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»««« » 0«a««r»g, L« tt Vttvd« vke zweite Lesung der Ermächtigungsgesetze» Beeü», S. Oktober. Zm -weiten Teil der heutigen Sitzung wurde der Antrag Schiffer (Dem.) v«n Minister -«» Innern, Sollnurnn, wegen seiner wert, vollen Anregungen ausdrücklich begrüßt? lieber die Verhandlungen von Stinnes, Bögler und Klöckner mit General Degoutte verlas Sollmann eine Erklärung, die sich voll- kommen mit dem deckte, was in dieser Angelegen, heit bereit» bekannt geworden, war. Der Minister bat da« Haus. fick -»nächst mit dieser Erklärung -u begnügen, bi« er weiterer mitteilen werd». Don den Abyg. Alper« (D.-Hann.), Fehr (Vayr. Dp.) und Ledeboar (U.) wurde, wie vorher von Wulle (D.-Dölk.) da« Ermächtigungsgesetz abgelehnt. Der bayrisch« Gesandte v. Preger wiederholte seine im Reichgrat abgegebene Erklärung, daß die bayrische Regierung dem Ermächtigungsgesetz nicht -ustimmen könne. Sie ^rage Bedenken, in die Hände der Reichsregstruna bei deren gegenwärtiger Zusammensetzung so weitgehende Vollmachten zu legen, wie fte in dem Entwurf enthalten seien. — Die Erklärung wurde von rechts mit Beifall, von links mit großem Lärm ausgenommen. Dann wurde der Antrag der Deutschnatio. nalen, da« Ermächtigungsgesetz einem Ausschuß zuzuweisen, gegen die Stimmen der Antragsteller, der Bayrischen Polkspartei und der Kommunisten, abgelehnt, und da« Hou» trat sofort in die 2. Beratung des Entwurfes ein. Hierzu hatten di« Kommunisten einen Antrag eingebracht, der ver langte, die Regierung solle gegen die rheinischen Schwcrindiistriellen, di? mit General Degoutte und dem Vorsitzenden der interalliierten Kommission di« bekannten Verhandlungen geführt haben, da« Der- fahren wegen Hochverrat« einleiten. In starkem Gegensatz zu der aggressiven Red« de« Grafen Westarp standen die ruhigen Ausführungen, mit denen sein Fraktionskollege Abg. Dr. H«lsferlch die Ablehnung de« Ermächtigungsgesetzes durch die Deutschnationalen begründete. Bemerkenswert war da« Eingeständnis des Redners, daß ihm bei den Sondcrverhandlungen der westdeutschen Großindu striellen nicht sehr behaglich zu Mute sei. Am Schluß seiner Ausführungen stellte Helfferich im Auftrag seiner Fraktion folgenden Antrag: »Wäh rend der Dauer des Ermächtigungsgesetzes erhalten die Reichstagsmitglieder Aufwands- entschädigungen nur für die Tage, an denen der Reichstag versammelt ist" und beantragte wei terhin die Streichung des -weiten Artikels des Er mächtigungsgesetzes. Abg. Koch-Weser (Dem.) bedauerte, von ent- schiedener Zustimmung der Linken begleitet, daß der Vertreter der bayrischen Regierung in dieser ernsten Lag« des Reiches eine für die Autorität der Reichs regierung sa verletzende und darum auch außen politisch schädliche Erklärung abgegeben habe. Rochdem noch mehrere Abgeordnete vor fast leeren Bänken gesprochen hatten, konnte das Hau» kurz vor 1k Uhr zur Abstimmung schreiten. Di« deutscknationalrn und die kommun^ - en Anträae wurden gegen die Stimmen der Antragsteller ab- e>ckfi>hnt, ebenso der sozialdemokratische Antrag, der ßis Erwerbokosenfürsorge aus dem Ermächtigungs gesetz ausschalten wollte. Dagegen wurde mit den Stimmen der Koalitionspartcien ein Zentrums antrag angenommen, der die Leistungen au» der Erwerbs losenfürsorgc vom Ermächti gungsgesetz ausnimmt. Der deutschnationale Antrag auf Sperrung der Diäten während der Gültigkeit' des Ermächtigungsgesetze« wurde gegen die Stimmen dieser Fraktion und der Bayerischen