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Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 14.10.1923
- Erscheinungsdatum
- 1923-10-14
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-192310141
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-19231014
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-19231014
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1923
-
Monat
1923-10
- Tag 1923-10-14
-
Monat
1923-10
-
Jahr
1923
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Naimtug, 6«! IG. Vsttod« Das ktassischeLandd-rVeror-nungen „Es ist verboten . . / - Beamtenabbau7 - Die Amtsgouvernante - Amerika, du hast es besser — Der Untertan einst »«- jetzt — Mehr Areitvilttgkeit und weniger Verordnung Auf dem Hauptkahnhof einer deutschen Großstadt Ins ich mit gebührendem Respekt »ine amtlich« Ver ordnung, die hier im Auszug folgt: „Es ist Ser- boten, in den Wartesälen und Hallen zwecklos umherzustreifen, herumzuliegen, Glücksspiele zu ver- anstalten, zu musizieren, Wohnungen anzubteten, zu lärmen, Zeitungen und Lebensmittel zu ver kaufen, soweit für all die» nicht die beson dere Erlaubnis der Eisenbahnbchörde erteilt ist." Dem ordnungsliebenden deutschen Staatsbürger wird auf dem Wege der amtlichen Bekanntmachung allerlei zugemutet. Mit behördlicher Erlaubnis, die ihm auf ein gestempelte« Gesuch wahrscheinlich nicht versagt wird, darf er sogar auf dem Haupt bahnhof eine Spielbank aufmachen', und wenn es ihm in dieser schlechten Jett gelüstet, auf dem Bahn- steig zu musizieren, weiß er, an welch« Instanz er sich zu wenden hat... Die Leute, die bei uns überflüssig« Perordnu»»- gen machen, weil sie zu nichts anderem zu gebrauchen sind, und die, um sich nützlich zu betätigen, die Wände mit Verboten vollkleben, sollten von einer Verord nung erfaßt werden, die diesen organisatorischen Eifer unterdrückt. Leider aber ist zu fürchten, daß eine solche ausnahmsweise nützliche Verordnung, die mit dem aktuellen Abbau de» Deamtenapparate» in einem gewissen Zusammenhang stünde, wieder so schlecht redigiert wäre, daß kein Mensch sie verstehen würde; und auch diese Maßnahme hätte zunächst dieeine sichere Folge, daß ein neues Amt geschaffen wird, zu dem Zweck, Verordnungen zu verfassen, die nicht gelesen werden. Bei uns teilen die besten Verordnungen do« Schicksal der dümmsten: sie bleiben aus dem Papier und ungelesen. Vor der Unzahl und dem Umsang der zumeist elend stilisierten, unfaßlichen Be stimmungen, Richtlinien und Paragraphen resigniert der Staatsbürger, indem er sie unb'achtet läßt. Sehr charakteristisch bemerkt ein Mitglied der Regierung in einer Berliner Tageszeitung: „Es scheint, daß man diesmal di« Absicht hat, als Er gänzung zu der neuen Verordnung besondere Richt linien herauszugeben, von denen di« Urheber die Hoffnung haben, daß sie auch gewöhnliche Sterbliche lesen können/ Man versuche cs doch einmal mit dem volkstümlichen, suggestiven, überzeugenden, herzlichen Ton! Mit dem grauen, verklausulierten Paragraphen».»tz, in das unsere Verordnung«» gefaßt find, wird man die Volks- seele niemals packen. (Mit den Jobbern und Raf fern allerdings muß man noch anders sprechen; in .Fernsätzen; und hinter jedem Satz ein Zuchthaus- Paragraph!) Es beweist einen guten Instinkt, daß die Mehr zahl der allenthalben angeschlagenen Bekannt- machungen und Verbote nicht gelesen wird, und daß man trotzdem ungefähr weiß, wie man sich auf Bahnhöfen, in Museen, Bade- und sonstigen öffent lichen Anstalten zu benehmen hat. Man sieht den erhobenen Zeigefinger der Amtsgouvernante