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Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 09.10.1923
- Erscheinungsdatum
- 1923-10-09
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-192310092
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-19231009
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-19231009
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1923
-
Monat
1923-10
- Tag 1923-10-09
-
Monat
1923-10
-
Jahr
1923
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Deutscher Reichstag Aortsetzung van Seite 1) Aba. Dr. Bell t8tr.) fortfahrend: Weder Diktatur noch verfaffungsmäßiae Ausschal tung dürfe» wir un» gefallen lasten. Da» ist auch nicht der Sinn de» Ermächtigungsgesetzes: Dieses Ge sek will für ein« vorübergehende Zeit die Er ledigung notwendiger Maßnahmen beschleunigen. Dar»» wird größere Bewegungsfreiheit der parla mentarischen Regierung gewährt, die doch auch nur ein Organ der Volksvertretung ist. Am Aufblühen unserer Wirtschaft, auch unserer Großindustrie, haben alle Dolkskreise ein Interesse. Wir dürfen aber an- derseits erwarten, daß in manchen Kreisen der Groß- und Schwerindustrie der Grundgedanke des Ge meinwohl« mehr in die Erscheinung tritt, al» wir es in dr« letzten Tagen gesehen haben! (Beifall.) Der Hebel mutz von der Regierung besonders bei der ungesunden Preisbildung jener llrprodukte an gesetzt werden, die die Preise in der ganzen Wirt schaft beeinflussen. Die Ueberspannung der Preise in der letzten Zeit bat auch politisch sehr schädlich gewirkt. Di« Politiker hätten Veranlassung, sich mehr wirtschaftlich einzustellen, aber auch manche unserer Wirtschastskopfe könnten eine bessere politische Ein stellung sehr wohl vertragen! Wenn die Besitzenden jetzt größere Steuerleistungen aufbringen, so dienen sie damit nicht nur dem Reiche, sondern ihren eigenen Interessen, denn ein Zusammenbruch des Reiches würde auch ihren Besitz vernichten. In der Wäh rungsfrage richten wir an die Regierung die dringende Mahnung, nicht etwa die Ausführung lange hinauszuschieben, sondern vor allem auf die endgültige Lösung de» Währnngsproblcm» hinzu wirken. Erst eine feste Währung kann die jetzige Unsicherheit beseitigen. Die feste Wahrung nun können wir erst erreiche», wenn unsere Wirtschaft leistungs- fähig gemacht worden ist. Darum müssen wir über die jetzigen Arbeitezeitbeschränkungen hinaus die Arbeitsleistung steigern. Unsere Stellungnahme entsprach «wem einstimmigen Fraktions beschluß, einerseits auch über die jetzige gesetzliche Arbeitszeit hinaus die Produktion zu steigern, anderseits aber auch jede unerträgliche Ausnutzung der Arbeitskraft zu verhindern. Di« separatistisch« Gefahr scheint augen blicklich überwunden zu sein, aber wir werden un» wehren gegen die andere Gefahr, daß durch Internationalisierungsversuche nach dem Muster des Saargebiet«» die nationale Zugehörigkeit des Rhein» lande» zum deutschen Vaterland« unterhöhlt werden soll. Deutschland kann nicht gerettet werden durch das Phantom des starken Mannes, sondern nur durch «in starkes Volk. Gelingt der neuen Regierm»g di« Zusammenfassung dies«» Volke», dann dürfe» wir sie al» wertbeständige Koalition be- krachte» (Heiterkeit). Die Reichseinheit wird allen Gewalt« zum Trotz sich erhalten, wenn sie sich nicht selbst preisgibt. (Beifall im Zentrum.) Aba. Graf Westarp (Dntl.): Wir könne» da neu« Kabinett nur mit den Worten begrüßen: Ihr naht such wieder, schwankend« Gestalten/ (Heiter keit.) Schwankende Gestalten — grotesk und ko misch haben di« Verhandlungen der letzten Wochen getvirtt. Hohn und Spott forderten sie heraus und Empörung. (Verfall rechts.) Draußen von den Tore» steht der Feind (Rufe bei den Sozialdemo, kraten: A» Küstrin) und hier wird tagelang über di« Zusammenstellung der Regierung verhandelt. Der Parlamentarismus hat versagt. Des Reichskanzler» Feststellung«, sind a» dem Kern der Sach« vorbei, gsgangau Die Männer der Wirtschaft haben sich versagt diesem Parteigetriebe, diesem Parlamen- karismus, dieser Großen Koalition und diesem Dr. Stresemann, der mit den Sozialisten zusammen regier«, will . . . (Abg. Müller-Soz.: Und wie war es in d«r sozialistenreinen Regierung Cuno? Sie hat Männer der Wirtschaft. Große Heiterkeit.) Lang« wird diese große Koalition nicht halten, solche Stöße. wie der letzte, bleiben nicht ohne tiefe Wir kung. An der Frag«, wie lang« man Frankreichs Verstößen nachgeben soll, wird sie scheitern. Dr. Stresemann verkündet jetzt di, Mei- nunq, in Deutschland könne nicht gegen die Sozialdemokratie regiert werden. Dor einem Jahr sag« er, man könne nicht mit einer vom Geists Lrispien» beherrschten Partei zusammenregieren. Wir sagen im Degenkil, daß in Deutschland ««r gegen die Sozialdemokratie regiert werden, kann. Wir verlangen und fordern die Loslösung der Regierung von der Sozialdemo, kratie. Der vorherrschende Einfluß, den die Sozial demokratie bisher in allen Regierungen noch der Revolution gchadt hat, macht ein« Unter- stützuna des Kabinett» Stresemann unmöalich. Wir stimmen »in in den jetzt im Lande so populären Ruf: Los vom Marxismus! kÜnruhe, Zurufe und Gelachter bei den Sozialdemo kraten.) Dir stehe» in klarer und rückhaltloser Opposition z» dieser Regien»- (Die Sitzung dauert fort.) Vor -em franzSflschen wahlfel-zug Pari«, 8. Oktober. (Eig. Tel.) Der frühe« Ministerpräsident Briand hat gestern in Guörand« vor seinen Wählern vom republikanischen Verband de« Departement» Loire Infkrieure ein« Ansprache gehalten, di« bereit» in den Rahmen de» im kom mend« Frühjahr beginnenden Wahlfeldzuge» g«. hört. Briand führt« aus, daß di« Außenpolitik armenbkicklich den Vorrang vor der Innenpolitik Haven müsse. Wenn ein« französische Regierung sich im Kampfe mit schweren Problemen befinde, so hätten alle Franzosen die Pflicht, sich um sie zu scharen und sie bei der Lösung ihrer Aufgaben zu unterstützen. .Man darf also nicht erwarten", so erklärt« Driand, .daß ich di« Handlungen meiner Nachfolger behindere, die ihr Bestes tun. um di« Schwierigkeiten zu beseitigen, di« sie zu lösen haben und di« ich selber in ihrer ganzen Größe kennenge- lernt habe." Driand gab sodann der Ansicht Aus» druck, daß die Sicherheit Frankreich» bei der Sorg« um den Staat im Vordergrund« stehen müsse. Während vnd noch dem Kriege hab« er persönlich seine Politik ständig in der Richtung auf ein Ein- vernehmen mit den Alliierten-Feldherrn gehalten. Er beglückwünscht sich mit ollen Franzosen, daß di« Entente Eordinle, die zum gemeinsamen Siege ge führt habe, nicht nur miedererstehe, sondern sogar noch enger und stärker werde. Der frühere Mini- sterpräsident Painlevs ergriff in Earpentras vor seinen Wählern do» Wort und erklärt« ebenfalls, dch^er b4e Regierung in ihrer Außenpolitik unter- Nie Neugruppierung in Sachsen Ausscheiden von Heldt und Aleißner Dresste«, S. Vktoder. (Eig Tel.) Die Verhanvlun-err zwischen KPD. unv VLPD. in ver Frage