Volkspartei abgelehnt. Der Antrag Schiffer über die Vereinfachung der Verwaltung wurde an genommen. Schließlich wurde das ganze Gesetz in -weiter Lesung gegen die Stimmen der Bayrischen Volks- Partei und dew Kommunisten angenommen. . Die dritte Lesung des Gesetze« findet am Donnerstag statt. Berli», 10. Oktober. (Eig. Te l.) Der Reichstag erlvdigte heute in einer schwach besuchten Sitzung den 4. Nochtragsctat 1923. Rach diesem Etat sollen durch Anleihen und Reichsschatzanweisungen 878 Billionen Mark flüssig gemacht werden, wovon 3l> Billionen -um Erwerb der notwendigen Brot- aetreidevsrriite bestimmt sind. Weiter handelt es sich vm Ausgaben für die Ruhrzone sowie um die rrotwendigen Gelder für die Deomten- aehälte. r und die. Wetterführung der Reich«» betriebe. Es nahmen nur zwei Kommunisten dazu das Wort. Der Abg. Hölleti» richtete heftigen An- griff gegen Stinnes al« Nutznießer der Inflation und betonte, daß es der So-ialdemokratie trotz ihrer großen Worte nicht gelungen sei. die Mithelfer der Inflationspolitik wie den Rcichsbankpräsidenten Hanenstein. zu entfernen. Weiter behauptet« er. daß Stinnes in der vorigen Woche in München mit Ludendorsf einen Feldzugsolan gegen Berlin, Thüringen und Sachsen beschlossen hab«. Sein Frnktionskolloge Bartz beschwerte sich über das neuerlich« Verbot der »Roten Fahne" und nannte Stinnes «inen Hochverräter, wokur er zur Ordnung gerufen wurde. Dann wurde der Rnchtraqaedat enstgstlbig nerabschiedet und ebenso der Gesetzentwurf über di« Erhöhung der Postgebühren. Nach Erledigung einer Immunitätsang,legenhcit vertagt« sich da» Haus auf morgen vormittag 10 Uhr, um dann die dritte Lesung de« Ermäch tigungsgesetzes vorzunehmen. Vie Streikbewegung in Polrrisch-Gberschlefien Breslau, >0. Oktober (Lig. T,l.) Zm Lause de» gestrigen Tage» kam es zu einer Einigung zwischen den Gewerkschaften und den Arbeitgebern im polnisch - oberschlesischen Industriegebiet. E« wurde eine Erhöhung der Löhne um 130 Prozent bewilligt. Daraufhin gaben die Gewerkschaften die Parole zur Wiederaufnahme der Arbeit au». In den Industriebetrieben und Hütten Ober- schlesien» wird jedoch der Streik größtenteils fort gesetzt. Die Arbeiterschaft besteht auf der ge^r- derten Lohnerhöhung von ISO Prozent. Die Ge werkschaften sind um die Beilegung des Streike» bemüht. Im Laufe des Vormittag» ist auch auf dem oberschlesischen Elektrizitätswerk Chorjow," da» den größten Teil Polnisch-Oberschlefien« mit Kraft versieht, die Arbeit niedevgelegt worden: do- durch stob nntRrNch «ch die Zeitungen lahm- gelegt. Ein neuer Rathenawprozeß Vor de« Staat«zericht»hof -um Schutze der Re publik hotten sich heut« der Ltudienkar Johannes Peter», der Kaufmann Gottfried W ie s« und der Postsekrrtär a. D. Paul Büsch wegen Begünstigung der Mörder Rathenau» zu verantworten. Den Vor sitz in der heutigen Sitzung führte Reichsgerichtsrat Riedner. Di« Anklage vertrat Reichsanwalt Dr. Feisenberger. Der Student Peter» ist ein Pfarrcrssohn, war Seeoffizier, Mitglied der Orgesch und de» Deutschtumbunde». Er ist erst 27 Jahr« alt. Als der Vorsitzende ihn fragt, ob er deutschnational gesinnt sei, versucht er ein« ausweichende Antwort zu geben, bi» ihm der Vorsitzende versichert, der Gtaotrgerichtshof veMrteile nicht die Gesinnung. Brkenntnistreu« ist also nicht seine Sache. — Der Angeklagte Wiese ist 28 Jahre qlt,'war gleichfalls Offizier und ist jetzt kaufmännischer Angestellter in einer Papierfabrik. Auch er gehört dem Deutsch- tumbund« an, den