schon gar nicht mehr, weil er überall auftaucht. In keinem Lande wird so viel Selbstverständliche» verboten wie in Deutschland. Der Fremde aber könnte leicht von uns denken, daß wir da» unmanier lichste Volk von der Welt find; es wäve in der Tat psychologisch begreiflich, wenn diese Ueberfülle der Vorschriften eine Art Lausbtcken-Dergniigen, sie justa ment zu umgehen, auslösen würde. Denn nicht nur Schulbuben, sondern auch erwachsene Leute führen sich so auf, wie man von ihnen erwartet, daß sie sich auf- sühren werden. Behandelt man sie wie dumme Jungen, dann werden sie sich auch demgemäß be nehmen, und behandelt man sie wie Erwachsen«, dann weckt man in ihnen den Ehrgeiz, erwachsen- zu sein. So hak'«in unbeschränkte» Herrentum stet» Sklaven- seelen oder Rebellen erzeugt, die Obrigkeit den urteil»- losen, geduldigen Untertanen gebildet, der Derord- nungswcg zu dessen Umgehung gereizt: und nur da» Vertrauen in die Freiwillkeit und Selbstdisziplin ist Aphoristisch Don Mvrtt» E» gibt Melodien, die schönsten Beispiele bei Bach in obligaten Instrumenten zur Arie, denen mehr al» der gefühlteste Ausdruck eine edle Gleichgültigkeit zum — Ausdruck verhilft. Auch sonst kennt unser Gemüt diese edle Gleichgültigkeit: eine strgvolle Erschöpfung. Diele Künstler, auch solch« von höchstem Range, wiederholen in jedem Dort da» ihnen eingeborene Schema deutlich bi» zum Auffälligen; der physiolo- gische Verlauf hat bei ihnen nur «ine geringe Ab- wandelbarkett, oder wie man sonst diese» rhythmische Gesetz au»sprechen will. Da macht es nun einen fun damentalen Unterschied: ob einer an seinem Schema immer wieder die Welt erlebt oder ob an der Welt nur immer wieder sein Schema. * „Wenn da» Alte Testament nicht »um Reuen Testament wird, wird es zum Talmud/ heißt es in -Rembrandt al« Erzieher*. Nur schade, baß auch ledes Neue Testament, recht schnell, »um Talmud vird. Zur Methode: Wenn ich, was vorkouuat, bei boethe und bet Zelter denselben Gedanken in fast denselben Worten finde, so nehme ich an, daß Goethe ihn von Zelter hat, nicht umgekehrt. * Systematisch Allotriat treiben — da» ist dte beste Methode de» Unterrichts, es ist die beste Oper und vielleicht da« beste Drama. * Moralische Wirkungen: Goethe» Grdichichen, worin er sich vorwirft, einer Spina« nicht ihren Lebenstag gegönnt zu haben, Hot meine Hand, di» gedankenlos ein« Fliege zerdrücken wollte, öfter zu- rückgehalten al» da» indisch» „große Wort': Tat- twam-ast. * » E» gibt Gedanken — wenn ihre Stunde schlagt, ist ihre Stund« vorüber. So wahr ist keine Wahr- beit, daß sie es ertrüge, Mod« zu sein. * wtveriegt, wenn sch seine Rückseite amsihbage r fähig, freie, pflichtbewußte Staats- bürg er zu schaffen. In Amerika rollt der Straßenbahnverkehr tadel- los ab, ohne daß geknipst und kontrolliert wird. Bei un» wäre das undenkbar; zunächst schon au» der „sozialen Erwägung": Wa» soll mit den Straßen- bahnschaffnern und Kontrolleuren geschehen? Kein Mensch drückt sich drüben um d«n Nickel; man ge horcht der stummen Aufforderung de» Automaten. E» bedarf keine» Beamten mit Ledertasche und Knips zange, der sich kassierend zwischen di« Fahrgäste zwängt. Und wennschon einmal einer nassauert — bei der kolossalen Ersparnis an Löhnen kommt es auf eine Freifahrt nicht an. Zn den riesigen New Parker Speisehäüsern löst man an der Kasse ein Eß-Ticket und kann sich dann im Speisesaal von den aufgetragenen Schüsseln und Getränken noch Belieben nehmen. Nie- mand kontrolliert- Zucker steht in großen, offenen Br Haltern zur freien Verfügung herum. Niemand schreibt