der Vertagung widersprachen die Deutsch nationalen. Der Dertagungsantrag wurde dann gegen die Stimmen der Deutschnationalen und der Deutschen Volkspartei angenommen. Nach Wiederaufnahme der Sitzung wird be schlossen, die kommunistischen Anträge auf die Tages ordnung der heutigen Sitzung zu setzen. Mit der Beratung soll aber bis zum Eintreffen des Minister präsidenten gewartet werden. Zur Tagesordnung, erhält das Wort der Abg. Dr. Weigel (Dem.). Die Schuld an der gegen wärtigen Zügellosigkeit in Sachsen trage allein das Kabinett Dr. Zcigner. Es habe nie den ernstlichen Versuch unternommen, gegen die Unruhestifter energisch einzuschreiten. Die Staatsautorität sei den Händen der Regierung entglitten und in die Hände der kommunistischen Hundertschaften übcrgegangen. Da» bedeute den Bankrott eines Ordnungs staate». Darau» erklärten sich auch die Vorgänge im Erzgebirge und im Vogtland. Die gewundenen Zusagen, dr« gestern der Minister Liebmann ab gegeben habe, könnten keine Gewähr für die Zukunft bieten. Zustizmtvtster Dr. Reu wendet sich gegen den der Justizverwaltung gemachten Vorwurf, oaß gegen Terrorakt« nicht kräftig genug elngeschritten werde. Die Fälle über Niederschlagungen lege er aktenmiißig zur Ginsicht vor. Amnestierungen erfolgten nur auf Grund de« Amnestiegesetze». Wünschenswert sei e», daß die Justiz von dem politischen Tagesstreit möglichst ausgeschlossen werde. Abg. Voigt (Dvp.) wirft ebenfalls dem Justiz- Minister Lauheit in der Verurteilung der Terror akte vor. Die Aufstellungen der Selbstschutzorgani sationen seien nach keiner Richtung hin zu billigen. Der sozialdemokratische Bürgermeister von Klingen- thal beispielsweise unterstütze die Hundertschaften, die. wie au» Zeitunasnachrichten bekannt werde, allenthalben Uebergriss« sich erlaubten, durch be sondere Ausstellung von Ausweisen. Die Hundert schaften ließen neuerdings sogar ihre Macht gegen über der Kirch« fühlen. Abg. Wehrman» (Dem.) geht auf die Unruhen ein, die selbst in der sonst ruhigen Lausitz aus gebrochen seien. Abg. Siewert (Komm.) behauptet, daß die Un ruhen nicht von den Erwerbslosen auegingen, son- dern von rechtsstehenden Provokateuren. (Unruhe rechts.) Einzeln, Polizeibkamte, besonder» Offiziere, gingen in skandalöser Weise gegen dies« Unruhen vor. E» wäre Pflicht de» Innenminister» gewesen, auch festzustellen, was die proletarischen Hundert- schäften Gute» getan hätten. Zn diesem Zusammen- Hang rühmt der Redner die Haltung der „Neuen Leipziger Zeitung", die sie in ihrem Artikel vom 18. Oktober mit der Urberschrift „Müller und Meier" angenommen habe. Abg. Srellwana (Dn.) verurteilt di, wilden Demonstrationen in der Lausitz. Auf Grund seiner Aus«»« ungen bei einer Schlageterfeier in Bautzen sei er denunziert worden und das Kultusminllt .rtum Hobe sich nicht pcscheut ihm dafür ohne Ang ch: der Gründe eine Rüge zu erteilen. Abg. schneller (Kom.) stellt di« Verhältnisse im Erzgebirge in einem entgegengesetzten Licht« hin, wie Weigel es vorher tat. Nicht Mörder und Spitzel hätten in Aue demonstriert, sondern organisierte Ar beiter, und wenn Dr. Weigel diese al» Mörder und Spitzel bezeichne, so sei er ein gemeiner Lügner und Schuft. (Unruhe rechts.) Abg. Dr. Kretzschmar (Dnat.) berichtigt die An gaben de» Innenminister» über angebliche öffent lich« Versammlungen der deutschnationalen Arbeiter in Dresden. E» hätten nur