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Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 04.10.1923
- Erscheinungsdatum
- 1923-10-04
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-192310048
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-19231004
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-19231004
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
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Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1923
-
Monat
1923-10
- Tag 1923-10-04
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Monat
1923-10
-
Jahr
1923
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Gesterreich und Polen Die Erklärungen des polnischen Außenminister» Lendo, in denen französisch« Pläne, die im Osten Europa» zu neuen Komplikationen fuhren könnten, enthüllt wurden, haben in den französischen Kreisen Warschau» großes Mißfallen erregt. Auch ist e» kein Geheimnis, daß der französische Gesandte d« Panafiru ein besonderer Gegner Seyda» ist. Gin ivetterer Grund für die Unzufriedenheit Frankreich» mit der polnischen Politik ist darin zu sehen, daß der in Lausanne abgeschlossene polnisch-türkische Vertrag di« Schaffung einer Eisenbahnverbindung London— Bagdad über Polen vorsieht. Diese Bahn soll von London über Amsterdam, Berlin Posen, Katto- witz, Lemberg, Eonstanza, Bukarest und Kon stantinopel nacd Bagdad führen, ohne irgend« o französische» Territorium zu be rühren. Als Rechtfertigung der angegebenen Linienführung wurde neben einer Zeitersparnis von einem halben Tage die bedeutend« Verringerung der Fahrkosten im Vergleich zu der Linie Parts—Buda- pest erwähnt. Das Verhältnis der polnischen Regierung zu der tschechoslowakischen ist ebenfalls zicmlrch ge spannt. Da» Organ Dr. Benefchs, der „Eesko Glovo", schreibt, es sei ein unmöglicher Gedanke, daß sich die Tschechoslowakei kriegerischen Zusammen stößen mit Rußland aussehen solle; Polen möge an sein« Grenzen gegen Rußland denken, die in der gegenwärtigen Ausdehnung nicht auf rechtzu erhalten seien. Die von Frankreich und der Tschechoslowakei erhofften Anleihen find ausgeblieben, obgleich die Militärlasten in» Ungeheure gestiegen sind. (Zu bemerken wär« hierzil, daß Polen eine verhältnismäßig große Arme« auf Anordnung Frankreichs unterhält.) Di« polnische Währung ist seit einigen Wochen in stetem Sinken begriffen, und der Notenumlauf des Landes beträgt mehr als 4 Billionen, das Etaatsdcfizit ist im Budget ftlr 102? mit LOO Millionen Goldfranken veranschlagt. Die Zahlungsbilanz ist stark passiv, wenngleich seit einiger Zeit die Handelsbilanz aktiv geworden ist. Man hat zu berücksichtigen, daß durch die An gliederung Oberschlesiens Polen in den Besitz eine» enormen Reichtums an Steinkohlen gelaugt ist. Di« Qualität der Steinkohlen übersteigt bei weitem die der Vorkommen von Dombräva, Krakau, Gtanislau usw. Wenn die Naphthaproduktion für ihr Teil ziemlich stark zurückgegangen ist, so ist dies dem Geldmangel zuzuschreiben, der trotz der großen Noteninffation schon seit geraumer Zeit herrstht. Dl« Leistungsfähigkeit der galizischen Mineralöl- raffinerien beträgt WOVON Tonnen. Die polnischen Zuckerfabriken, die die Leistungsfähigkeit der Vor- krieg»;akre bei weitem nicht zu erreichen vermochten, sind zum Teil in ausländischen Besitz über- gegangen, desgleichen die Zink- und Blei-Lrzgruben. Unter solchen Umstanden ist es nicht zu ver