vor, wieviel man sich nehmen darf. Man stelle sich einen solchen volkstLmlichen Speisepalast bei uns vor. Schon die Verordnungen und Der- bote ringsum an den Wänden könnten den Appetit vertreiben. Ein Heer von Aufpassern würde die Speisenden kontrollieren, damit die Gäste den Zucker nicht in ihre Taschen füllen, und über die Aufpasser waren Oberaufpaffer gesetzt, die ihrerseits die Auf- paffer zu kontrollieren hätten. Ueberflüssig zu sagen, daß die Blechlöfel und Zinngabeln mit wltchttgen Ketten an den Tischen befestigt wären —, kein Wunder in einem verarmten Land, zu dessen Ehrlichkeit man so wenig Vertrauen hat, daß selbst di« Federhalter in öffentlichen Aemtern, wo Publikum verkehrt, mit Stricken festgebunden werden. . . . Kürzlich besuchte ich ein große» Hallenschwimmbad; auf Schritt und Tritt war ich von Verboten und Vorschriften umstarrt, von allen Seiten drängen Ratschläge und Warnungen, wa» man tun soll und wa« tssan nicht tun darf, ver wirrend auf mich ein- Lin übler Geist der Wichtig, tuerei, der Bevormundung, der Weltfremdheit und der Kaserne sprach au» diesem Wald überflüssiger Be fehle und unerbetener Ratschläge. Nachdem ich alle» gelesen hatte, wa» geraume Zeit in Anspruch nahm, war mir die Lust auf» Schwimmbad gründlich ver- gangen; dafür aber hatte ich mein« Kenntnis eine» alten deutschen Erbübel» au» der Zeit des Untertanen, staate» wesentlich vertieft. . .. * Der Obrigkeit» st aat ist nicht mehr, aber im Berordnungswrsen sowohl de« Staat», al» auch de» Privatbetrieb» spukt er immer noch, und seine kümmerliche Kreatur, der Untertan, lebt noch, wenn auch in verwandelter Gestalt. Der Unter tan von einst braucht«, um zu handeln, die Der- ordnung; aus Eigenem tat er nicht». Rur keine Der- antwortung haben! Wa» man von oben bestehlt, wird gemacht, und damit genug. Der verwandelt« Untertan erfüllt die gewaltigen Gesetzesansprüche de« schwer bedrängten Staate» nur halb, fall» er sie nicht lieber ganz umgeht. Line Notverord- nung jagt die andere, und nicht einmal der Zucht- hausparograph, der jetzt immer häufiger als letzte» Halt-Signal am Ende de» Derordnungsweges steht, bringt die „Untertanen* zur Erfüllung der Steuer- und Devisengesetze. Der Untertan von einst tat ohne Verordnungen nicht«, der Untertan von heute tut trotz der Verordnungen nicht genug. Ja, wenn es noch die heroischen Ansprüche waren, die man für Kaiser und Reich mit dem Blute (meist der andern) erfüllen konnte! Aber die Republik fordert höchst nüchterne wirtschaftliche Opfer vom Besitz, und den gibt man nicht so leicht hin wie da» Blut... zumal der andern. Denn es die Rotmaßnahmen nicht schaffen werüen, deren Paragraphenwerk jetzt in Arbeit ist, wird es vielleicht die Diktatur schaffen müssen. Aber Eröffnung der Rotheuburg-Bibltothek 1» Jen» Dieser Tage wird an der Universität Jena die von Erich Rothenburg-Berlin-Amsterdam gegründet« Rothenburg-Bibliothek, eine der bedeutendsten juristischen Bibliotheken der Erde eingeweiht. Rothenburg hat diese Bibliothek der Universität Jena geschenkt und gleichzeitig die Mittel zu ihrer Erhal tung und Vergrößerung in Aussicht gestellt. Nament lich auf dem Gebiete de» internationalen Rechts ist die Bibliothek so reichhaltig wie kaum eine zweite. Li» Führer für Obdachlose. Wir lesen in der „Neuen Zürcher Zeitung*: Lin merkwürdige», aber sehr zeitgemäße» Puch ist kürzlich in Rom er- schienen. Giuseppe Scinio hat einen „Illustrier- ten Führer für obdachlose Menschen* „Rom bet Nacht* h«rau»gegeb«n und e» obendrein der Woh - nungskommission al» „Anregung für die Lösung