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Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 06.10.1923
- Erscheinungsdatum
- 1923-10-06
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-192310063
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-19231006
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-19231006
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1923
-
Monat
1923-10
- Tag 1923-10-06
-
Monat
1923-10
-
Jahr
1923
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Notenbank da» Kapital durch freiwillige Zeichnungen non Aktionären aufgebracht wird. In dtesem Falle würde das Reich unter seiner Kontrolle die private Initiative einer solchen Bant stark heranziehen können, die bei dem vorliegenden Entwurf völlig ausgeschaltet ist. Der Grundfehler des Entwurfes als einer wäh rungspolitischen Maßnahme liegt darin, daß bei ihm nicht der Währnngepolitiker, sondern der Finanz politiker Pate gestanden hat. Dieser Entwurf ver dankt seine Entstehung der Frage, wie das voraus sichtliche Rcichsdefizir der nächsten Monate gedeckt wird, und da man sich anscheinend vor der Unmög lichkeit glaubt, dieses Defizit, wie es einzig und allein finanzpolitisch richtig wäre, durch Abgaben, Anleihen oder Veräußerung non Hoheitsrechten «Monopolen) und Sachwerten durch Ersparnisse und gesteigerte Produktion zu decken, so greift der Ent wurf zu dem Mittel, das Defizit durch die Ausgabe von Geldzeichen zu beseitigen. Es ist ^e Fortsetzung der bisherigen Politik, die zu der ungeheuren Ent wertung unseres Reichsmarkgeldes geführt hat. Er kann nur mit einem neuen Mißerfolg enden, dessen Opfer wieder weite Kreise der Wirtschaft sein werden. Möge man endlich den Mut finden, sofort die reine Goldbank in Verbindung mit der Reichsbank ins Leben zu rufen. Das erforderliche Goldkapital dafür aufzubringen, ist keine Unmöglichkeit. Freilich mit Iwangsverfassung und ähnlichen Druckmitteln wird sich wenig machen lassen, wohl aber läßt sich die Goldbank so gestalten, daß sie sowohl vor dem Zu- griff auländischer Gegner, als auch vor der Mißwirt- ' schäft heimischer Finanzpolitiker sichergcstellt ist Die ! ganze Welt hat ein lebhaftes Interesse daran, daß die deutsche Währung saniert wird, die, unabhängig von der inneren Politik, wenigsten» dem internatio nalen Handelsverkehr mit Deutschland wieder eine feste Basis geben wird. Schon eine bloße moralische Unterstützung auswärtiger Kreise, di« in der geeig neten Form sicherlich zu erlangen sein wird, würde i eine große Hilfe sein, und mit innerer Notwendigkeit ! würde die Goldbank das Zentrum bilden, von dem eine Gesundung unseres ganzen Wirtschaftslebens den Anfang nehmen könnte. Volksvertretung und Handwerk Berlin» 4. Oktober. Gestern und heut» fanden km Reichstag gemeinsame Konferenzen des Präsi diums des Reichsverbandes des deutschen Handwerks mit dem interfraktionellen Handwerkerausschuß des Reichstages statt. An erster Stelle wurde über dringliche Vorschlags des Handwerks bezüglich einer Reform der Steuer politik verhandelt, die sich zu Anträgen de« interfraktionellen Handwerkcrausschusses verdichteten Der Rcichsverbond des deutschen Handwerks trat für unmittelbare Wiederherstellung der reinen Goldwährung ein. Die in letzter Zeit öfter beobachtete Zurücksetzung des Handwerks bei der Vorbereitung und Durch- sührung gesetzgeberischer und verwaltungsmäßiger Maßnahmen führte zu dem vom interfraktionellen Handwerkerausschuß einmütig unterstützten Antrag, bei der