ver gemeinsamen «egierungsbiloung haben, wie wir erfah re», zu einer vollkommenen Eini gung geführt. Die von der VLPD. auf gestellten nnd von uns bereits mitgeteiltcn Bedingungen haben in der entscheidenden Aussprache überhaupt keine Rolle gespielt, nachdem die Kommunisten ans Weisung ihrer Berliner Zentrale hin eigentlich b e - dingungSloS ihre Mitarbeit der Re gierung zur Verfügung gestellt hatten. Man hat sich auf den Ltaudpunkt gestellt, das; bei einer gemeinsame« Arbeit irgend welche Feststellungen doch nur auf dem Papier ständen und man praktisch erst einmal erfahren müsse, was man mit einer gemeinsamen Arbeit erreichen könne. Rach unsere« Erkundigungen wird von den Kommunisten das Finanz- nnd Vas SultuSmiuisterium besetzt werden. Als Finanzminister dürste der Abgeord nete Brun dl er, bisher Arbeitersekretär in Ehemnitz, und für das Kultusministe rium der Führer der Kommunisten, Abge ordneter Böttcher, in Frage kommen. Die bisherige« Minister, für Finanzen - eldt und für Kultus Fleitzner, schei den aus. Ob für die morgige Landtagssitzung dieGcßler- Debatte auf die Tagesordnung kommen wird, steht immer noch nicht fest. Die entscheidende Sitzung der Fraktionen hierüber findet heute nach mittag statt. Die Nachrichtenstelle der Etaatokanzlei stellte zunächst heute morgen fest, daß die Meldung, nach der Zeigner erklärt habe, der Reichswehrminister Dr. Gcßlcr werde Mitteilungen über die Reichswehr und die angebliche Verbindung der Reichswehr mit geheimen Organisationen nötigenfalls zu verhindern wissen, ungenau sek. Nicht in der letzten Fraktions sitzung, sondern bereits in einer früheren Sitzung hab« der Ministerpräsident diese Mitteilung gemacht, daß am 29. September der Major Uth im Auftrage de» Wehrkreiskommandos dem Verbindungsmann des Ministerium» de» Innern, dem Staatsanwalr Dr. Thierbach u. a. berichtet hab«, da» Wehrkreiskom- mando habe davon Kenntnis erlangt, daß auf der Tagesordnung der ersten Sitzung de» sächsischen Land tages u. a. der Fall Zeigner—Geßler stehe. Da» Wehrkreiskommando hält e» nicht für zweckmäßig, unter den gegenwärtigen Verhältnissen die Person des Militärbefehlshabers in die Debatte zu ziehen. E« wird daher nach Berlin berichten, und um weitere Anweisungen bitten. Es wird in dieser Angelegen, heit nur auf Anweisung von Berlin handeln. Da« Wehrkreiskommando hatte in Aussicht gestellt, sein Schreiben nach Berlin zuvor der sächsischen Negie rung mitzuteilen. Ob da» Wehrkreiskommando unterdessen »ach Berlin berichtet hat, ist der Regie rung nicht bekannt. Don unterrichteter Seite «fahre» wir »och folgende Einzelheiten: Durch die Konferenz, die am Sonntag vormittag zwischen dem säckssischen Ministerpräsidenten Zeig ner und dem thüringischen Landcsmintstsr Frölich im Leipziger Volkshau« stattfoad, und an der auch die Justiz- und di« Innenminister der beiden Länder teilnahme», ist di« Verbindung der mitteldeutschen Länder geg«» den bayrische» Faschismus gewährleistet. Die Gefahren, di« au» dieser politischen Entwicklung m Mitteldeutschland für den deutschen Gesamtstaat möglicherweise entstehen können, scheinen von der Reichsregierung nicht unterstützt zu werden. Zeigner und Frölich sind für gestern zu einer Unter redung mit dem Reichskanzler nach Berlin gebeten worden. Di« Wichtigkeit dieser Besprechung geht schon daraus hervor, daß der sächsische Minister» Präsident einem unserer Mitarbeiter am Sonntag in Leipzig erklärte, es sei fraglich, ob