er al» ein« harmlose wissenschosl- liche Bereinigung mit antisemitischem Einschlag dar stellt. Wies« hat mit dem. seinerzeit durch «in« Feme ermordeten Studenten Bauer in Beziehungen ge standen. Er versichert -war, daß diese Beziehungen sehr lose gewesen seien, steht dann aber, nachdem durch einen Briefwechsel zwischen Bauer und ihm und durch eine Aussage Bauer» sich dieses Verhält nis ganz anders dorstellt, diesem Gegenbeweis etwas verlege» gegenüber. Bauer hatte den Wiese nämlich aufgefotdert einer Vereinigung beizutreten, di« di« Regierung stürzen sollt« und Wiese stellt« sich, wi« er schrieb, »gern in den Dienst dieser guten Sache". Der dritte Angeklagte, Büsch, ist ein älterer Mann, ein Spießbürger, Organisator von Bürgerwehren und Ingendbünden. Peters erzählt von seiner Be gegnung mit den Mördern Rathenaus in Dismär folgend«»: Eine» Morgen» im Juni 1922 kamen Kern und Fischer, dieser wurde ihm al» Herr Funke vor gestellt. Peter» wußte schon durch di« Zeitung von dem Verbreche» der beiden, nahm sie indes dennoch auf und gab ihnen «ine Schlofstatt, auch Verpflegung und Kleidung. Peters hatte ein lebhaftes Interesse daran, Kern schnell weiterzubringen, da, wie er sagt, e» richtig wäre, daß Kern möglichst weit weg wäre, um der Gefahr der Verhaftung zu entgehen. Der Vorsitzende fragt den Angeklagten, ob er denn gar keine moralischen Bedenken gehabt Hobe? Peter« antwortet, man befände sich da in einer moralischen Zwickmühle. Der Angeklagte ist für die Mörder, während diese in seinem Haus« wohnten, noch Dres den gefahren, um für sie Geld zu holen. Diese Reise war indes ohne Erfolg. Sehr belastend gegen den Angeklagten sind die Aussagen de» inzwischen er- mordeten Studenten Bauer, der di« Beziehungen zwischen den Rothenaumördern und ihren Helfers- i Helfern al« viel inniger schildert. Rach Bauer» A»s* ' sagen war Petrr« der Verbindungsmann -wische» ! den Mördern und seinen Helfern, aber etwa» Nähere» ! über diese Beziehungen, über di« Persönlichkeiten derjenigen, die für den Mord Geld versprochen hatten, erfährt man nicht. Für den Angeklagten sind die Umstände selbst schon zur Katastrophe geworden. Dir Tatsache, daß er als Helfershelfer der Mörder stathenaus bekannt geworden ist, hat ihn jede Ans icht auf em« Anstellung verschüttet. Dabei ist er >rr Ernährer seiner neun Geschwister. Der Pates. er Pfarrer in Wismar war, ist schon lange tot. Bei der.Erwähnung dieser Familienverhältntffe crsagt dem Angeklagten, der trotz allem ein ehr- icher und gerader Mensch zu sein scheint, dem man ine gewiss- Sympathie nicht versagen kann, di« itimm«. Der Angeklagte Wiese macht einen weniger guten .indruck. Wahrend Peters seine Schuld offen ein- resteht und dabei, die voll« Verantwortung auf sich nehmend, die Aussage über die weiteren Beziehungen der Rathenaumörder verweigert, versucht Wiese seine Beziehungen zu den Rathenaumördern so darzu stellen, als wäre er sich über die Tat der beiden, Fischer und Kern, überhaupt nicht im klaren ge wesen. Die Rathenaumörder wurden durch. den Studenten Bauer zu ihm nach Winningen geschickt. Obgleich er sich in verschiedene Widersprüche ver wickelt. findet er nicht, wi« der Angeklagte Peter«, die moralische Energie, seine Mitwisserschaft einzu gestehen.. In seinem Plaidoyer führte der Reick» - an walt aus. daß es sich hier um einen feigen hinterlistigen Meuchelmord gehandelt habe, der an einem Mann begangen worden sei, der sich in einer außerordentlich wichtigen Stellung befunden und dessen Tod schweres Unglück für Deutschland im mittelbar zur Folge gehabt habe. Während der Angeklagte Peters seine Handlungsweise ehrlich und offen zugegeben habe, hätten die beiden anderen An geklagten versucht, auezuweichen und zu vertuschen. Alle Angeklagten hätten aber nur bedingt Bei hilfe geleistet. Der 8 257 de» Str.