gegenwärtigen Umbildung de» Kabi netts einen besonderen Staatssekretär für das Handwerk zu bestellen. Die an den Konferenzen beteiligten Fraktionen übernahmen einen dringlichen Antrag der Zen tralstelle für deutsche Handwerks wirtschaft, demzufolge bei solchen öffentlichen Aufträgen und Lieferungen, deren Auftragsumme auf Goldmark lautet, die Bezahlung entweder in wertbeständigen Zahlungsmitteln (Goldanleitze oder Dollarschatzanweisungen) oder durch Gutschrift auf wertbeständige Konten erfolgen soll. Vie bayerische Steuer-Opposition München, 4. Oktober. Ebenso wie Ministerpräsi dent Dr. v. K n i ll i n g in einem Telegramm an den Reichskanzler, fordern auch die Landcsbauern- kammer und der Handwerkokammertag in einem Telegramm an den Reichskanzler und an den Reichsfinanzminister unverzügliche Si- stirrung der geplanten Lteuergesetzöi Di« „Münch ner Neuesten Nachrichten" nehmen an, daß Dr. v. Kahr umgehend die zu einer Beruhigung notwen- digen Maßnahmen treffen werde. Oer deutsche Galopin Wenn dir Straßenbahnen leer fahren (weil di« Fahrt zehn Millionen kostet), müssen die Menschen zu Fuß lausen. So tritt schon im Straßenbild der Galopin in Erscheinung: bleich, mit zusammengepreß- ten Lippen und den charakteristischen kleinen Augen- brauenfalten der Ueberanstrengung hetzt er kilometer weit von der Arbeitsstätte in die Wohnung, von der Wohnung an di« Arbeitsstätte und hat auf dem langen Weg Muß« genug, auszurechnen, ob er sich di« Stiefrlsohlen verdient hat. Eines Tages stand man vor der niederschmettern den Tatsache: Arbeit nährt nicht mehr, dem Be' ruf ermangelt der gerechte Lohn: was bleibt da übrig, al» ein Galopin zn werden oder ein Leberecht Hühnchen? (Wobei Lcberrcht Hühnchen von einst ein Grandseigneur war verglichen mit dem Typus heu tiger Genügsamkeit). Nichts demoralisiert so sehr wie die Empfindung, daß Arbeit nicht mehr lohnt und e i n Beruf nicht mehr genügt, um lebenswürdig zu existieren. Mit geringen Ausnahmen sind sämt liche sestbesoldete Beruf« des Mittelstandes auf »in Fünftel ihres Friedcnseinkommen» verkürzt; die gelehrten und freien Berufe auf ein Zehntel und mehr. Gegen solch unverdiente» «chicksal, dos auf die Dauer unerträglich ist, wehrt sich die menschliche Natur. Wenn die anständige berufliche Arbeit, in der man etwas gelernt Hot und leistet, kein Brot mehr abwirft, dann muß man es, so flüstert die Verführung, mit einer außerberuflichen und weniger anständigen Arbeit versuchen. Dies ist ver Weg zur Börse, zu jeder Art von Spekulation; die« ist das Schmarotzertum im Instationsmorast, da» unpro duktive Zwischenhändlern«!!,, da« den Weg der Ware vom Produktionsort zum Konsumenten künstlich ver längert und für diese „Leistung" den Lohn einstreicht. Oder aber man kommt zu dieser Ueberlegung: Denn e i n Beruf nicht mehr nährt, dann muß ma» eben zwei und drei Berufe nebeneinander, inein ander, nacheinander ausüben. Dies ist der Weg zum Nebenberuf, ohne den es in den mittleren Schichten Deutschland« fast keinen Hauptberuf mehr gibt. Auf jenem und «uf diesem Nebenweg hetzt Umfassendes englisch französisches Zusammenwirken Nm». 