de» schwierigen Problem» der Wohnungs beschaffung* gewidmet. Diese» menschenfreundliche Buch gibt Leuten, die nicht wissen, wo sie schlafen sollen, Ratschläge, wo sie „verhältnismäßig bequem unter freiem Himmel übernachten können*. Man ist versucht, diesen Führer kür eine witzig« Lektüre zu halten, aber wer Italien, und be sonder» Rom kennt, wird wissen, daß da» Nächtigen mzter freiem Himmel durchau» nicht» Ungewöhn liche» ist. Teil« trägt da» Klima dazu bei, teil» die Mittellosigkeit, in neuerer Zeit aber besonder» di« Wohnungsnot. So «i« sich der Reisend« rasch an die überall herum liegenden Bettler in Venedig ge wöhnt («» sind jetzt allerdings nicht mehr so viel wi« früher), so ist e» dem Bürger Rom, eine altver traute Erscheinung, unter Torbogen, in Häuser« winkeln, unter großen Denkmälern, unter Brücken pfeilern rmd sonstigen einigermaßen geschützten Dinkeln schlafende und oft beträchtlich schnarchend« Gestalten zu erblicken, die von der Polizei — sofern st« sich manierlich aufführen — in keiner Weise be- helligt «erden. Der Verfasser gibt nicht nur ein trockenes, nichtssagendes Adressenmaterial, sondern bemüht sich, die idyllische 'Unterkunft durch ent- sprechend« charakteristische Zusätze zu schildern. Lin Beispiel für den poetischen Sinn de» Verfassers: „Der Laubengang auf dem Kapitol (Straßenbahn Nr. 4, auf der Piazza di Gesü aussteiaen, 12—st—7). Sehr geeignet »um Schlafen und »temlich sauber. Bon dieser berühmte Höh» atmet di« ewige Größe des anffk?n Rom und seine Poesie läßt tsie Umstände keine Notmaßnahmen und keine Diktatur könne« be wirken, wa» di« Freiwilligkeit, die Selbstdisziplin, die Selbsteinschä- tzung, die Selb st Verwaltung und — die Lieb«, die Liebe zur Republik schaffen könnte. Ganz ohne ein bißchen Liebe geht es eben nicht. Glaubt jemand, daß wir so tief in den Dreck hineingeraten wären, wenn alle, vom Großagrarier und Schwerindustriellen bi» zum Kommunisten, für die Republik da« Aeußerst« aus frei willigem und liebevollem Herzen geleistet hätten, wie es in der heißen Aufwallung de« August 1914 für „Kaiser und Reich* geleistet worden ist?!? vermischte» Der Vergeßliche. In Grünberg in Schlesien er schien dieser Tage in einem Bäckerladen ein Herr, kaufte einige Kleinigkeiten und entfernte sich wieder. Rach ungefähr zehn Minuten wurde die Ladentür aufgerissen und derselbe Herr stürzt« aufgeregt in einem unbeschreiblichen Zustand in den Laden. Die eine Gestcht»seit« war eingeseift, die andere frisch rasiert. Al» er den Ladentisch sah, entrang sich ein „Gott sei Dank!* seiner Brust. Dort lag noch immer seine mit Geldscheinen gefüllte Brieftasche, di« er beim Einkauf hatte liegen lassen. Die Erklärung für sein Aussehen lag nunmehr auf der Hand: er hatte beim Rasieren in einem in der Nähe liegenden Barbiergeschäft seinen Verlust gemerkt und war dem sicherlich sehr verdutzt dreinschauenden Friseur unter dem Schermesser davongelaufen. Die Franzose» loben deutsche Luftschttf-Techntk. Das Luftschifft„Dixmude", da» in Frankreich eine ununterbrochene Fahrt von über 118 Stunden aus geführt hat, hat, wie der Aeroklub von Deutschland mitteilt, einen großen Presse-Erfolg. Eine franzö- stschessßeitschrtft schrieb anläßlich dieses Rekordfluges: „Tatsächlich ist das Luftschiff ein deutsches, war aber von französischer Besatzung geführt. Um gerecht zu sein, muß man sich vor denMigen verbeugen, die diese» Luftschiff erbaut haben. Man muß anerkennen, daß die lange Erfahrung, die die Deutschen beim Ban der 116 Zeppeline — der „Dixmude" ist Nr. 114 — erworben haben, nicht unnötig