-G.-B. sei an zuwenden. Das Strafmaß, das der Reichsanwalt beantragt, beträgt acht Monate Gefängnis für jeden Angeklagten. Dieser Strafantrag trifit die Angeklagten außer ordentlich hart. Der Angeklagte Peters bricht in Tränen aus. Nur der Angeklagte Büsch nimmt den Antrag gleichmütig hin. Nach längerer Beratung kam der Staatsgerichtshof zu folgendem Urteil: Di« Angeklagten Peter« und Wiese werden zu acht Monaten Ge fängnis, der Angeklagte Büsch zu einem Jahr Gefängnis verurteilt. presfezensur? Di« Verordnung de« Reichswehrministers, die den Zeitungen die Veröffentlichung nichtamtlicher Nachrichten über Unruhen untersagte, ist bereits wieder aufgehoben worden. Der Mitteilung dieser Entschließung aber hat der Befehlshaber de» Wehr kreises fv, wie wir berichteten, eine eigene Verordnung hinzugefiiot, durch die den Zeitungen verboten wird, .ungeprüft« ülachrichten und Gerüchte zu veröffent lichen, di« geeignet find, die öffentliche Ruhe und Ordnung zu stören". Ein« »ungeprüfte Nachricht, die usw.", da» ist ein höchst elastischer Begriff, der aus olle, möglichen Mel dungen angewandt werden kann. Nicht immer ist die Zeitung in der Lage, etwa in letzter Stunde ein laufende Meldungen, deren Wiedergabe wichtig scheint, auf ihr- Genauigkeit zu untersuchen, und selbst das ge schärfteste Verantwortungsgefühl vermag nicht in jedem einzelnen Falle fest-listcllen, ob eine Meldung »geeignet ist, die öffentliche Ruhe und Ordnung zu stören". Eine der Grundlagen der bürgerlichen Freiheit ist die Klarheit der Gesetze und Verordnungen, die da» öffentliche Leben regeln. Zu den Gepflogen- beiten der Willkür dagegen gehört es. mehrdeutige Verfügungen zu erllrssen, die non Fall zu Fall ver schieden ausgelegt imrden können. Solche Absicht säg de» Befehlshaber de» Wehrkreises fV ohne Zweifel ebenso fern, wie es der großen Mehrheit des deutschen Volkes fernlieot, sich nach der Art der Unterrichtung zurückzusehnen^ di«, ihm in der Kriegs zeit unter dem Druck der militärischen Zensur dorgereicht «tz tz non der ihm kurzem, gelegentlich des in der amtlichen Meldung al» »national-kommunistisch" (!) bezeichneten Putsch versuche» in Eüstrin, so ein kleiner Nachguß kredenzt wurde. Mehr ^>l» je ist m den an Ursachen der Er- r-qung nur oll-ureichen Behältnisse. in denen wir heute leben, das Vertrau»» zur unabhängigen Presse em Element der Staalsertallung. das nicht durch unnötige Eingriffe gefährdet werden sollte. Was hier schon gelegentlich der jetzt zurückgezogenen Preffeverordnung des Reichswehrministers gesagt wurde, gilt womöglich in noch höherem Maße von der de» Dresdner Mflitärbesehlshaber», drren Not wendigkeit schwer nachzuweise» sein dürfte, nachdem der Reichswehrminister die Ueberflüssigkeit seiner Prefseverfiiguug durch ihr« Widerrufung an erkannt hat. vom britischen Protektionismus Loada», 10. Oktober. (Eig. Tel.) Die gestern von der Reichskonferenz einem Unterausschuß überwiesenen Schutzzollpläne setzen sich au» ver schiedenen Vorschlägen zusammen. Der erste sieht für alle landwirtschaftlichen Erzeugnisse, die nach England eingesührt werden, Schutzzölle vor, die allerdings für die Erzeugnisse der Dominions