wundern, daß Polen nunmehr seinen Interessen ohne Frankreich nachtgeht. Korfanty, der gleich einem Diktator in der polnischen Industrie großen Einfluß ausübt, hat in der Person des Wiener Bank präsidenten Basel einen Förderer der polnischen Industrie gefunden. Wir haben bervits über einige von dessen Transaktionen berichtet. Die Beteiligung der österreichischen Banken, namentlich der Wiener Unionbank, an polnischen Unternehmungen hat nach gerade -inen derartigen Umfang angenommen, daß die wirtschaftliche Interessengemeinschaft Polens und Oesterreich« weit über den Rahmen der üblichen Handelsbeziehungen hinauereicht. Es kann geradezu von einer wechselseitigen wirtschaftlichen Neu orientierung gesprochen werden. Vor einigen Wochen war Korfanty Gast de« Herrn Basel in Wien, und gleich darauf begab sich der österreichische Bundes kanzler Dr. Seipel mit einem Stab vonIndustriellen und Kaufleuten nach Marschau, offenbar um jene Geschäfte und Verträge zu besiegeln, die die Wiener Danken unter Bösels Führung eingeleitet hatten. Bis zum vollständigen Ausbau der Wasser- kraftanlagen ist Oesterreich gezwungen, vom Anslandc Steinkohle zu beziehen. Bisher war in erster Linie die Tschechoslowakei der Lieferant. Die monatliche Produktion Oesterreich« an Steinkohle beträgt durchschnittlich 12 000. die Einfuhr "'0 000 Tonnen. Für die Zukunft wird diese Ein fuhr zweifellos in polnischen Händen liegen. Auch ' ns; kommt Polen für Oesterreich als Lieferant stark iBetracht. Im Jahre 1922 stand Polen mit Millionen Doppelzentner Einfuhrwaren noch an i^rter Stelle. Derzeit deckt Oesterreich seinen ge- ' mtcn Bedarf an Erdöl aus Galizien, der Zement- > -^ort wird zum größten Teil und die Eier- ?uhr ganz von Polen bestritten. Hi^pegen liefert " 'terreich nach Polen Gummiwaren in größeren ^gen, ferner Hüte, Pappe, Papier, landwirt- ' 'ö stliche Maschinen und Kleinautos. Sowohl Polen o s auch Oesterreich sind jedoch kranke Staaten, und wird sich erst zeigen, ob die zustande gekommenen Verträge zu einer Zeit, in der dos Deutsche Reich wieder aus dem Markte erscheinen wird, ausführbar sein werden. K 8. vßepoftkredtte für Ungarn eingestellt Budapest, 8. Oktober. (Eia. Tel.) Wie „Magyar Hirlap" meldet, hat die deutsche Regie rung durch Vermittlung der deutschen Bankinstitute die ungarischen Banken verständigt, daß sie den für die Abwicklung des Ueberweisungsverkehr» notwen digen Postkredit mit Rücksicht auf di« Schwankungen der Mark einstcllte. feierliche Uebergabe Nonstantinopeir Pari«, 8. Oktober. (Eig. Tel.) Am gestrigen Di«u»tag ist Konstantinopel offiziell wieder geräumt und den Türken übergeben worden. Di« englischen Infanterietruppen waren bereit» in der vorigen Woche eingeschifft und ab- tron«portiert worden. Dis letzten fremden Be satzungtruppen verließen noch im Laufe de oestrigen vormittag» da« gesamte Gebiet der bis- beriaea B«satzuna»zonc. Früh 9 Uhr wurden in Konstantinopel in Anwesenheit der alliierten Truppenkommandeure, ferner Selaheddin Adil Palcha», de» türkischen Militärgouverneurs von Konstantinopel, und der Ehrs« der türkischen givil- iwrwaltuny auf der Kri«g»schule die Fahnen ö«r Alliierten niedergeholt und an ihrer Stell« di« türkische Flagge gehißt. Au der Feierlich, kest nahmen Abordnungen der Besatzungitvuppcn und ein türkische» Truppenkontingent teil. Meine politische Nachrichten Der Leiter de« Lustdienste» der amerikanischen Flatt«, Konteradmiral