gewesen ist, und daß in bezug auf Luftschiffe die deutschen Techniker vor den anderen einen unbestreitbaren Vorsprung haben." Generalstreik in Pslntsch-Obrrfchlrfien. In Pol- nisch-Oberschlesien ist nach dem Ende de» 24stündigen Proteststreiks die Arbeit nicht wieder angenommen worden, sondern ein allgemeiner General- streik ausgebrochen. Da auch die Elektrizi- tätswerke nicht wieder arbeiten, lagen gestern die größeren Städte wie Kattowitz und Myslowitz im Dunkeln. Den Tod der Braut verschwiegen. Lin Guts besitzer au« der Lausitz war nach Berlin gekommen und teilt« der Kriminalpolizei mit, daß seine Tochter verschwunden sei. Diese sei mit ihrem Bräutigam und seiner Schwester nach Berlin gereist und lasse nicht» von sich hören. Di« Polizei ermittelte, daß da» Mädchen in Berlin gestorben und bereit» beerdigt war. Ls stellte sich heraus, daß es einen unerlaubten Eingriff hatte vor- nehmen lassen, der ihren Tod herbeigeführt hatte. Der Bräutigam und seine Schwester sowie ein« Kar- tenlrgerin, di« diesen Eingriff auf Veranlassung de» Bräutigams vorgenommen hatte, wurden verhaftet. Der Bräutigam hatte sich so schuldbewußt gefühlt, daß er dem Vater den Tod der Tochter nicht mit geteilt hatte. Auch di« Zigeuner streike»! „Wo alles liebt, kann Karl allein nicht Haffen!* Auch die Zigeuner sind von der Streikwelle der Zeit ergriffen worden. Di« als Volksmusikanten in Ungarn sehr geschätzten Nomaden, die al» „Zigeunerkapellen* Weltruhm be sitzen, sind in der ungarischen Stadt Pecs in Streik getreten, da ihnen die Hotel- und Kaffeehausbesitzer die geforderten Löhne nicht bewilligen wollten. Die Lokalbefitzer ließen die Fiedel- und gimbalkünstler ziehen. Da gäbe eine Ueberraschung! Das Publikum erklärte sich mit den Zigeunern solidarisch und boykottiert« die Restaurant» und Hotel», in denen keine Zigeunerkapellen musizierten. Der Streik der Zigeuner endete mit ihrem Sieg. In- folgedessen hat die Streikbewegung der Zigeuner- tapellen in Pecs aufgehört, hat aber gleichzeitig auf ganz Ungarn übergegnffen. UnglücksfSlle und verbrechen Explosion tt» Elektrizitätswerk -auuover. Im städtischen Elektrizität»werk in Hannover ereignete sich eine schwere Explosion. Größere Lisenstücke wur den weit fortgeschleudert. Der Maschinenraum bot ein Bild wüster Zerstörung. Tot« sind nicht -u oe- klagen. Lin Arbeiter wurde von einer Leiter gerissen und trug einige leichtere Derletzurtgen davon. Grobfeuer in Schöneberg. Lin gefährlicher Dach stuhlbrand wütet« in der Ebertstraße 55 zu Schöne berg. Der Dachstuhl de» Vorderhauses ist zu» größten Teil zerstört. Li» cugltfche» Kohlenfchiff gesunken. Der euglische Leichter Toncretelyke, der mit Kohlen von Newcastle nach Petersburg unterwegs war, ist, nach- dem er in schwerem Sturm schon den Schlepper ver- loren hatte, infolge Einschlagens der Luken bei Feuer- schiff Elbe I gesunken. Die sechs Mann Besatzung wurden von dem deutschen Bergungsdampfer Jason unter größten Schwierigkeiten gerettet und nach Lux- Haven gebracht. Da» Urteil im Mordprozeß Soell. Der Prozeß gegen den Packer Adolf Soell in Berlin wegen Ermordung seiner Frau ging zu Ende. Das Gericht erkannte nach längerer Beratung auf eine Gesamt- strafe von 5 Jahren Gefängnis unter Anrechnung von 7 Monaten Untersuchungshaft. Sträflingstumult in Drieg. Bei der Einlieferung von Gefangenen, die aus dem Zuchthaus Branden burg ausquartiert worden waren, in die Brieger Strafanstalt, kam es zu schweren Unruhen. Die Beamten mußten von der Waffe Gebrauch machen und mehrere Salven abgeben. Verletzt wurde nach den bisherigen