er, Zeigner, der Wiedereröffnung de» sächsischen Landtage» werde bei- wohnen können. An der Spitze der Tagesordnung der Dienstagsitzung steht aber bekanntlich die Vor stellung des neuen sächsischen Kabinett» und eine Programmrede Zeigner». Ob der Eintritt derKom- mu nisten i» die sächsisch« Regierung und ihr bevorstehender Eintritt in do« Weimarer Kabinett Gegenstand der Berliner Besprechungen sein wird, oder ob es sich um eine Auseinandersetzung üb-r d>»n Ausnahmezustand und da« Vorgehen de» Wehrkreis kommando» IV gegen di« sächsischen kommunistischen Zeitungen Handelm wird, ist nicht ««sagt worden. An sich kann die Legitimität de» Eintrittes der Kommu nisten in die mitteldeutschen Regierungen nicht an gezweifelt werden, da er auf rein parlamentarischer Grundlage erfolgt. Der Versuch der Sprengung der Großen Koalition im Reich hat die Bildung .roter" Regierungen in Mitteldeutschland unmittelbar verursacht. Die verständigen bürgerlichen politischen Kreise in Sachsen und Thüringen machen denn auch aus ihrer Empörung über die bornierte Politik, aus der der Angriff auf Stresemann entsprungen ist, gar kein Hehl. Jedenfalls liegen die Verhältnisse in Mittel deutschland nunmehr so, daß b'-r jeder Vorstoß Boyern» gegen das Reich ein« entlpreqend« Gegen- b,wegung auslöst. Werden beispielsweise in Bayern Hitler-Bataillone gebildet, so werden in Sachsen und Thüringen di« proletarischen Hundertschaften or ganisiert. Was da» Technische anlangt, so sollen diese prole tarischen Hundertschaften in Sachsen «in« Organisa- :ion erhalten, die es gestattet, sie gegebenenfalls al» eine Art Hilsspolizeitruppe in den Körper der Sicherheitspolizei einzugltedcrn. Auf Grund eine» Regier.!ngsausrufe» können die für den Htlfspoltzei- dienst vorgesehen« Mitglieder der Hundertschaften t» kürzester Zeit eingezogen werden. Bet Feststellung I der Dollstärke der staatliche» sächsische» Polizei ergab sich im August, daß bei der grünen Polizei am normalen Bestand 1450 Mann fehlten. Eine Auffüllung der blauen Polizei durch die prole tarischen Hundertschaften soll nicht in Frage kommen, da für den Einzeldienst eine längere Vorbildung nötig sei. die der Hilfspolizetbeamte nicht durchmachen lönnc. Es ist deshalb nur eine allgemeine Ver stärkung der grünen Polizei entsprechend der Zahl der in den einzelnen Standorten vorrätig gehaltenen Waffen und Ausrüstungsgegenstände vorgesehen. Jeder Beamte, einschließlich derer der Hilfspolizei, soll mindestens eine Schußwaffe erhalten; sind ausreichende Waffcnbestände vorhanden, so kann Doppclvcwaffnung durchgeführt werden. Die zu ständigen sächsischen Regierungskommiffare können die Hilsspolizeistärken je nach Bedarf noch weiter er höhen, und zwar für Dresden und Leipzig um 50 Prozent, für Sachsen insgesamt um 4153 Mann, so daß die Kapfsrärke der sächsischen Schutzpolizei dann verdoppelt werden würde. Zn Thüringen sind die Dinge zwar noch in Fluß, doch dürfte sich hier die Organisation in ähn licher Weise vollziehen, da sich die politische Lage im Lande nach dem Eintritt der Kommunisten in da» Kabinett Frölich in der gleichen Richtung wie in Sachsen entwickeln wird. Es werden sich dann also in Bayern und Mittel deutschland zwei in ihren politischen Anschauungen extreme militärisch organisierte .Mächte" gegenüber stehen. Dieser Tatsache sollten nicht nur di« Männer der Neichsregierung, sondern vor allem auch die rechtsradikalen Gruppen eingedenk sein, und sie soll- ten sich