Hoffet, teilt mit, daß da» in ML dienst »wischen New Pork und London verwendet werden soll. Jede Reis« nehme zwei Tage in Anspruch. G Der durch den Panamakanal bekanntgeworden« französisch« Ingenieur Lharle» dr Lessep», der Sohn de» Erbauer« des Suezkanal», ist im 83. Lebensjahre gestorben. Sur Wirtschaftspolitik Grotzbritaniens Loudon, 3. Oktober. (Eig. Tel.) In seiner gestrigen Rede auf der Neichswirtschaftskonferenz er klärte der englische Handelsminister Lloyd Greame, daß England seine Arbeitslosigkeit nur überwinden könne, wenn es ihm gelänge, seinen Handel über die Vorkriegsziffer hinaus zu steigern. Englands Vorkriegshandel genüge nicht mehr, um die während des Krieges vermehrte Be völkerung und den zu Rüstungszwecken stark ver- größerten technischen Apparat der Industrie voll ständig zu befriedigen. England müsse bestrebt sein, sich die alten Werte zu erhalten. Zn erster Linie komme e« aber jetzt darauf an, sich neue Werte zu schaffen, die als Ersatz für die alten Wert« dienen könnten. Um das englische Weltreich kaufkräftig für englische Ware zu gestalten, werde man englische» Kapital und überschüssige Bevölkerung nach den Dominions senden. Auf die Zoll frage übergehend, stellte der Minister fest, daß do» von den britischen Dominion« und vom Mutterlande bereit» im beschränkten Um fange angewandte System der Vorzugszölle sich ausgezeichnet bewährt hat und daß die englisch« Regierung es lebhaft begrüßen würde, wenn die Kolonien sich dazu entschließen könnten, die Einfuhr aus dem Mutterlande noch weiter durch Vorzugs zölle zu fördern. Anspiclend auf die bekannt« Forderung der Dominions, daß das Mutterland als Gegengabe die Einfuhr aus Amerika an Rohstoffen und Nahrungsmitteln mit einem Zoll belegen müsse, nm die gleichen Produkte der Kolonien auf dem eng lischen Markt konkurrenzfähig zu machen, erklärte der Minister, daß England bereit sei, das System der Vorzugszölle in Anwendung zu bringen und so dir Erzeugnisse der Dominions und die Entwicklung ihrer produktiven Hilfsquellen zu fördern. Der Premierminister von Kanada, Warren, betonte in seiner Antwortrede, daß für die Ent wicklung seines Gebietes ebenso wichtig wie Vorzugs- zöllc eine Bevorzugung der Kolonien bei der Aus fuhr des englischen Menschenüberschussee in Form ver Auswanderung sowie die Bevorzugung des Kapitalmarktes auf dem englischen Weltmarkt sei. Der Vertreter von Seeland erklärte, es sei notwendig, da« System der Vorzugszölle aus- zubaucn, ohne daß die Kosten der Lebenshaltung der englischen Arbeiterschaft gesteigert werden dürfen. General Smuts, Süd-Afrika, erklärte offen heraus, daß die Kolonien das Recht hätten, wenn England von ihm verlange, daß sie den Menschen überschuß in Form von Auswanderungen annehmen müßten, das Mutterland verpflichtet sei, den Er zeugnissen der Kolonien eine Dorzugsstelle bei der Einfuhr einzuräumen. Er setzte weiter auseinander, daß England die Lebensmittel, Kupfer und Baum- wolle, die es bisher aus Amerika bezogen hätte, aus Afrika beziehen könnte, wenn ihm vom Kontinent ausreichende Mittel zur Verfügung gestellt würden. Die Quintessenz der gestrigen Rede kann dahin znsammengefaßt werden, daß die großen englischen Verwaltungsgebiete dann bereit sind, an der Lösung des englischen Arbeitslosen problems mitzuarbeiten, wenn ihnen England ein« Vorzugsstelle für den Absatz ihrer Erzeugnisse einriiumt und dafür Sorge trägt, daß der Londoner Weltmarkt den