nicht-anzeigepflichtig« Mitgliederversammlungen stattgefunden. Ein Polt- zeiwachtmetster hab« sich unter falschem Namen al» Spitzel eingeschlichen, und dann die Versammlung aufgelöst. Er frage, ob das der „moderne Geist" der Polizei sei. Abg. Bans« (Dnat.) bespricht dir Angelegenheit der vom .Deutschentag' in Hof heimkehrenden Plauener. Innenminister Liebmann erwidert, es seien nicht Vorkehrungen für Zusammenstöße in Plauen ge- troffen worden, sondern nur Vorkehrungen zur Ver hütung von Unordnung. Der Bürgermeister von Klin-enthal hob« von der Regierung kein« An- Weisung zur Lu»stellunz von Ausweisen an die Hundertschaften erhalten; er habe sich lediglich in durchaus loyaler Weise um Ausweise für Hilfs kräfte der Polizei bemüht. In Bautzen seien Mit glieder des „Jungdrutschen Ordens" in die Reichs- wehr ringereiht worden, es sollen aber besonder« Rsgimentsr au» ihn«» gebildet werden, wie man aus zuverlässigen Mitteilungen wisse. In der Dresdner Schützenkaserne seien Studenten der Tech nischen Hochschule vorübergehend in -i« Reichswehr ausgenommen worden. Ministerpräsident Dr. Zeigner wendet sich sodann in längeren Ausführungen gegen den gestrigen Vor wurf Dr. Seyfert» von der demokratischen Partei, daß er, Zeigner, gewußt habe, daß es sich bei dem Schreiben de« Generals Müller um ein Schriftstück handele, von dem di« Retchsregierung unterrichtet gewesen sei. Mir war nichts da- nehmen mit der Retchsregierung und dem Regierung von bekannt, daß der Brief de» Generals im Einvernehmen mit der Retchsregierung und dem Regieruns»kommissar Meier Arschrieben wurde. Regierungskommissar Meter ist gestern nach Berlin gereist. Ich habe ihn erst heute mittag telephonisch sprechen können. Da hat mir Herr Meier gesagt, er habe mich gestern informiert, daß einBrief an mich gelangen werde, ich hätte aber kaum zugehört (Aha! recht».), weil ich eben dem Redner der Fraktion lauscht«. Ich yebe zu, daß das möglich sein kann. Anstatt mir aber sichere Kenntnis von den bestehenden Tatsachen zu geben, hat der Regierungskommiflar Meier den Saal wieder verlassen. Ich habe gestern abend noch an Gene- ral Müller appelliert, der mir mitteilte, er habe sich über diesen Brief nur prinzipiell bei der Reichsrcgierung orientiert. Einzelheiten, insbeson dere die Formulierung seine« Schreibens, seien in Berlin nicht bekannt gewesen. Die Behauptungen de, Abgeordneten Schneller sind somit unzutreffend. Auch der Abgeordnete Bethke hat mir Mitteilungen gemacht von den Worten, die er mit dem Regierung», kommissar Meier gewechselt habe. Ich habe diese Unterredung gestern den Herren Ministern Bött cher und Heckert wcitergegcben. Don diesen hat der Abgeordnete Schneller seine Mitteilungen erhalten, der daraus entnommen haben muß, daß der Regie rungskommissar Meier und der Abgeordnete Bethke mir Tatsachen vorenthalten hätten. Ich stelle dem- gegenüber ausdrücklich fest, daß zwischen mir und dem Abgeordneten Bethke keinerlei Reibun- gen bestehen. Ee ist auch kein Komplott der Sozial demokraten gegen die Regierung geschmiedet worden." (Gelächter rechts.) Abg. Wirth (Soz.) gibt hierauf folgende Erklä rung ab: Aus den Feststellungen des Minister präsidenten ergibt sich, daß die in der Anfrage der kommunistischen Landtagsfraktion enthaltenen Anschuldigungen und Verdächtigungen gegen einzelne Mitglieder unserer Fraktion, besonders gegen den Ab- geordneten