5. Oktober. (Eig. Tel.) Der Lon doner Korrcspvndent der Turiner „Stampa" bringt einen sehr interessanten Bericht über den Berkaus der Besprechung zwischen Baldwin und Poincarö und bemerkt dazu, seine Mitteilungen seien so gut wie unwiderleglich. Danach wäre die Anregung zu dieser Zusarnenkunft von Lord Cur zon ausgegongen, der sofort nach dem Zwischenfall von Korfu Poinear^ ausgesucht habe, um ihm Englands Standpunkt zu den Gefahren der Lage klarzulegen und ihn vor die Frage einer endgültigen französisch-englischen Zusamenarbeit auf allen Ge bieten zu stellen. Das nächste Ergebnis dieser Be- sprechung sei die Zusammenkunft Baldwins mit Poincar? in Paris gewesen. In dieser Unterredung soll Baldwin gesagt haben: Das einzige Mittel, um Unruhen in Europa zu vermeiden und dos demo- kratische Regime in den Großstaaten aufrechtzuer halten, sei ein« Uebereinkunft zwischen England und Frankreich. Ruhr- und Rcparationsfrage stünden jedoch im Wege. England sei zu jedem Opfer bereit» wenn die Integrität des Deutschen Reiche» unangetastet bleibe; es wolle von einer Zerstücklung Deutschland« nicht, wisse«. Sobald Frankreich deutlich erklärt habe, daß es das Rheinland nicht annektieren wolle, daß cs nicht an ein« dauernd« Besetzung des Ruhrgebiets denke und daß es auch zu keiner seperatistischen Bewegung im Rheinland auf hetzen wolle, wäre England bereit, ihm alle mög lichen finanziellen Erleichterung?!, zu gewähren. Auch für Frankreich müsse wie für England der Versailler Vertrag von A bis Z volle Geltung haben. England werde, sobald Deutschland sich ergehn habe und offizielle Verhand lungen im Gange seien, auf dem englischen und dem amerikanischen Geldmarkt eine Aktion für» eine große Anleihe einleiten. aus der Frankreich sofort 5 bis 8 Milliarden Francs erhalten könne. Dann soll« Frankreich sofort für die endgültige Räumung des Ruhegebietcs Sorge tragen. Eng land garantiere Frankreich ferner die von ihm ge forderten 28 Milliarden Gold mark; ba- für müsse es aber die „produktiven Pfänder" fallen lassen. England wolle Frankreich weiterhin die Kriegsschulden nachlassen, wogegen sich Frankreich verpflichten müßte, das neue Deutschland innerhalb der Grenzen Kes Vertrags fortbestehen zu lassen. Baldwin Hobe weiter ausgeführt: Die englische Regierung wäre bereit, in diesem Sinne sofort einen Vertrag abzuschließcn, wenn sie mit Sicherheit wüßte, daß es der demokratischen Regierung Stresemann gelingen werde, den heftigen Sturm zu überwinden, der bei der baldigen Kapitu lation bevorsteh«. Wenn Stresemann tatsächlich an der Macht bliebe und Deutschland vor dem inneren Chaos bewahre, werde die englische Regierung nicht zögern, die oben erwähnten Abmachungen ab zuschließen. PoinearL Hobe den englischen Vorschlag an genommen und sich feierlich dafür ver bürgt, daß Frankreich nicht auf die Zerstückelung Deutschlands ausgehe, das Rheinland nicht zu annektieren beabsichtige und auch den Separatismus nicht fördern wolle. Sobald es die erste größere An leihe erhalten habe, werde es das Ruhrgebiet räumen und sich in Allem und Jedem an den Versailler Vertrag halten. „Was uns jetzt allein interessiert" — so habe der französische Minister präsident erklärt —, „das ist die Kapitulation Deutsch, land» an der Ruhr, die wir als moralischen Erfolg benötigen. An zweiter Stelle müssen wir Geldmittel hereinbringen, um den französischen Massen zu zeigen, daß die Ruhrbesetzung nicht unnütz «ar; Geldmittel, die un» gestatten, unser Budget so der Galopin dem kärglichsten Lebensgenuß, der be scheidensten Selbstbehauptung nach. Der beliebteste Nebenerwerb in Deutschland ist die Börse; er ist am einträglichsten und erfordert „nur" eine Leistung der Nerven, der gespanntesten Avtmerk- scmkeit, der raschen Entschlüsse. Die Frage nach dem schädlichen oder fördernden Einfluß der Börse auf das Wirtschaftsleben inter