großen Kapitalbedarf der Kolonien durch Gewährung von Darlehen an ausländische Staaten und Unternehmungen vollständig befriedigt. Nach Laqenne deportiert Frankfurt a. M., 3. Oktober. (Eig. Tel.) Die „Frankfurter Zeitung" meldet, der Ludwigshafener Astronom Paul Görges, der seinerzeit wegen eine« Eiscnbahnattentate» in der Pfalz zum Tode verur teilt und dann begnadigt worden ist, wurde vom Mainzer Gefängnis nach Nancy gebracht und von dort nach Fresne an der Seine. Jetzt haben seine Eltern von ihm die Nachricht erhalten, er solle nach Eayenne deportiert werden. Keine weitere Kohlenpreir * Erhöhung Berlin, 3. Oktober. Wie wir hören, hat der Reichswirtschaftsminister seinen Einspruch gegen die eine Erhöhung der Goldkohlenpreise um etwa 75 Prozent vorsehenden Beschlüsse de, Rcickskohlen- rates aufrechterhalten. Hiernach tritt für alle Kohlensorten, die bereit» den Weltmarktpreis erreicht haben, eine weitere Erhöhung nicht ein. Die Bayrische Dolkspartei hat im Reichstage mehrere Anträge auf Abänderung der Steuergesetze vom 11. August 1923 eingebracht. Die Dcutschnationalen haben beantragt, den Ent wertungsfaktor von 30000 Mark für Einkommen- stenervorauszahlungen herabzusetzen und für wirt schaftlich schwache Betrieb« de« Handwerks und Kleinhandel» die Zahlung der Rnhrabgad« um einen Monat hinanszuschieben. Var Endergebnis der Goldanleihe Berlin, 2. Oktober. Da» Ergebni» der Gold anleihe steht vorbehaltlich geringfügiger Ergänzungen fest. Insgesamt sind 104 224180 Gold mark ge zeichnet worden, und zwar gegen Mark: 129 78819 Goldmark, gegen Devisen: 30852 809 Gold mark, gegen Dovar-Schatzanweisungen: 2 590 553 Goldmark und gegen Golourarkquittungen S88 830 Goldmark. Line Nrbeitrlosen Kundgebung Fraukftirt a. M, 3. Oktober. (Eig. Tel.) In Offenbach demonstrierten die im Kreise Offenbach wohnhaften und im besetzte» Gebiete beschäftigten Arbeiter, di« bisher au» der Rhein- und Ruhrhtlfe erhöhte Arbeitrlosenbeihilfen erhalte» hatten, gegen den Wegfall dieser Bezüge. Sie hielten in der Nahe Offenbach» eine Versammlung ab und beschlossen eine Demonstration vor dem Krei»amt. Im letzten Augen blick einigte man sich mit den Demonstranten, dir Zu zug von den Kommunisten erhc>: n hatten, da hin, daß ein« Deputatton vom Krei»dtrektor emp- fangen wurde. Zu größere« Unruhen ist e» nicht gekommen. Ver putsch der Majorr Einzelheit»» über be» Küstriuer «echtrputsch Ueber die Vorgänge in Kü st rin werden von amtlicher Stell, nunmehr folgende Einzelheiten mitgeteilt: Seit Mitte der letzte» Woche sammelten sich in der Umgebung Berlins junge Leute, die sich angeblich der Reichswehr zur Verfügung stellen wollten. Der Verdacht lag vor, daß sie unter Vor- spiegelung nationaler Ziele zu militärischen Der- küinden für innerpolitische Zwecke zusammengcstellt wurden. Der Wehrireisbefehlshaber erließ des halb eine öffentliche Warnung unter Bekundung seiner Entschlossenheit, mit aller Energie gegen jede Störung der Ordnung vorzugehen. Führer der Bewegung war der Major a. D. Buchrucker, gegen den ein Haftbefehl erlassen ist. Als Buchrucker erkannte, daß seine Pläne durchkreuzt waren, zog er in der Nacht auf den 1. Oktober so viel seiner Anhänger, als er erreichen konnte, in Küstria zusammen, wo sie sich in einem alten Festungswerk verbargen. Am Morgen des 1. Ok tober ließ Buchrucker die wichtigsten Punkte und Zugänge der Stadt besetzen und begab sich mit an deren Rädelsführern zum