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Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 07.10.1923
- Erscheinungsdatum
- 1923-10-07
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-192310070
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-19231007
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-19231007
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1923
-
Monat
1923-10
- Tag 1923-10-07
-
Monat
1923-10
-
Jahr
1923
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«NLSßNNMMOr 1L IOM0WMW alle»« Hivnte itlleN- oppel- Herttner Vcvrtsllettung: »ochfttatze 21 (gernlprecher 3600-86KK) Dresdner Lwrtttlettung: lVadelSbcraers». 24 (Fernsprecher 3479.1» 117. fskrv. Hallesche Schrtsilettung: Leipziger Tlrabe 21 (Fernsprecher 1277» » Durch dt» Dost in Deutschland monatlich G 8ntta««r ^le l2-gespali 4SMill.sretbl.;Ausland 20N Millionen «in- M mm-Zetle 55 Mk. (ausivürrs 100 Mk). Rabail nach Daris. Drii , ^^5»'" illgl^V morgens, aufter Montags. I^^M WWW M^U MM Familienanzetgen 25 Mk (»elegenheirSan» priv Naiur r HStz. Gewatt schliektärsUll.aus. Ächristlett^SeschästSst,Druckereii WMWW W W W WWi W »A M M MM M M MM angedoi« 25 Ml. Licllcngesuche 18 Mk ?lmil. Anzeigen -eipzig. JodanmSgaffe 8 (gernspr. OrtSgespr. Sammel-Nr.: 70811. VMM mw-Zeile) IM «k. «llr auSw. 2tO Mk. Reklame,eile 425 Mk.. Nir Zrrngespr. 17089-17092): ebenda u. in allen Filialen An,eigen- und anSw. 560 Mk «llmö »alL«I»Mtt«tta»-l »0«wa. ««Stand Valuta- Abonnement-Annahme: auch nimmt jedes Postamt Bestellungen an. ' aufschlag Postscheckkonto Leipzig Nr. S004 SrNillungSon Leipzig. Da» L-i»,iaer r«««dlaU «etbätt »4« a»ttte»a» vareuuetruachUNg«« »es »»Ua«t»kLstdi«M» Lei«»»t« 228 Verantwortlich kür Fnserate: Lswald Müller. Leipzig. 8ooo1«0, Üeo 7. Oittvder 1923 Eigentum.Drua und Verlag: Leipziger VeriagSdruckerei G. m. b. H. Das zweite Kabinett Stresemann Im bisherigen Kreis einige neu« Gestatte« — Di« Einführung bei -er Volksvertretung 6. Oktober. Das unliebsame Zwischenspiel, das von der Mehrheit des Publikums mit unverkennbarem Mißvergnügen, von einer Minderheit mit allzu deutlichem Wohlgefallen ausgenommen wurde, ist glücklich vorübergegangen. Indem das zweite Kabinett Stresemann fast durchweg die gleichen Namen aufweist wie das erste, besiegelt es di« Wiederkehr der Großen K o a l i t i o n, die nach der Feuerprobe, durch die sie hindurch gegangen ist, künftig gegen ähnliche Ueberfälle gesichert sein sollte. Daß der jetzige mißlang, ist zum großen Teil das Verdienst derDeutschen Demokratischen Partei. Nach dem ersten Augenblick der Verwirrung, den man auf Rechnung der natürlichen Mängel unseres noch unentwickelten Parlamentarismus setzen mag, haben die Demokraten rasch zu der ihnen nach der ganzen Sachlage zukommenden Aufgabe zurückgefunden, die nur in der Abwehr des reaktionären Angriffs und in der Wiederherstel lung der von der Auflösung bedrohten Kampf- front bestehen konnte. Unzähligemal tot gesagt, hat sich die bürgerliche Demokratie bei dieser Ge legenheit lebendiger als je gezeigt und dem Staat einen Dienst erwiesen, dessen Lohn sie in der Form eines beträchtlich erhöhten Ansehens und damit auch verstärkter Wirkungsmöglichkeiien zu ernten berufen