Bethke, völlig unbegründet sind. Die Art, wie dieser Vorstoß der kommunistischen Landtagsfraktion unternommen wurde, widerspricht zudem den Versicherungen, die in bezug aus «in gedeihliche» parlamentarisches Zusammenarbeiten mft der Sozialdemokratischen Partei bei der Re- gierung»bildung gegeben worden sind. Die sozialdemokratische Landtagsfraktion protestiert daher mit aller Entschiedenheit gegen solche» Vorgehen, da» nach außen hin wie eine Schwächung -er Regierungskoalitiou angesehen werden kann." Die Aussprache über den kommunistischen Antrag geht aber noch wieter. Ls cntspinnt sich ein Ge plänkel zwischen dem Kommunisten Schneller und dem Sozialdemokraten Bethke. schneller hält seine Behauptungen aufrecht. Dazwischen ruft Abg. Schwarz (Soz.): „Sie können bei Kollegen Kretzschmar in Behandlung gehen. Der Mensch ist ja pathologisch!" Bethke befindet sich in großer Erregung. Er erklärt Schnellers Vorgehen für tat sächlich pathologisch und behauptet, daß er an dem ganzen Mißverständnis vollkommen unschuldig sei; das ergebe sich unzweideutig aus den Erklärungen des Ministerpräsidenten. Als Schneller ihm zuruft, man könne ihn nicht ernst nehmen, antwortete ihm Bethke, er lege keinen Wert darauf, sich von einem solchen Lumpen ernst nehmen zu lassen. Die Be- hauptung Schneller« sei eine Lumperei, wie sie in einem Parlament noch einzig dastehe; er erwarte von Schneller unbedingt die Zurücknahme seiner un- wahren Behauptung. Abg. Dr. Seyfert (Dem.( stellt folgendes fest: Die Informationen, die wir hatten, verpflichteten uns, die Dinge zur Sprache zu bringen. Der Regierungs- kommissar Meier hat versucht, dem Ministerpräsi denten diese hochwichtige Tatsache des Schreibens des Generalleutnants Müller mit dem Einverständnis der Reichsregierunq mitzuteilen. Ich muß schon sagen: eine solche Mitteilung nicht zu hören, setzt eine große Gleichgültigkeit, man darf ruhig behaupten: Leichtfertigkeit voraus! Hierauf beginnt die Aussprache über die Be - amtenfraqen. Abg. Ander» (D. Dp.): Alle Streitigkeiten über die Deamtcnfragen sind aus der Abänderung der Ge setze vom 26. Juli 1922 und von 1836 hervorgegangen. Wie der Beamtenapparat „gesäubert" wird unter der neuen Regierung, beweisen die Vorgänge der letzten Monate. Beamte sind nach der Verfassung Diener der Gesamtheit, nicht aber einer be stimmten Partei. Die Vorgänge der letzten Zeit stellen Verletzungen der Retchsverfassung dar. Meine Fraktion beantragt darum: Der Landtag wolle beschließen, nach Artikel 21 der sächsischen Ver fassung sofort einen Unterausschuß einzufetzen zur Prüfung der im letzten Statsfahr vorgenommencn Beamteneinstellungen, Versetzungen, Entlassungen . und Personalveränderungen. Dort wir dann weiter zu untersuchen sein, ob die An- stellung Kuhnt» als Amthauptmann von Flöha dem Gesetz entspricht, eine» Manne», dem von seinen eigenen Parteigenossen und vom Arbeiter- und Soldatenrat in Wilhelmshaven Unwahrhaftigkeit, Feigheit und noch schlimmere» nachgesagt wird. Auch wird zu untersuchkn sein, ob e» nötig war, den Mini- stertaldirektor Freund au» Thüringen extra herzuholen. Weiter, ob e» richtig ist, daß die Direk- torialgeschäfte im Volksbildungsministerium von den Herren Abgeordneten Arzt, Weckel und Schneller ge führt werden. (Der Abgeordnete Weckel stellt sich drohend gegenüber dem Redner auf und brüllt ihn an.) Der Redner kritisiert dann die übrigen