Kommandeur, Oberst Gudowius, um zu verhandeln. Dieser ließ di» Führer sofort verhaften. Einen nachdringenden Stoßtrupp nahm die Wache fest- Durch hcrbei- gerusene Truppenteile wurden die Aufständischen in den Zeughof eingeschlossen. Da» zuständige Wehrkreiskommando hatte auf die erste Nachricht von den Ereignissen hin Truppen aller Waffen in Marsch gesetzt, um den Aufruhr zu unterdrücken. Das zuerst alarmierte Küstrincr Pionierbataillon beschränkte sich bi» zur Ankunft dieser Truppen auf die Absperrung. Bei der Ab- wehr eines Angriffs von zum Ersatz der Ginge- schloffenen zum Teil von außerhalb gekommener Trupps von Aufrührern hatten diese einen Toten, zwei Schwer- und vier Leichtverletzte. Nach dem Eintreffen der Verstärkungen ergaben sich die Eingeschlossenen. Es sind insgesamt 381 Personen, darunter 13 Rädelsführer, festgenommen worden. Weiter wurden 30 Leute festgenommen, die den Entsetzunasversuch gemacht hatten. Welche Ziele die Gefangenen verfolgten, wird sich im einzelnen erst bei der Vernehmung fcststellen lassen. Die Ab urteilung der Festgenommenen wird durch ein außerordentliches Gericht in Kottbus erfolgen. Zn der Umgebung von Berlin wurden ebenfalls 200 Leute sestqenomm'en, die sich dort Lngesammelt hatten. Es scheint jedoch, daß die Bewegung durch das tatkräftige Einschreiten im Abnehmen begriffen ist. * Mit den; Führer der Küsiriner Putschisten, Major a. D, Buchrucker, ist eine Persönlich keit wieder aufgetaucht, die bereits während des Kapp-Putsches von linksstehender Seite anti republikanischer Gesinnung geziehen wurde. Buch rucker war zu jener Zeit Kommandeur des Reichswehrbataillons in Kottbus und zweifellos schon damals kein Freund der Republik. Sein vorsichtig abwartendes Verhalten in den ersten Tagen des Kapp-Putsches war zumindest ver dächtig, doch wußte er durch geschickt abgefaßte Erklärungen und durch die Niederkämpfuna „roter Banden" in den späteren Mürztagen sich den Schein der Parteilosigkeit zu geben, so das; Angriffe der linksstehenden Parteien gegen ihn zunächst keinen Erfolg hatten. Die weitere Ent wicklung der Dinge machte aber Buchruckers Ver bleiben in Kottbus unmöglich, so daß er schließlich zu einem anderen Truppenteil versetzt und später pensioniert wurde. Seitdem hatte man nichts von Buchrucker gehört, bis der jetzige miß glückte Putsch zur Aufdeckung seiner wahren ver- fassungsfeindlichen Gesinnung geführt hat. Nn die republikanische Jugend Di« Bundesleitung des Republikanischen Zuge,ndbund^es Schwarzrotgold erläßt einen Aufruf an die republikanische Jugend, in dem es heißt: „Landesverräter wollen in der schwersten Stunde des Vaterlandes der deutschen Republik den Todes stoß versetzen. Zn Bayern hat die Reaktion ihre Banner entfaltet, in allen Teilen des Reiches mehren sich bedrohliche Zeichen. Dem Langmut der Republi kaner muß ein Ende gemacht werden; jetzt gilt es zu handeln. An euch, die republikanische Jugend, rich- tcn wir die Aufforderung, sich über alle Partei- grenzen hinweg fest -um Schutz der jungen deutschen Republik zusammenzu schließen. Heraus mit der schwarzrotggoldenen Fahne. Setzt mit aller Kraft das Ideal unsere« freien Volksstaate» den Anbetern der brutalen Ge walt von „Hakenkreuz und Stahlhelm" entgegen. Bürgt durch eure Geschlossenheit dafür, daß die Pläne der schwarzweißroten Reaktion zunichte werden." » Der „völkische Beobachter" erscheint weiter Müuche», 2. Oktober. (Eig. Tel.) Zu der