essiert uns hier nicht. (IlebrigenS beantwortet sich diese Frage insofern positiv, als ungezählte Familien dank der Börsengewinne von den äußersten Ent behrungen verschont blieben. Ueberdies fließt der rasche Gewinn der Börse durch die leichte Hand der Verbraucher ebenso rasch wieder in den Strom der Wirtschaft zurück.) Die Frage nach der Moroli- t ä t de» Börsenspiele» interessiert un» nur, insofern sie nicht von Pharisäern gestellt wird, die heuchlerisch übersehen, daß der Mensch ein Triebwesen ist und als solches ein Recht hat auf Selbstbehauptung, primum vivere . . . Der Galopin, der nebenberuflich recht und schlecht am Rande der Börse lebt, ist kein Schieber; nur kleinbürgerlich« Anschauung kann ihn so sehen und benennen. Nicht das Kleinzeug, nicht die Mitläufer der Konjunktur sind Schieber, son dern die großen Unsichtbaren, die die Konjunktur verursachen. Ganz anderswo liegt die Frage nach der Mora lität de» nebenberuflichen Börsenvcrdienstcs. Er mindert die Achtung vor der Arbeit, deren wirtschaftlich« Nutzlosigkeit um so schärfer hervortritt, je weiter der Arbeitsertrag hinter dem Börsenver dienst zurückblribt. Es wirkt demoralisierend, wenn ein Beamter an einem mittleren Börsentag mehr verdien« al» sein Gehalt in zwei Monaten beträgt. Da» Beispiel de» Beamten ist übrigen» willkürlich herausgehoben; sie sind lediglich al» letzte Mittel standsschicht „eingrstiegen" (dank der Quartal«' geholter), allrrding» so intensiv, daß man an den Börsen geradezu von „Beamtenhaussen" spricht. Der Deutsch«, der zur Bel>äbigkeit und Idylle neigt, ist Galopin lediglich aus Rot. Er ist -in In- flations-Galopin, der die Leistung mit dem zeitgemäßen Index multiplizieren muß, um den schlimmsten Entbebrckngen zu entgehen. Er ist kein Verdiener, kein energiegeladener moaev m«Ir*r amerikanischen Stil, an» einem Plu» an Kraft und bald wie möglich ins Gleichgewicht zu bringen. Wir wissen genau, daß unsere Schwierigkeiten mit der Unterwerfung Deutschlands nicht beendet ssnd, falls nicht sofort eine allgemeine Besserung im Lande ein tritt. Bleibt diese aus, dann wird auch die Un zufriedenheit unter den Massen zunehmen, dann würde man aber auch der um jeden Preis die Annexion fordernden Strömung nicht wider stehen können." Die Antwort PoincarLs habe noch am gleichen Abend eine Bestätigung durch Mille- ra nd erhalten, der Baldwin die feierliche Versiche rung PoincarLs wiederholt habe. Vie kapitulationsforöerung Pari», 5. Oktober. (Eia. Te l.) Der Brüsseler Korrespondent des „Temps" will von einer hoch gestellten Persönlichkeit folgendes über dir deutsch« Mintsterkrise erfuhren haben: Start daß Stresemann der einfachen und geraden Lini^ der Unterwerfung unter die Verpflichtun gen des Versailler Vertrages gefolgt sei, habe er mit Finessen gearbeitet. Er habe vielleicht ge glaubt, die Zurückziehung der Verordnungen über den passiven Widerstand würde genügen, um Belgien zu friedenzustellen, und um den Charakter der Besetzung sowie die allgemeine Haltung der beiden hier in Frage kommenden Ententestaaten gegenüber Deutschland zu ändern. Er habe sich aber schwer getäuscht: Man sei durch die Erfahrungen gewitzigt geworden, und vergesse nicht dos Beispiel des Reichskanzlers Wirth, den alle alliierten Regierungen, wie man jetzt wohl zugestehen müsse, zu unrecht unterstützt hätten, und der dadurch, daß er alle» in die Länge ge zogen babe, mit den Alliierten gespielt habe. Davon kämen übrigens auch eine Menge augenblicklicher Schwierigkeiten, und