beträchtlich ermäßigt sein sollen. Sobald dir Weltmarktpreise unter di« Erzeugerpreise in England und den Kolonien sinken, sollen glei tende Zölle den Ausgleich schaffen. Um die Obst zucht i» den Kolonien zu fördern, sollen Einfuhr- Prämien bezahlt und die Frachten verbilligt werden; aus diesen Prämien könnt« die australisch« Land wirtschaft, di« ein« wichtige Abnehmerin englischer Erzeugnisir sei, gefördert werden. Fall» es nicht angezeigt erschein«, bestimmt« Nahrungsmittel mit Zöllen zu belasten, so könnt« di« Einfuhr au« den Kolonien freigegeben werden, wahrend die Einfuhr au» nichtbritischen Ländern einer Einfuhr- genehmiguna bedürfte. Endlich hat der australische Ministerpräsident Bruce, der auch andere Vor schläge ausgearbeitet hat. einen Plan vorgelegt, um d« Weizmqwei» «es de» englischen Markt zu stabi lisieren. «»» öffentlich, rre»j»»d,«s»Vchaft s-ü allen eingeführten Weizen kaufen, für den Kriegs fall eine ausreichende Weizenreserve hakten und diese Reserve zur Stabilisierung der Preise be- nutzen. Landwirtschat und Volksernährung Berlin, 10. Oktober. (S i g Te l.) Die gesamten im Reiäsausschuß der ocutschen Land wirt s ck ci f l zusammengc'faßlcn Körperschaften haben zu dem Reichsratsbeschluß betr. Sicherung der Brotversorgnng eine Entschließung ge- saßt, in der es beißl, der Reichsausschuß der deutschen Landrrirtscyaft sehe sich gezwungen, bei ^cn zuständigen Reichsbehörden und beim Reichstag ein dringliche Vorstellungen gegen jenen Beschluß zu erheben. Der Reichsousschirß habe der Bildung einer Brotreserve zugcstimmt, und di« organisierte Landwirtschaft habe sich bereit erklärt, sich für die Aufbringung der von der Reichsregierung beabsichtig, ten, auf der Grundlage des freien Marktpreise» ein- zudcckenden Inlandsreserve einzusctzen. Trotz aller Bedenken hätten die Vertreter der Landwirtschaft im Reichswirtschaftsrat den jüngsten Gesetzentwurf, der eine Brvtreferve bis zu 21L Millionen Tonnen vor- sieht, nicht widersprochen. Der Reichsuusschuß fordert die Wiederherstellung dieses Regierung»- entwürfe«. Er legt schärfste Verwahrung gegen den Versuch einer Wiedereinführung des Umlage verfahrens ein. Die organisierte deutsche Land- wirtschaft wäre nicht mehr in der Lage, eine Ver antwortung für die Sicherstellung der deutschen Volksernährung zu übernehmen, wenn von der Ent schließung der Rcichstagsmehrheit vom 12. April 1923 abgewichen werde. Die Reichsregierunq wird aufaefordert, mit ollem Nachdruck für die Dieder- herstellpng dieses ursprünglichen Gesetzentwurfes zur Sickerung der Drotversorzung im Wirtschaftsjahr 1923/24 einzutreten, und der Reicheausschuß gibt der Erwartung Ausdruck, daß di« Reichsregierung in allen die Ernahrungswirtschoft betreffende» Fragen die berufenen Vertreter der Landwirtschaft recht zeitig zu Rate ziehen wird. Dieser Beschluß wird heute dem Reichskanz ler, dem Lrnährungsminister und dem Finanzminister vorgelegt «erden. Warnungen des preußischen Ministerpräsidenten Berlin-, 9 .Oktober. <Eig. Tel.) In der heutigen Sitzung de» preußischen Landta-ges hielt Ministerpräsident Braun «in« große Rede, in der er u. a. sagte: »Graf Westarp hat gestern im Reickstaoe em verhängnisvolle» Wort ausgesprochen, als er sagte: Das Volk hungert, schreit. Leider ist er so. Aber muh das sein? Der Landwirt muß be denken, daß die Beamten und Angestellten einen An spruch haben, für ihre Papiermark das Nötige kaufen zu können. Es ist unerträglich, daß ein mtelligenlOs Volk bei vollen