überlegen, zu welch bedenklichen Verwick lungen diese mit so großem Life: betriebene Sol datenspielerei führen kann. Eine Hetzlüxe Dresden, 8. Oktober. (Eig. Tel.) Die Nach richtenstelle der Staatskanzlet wendet sich gegen eine Meldung der .Planitzer Zei tung", in der trotz wiederholter authentischer Fest- stellung behauptet wird, der bei den Erwerbslosen unruhen in Dresden ums Leben gekommene Demon strant Kennecke sei verwundet in die Hände der Grünen Polizei gefallen und von dieser dann vollend« erschlagen worden. Hierzu bemerkt di, Etaatokanzlei: Die Leiche Kennecke» sei vom Polizeipräsidium völlig unversehrt dem Ge richt zur Sektion Übergaben worden. Wohl habe Kennecke im Handgemenge mit den ihn festnehmenden Polizeibeamten einen Schlag in» Gesicht erhalten, doch hatte dieser keinerlei Entstellung hervorgerufen. Ferner habe die Sektion der Leiche ergeben, daß der Tod durch einen Schuß verursacht worden sei, und daß dieser Schuß kein Nahschuß gewesen sei. Die Behauptung. Kennecke sei von Polizeibeamten er schlagen worden, lei eine glatte Unwahrheit. Be merkt wird noch, daß bei der Sektion der Leich« auch die Schädeldecke abgenommen werd« mußte: die hierdurch verursachte Entstellung auf bestialische De- Handlung durch die Polizcibeamten zurückzuführen, sei eine so sträfliche Leichtfertigkeit, daß sie nicht scharf genug verurteilt werden könne. Internationaler klnftand I» einem Punkte hat Lord Lurzoa am Freitag eine nicht alltägliche Leistung vollbracht: Er hat vor der britischen Reichskonsercnz geschlagene dreieinhalb Stunden ohne Unterbrechung geredet und damit sein« Zuhörer dermaßen erschöpft, daß sie sich eine Schonzeit von zwei Tagen verordnen mußt«. Wenn die Aussprach« über die Red«, die nun heute. Montag, anheben soll, do« gleiche Gesamturteil zeitigt, da» die öffentliche Mcmung Englands zu ihrem über- wiegenden Teil schon gefällt hat, so hat Lurzoa wenig Lorbeeren zu erhoffen, denn es wird ihm bereits recht deutlich erklärt, daß es ihm keineswegs gelungen sei, die versammelt« Vertreter der Dominion» von seiner hohen politischen Weisheit zu überzeugen. Doch ee ist schließlich eine inner^e'-ti- sche Angelegenheit, darüber »u befinden, ob der eh«, malige Vizekönig von Indien sich in den Ver- Wirrungen d-r Nechkriegsjahre al» tüchtiger Lach' walter Troßbrltanniens bewährt habe oder nicht. Uns Deutsche interessiert vor allem die Seite der Rede, die unseren Problemen und Röten zu gekehrt war, unc du müssen wir zum mindesten mit derselben Schärf', mit der es die Engländer unter englischen Gesichtspunkten tun, den Mangeh an Po sitivem rügen. Die grobe Sch ulmei stet ei, die sich Lurzon Deutschland gegenüber erlaubt, bittet keinen Ersatz für die fehlende staatsmännische Sub stanz. Sie wirke um so übler, als der englisch« Minister de» AuswLrtigen auch nicht auf einen ein zigen Erfolg kinweiken konnte, der ihm gestatten würde, über die deutsche Politik zu Gericht zu sitzen und ihr beispielsweise vorzuwerfen, daß sie mit dem Festhalten um passiven Widerstand .gerade zu dumm" gehandelt habe. E, sei zugegeben, daß der Konjunkturpolitiker Lloyd George alles getan hat, um die Stellung Englands in dem groß« Spiel um die Macht zu verschlechtern. Ist es aber Herrn Lurron etwa gelungen, die Fehler seine» Vor gängers wieder gutzumachen?! Der Minister beruft sich darauf, daß er Deutschland andauernd Rat- schlag« im Sinn der Beendigung de» passiven Wider- stondes erteilt habe. Doch in seiner