man werde deshalb vom Deut schen Reiche glatte Unterwerfung verlangen. Nichts könne die Franzosen und Belgier ab halten, in ihrer Aktion bis zum Ende zu gehen. Wenn Stresemann verschwinde, werde ein anderer folgen, dann ein zweiter oder dritter, aber alle werde man verbrauel)cn, ob sie nun von links oder von rechts kämen. Es sei notwendig, daß alle Deut schen sich darüber Rechenschaft adlegten, daß es für das Deutsche Reich keine andere Lösung gebe, als die, sich den Verpflichtungen des Vertrages zu unterwerfen. Der Berichterstatter fügt hinzu, diese Erklärungen entsprechen dem, was im Minister rat äm Mitt woch nachmittag fcstgestellt worden sei. Man glaube, daß man erst nach ziemlich langer Frist in den be setzten Gebieten wieder vor einer mehr oder weniger normalen Lage stehen werde. Die französisch, belgische Eisenbahnregie müsse in der Sache endgültig beibehalten und im Hinblick auf die Sicherheiten und auf die produktiven Pfänder in eine interalliierte Regie umgewandelt werden. Keinerlei Milderung der bisherigen Methoden Frankfurt a. M., 5. Oktober. (Eig. Te l.) Nicht nur die Ausweisungen, sondern auch die De ra ubungen deutscher Kassen werden von den französischen Besotzungsbehörden trotz der Ein stellung des passiven Widerstandes fortgesetzt. So wurde ein Transport der Rcichsbank von Frankfurt nach Wiesbaden mit 800 Milliarden Mark wohl ruhig über die Grenze gelassen, das Geld aber in Wiesbaden, als es in die Bank gebracht werden sollte, weggcnommen. französische Vahnbeamte alr Wilderer und Mörder Frankfurt a. M., 5. Oktober. (Eig. Tel.) In der Nähe von Trier haben französische Eisen bahner einen Mord begangen, und zwar an dem Verwalter des Trimmclter Hofes. Der Verwalter hatte kürzlich beobachtet, daß französische Eisenbahner in der Nahe des Hofes unberechtigterweise jagten. Als er kürzlich die französischen Bahnbeamten wieder- um auf seinem Felde sah und er sich mit seinem Schrrager näherte, um sie zu verwarnen oder wegzu jagen, wurde er von einem der Wilddiebe durch einen Schuß in den Hinterkopf getötet. Line neue Ungeheuerlichkeit Düsseldorf, 5. Oktober. (Eig. Te l.) Wegen der letzten Düsseldorfer Vorgänge ist gegen die Leiter der Polizei sowie gegen den R<gierungspräsi- dnten Dr. Grützner von französischer Seite An- klage wegen Mordversuchs erhoben wor den. 8oru»»de»6, 6« S. Oktober Vie politisch-parlamentarische Entwicklung in Sachsen Dresden, ö. Oktober. (Eig. Tel.) Der von der Sozialdemokratischen Partei eingesetzte Ausschuß zur Ausstellung eines Regierungsprogramms für den Fall des Eintritts der Kommunisten in die sächsische Regierung besteht aus dem Landtaqspräsi- denken Winkler, dem Fraktionsvorsitzenden Wirth, dem Abgeordneten Bethge und dem früheren Unabhängigen Abgeordneten Schulze (Cossebaude). Wie wir erfahren, dürften die Der- Handlungen zwischen den beiden Parteien Ende dieser Woche stattfinden. Dresden, 8. Oktober. (Eig. Te l.) Die Chem nitzer „Volks stimme" bringt auf der ersten Seite ihres Blattes einen Aufruf der örtlichen Ar beiterorganisationen, in dem diese gegenüber der an- genommenen Möglichkeit eines gegenrevolutionären Umzuges erklären, daß sie entschlossen seien, alle An- griffe der Gegenrevolution niederzu schlagen und jede verfassungsmäßige sächsische Regierung mit allen Mitteln zu schützen. Ein gemeinsamer Ausschuß sei bereits gebildet und nur den Aufrufen dieses Aus- schufles sei Folge zu leisten. Die Maßnahmen -er Wehrkreiskommandos IV > Dresden, 