Scheunen verhungert. Die Gefahr der Selbsthilfe liegt sehr nahe; ihr« Folge ist die Anarchi e." Zum Schluß wandte sich der Ministerpräsident gegen die Bestrebungen gewisser Kreise, den Ab fall vom Reiche zu fördern und Preußen auf zuteilen. Die Verhängung de» Ausnahmezustände« sei in Uebercinstimmung mit der preußischen Staatsregicrung zur Aufrechterhaltung der Ruhe und Ordnung erfolgt. (Lebhafter Beifall bei der Mehrheit, Lärm bei den Kommunisten.) Wettererhöhung von Postgebühren VerN». S. Oktober. «Lig. Tel.) Di- Reichs- post- und Tclcgrapkenverwaltunq erhöht vom 17 Oktober ab die Telegramm- und Fern sprechgebühren erneut. Gewöhnliche Telegramme im Fernverkehr kosten 1 Million Grund- und 8 Mil lionen Wortgebühr, Ortsgespräche 10 Mil- Iwnen. Die »«der«» GedWrensötz» ««Höhe», sich eni- fvr^che-^ Gegen den sächsischen Staatrkurr Dread«. Ist Oktober. (Lig. Tel.) Di« deutsch- national« Fraktion hat im Landtag folgende An frag« gingebracht: „Das Gesamtmmisterium hat unter dem 8. Oktober eine Verordnung über Er haltung von Arbeitnehmern in den B» tri »Len erlassen, die einer Aufhebung der Demobilmachunqsverordnung des Reiche» vom 12. Februar 1V20 gleichkommt. Trotz der Berufung auf Artikel 48 der Reichsverfaffung entbehrt dies« Verordnung jeder rechtlichen Grundlage. Der Land tag wolle beschließen, die Regierung zu ersuchen, die Verordnung umgehend aufzuheben.' Wie wir in Erfahrung bringen konnten, haben dl« An tragsteller auch hereit» bei den in Frage kommenden Reichssteklen energische Vorstellungen gegen die neue Vlaßnahme erhoben. Der sächsische Geschäftsträger in Mün chen, Legationsrat v. Dziembowski, ist auf Be schluß des Gesamtministeriums,vom 8. Oktober von Boston gv»t^>,,ng b-'p „Münchner Neuesten Nachrichten", daß Dzicmbowski wegen des Eintritts der Kommunisten kn die sächsische Regierung um seine Entlassung ge beten habe, ist richtig. In dem an die zuständige Stelle gerichteten Brief schreibt der Legationsrot, daß eine Regierung von Komvmnisten und Sozia listen »von jedem ehrlichen Deutschen bekämpft werden müsse. Dresden, -10. Oktober. (Gig. Tel.) Zu dem Fall Dziembowski erfahren wir noch, daß gegen den Legatisnsrat seit Wochen ein Verfahren, ein- geleitet wegen Verletzung seiner Dienstpflicht, schwebt. E» handelt sich um die Angelegenheit de» Landtagsabgeordneten Otto Graf, her als Korre spondent für die „Sächsische Staatszeitung" nach München berufen wurde; die Münchner Regierung erhielt hiervon, wie man annimmt, durch den Le gattonsrat von Dzicmbowski selbst Kenntnis. Die Dresdner Regierung beabsichtigt, übrigens den Gc- schäftsträgerposten in München nunmehr aufzu- heben. Dresden, 10. Oktober. (Lig. Tel.) Di« posi tive volkskirchlichc Vereinigung, deren Vorsitzender Oberkirchenrat Ientsch (Lbemnitz) ist, erläßt folgende Kundgebung: „Die sächsische Staatsregierung hat mit der A w a n g.» p e n s i o - nierung der beiden Führer der Laudeskirche in die durch die Reichsverfaffung gewährte Selbständig keit der freien Polkskirche eingegriffen. Selbst wenn man sich auf den Rechtsstandpunkt der Staotsregie- rung stellen wollte, bedeutet ihr Vorgehen angesichts der in Sachsen bestehenden Spannung zwischen Staatsregierung und Kirche eine Ausnutzung der augenblicklichen politischen Macht. Die Staatsregierung, die die finanzielle Auseinander- setzung zwischen Staat und Kirche noch immer hinaus- zögert, handelt gleichzeitig ihren eigenen Grundsätzen über die gegenwärtige Unabhängigkeit von Staat und Kirche