großen Ober haus-Rede vom 20. April, in der die hier bezeichnete Tendenz unzweifelhaft hervortrat, hat er für den friedlichen Abwehrkamps Deutschlands gleichzeitig Worte gkfnnden, die mehr bedeuteten al» eine bloß platonische Anerkennung. Nimmt man »u diesen die wiederholte Feststellung der R«cht»widriHkett des französisch-belgischen Ruhr-Unternehmen» hinzu, so hat man genügend Beweise dafür, daß man in Lon' üon genau wußte, wie sehr die deutsche Bevölkerung an Ruhr und Rhein auch für England focht. Doch ganz abgesehen davon, daß Lurzon mlt seiner Kritik an der deutschen Politik sich dergestalt selber desavouiert, sollte er schon au» Gründen des internationalen Anstand» darauf verzichten, bei dem rüden Jargon, der sich seit Kriegsausbruch gegen Deutschland herausgebtldet hat, Anleihen zu machen. Der französische Imperialismus, den Poinear< ver tritt, mag einer solchen Sprache bedürfen; England, da» um seiner wirtschaftlichen Lelbsterhaltuns will« d« Frtsd« »oll« »»» »üi-ltchß schnell vergessen lass«, daß es i» Krieg in der Prägung völkcrverhetzender Formeln jedem Wett- bewerb gewachsen war. Die deutsche Negierung «blich sollte nachgerade einmal Anlaß nehm«, der Welt sehr entschieden klarzumachen, daß ste flöh bei der Erörterung deutscher Angelegenheiten und beim Verkehr mit deutschen Stellen gesitteter Formen zu bediene» he* >—I. Stimmen der englischen presse Loudo«. 8. Oktober. (Eig. Tel.) Der offiziöse .Daily Telegraph" veröffentlicht heute einen längeren Artikel, der sich eingehend mit der Kritik der französischen Presse an der Nede Lord Curzons beschäftigt. Der Artikel sucht nachzuweisen, daß der englische Außenminister nicht di« Absicht ge habt habe, Frankreich zu verstimmen, daß seine Rede, die auf Grund eine» Beschlusses der Reichs konferenz teilweise veröffentlicht worden sei, viel mehr darauf angelegt gewesen sei, den leitenden Politikern des britischen Weltreiche» hinter ver schlossenen Türen eine ungeschminkte und infolge- dessen undiplomat ische Darstellung der außenpolitischen Ereignisse zu geben, ginn Schluß erinnert das Blatt die französischen Ktttiker Eng lands daran, daß dieses jetzt, wo das Hindernis des passiven Wider st ander beseitigt sei, ein Recht darauf habe, Frankreich darauf hinzuweiscn, daß jede Verzögerung in der Reparations- frage eine auch England berührende Gefährdung der Aussicht bedeute, überhaupt Reparationen zu er halten. Die .Times" spricht die Hoffnung aus, daß die Reichskonferenz unter Führung von Smut» am Ende ihrer heute beginnenden Aussprache über die englische Außenpolitik beschließen werde, als Thema die Zahlung der Reparationen und die von Deutsch, land zu fordernden Garantien auszustellen, worüber den Alliierten möglichst bald ein Programm zu unterbreiten wäre, da jeder Zeitverlust bei der Lösung der Reparationsfrage geeignet sei, die Leige in Deutschland noch zu verschlimmern. Die aufeinanderfolgenden deutschen Regierungen könn ten sich nicht mehr mit dem Problem befassen, wir die Reparationen zu finanzieren seien, sondern müßten sich ausschließlich damit begnügen, unter dem Druck der von innen und außen ständig wirrer werdenden Lage um das nackte Leben zu kämpfen. Die .Daily Mail" richtet an die konservative Partei die Frage, ob sie damit einverstanden sei, daß Lord Lurzon durch den oberlehrerhaften Ton, in dem er die englisch-französischen Beziehungen be- handelt hccke, die günstigen Folgen der Besprechung zwischen Poincarö