Feststellungen ein Gefangener. Die neuen Insassen sind in der Mehrzahl Berliner Schwerverbrecher, zum Teil noch recht jugendlich. Einige von ihnen sollen lebenslänglich sitzen. Etwa ein Dutzend Rädelsführer wurde in Einzelhaft ge nommen. Vorläufig ist als Disziplinarstrafmittel für die gesamte Belegschaft das Schweigeverbot ver hängt worden. Die zerschlagenen Inventarstücke müssen die Meuterer aus dem Ertrag ihrer Arbeit zahlen. Unterschleife in München. Das Volksgericht in München verurteilte den städtischen Vcrwaltungsober- sekretär Gruber und den Vertragsangestellten Strobl wegen Vergehens der Untreue zu je 4 Mo naten Gefängnis, und zwei Verkäuferinnen wegen Diebstahls zu je einem Planst Gefängnis. Ls han delt sich um Unregelmäßigkeiten, die bei dem Ausver kauf der städtischen Warenabgabestelle begangen wor- den sind. Die Verfehlungen sind schon im Jähre 1921 erfolgt. Selbstmord oder Uuglücksfall? Kürzlich wurde in der Weißen Elster bei Wesenitz (bei Döllnitz) die Leiche eines 40—50 jährigen, 1,65 Meter großen Mannes aufgcfundeu. Der Tote war mit einem schwarzen Anzug bekleidet und hatte spärliches weißes Haar, weißen Schnurrbart, lückenhafte Zähne, der Oberkiefer ist fast zahnlos. In seinen Taschen fand man sechs Schlüssel und eine Zylinderuhr. An gaben erbittet die Kriminalabteilung Leipzig. Mordversuch mlt Brechweinstein. Die Staats anwaltschaft in Aschaffenburg fahndet nach dem 30 Jahre alten Dienstknecht Otto Schwab aus Birschbrunn, A.-A. Marktheidenfeld, der in den letz ten Monpten wiederholt versucht hat, die Bauersehe/ leute Eduard und Philomena Hartmann in Ro den im Spessart, bei denen er bedienstet war, und deren 154 Jahre altes Kind dadurch zu töten, daß er den für sie bestimmten Getränken, Milch, Tee, Bier und Most, Brcchw^jnstein beimengte. Nach der Entdeckung ist Schwab flüchtig gegangen. Man vermutet, daß er ins besetzte Gebiet ent- kommen ist. Der Sitz des Klu Klux Klans in die Luft gesprengt. Wie der Korrespondent -er „Daily News* aus Ch i- kago mitteilt, wurde der Sitz des Klu Klux Klans durch eine Bombe in die Luft ge- sprengt. Die Explosion war so heftig, daß die Fensterscheiben mehrerer hundert Häuser in Trümmer gingen. Während der Explosion hielt sich niemand in dem Gebäude des Klu Klux Klans auf. Aus der Mitteilung geht nicht hervor, ob die Urheber des Attentates festgenommen oder festgestellt sind. und Aergerni» des Nachtlagers vergessen!" Zum Cicerone von Größe schwingt er sich aber in diesem letzten Beispiel auf: „Die Wiese neben der protestan- tischen Kirch«, wo im schattigen Frieden der un- sterblich« Shelly ruht, ein Engländer zwar von Geburt, aber eia Romer in seine« Fühlen. In mitten seiner Landsleute und Mitgläubigen liegt er >a begraben. Line lateinische Inschrift verkündet einen unsterblichen Ruhm. Im Fall«, daß «» regnet, lüchte man unter da» Tor von San Paolo oder unter die Settenbogen in den Mauern." Der verkannt« König. Ein« reizend« Geschichte von dem verstorbenen König Eduard von England erzählt Lord Sufsield in seinen Lebenserinnerungen. Der Held dieser Geschichte ist Lord Mark Kerr. der wegen seiner außerordent lichen Vergeßlichkeit, die im Alter zu wahrer Ge- diichtnisschwäche ausartet«, berühmt war. Ls war etwa ein Jahr vor König Eduard» Tode, al» der Herrscher einmal auf der Straße Lord Kerr traf. Lr blieb stehen, um ein paar Minuten mit ihm zu plaudern. Dann verabschiedete er sich herzlich und var schon einige Schritte entfernt, al» Lord Mark Kerr ihm nachrief: „Verzeihen Sie mein Herr, aber würden Sie wohl di« Güte haben, mir Ihren