5. Oktober. (Eig. Tel.) Außer dem kommunistischen „Kämpfer" in Chemnitz und dem „Volks blatt" in Dresden hat dos Wehrkreis kommando IV auch die „Sä chsische Arbeiter- - eitung" in Leipzig, die „Tribüne" in Magde burg und den „K l a sse n k a m p f" in Hall« auf die Dauer von zunächst acht Tagen verboten. Das Wehr; kreiskommando begründet das Verbot mit dem in den genannten Zeitungen abgedruckten Aufruf der Zentrale der Kommunistischen Partei Deutschlands, Sektion der Dritten Inter nationale, in dem nicht nur Mitglieder der Reichs regierung als „Verräter" bezeichnet, sondern auch die Verhängung des Ausnahmezustandes als eine allein gegen die Arbeiterklasse gerichtete Maßnahme bezeichnet sei. Ferner werde in Kem Artikel zur Bildung von Abwehrausschüssrn, die die Arbeiter bewaffnen und den Generalstreik vor bereiten sollten, aufqefordert. Ein derartiges Ver balten sei mit der Aufrechterbaltung von Nutze unk Ordnung, für die der Befehlshaber verantwortlich- sei, unvereinbar. Es sei auch zu befürchten, daß Kiese Zeitungen itzr durch die Zentrale der Partei diktier- tes Verhalten forssetzen würden. In der gleichen Art würde gegen alle Zeitungen, die den erwähnten Aufruf noch brächten, vorgegangrn werken. In der gestrigen öffentlichen Sitzung ber Stadtverordneten von Dresden wurde mit 38 aegen 32 Stimmen ein Dringlichkeitsantrag Kes kommunistischen Stadtverordneten Schrapel angenommen, der besagt, das Kollegium wolle beschließen, sofort beim Wahrkreiskommando IV wegen Aufhebung des Verbotes des „Dolksblattcs" dringend vorstellig zu werden und den Rat zum gleichen Vorgehen veranlassen. * Das Wehrkreiskommando I V hat übrigens auch die bereits vom Reichswehrminisler verbotenen Zeitungen, den „Völkischen Beobachter", di« „Note Fahne" und den „Roten Kämpfer"', sowie die „A r b e i t e r f a u st" für seinen Befehls bereich verboten. Vie Diktatur Kahrs München, 5. Oktober. In einer stark besuchten Funktionärversammlung der christlichen Ge werkschaften Augsburgs nahm der dem linken Flügel der Bayrischen Volkspartei angehörende Landtagsabgeordnete Funke Stellung zur Verordnung Kahrs bctr. die Verhütung von Streiks und Aussperrungen. Der Redner erklärt«, daß die Verordnung nicht oder wenigstens nicht in diesem Ilmfang nötig gewesen wär«. Der Schutz lebenswichtiger Betriebe wäre völlig ausreichend ge wesen. Die christliche Arbeiterschaft habe sich immer gegen die wilden Streiks gewehrt, sie wolle aber auch keine Aushöhlung des Koalitionsrechtes. Die Ausführungen des Redners fanden lebhafte Zu stimmung. Luft, sondern er steht in der verzweifelten Defensive wider die Entbehrung und im fast aussichtslosen Kampf gegen den Verfall der Lebenshaltung. (Viel leicht täte man klüger, freiwillig zu verzichten und sich gleich auf die unterste Lebenshaltungsstufe des Proletariats einzurichten, anstatt erst wider strebend auf sie hcrabzusinken.) wurde in den In- telligenzbcrufen so viel gearbeitet wie in der A«ra des Acht-Stundcntages. Der Sechzehn'-Stundcntng, verteilt auf die verschiedensten Disziplinen und bnn' testen Gebiete menschlicher Tätigkeit, ist kerne Selten- tzeit. Die Grenze zwischen den Berufen ist oft ganz abenteuerlich verwischt; man muß im heutigen Deutschland mancherlei können, nm sich Halbwegs zu erholten. Denn das, was man wirklich kann, genügt nicht mehr. So kommt der Beamte zur Börse, der Kunsthistoriker zum Grundstück- und Zwischenhandel oder in ein industrielles Reklamebüro, der Pastor ins Bergwerk und Pankfach, der Schauspieler