An gelegenheit de» vom Reichvwehrministcr verbotenen nattonalsozialistischen „Völkischen Beobach ters", der trotz dieses Verbotes in Bayern weiter erscheint, wird jetzt in München amtlich mitgeteilt, daß der vom Reich eingesetzte Militärbefehlshaber General von Lossow den Auftrag zum Verbot vom Reiche erhalten und an den Generalstaat»' kommissar von Kahr w e i t e r g e g c b e n abe. Was aus dem Verbot nun werden wird, dar über ist in der amtlichen Auslassung nicht« gesagt. Jedenfalls erscheint der „Völkische Beob achter" weiter. In seiner heutigen Nummer verkündet er, daß es keinen Frieden in Deutschland geben werde, bevor di« schwarz-weiß-rote Flagge und da» Hakenkreuz-Banner über dem Berliner Schlosse wehten. Außerdem kann da» Blatt die Mitteilung machen, daß zwei Gruppen de» etwa» gemäßigteren nationalen Bunde« „Bayern und Reich", der dem politischen Lager de» Herrn von Kahr zugehört, in di« radikale» Kampsbünde über getreten find. In München wurde der Kommandant der sozialistischen Sicherheitsabteilungen, Apotheker Buisson, verhaftet. Er soll in München an der Schießerei, die sich kürzlich an den Aa»flug der Organisation „Oberland" anschloß, erheblichen An teil gehabt haben. Gerüchte über einen Uikktritt Knillingr In Berlin waren am Dien»tag Gerüchte ver breitet, daß der bayerische Ministerpräsident von Knilling zuriickgctreten sei, und daß vonKahr die Regierung übernommen habe. Das amtliche Nachrichtenbureau in München, die Korre- spondenz Hoffmann, widerrief aber alsbald die Nachricht al» unrichtig. * Nach Blättermcldungen au» München hielt General Ludendorff bei einer Denkmalsl!'ier in Schliersee eine Ansprache, in der er für Kahr eintrat. „Im Namen des König» Rupprecht" legte u. a. Generali Echter einen Kranz am Denkmal nieder. Kabinettskrise und besetztes Gebiet Berlin, 2. Oktober. (Eig. Tel.) Die aus dem besetzten Gebiet stammenden Zentrumsabgeordnetcn haben für morgen eine Sitzung einberufen, die über die Frage beraten soll, wie sich das besetzte Gebiet verhalten solle, falls da» Reichskabinett in den näch sten Tagen infolge der inneren Krise in seiner Aktionsfreiheit gehemmt sein sollte. In Zentrums kreisen beabsichtigt man in diesem Falle einen Aus schuß zu bilden, der unter Zuziehung von Ab geordneten der anderen Parteien sich mit den Ae- satzungsbehörden wegen der Wiederaufnahme der Ar beit ins Einvernehmen setzen soll. Vie rechtliche Stellung des Staatsrechnungshofes Dresden, 3. Oktober. (Eig. Te l.) Der Staate- gerichtshof in Leipzig hatte sich dieser Tage mit dem Artikel 48 der sächsischen Verfassung zu bc- fassen, wonach die Rechnungen des Staates durch eine unabhängige, nur dem Gesetze unterworfene Be hörde geprüft werden sollen. Die sächsische Regierung legte auf Grund dieser Verfügung vor zwei Jahren eineVo r l age über denStaatsrechnungs- Hof im Landtag vor. Die Vorlage enthält auch Bestimmungen dahin, daß die Mitglieder des Staats rechnungshofes wie die Richter unversetzbar und un absetzbar sein sollten. Der Landtag strich diese Be stimmungen und stellte die Mitglieder des Staats rechnungshofes den übrigen Staatsbeamten völlig gleich (8 6). Er bestimmte weiterhin, daß Vor Staatsrcchnungshof bei den nach bestimmten Grund sätzen geführten Betriebsverordnungen des Staates sich auf die Ordnungsmäßigkeit, sowie die ursächliche und ziffcrmäßige Begründung der Rechnungsantrage zu beschränken habe. (8 11). Das Gesetz wurde da mals