und, wie wir hoffen, zur Festigung der demokratischen Republik voll aus- zuuützen bereit ist. Noch eine andere moralische Persönlichkeit, deren Ableben auch bei dieser Gelegenheit wieder von voreiligen Leichenbeschauern festgestcllt wurde, geht in leidlicher Gesundheit aus der Krise hervor. Es ist der P ar l a m e n t ari s - mus selber, den die Stinnes- und Hugen- bergpresse in schönem Einvernehmen mit der Hitlerschen Winkeldemagogie in eben der Stunde für erledigt erklärte, da er einen neuen Beweis seiner Tauglichkeit zur Sicherung eines ruhigen Ablaufs des notwendigerweise von mancherlei Gegensätzen bewegten nationalen Lebens er brachte. In der Tat hat man gesehen, wie der Kampf um die Macht im Lande, als den man die verflossene Krise erkennt, auf dem parla mentarischen Boden mit jäher Heftigkeit aus gefochten werden konnte, ohne den Staat mehr zu erschüttern, als es etwa in dem noch um einige Takte rascher sinkenden Kurs des deutschen Zahlungsmittels zum Ausdruck kam. Es ist frei- lich leicht zu begreifen, daß diejenigen, die als die Besiegten des raschen Kampfes zu betrachten sind, den Schauplatz schmähen, auf dem er statt fand. Man versteht ohne Mühe, daß zum Bei spiel die „Deutsche Allgemeine Zeitung" das par lamentarische System verwirft, in dessen Rahmen die Attacke abgeschlagen wurde, die eine von der Not der Massen geblähte Sorte von „Wirt- schastsführern" gegen die Freiheit des deutschen Volkes geritten hatte. Denn um nichts anderes hat es sich bei dieser Affäre gehandelt, als um den Versuch, allen Einfluß im Staate denen in die Hand zu spielen, die sich bis jetzt der ge bührenden Teilnahme an den öffentlichen Lasten — die in der Form der furchtbaren Inflations steuer die Masse der Bevölkerung so furchtbar bedrücken — zu entziehen vermochten und sich durch die überfallsartige Eroberung der Staats gewalt auch in Zukunft vor dem Zugriff des Steuereinnehmers zu schützen gedachten. Der Verlauf der Krise hat indessen gezeigt, daß sie die Widerstände unterschätzten. Sie werden sich damit abzufinden haben, daß die demokratische Republik endlich einmal dazu kommen muß, die ihr von der Revolution überantwortete Verwirk lichung sozialer Gerechtigkeit in einigem Maße ins Werk zu setzen. Und das schon deshalb, weil es nur auf auf diesen: Wege möglich ist, die ungeheuren Anforderungen zu bewältigen, die als Vermächtnis des alten Regimes und seiner schrecklich verunglückten Politik an uns gestellt sind. Die glücklich überwundene Krise wird nicht yhne Nutzen gewesen sein, wenn sie den Weg zur Gleichheit der Bürger vor dem Steuerein nehmer frei gemacht, die Autorität des Staates auch den stärksten Prioatinteressen gegen- über bekräftigt hat. Ls ist an der alt-neuen Regierung, solche Erwartung wahrzu machen» Berlin, 0. Oktober. (Eig. Tel.) La- neue Reichskabinett weist folgende Zusammensehung auf: Reichskanzler: Dr. Stresemann (zugleich mit der Führung der Geschäfte des Auswärtigen Amtes beaustraht); Reichsminister für Wiederaufbau: Schmidt (Loz); Reichsminister des Innern: Toll mann (Toz.); Rcichsfinanzminister: Dr. Luther (D. Vp); Rcichswirtschaftsmtnister: Dr. h. e. Koeth (Parteizugeh. unbestimmt); Reichsarbeitsminister: Dr. Brauns (Zentrum); Neichsjustizminister: Dr. Radbruch (Loz.); Reichswehrminister: Dr. Gehler (Dem.); Reichspostminister: Höfle (Ztr.); ReichsverkehrSminister: Oeser (De mokrat); Minister für die besetzten Gebiete: Fuchs (Ztr.). Das ReichSernätzrnngSministerium ist noch nicht besetzt. Vie Eini-rrn- Berlin, S. Oktober. (E i g. Tel.) Die Beratungen des Reichskanzlers mit den Parteiführern und den sozialpolitischen Sachverständiges der Fraktionen, die bis in die vierte Morgenstunde gedauert haben, haben zu einem Kompromiß geführt, das in folgender Formulierung ausgedrückt wurde: „Die schwere Not unseres Landes läßt ein« Steigerung der G ü t e r e rz e u g u n g dringend geboten erscheinen. Das wird nur unter restloser Ausnützung der technischen Errungen schaften bei organisatorischer Verbesserung unserer Wirtschaft und emsiger Arbeit jedes einzelnen zu er reichen sein. Neben der Steigerung der Produktion durch diese Mittel, wird auch die Neuregelung der Ar b e i t s z e i t g e se tz e unter grund sätzlicher Fe st Haltung des Acht stunden- tage» als normalen Arbeitstages nicht zu umgehen sein. Dabei ist die Möglichkeit der tariflichen und gesetzlichen Ueberschreitung der jetzigen Ar beitszeit im Interesse der volkswirtschaftlich not wendigen Steigerung und Verbilligung der Pro- duktion zu erzielen. Für die öffentliche Verwaltung finden ähnliche Grundsätze Anwendung." Diese Formel lag heut« den Parteien vor. Alle Fraktionen der Großen Koalition haben sich mit ihr einverstanden erklärt. Damit war das letzte Hindernis eines weiteren Zusammengehens der vier Parteien beseitigt und die Große Koalition wieder hergestellt. Das alte Kabi nett Stresemann kann mit einigen allerdings sehr wichtigen Veränderungen wieder die Regierung üb:r- nehmen. Das Reichswirtschastsministerium und das Reichsfinanzministerium müssen noch neu besetzt werden. Das Reichsfinanzministerium wurde er wartungsgemäß dem Geschäftsinhaber der Darm städter und Nationalbank Dr. Hjalmar Schacht an geboten, doch lehnte dieser in letzter Stunde a b, und so soll jetzt Dr. Luther ernannt werden, sobald feststcht, wer an dessen Stelle das Ernährungsmini, sterium übernehmen soll. Das Reichewirtschafte ministerium ist mit dem ehemaligen Dcmobil- machungskommiffar Staatssekretär Koeth besetzt worden. Vie Neichtagssitzung Berlin, 8. Oktober. (Eig. Tel.) Die Sitzung des Reichstages wird bei stark besetztem Saale kurz vor ^3 Uhr durch den Reichstagspräsidentcn eröffnet. Das Kabinett erscheint fast vollständig auf der Regierungsbank. Neben Geßler sieht man den bisher einzigen neuen Mann im Kabinett, den Wirt schaftsminister Koeth. Der Präsident stellt fest, daß man in die Tagesordnung eintrete, die schon am Dienstag vom Reichstag beraten werden sollte, an deren Durchführung man aber durch die Krise ver hindert worden sei. Der Kanzler kommt aber nicht sofort zu Worte, denn die Kommunisten führen «ine Geschäfts- ordnungsdebatt» herbei. Aba. Koenen und Abg. Hölle in verlangen die sofortig« Besprechung der von dem bayrischen Faschismus verhängten Ver ordnungen gegen den Streik. Abg. Ko««» (Kom.) beantragt mit heftigen Aus- fällen gegen die bayrische Regierung einen Antrag sofort zur Beratung zu stellen, der die Aufhebung der bayrischen