Be- amtenmaßregelunaen und hebt lobend die Tätigkeit der Arnsdorfer Schwesternschaft hervor. Ueebr die organisatorische Tätigkeit de» jetzt gemaßregelten Badekommissar» von Bad Elster, v. Burgsdorf, hab« sich selbst der Sozialdemokrat Lllrodt rühmend «»»gesprochen. Zu erörtern werd« auch noch sein, wieso es komm«, daß so viele sozialdemokratisch« Vertreter in di« Disziplinarkammern und in den Dtsziplinarhos berufen worden seien. —- - . > . > Etz» " Lin juristischer Zauberkünstler DK bayerische Regierung fühlt sich bei dem Aus- nahmezustand so wohl, daß sie jetzt daran geht, ihn staatsrechtlich zu verankern. Zhr Organ, die „Bayerische Staatszeitung", veröffentlichte vor kurzem eine Abhandlung des Präsidenten des Ober landesgerichts München, Staatsrat a. D. Dr. K. Meyer, über „Das Ausnahmerecht der Länder", die wohl da» Tollst« an sophistischer Nechtsverdrehung enthält, was auf dem Gebiete des Staatsrechts je mals geleistet worden ist. Manche Stellen darin sind so grotesk, daß man das Ganze für einen Scher oder für eine Parodie auf die Stqptsrechtskunde halten könnte, wenn man nicht wüßte, daß es dem Staatsrat mit seinen Deduktionen bitter ernst ist. Staatsrat Meyer „beweist", daß die bayrische Landesregierung durch die Verhängung des Aus- nahmezustandcs Reichsorgan geworden ist un2 nun im Namen des Reichs alles tun und lassen kann, was ihr beliebt, daß ihre Anordnungen amy für die Neichsbchörden bindend sind, und baß bei spielsweise General v. Lossow nicht mehr dem Neichswehrministcr, sondern Herrn v. Kahr zu gehorchen hat. Sein „Beweis" ist verblüffend einfach, nachdem er im Artikel 48 Absatz 4 der Reichsversassung den archi- medischen Punkt entdeckt hat, an dem er nur den juristischen Hebel cinzusetzcn braucht, um das ganze Reich aus den Angeln zu heben. Die Verfassungs bestimmung lautet: „Bei Gefahr im Verzüge kann die Landesregierung für ihr Gebiet einstweilige Maßnahmen der in Abs. 2 bezeichneten Art treffen." Daraus folgt nach Staatsrat Meyer: 1. Di« Landesregierung kann alle Grundrechte aufheben, nicht nur bie in Abs. 2 aufgeführten. 2. Sie schafft damit nicht Landes-, sondern Neichsrecht, sic wird „gesetzgeberisch tätig al» das von der Retchsverfassung unmittelbar berufene Reichsorgan." 3. Weil ihre Anordnungen reichs rechtliche sind, gilt ihnen gegenüber nicht der Satz: „Neichsrecht bricht Landrecht." 4. Darum kann auch nicht da« Reichs- gericht gegen ihre Anordnungen aagerufen wer- den, und diese sind 5. für die R c i ch s b e h ö r d e n, auch für die Reichswehr, bindend. 6. Die bayerische Notverordnung vom 26. Ccp- tember enthält ein spezielles, territorial be schränktes Neichsrecht; sie geht deshalb der all gemeinen Anördnung des Reichspräsiden ten vom 27. September vor. Ihr gegenüber ist die Anordnung des Reichspräsidenten gegen standslos nnd unwirksam. 7. Der Reichstag nnd der Reichspräsident können die bayrische Verordnung nicht auf heb en; das ist allein Sache der Landesregierung. Man braucht nicht Jurist zu sein, um einzusehcn, daß das alles barer Unsinn ist. Die Weimarer Vcr- fassung ist zwar juristisch unb politisch kein Meister werk, aber so ungeschickt ist sie doch nicht abgcfaßt, daß sie den Reichszertrümmerern geradezu in die Hände arbeitete. Die Landesregierung kann selbstverständ lich, wie auch aus Artikel 12 deutlich hervorqeht, nur Landesrecht schaffen, dem das Neichsrecht