Namen zu nennen? Ich kenne Ihr Gesicht ganz gut, aber ich kann mich nicht erinnern, wer Sie sind/ Verlobung der Tochter Mahler» mit de» Kamps- niste» Krenek. Die Tochter Gustav Mahler» hat sich mit Ernst Krenek, der bei den diesjährigen Kasseler, Frankfurter und Salzburger Mnfikfesten al» führen der Moderner hervortrat, verlobt. Der Korst» in Kairo ist da» bunte Zentrum der Hauptstadt Aegypten». Elegant, Fuhrwerk«, Reiter, Spaziergänger, dazwischen Kameltreiber, Europäerin- nen, Amerikanerinnen, Damen der großen Welt und der Halbwelt, Offiziere in strahlenden farbigen Uni- formen drängen sich auf der langen, den heiligen Fluß überspannenden Kassr cl-Nil und unter der flimmernden Sonn« de» alten Pharaonenlandes. . . . Den Fremden interessieren besonder» di« Equipagen mit den verschleierten Haremsdamen, deren bl tzende Augen über dem Schleier so faszinierend zu locken verstehen, lieber ein Abenteuer mit einer solchen „Harem»prinzcssin" plaudert Artur Berger in Nr. 4 der mondänen Monatsschrift „Dao Leien" auf» amü- santeste. Der ein Liebhaber interessanter Lektüre ist, wird auch in den Übrigen Beiträgen dieser Nummer genau das finden, was er sucht: Fesselnde und spannende Novellen, Extrakte des Lrleh^LS. Ein neuer Knut Hamsun. Knut Hamsun hat, wie uns au« Lhristiania gemeldet wird, einen neuen zweibändigen Roman vollendet, der „Das letzte Kapitel" heißen wird. Knapp nach der norwe gischen Originalausgabe wird bei Albert Langen in München die deutsche Uebersetzung erscheinen. So spricht ein General . . . An demselben Sonntag, an dem Herr Poincarü irgendwo in Frankreich bei der Enthüllung eines Dutzend-Kriegerdenkmals eine seiner bramar basierenden unversöhnlichen Reden hielt, hat ein alter englischer General, der den Krieg nicht nur aus Zeitungen, sondern aus lc.nger soldatischer Erfahrung kennt, in dem kleinen schottischen Küstenstädtchen Fraserburgh au» einem ähnlichen Anlaß gesprochen. Sir Ian Hamilton führte folgendes aus: „Dieses Denkmal ist eine Allegorie der Ge rechtigkeit und der T a p f e r k e it. Die Ge- rechtigkeit wird dargestellt durch di« Figur de» Britischen Reiches: ein schottischer Soldat verkörpert die Tapferkeit. Die Gerechtigkeit zügelt da» Un gestüm der Tapferkeit, indem sie ihre Finger auf den rechten Arm des Krieger« legt, während zugleich ihre linke Hand ihn durch e-nen Griff an seinem Schild zurückhält. „Ruhig, tollkühner Junge," so scheint sie zu sprechen, „besinn' dich!" Ihre Haltung ist da« genaue Gegenteil von dem, wa« in den Worten ausqedrückt ist: „Ruft nach Tod und Vernichtung und laßt die Kriegsfurien los!" Eher lie-tt darin die Weisung, die Poloniu« seinem Sohne Lacrtes auf I n Weg gibt: „Hüte dich, in Händel zu geraten: liegst du drin: führ' sie, daß sich der Feind vor dtr mag hüten!" Sicherlich ist die» letzter« eine gesitteter, Auffassung und eine, die besser verdient, der Nachwelt vermacht zu werden al« diejenige, die un» von Künstlern übermittelt wird, die da» Gemetzel malerisch gestalten oder gar der Tvrannei schmeicheln, ndem sie un« entwaffnete Feinde zeigen, die al» Sklaven unter der Peitsche des guchtmeister» lronden... Jeder vernünftige Mensch weiß, daß Kricket ein gute» Spiel, und daß jener Wettkampf im Töten, genannt Krieg, ein schlechte» Spiel ist, und dennoch haben wir wie Vögel, die vom bloßen Anblick einer Schlange fasziniert werden, all dies« Iah« beobachtet, wie jene» Monstrum sich ent rollt hat uud auf uns zugeglitten ist, und zwar es strmlich mit Wohlwollen beobachtet! . . /
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