Streikverordnung fordert. Abg. Höllein (Kom.) beantragt weiter, einen An trag sofort zu behandeln, der die Aufhebung der vom Wehrminister verordneten Vorzensur über Nach richten von Unreuhen verlangt. Höllein behauptet, daß die Gegenrevolution aufmarschiert sei, und daß sie ihre Taten im Dunkeln verschleiern wolle. Im Küstriner Fall habe Geßler die Stirn besessen, von nationalsozialistischen Haufen zu sprechen, um durch das Schwenken des roten Tuches den deutschen Spießbürger zu erschrecken. Auf Vorschlag des Präsidenten werden beide An- träge mit der Aussprache verbunden. Auf der Tagesordnung steht an erster Stelle die Entgegennahme einer Erklärung der Rcichsregierung. Reichskanzler Dr. Stresemann erhält sofort das Wort. Er wird von den Kommunisten mit lärmenden Zu rufen empfangen. Sie rufen: „Der Vertreter von Stinnes! Die Kulisse für Stinnes!" Der Lärm ist so groß, daß der Reichskanzler den Reichstagspräsi- denten ersuchen muß, ihm Gehör zu verschaffen. Reichskanzler Or. Stresemann ' Ich will hier über die Neubildung der Rcichs regierung sprechen. Ich kann den Herren Zwischen- rufern versichern, daß Herr Stinnes mit dieser Neu bildung nichts zu tun hat. Der Vergleich mit der Kulisse ist daher sehr wenig angebracht. Die Neu- bildung hat sich vollzogen auf parteipolitischer Grundlage. Sie hat Veränderungen gebracht in der Besetzung des Reichswirtschastsministeriums und des Reichsfinanzministeriums. Das erstere wird ge führt von Herrn Dr. Koeth, das Reichsfinanz ministerium von dem bisherigen Minister für Er nährung und Landwirtschaft, Dr. Luther. Das Ministerium für Ernährung und Landwirtschaft bleibt vorläufig offen. Die Regierung beabsichtigt, die« Ressort mit eine« aus der Landwirtschaft stam menden, mit ihr im engsten Vertrauensverhältnis stehenden Herrn (Zuruf bei den Kommunisten: Deutschnationalen!) Was die D e u t s ch n a t i o n a' , lenzu diesem Kabinett zu sagen haben, dafür warten Sie die Erklärung der deutschnationalen Fraktion ob. Ich glaube nicht, daß diese sich deckt mit der Er klärung der Regierung. , - Di« Vorgänge der letzten Tage haben eine sehr scharfe Kritik erfahren. Der Reichsver- band der Eisen- und Stahlindustrie sagt -. B., der Parlamentarismus habe versagt. (Sehr richtig bei den Deutschnationalen), deshalb muß ich auf die Be deutung dieser Kritik, soweit der Parlamentarismus in Betracht kommt, eingehen. Gestatten Sie mir, nicht nur an diejenigen Herren, die «nw der Wirtschaft heraus Kritik daran üben, daß unter der Herrschaft des Parlamentaris mus in der politischen Entwickelung der letzten Jahre eine wirtschaftliche und finanzielle Zerrüttung ein- getreten sei, die Gegenfrage zu stellen: Hat denn nicht auch die Wirtschaft versagt, indem sie sich dem Staate nicht zur Verfügung stellte. (Lebhafte Zustimmung bei der Mehrheit.) Seit der Zeit, wo das Kabinett Fehrenbach nch dem Reichstage vorstellt«, haben die Bemühungen nicht aufgehört, für die Ministerien der Wirtschaft, der Finanzen und für unser Verkehrs- und Postwesen )ie Herren heranzuziehen, die ihrerseits auf Grund hrer praktischen Erfahrungen der Ansicht sind, da? >as Fehlen dieser Erfahrung wesentlich zum Ver- agen der Staatsverwaltung beigetragen habe. Die sich zur