und Baldwin wieder in Frage gestellt habe. Die .Morning Post" betont, daß die Deüeu- tung dieser Pariser Besprechung barm bestanden hab«, Deutschland davon zu Überzeug«, daß es keinen Zweck habe, auf Uneinigkeit unter den Verbündeten zu hoffen. Das Blatt macht den .Pro deutschen" in England den Vorwurf, daß sie die deutsche Regierung in der Hoffnung bestärkt hätten, England werde — was es niemals beabsichtigt habe — Deutschlands Widerstand gegen Frankreich unterstützen. Vie gewohnte Verheißung Berli», 8. Oktober. (Eig. Tel.) Aus amerika nischen diplomatischen Kreisen in Berlin wird mit- geteilt, daß mehrere führende Bankgrupppen der Bereinigten Staaten ihr Interesse an der Reform der deutschen Währung den Berliner zu- ständige» Stellen mitgeteilt haben. Sie haben sich unter bestimmten Voraussetzungen bereit erklärt, sich mit Kapital an der Errichtung der Wäh rungsbank zu beteiligen. Stinner' Gesch aftsreise zu vegouiie Paris, 8. Oktober. Die Unterhaltung zwischen General Degoutte und den deutschen Groß« iadustrtellen erregt in den Kreisen der fran zösischen Großindustrie Unruhe. Di« vom ComitS dös Forges inspirierten Organe äußern, wie bereits angedeutct, schwere Bedenken darüber, daß ein in wirtschaftlichen Dingen nicht erfahrener General ohne Hinzuziehung von Sachverständigen derartige Unterhaltungen führen dürfe. Sie warnen die Regierung eindringlich vor übereilten Zugeständ nissen und fordern dringend, daß die Besprechungen, fall» sie fortgesetzt werden sollten, unter anderen äußer« Bedingungen stattfinden sollte». Authentische Mitteilung« über den Verlauf der Düsseldorfer Aussprache vom Freitag liegen noch nicht vor. Der .Temps" berichtet im Sonntags- Leitartikel, Stinne» und die andern Großindustriel len hätten von den .Geldschwierigkeiten" gesprochen, unter denen ste litten; sie hätten erklärt, sie wüßten nicht, wie sie ihre Arbeiter bezahl« sollten. Per- t 1 nax behauptet im .Echo de Paris", die deut schen Großindustriellen Hütt« von General Degoutte erfahren wollen, welche Vorteile Frankreich ihnen al» Belohnung für ihr« gute» Willen zugestehen würde. In Regterungskreife« wird die Besorg- nis des Lomite des Forges allem Anschein nach nicht geteilt. In offiziös« Erklärungen werden die Besuche der deutschen Schwerindustriellen bei General Degoutte als moralischer Triumph der Po- littk Poincarö» gefeiert. Die linksdemokratischen und die sozialistischen Organe machen Poinears Vor würfe darüber, daß er Stinne» eine Vorzugs behandlung gewähre, die er weder dem Kabine t Stresemann noch den deutschen Gewerkschaften ein räumen wolle. Die gestrige Red« Poinearss ist »ach der hier herrschenden Auffassung vor allem für England bestimmt gewesen. Berlt», S. Oktober. (Eig. Tel.) Zu den Be sprechungen, die di« rheinisch« Großindustriellen Stinne», Klöckner, Vogler und von Velsen mit General Degoutte geführt haben, hören wir von unterrichteter Seite, daß di« Herren nicht als Einzelpersonen mit dem französischen Ober- befehlshaber im besetzten Gebiet verhandelt haben, sondern als Delegierte de. Bergbaulichen Berlins für Rheinland und Westfalen. Die Herr« hätten vor ihrer Abreise von Berlin «er- sucht, eine Besprechung mit dem Reichskanzler zu erlangen, doch dieser habe sie wegen der Kabinetts krise nicht anhören können. Sie hätten übrigen» so fort nach tbrer Besprechung mit General Degoutte d« Kaa»l« Bes ^t über ihr, BertzandlungW
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