zum Kabarett und Kino, der Gelehrte zur Handarbeit, der Schriftsteller zu all und jedem. Zwei große Anführer bat dieses deutsche Lebeustempo; di« Notenpresse und den Typus Stinncs, die ja beide in engstem Zusammen- Hang arbeiten . . . Stinnes, von dem die Legende erzählt, daß sein Arbeitstag nm 8 Uhr früh beginnt und um 10 Uhr abends noch nicht zu Ende ist, und der dabei wie sein eigener schlecht bezahlter Buchhalter aussieht, ist der große Bruder des kleinen Galopin. — Wohin Kiese» Tempo führen wird? Fragen wir lieber, wohin «« lchon geführt hat: Zu einer Zer- ftörung der Seins-Kultur durch die Lei st ung»'Barbarei. X » Buchhä»dle,-Schttff«l»ah1: 7S Millionen. Mit Wirkung von heute Sonnabend wird die Schlüssel zahl von 60 Millionen aui 7ü Millionen erhöht. Einen berechtigten Mahnruf an die deutsch«» Ver- leger veröffentlicht Stefan Zweig im „Berliner Tageblatt". Di» dcutjchen Verleger können infolge der Notlage vielfach nicht einmal mehr die bereits angenommenen Manuskripte ihrer Autoren brocken, geschweige denn neu« Arbeiten erwerben. Dabei aber werden Neudrucke älterer Autoren, die schon in vielen Ausgaben vorliegen, immer wieder neu auf gelegt. Gegen diese Fabrikation von Du- Kletten bei gleichzeitiger Vernachlässigung des lebendigen Schrifttums wendet sich der Aufruf Stefan Zweigs. Es heißt darin: „Ich liebe leidenschaftlich Balzac, aber ich frage: ist es wirklich notwendig, daß im Jahre 1923, 1924, in einer Zeit, wo wert vollste Bücher deutscher Jugend in Schreibtischladrn ungedruckt warten müssen, nicht weniger als drei deutsche Gesamtausgaben Balzacs, je zu zehn oder sechs Bänden — bei der Insel, bei Kiepenheuer und im Verlage der „Schmiede" (auch noch die große Gesamtausgabe bei Rowohlt! Die Red.) — heraus- gegeben «erden und dazu noch bei zwanzig anderen Verlegern einzelne, schon dutzendmal gedruckte und übersetzte Novellen Balzacs? Ich liebe leidcnschaft- lich Dostojewski, aber ich frage nochmals: ist es not wendig, daß gleichzeitig in zehn Druckereien dieselben Romane von ihm tzeute gesetzt werden, wo wissen schaftlichen Werken höchsten Ranges, unrn! ichrlichcn Kompendien für Universitäten der Drucker und der Setzer fehlt?" (Die Beispiele ließen sich beliebig ver- mehren. Soeben kündigt Bruno Cassirer eine ncue Tolstoi-Ausgabe an, wiewohl es deren eine ganz« Menge gibt. Die Red.) „Das ganze Schicksal Deutsch- lands berntzt jetzt darauf, ob es innerlich zu einer Einigung kommt, zu einer Zusammenfassung der Kräfte: ebenso müßte dann auch bei den Der- legern eine Einigung endlich zustande kommen und eine Produktion des Gleichen an verschie denen Stellen, für einige Zeit wenigstens, ein- geschränkt werden. Technisch läßt sich das mit einem Handgriff ermöglichen, daß die Verleger sich über das Wesentlichste einigen, daß sie ihre Arbeitskraft, ihre Produktionsmittel im Sinn der gegenseitigen Förderung und nicht der gegenseitigen Hemmung ver- werten.... Es handelt sich nicht um Honorare, nicht bloß um materielle Existenz von Menschen, sondern um ein unendlich Wertvolleres: um die Kontinuität der geistigen Produktion, um die kommende Ju gend, um das lebendige Wort. . - V»n der Uni»erfität Leipzig. Die Berufung de» Kieler Professors Fritz Rärig als Nach- folger de» Historiker» Wermingtzosf nach Leipzig, deren Bestätigung durch da» sächsisch« Ministerium gestern noch ausstand, ist, wie unsere Dresdner Echriftleittwg meldet, heute bereit» erfolgt.
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