Verfügung stellten, waren fast immer solche, die aus dem Beamtentum hervorgegangen waren und dann in die Wirtschaft kamen. Es waren alles Persönlichkeiten, wie der bisherige Botschafter Dr. Wiedfeldt, der Reichskanzler Dr. Cuno, Dr. Becker. Wenn aber haben die Herren, die sagen, daß der Paria- mentarismus versage, wann haben sie ihre Köpf« mit ihren Lebenserfahrungen dem Staat« zur Ver- fügung gestellt, um zu zeigen, w'e man es besser macht, wie man die Perkchreanstalten finanziell aufzieht, um den Parlamentarismus einmal ack absurckum zu führen? (Zustimmung bei der Mehr heit, andauernde Unterbrechungen durch die Kom munisten und den Deutschnotionalen). Verzeihen Sie, Herr von Graefe, ich habe nicht verlangt, daß diese Männer sich mir zur Verfügung stellen, abkr man hat sich dem bürgerlichen Kabinett Luno ebenfalls nicht zur Verfügung gestellt. Ich rechne mich nicht zu denjenigen, die praktische Wirtschaftserfahrung haben. Don mir gilt dasselbe wie von den Persönlichkeiten, die tcy beim Namen genannt habe. Den Parlamentarismus führt man nicht ad absurdnm durch Resolutionen, sondern durch praktische Mitarbeit, indem wa« zeigt, daft man di« Dinge besser zu meistern vermag. Nun eine zweite Frage. Die Vorgänge, die sich in den letzten Tage abgespielt haben, gaben gewiß auch zu berechtigter Kntik Anlaß, aber es ist ein Irrtum, wenn es so hinaestellt wird, al» ob diese ganzen Vorgänge sich lediglich auf den Kampf um eine andere politische Einstellung bezogen hätten. Um was handelt es sich denn bei dieser Grundfrage? (Erneute lärmende Zurufe bei den Kommunisten.) Ich bitte den Präsidenten, doch dafür Sorge zu tragen, daß ich auch in der Lage bin, mich verständlich »» machen. (Lebhafte Zustimmung; Blecke de» Pchst- deuten.) Ich bin gern bereit, auf sachliche Zwischen rufe sachltck zu antworten, aber was dort geschieht, ist lediglich der Versuch einer Sabotage. (Sehr wahr! bet der Mehrheit.) E« handelt sich um eine Grundfrage die den Kämpfen der letzten Tage ihre Bedeutung gegeben hat. Weshalb kamen wir denn dazu, mit den Fraktionen Fühlung zu suchen? Es wird so hingestellt, als habe das Kabinett die Führung ver- ihren und sic abgegeben an die Fraktionen, also die Entscheidung in das Plenum verlegt. Ich würde ein solches llrbergehen der Entscheidung vom Kabinett auf das Plenum für einen ganz falsch verstandenen Parlamentarismus, für eine ganz falsch verstandene Demokratie halten. Nein, wir traten an den Reichs tag heran, um ein Ermächtigungsgesetz zu erhalten, um den Reichstag zu veranlassen, auf ihm ver fassungsmäßig zustehcnde Rechte für längere Zeit zu verzichten, dem Kabinett Doll- machten zu geben, die weit hinausgehen über das, was jemals ein Kabinett als Vollmacht besaß. Diese verfassungsmäßigen Bestimmungen er- erforderten hier im Hause die Annahme mit Zwei drittelmehrheit. Es war ganz klar, daß bei der Bedeutung der Sachlage dem Kabinett nicht eine Blankovollmacht gegeebn werden konnte, sondern daß man sich klar werden mußte, wenigstens über die Grundlinien, denen wir in bezug auf Wirtschafts-, Finanz- und Sozialpolitik folgen mußten. Es Han- delte sich bei diesemm Problem nicht um die Fest setzung von Prinzipien — über die könnte man sich leicht