unter allen Umständen vortzcht, und die Neichsbchörden haben stets der Reichsrcgierung zu gehorchen. Außerdem hat der bayrische Zauberkünstler das Wort „einstweilige" und den Satz: „Die Maßnahmen sind auf Verlangen des Reichspräsidenten ober des Reichs tages außer Kraft zu setzen", unter den Tisch fallen lassen. Wc: n der Reichspräsident oder der Reichstag dieses Verlangen ausspricht und dis Landesregierung widersetzt sich ihm, so macht sie sich eines Vcrfassuugsbruchs schuldig. Don der ganzen Beweisführung des Staatsrates Meyer bleibt also nicht ein Satz bestehen, und man könnte über seine juristische Taschenspieler« mit einem Lächeln hinweggehen, wenn die Sache nicht auch eine ernste Seite hätte. Die „Bayrische Staats zeitung" würd'' die Abhandlung nicht veröffentlicht haben, wenn sich nicht Herr v. Kahr die vermeint lichen „Rechte", die ihm Herr Meyer zuspricht, wirk lich anmaßen und sich dem Reiche gegenüber auf das „Gutachten" seines Kronjuristen berufen woll(x. G Dle bayerisch-sächsische Zehde München, 18. Oktober. (Eig. Tel.) Auf eine Mitteilung dec sächsischen Regierung über die Ent lassung des sächsischen Geschäftsträgers, Lcgationsrats v.D z l e m b o w s k i, aus dem sächsischen Staatsdienst, in der zugleich weitere Nachrichten über die Wie- derb esc tzung der sächsischen Gesandtschaft in München in Aussicht gestellt waren, hat das Staats ministerium des Acußern dem sächsischen Ministerium der auswärtigen Angelegenheiten geantwortet, die bayrische Regierung sei, solange die Kommu nistische Partei, die erbitte.tste Feindin jeder vcr- fassung-mäßigen Staatshandlung, in der sächsischen Regierung vertreten sei, nicht in der Lag«, einen neuen sächsischen Gesandten oder Geschäfts- träger zu empfangen. Zugleich hat die bayrische Regierung im Verfolg dieser ihrer Stellungnahme den bayrischen Gesandten bei dsr sächsischen Ne gierung, Dr. v. Preger, abberufen. (Der bayrische Gesandte in Berlin, Dr. v. Preger, war zugleich als Gesandter bei der sächsischen Regierung beglaubigt.) völkische Schnorrer Bautzen, IS. Oktober. (Eig. Tel.) Die Post direktionen der Tschechoslowake i erlassen ein« Rundverfügung über Kc.ifiskation von Subskriptions listen für den Kampffonds Adolf Hitlers unter Hinweis darauf, daß die Postbezirksverwaltung in Aussig die Hitler-Flugschrift „Eine Mark in Gold für Adolf Hitlers völkischen Kampfschatz' kon- fisziert hat. Gleicherweise konfisziert wurden zwei Druckschriften ähnlichen Inhalte», in denen r» statt „eine Mark in Gold" lautete: „Zwei" bzw. „Fünf Mark in Gold". Die Machwerke sind auf der einen Sette versehen mit der Aufschrift: „Deutschland er wacht!" und mit einem Bild, das im Vordergrund« einen Arbeiter und einen Soldaten, im Hintergründe einen Umzug darstellt, der großdeutsch« Fahnen und Fahnen mit Hakenkreuzen trägt. Die Beförderung dieser Druckschriften durch die Post ist in de- Tschecho slowakei verboten. Die Finanzlonferenz der Oststaaten ist mit einer Ansprache de« estnischen Fmanzminiftcr» Weste! eröffnet worden. Es nehmen Finnland, Estland, Lettland und Polen an der Tagung teil. Westel wurde zum Vorsitzenden ge wählt. Die Konferenz nahm »in von estnischer Seite vorgeschlogene» Arbeitsprogramm an: gegenseitig« Information d«r teilnehmenden Staaten, Fragen der Geldreform und Zusammenarbeit der Zentral banken.
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)