zuwider. Wir erwarten, daß die neugerrahlte Lande«synode als die geordnete Vertretung der Landeskirche bald zusammentritt, um zu der unhalt baren Lage Stellung zu nehmen." . Der kürzlich erwähnte Protest des Evangelisch lutherischen Landesschulvereins für Sachsen gegen die Zwrmgspcnsionierung des Landes- bischvkr lautet folgendermaßen: Der evangelische Lan- desschulverein Hot mit Befremden davon Kenntnis genommen, daß die sächsische Staatsregierung das Ältersgrcnzcngeseß dazu benutzt hat, die bewährten und verdienten Männer, die an der Spitze de» Air« chenregiments stehen, zu verdrängen. Dre Anwend barkeit des Gesetzes ist in diesem Falle mehr al« zweifelhaft. Die noch bestehende Verbindung zwi schen Kirche und Staat hat sich unerträglich ge staltet. Alles muß jetzt daran gesetzt werden, daß endlich dir einer klaren Scheidung cntgcqenstehenden Hindernisse beseitigt werden. Der jetzige Zustand ist der Kirche unwürdig. Wir verlangen vom Staate die sofortige Zurücknahme der Verordnung, die auf Grund eines fast hundert Jahre alten Ge setzes nach unserer Meinung zu Unrecht erfolgte." Das in Dresden tagende Kirchenregiments- kolleqium beschäftigte sich u. a. auch mit der Frage der Einberufung der Landessynode. Danach ist mit dem Zusammentritt der Landessynode etwa für Anfang Dezember zu rechnen. Vas Regime Rahr München, g. Oktober. (Eig. Tel.) Soviel ver lautet, haben die Wirts chaftsbesprechüngen beim Generalstaatskommissar erghcn, daß die Säumigkeit der Banken in der Gutschrift der bei ihnen eingezahlten Beträge und der hohe Bankzins eine wesentliche Mitschuld an -en sich überstürzenden Preissteigerungen tragen. Wi« wir hören, ist ein Eingriff des Generol- staotskommiffars beabsichtigt, falls die Banken nicht au« freien Stücken Zugeständnisse machen. Diesem aus dem Generalstaatskommissuriat kommenden Hinweis schließt sich eine Erklärung des Herrn v. Kahr an, in der er gegen die .perfide Verleumdung". Stellung nimmt, daß er von irgend einer Seite eine gebundene Marschroute oder über haupt eine Marschroute erhalten habe. Er ver- walte sein Amt nach Fühlungnahme mit freien sach kundigen Männern aus vaterländischer Pflicht noch bestem Gewissen und auf eigene Verantwortung, rhnc Rücksicht auf Beifall oder Mißfallen. Man werde aber auch nicht von ihm erwarten können, daß er dos im Verlaufe von sieben Jahren übe« Deutschland und Bayern hcreingebrochene Unheil in kurzer Zeit beseitigen könne. Vor Schlagworten, lieber- treikumgen und Mystifikationen sei zu warnen. Strafversetzung v. Lossow»? Drr Münchner Berichterstatter de» »Echo de Paris" meldet seinem Blatte, daß der Militär- befehlshaber de» Wehrkreise» Vis in München, General von Lossow, demnächst werde versetzt werden, da er «inen Befehl, dem fick der bayrische Generalstaatskommiffar widersetzt«, nicht au-gcführt habe. An Berliner zuständiger Stelle wirb uns hierzu mitgeteilt, daß eine endgültige Entscheidung in dieser Angelegenheit noch nicht getroffen sei. — Demnach scheint aber doch eia Wechsel auf dem Posten eines Militärbefehlshaber« in München in» Auge gefaßt zu sein. Da« Kon iß er Landgericht hat Leiter and Mitglieder de« dortigen Deutschtum- bunde», die Spionage, Landesverrat und andere staatsseindttche Handlungen, Schmuggel und eine Reih« weiterer Verbrechen begangen haben sollten, zu Gefängnisstrafen von 1 Jahr bi» zu 4 Jahren 7 Monaten verurteilt. Einzelheit« bringt der amt- liche Bericht ebensomeaia wie Anzzabo Wer Zahl pnd Namen der Beurteilte».