einigen —, sondern dessen, was praktisch ge- schehen schehen soll. Bei der Bedeutung dieser Frage entstanden die Differenzen, die sich bei der Neubildung der Regierung gezeigt haben. Nach diesemm Rückblick erlaube ich mir einzu gehen auf die außenpolitische Verhältnisse Mit Bedauern habe ich eine deutschnational« Kritik gelesen, welche sagt, die Regierung zeige mehr Vertrauen zum Feinde als zum eigenen Volke. (Pfuirufe.)) Diese Kritit bezog sich aus die Aufgabe des passiven Wider- standes. Weiter habe ich gelesen, man bedauere, daß die Regierung bei der Ausgabe dieses Widerstanden die materiellen Gesichtsvunkte zu sehr in den Vorder grund gestellt, die ideellen zurückgestrllt habe. Eine große Kritik, eine sehr weitgehende Kritik spricht davon, daß man Mißerfolg gehabt habe, weil die Er- folqlosigkeit der außenpolitischen Wirkung klär'zutage trete. Dieser Kritik liegt eine falsche Auffassung zu grunde über die B e w e g g r ü n d e für die Auf gabe des W i d e r st a n d e s. Das Kabinett fand folgende Situation vor: Der Ruhrkampf war seit Januar geführt worden, geführt unter Bedrückungen und Gewalttätigkeiten. Er hatte eine seelische Depression ausgelöst, die viel leicht gerade aus der Passivität des Widerstandes hervorging. Der Widerstand war aus der Be völkerung selbst erwachsen. Durch Machtmittel des Staates war er nicht zurückzuhalten. Er war von der Regierung unterstützt worden. Beamte, Arbeiter und Regierung hatten zusammengcstanden. Was war die Idee? Ich will nicht etwas feststellen, was ich vielleicht nachträglich als Rechtfertigung der Aufgabe darstellen könnte. Als Mitglied des Hauses habe ich seinerzeit im Auswärtigen Ausschuß darauf hingewiesen, daß die Idee des Widerstandes nur sein könne, durch den Schaden, den er den Einbruchsmächten zufügt, sie dahin zu bringen, daß diese einsehen, daß die produktive Aus nutzung des Ruhrgebietcs nicht gelingt, daß sie durch die Schwierigkeit der Lage gezwungen würden, mit uns den Weg der Verhandlungen zu gehen. Diese Verhandlungen sollten die Grundlage bilden für ein freies Rheinland und für die Wiederver fügung über das Ruhrgebiet. Das ist eine Einschränkung gegenüber der miß- verstandenen Formel des Reichskanzlers Euno, dem man in den Mund gelegt hat, er werd« nicht ver handeln, ehe das Rrchrgebiet geräumt sei. Er hat wiederholt betont, daß er das nie gesagt hat. Glaubt man denn, daß die größte Militärmacht der Welt sich einfach zurückziehen würde aus einem okkupier» ten Land, wenn von dem Gegner ein solche» Zurück ziehen als Voraussetzung für Verhandlungen be zeichnet wird? . Man kann die Frage wohl aufwcrfen, ob wir den passiven Widerstand bedingungslos aufheben dursten, oder ob wir in früherer Zeit durch einen Ab bruch des passiven Widerstandes für uns die Mög lichkeit gefunden hätten, Bedingungen zn stellen — ver Dollar an der 800-Millionengrenze Am Wochenschluhtage trieb die starke Nachfrage de« Dollar im Freiverkehr zeit- weilig bis auf 800 Million«« Mark. Späterhin konnte sich dieser Aursstand allerdings nicht mehr ganz behaupten. LmerllttmkGcr Kewimu« 8oo<terlksde1 insierü -M -K« v«rnu V0rdür»» iV«rd»r,o l , K> Ui.'iill!«» «. j « 0M««1i
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