nur mit 47 gegen 43 Stimmen, also ohne die zur Abänderung der Verfügung crfor- derliche Mehrheit angenommen. Im Juni 1922 erhob deshalb die dcutsch- nationale Fraktion des Landtages eine Be rufung beim Etaatsgerchtshof für das Deutsche Reich. Daran schloß sich ein Schriftwechsel, der sich bald über ein Jahr hinauezog. Die deutschnationa'e Fraktion hatte gegenüber den Vorschriften der 83 0 und 11 des Gesetzes über den Staatsrechnungshof rue Entscheidung des Staatsgerichtv- hofcs angerufen, indem sie die Unvereinbarkeit dieser Vorschriften mit dem Artikel 48 der sächsischen Verfügung behauptete. Rach 8 6 jenes Gesetzes sind auf das Dienstverhältnis der Mitglieder des Staats- rechnungshofes die gesetzlichen Vorschriften über das Verhältnis der Staatsbeamten anzuwenden. Die Linksparteien des Landtages bekämpften da mals die grundsätzlichen Erwägungen und wollten die Mitglieder des Staatsrechnungshofes nicht anders als die sonstigen Staatsbeamten gestellt wissen. Zn diesem Sinne gelangte auch der 8 6 des Gesetzes zur Annahme. Nach der Ansicht der Be schwerdeführer war sowohl die Unabhängigkeit der Mitglieder des Staatsrechnungshofes bei dieser Betreuung mit der vollen Berwaltungskontrolle durch den Artikel 48 der Perfassung verbürgt. Letz tere sollte verletzt sein, weil das Gesetz, wie oben an gegeben, nicht die dafür erforderliche Zwcitdrittel- Stimmenmehrheit gefunden hatte. Dieser Stand- punkt wurde von der sächsischen Regie rung bekämpft. Der Staatsgcrichtshof hat nun in seiner Sitzung vom 2d. September im Sinne der Be schwerdeführer erkannt, d. h. festgesteUt, daß die angeführte Vorschrift mit Artikel 48 der Verfassung im Widerspruch ständen. Ein Rechts- mittel gegen diese Entscheidung ist nicht möglich. Die Entscheidung des Staatsgerichtshofe» wird im Reichsgesetzblatt bekannt gemacht und hat gesetzliche Kraft. Damit hat der Staatsrechnungshof seine alte Rechtsstellung und alte Bedeutung wieder erlangt. Zn der in Breslau erscheinenden „Schlesischen Zeitung" veröffentlicht die Deutschnationale Dolkspartei, um allen Gerüchten vorzubeugen, eine Erklärung, daß der Deutschnationalen Volks- Partei ein Rechtsputsch fernliege. Prof. vr. penck s Wie wir hören, ist Prof. Dr. Walter Penck, Privatdozent an der Universität Leipzig, ein Sohn und Fachgenosse de» Berliner Geographen Albert Penck, im Alter von 35 Jahren nach schwerer Krank heit in Stuttgart gestorben. In ihm verliert Deutschland einen yochbegabt^n jungen Forscher, der den Arbeiten neue Bahnen wies. Schon in früheren Jahren führten ihn weite Reisen in die Welt. Er besuchte die Vereinigten Staaten, die Hawaischcn Inseln, von wo er wertvolle vulkano logische Studien heimbrachte, und Ostasien. Spater weilte er zwei Jahre in Südamerika und gelangte dort durch seine Forschungen über die hohen Anden von Argentinien zu neuen Anschauungen über den Gcbirgsbau und die Morphologie der Trockenzebiete. Der Krieg sah ihn im Schützengraben, bis ihn der Ruf al» Universitätsprofessor der Geoloaie an di« Iniversität von Konstantinopel führte. In kurzem chuf er dort ein geologische» Institut und studiert« n anstrengenden Reisen die Frage de» Gebirgsbaue» m südlichen und westlichen Kleinasien, sowie die Geologie der Meerengen. Seit 1918 arbeitete er wie- der in Deutschland an den Fragen der morpho logischen Analyse. Seine vorläufiaen Veröffent lichungen über diese» Problem berechtigten zu dcn größten Hoffnungen auf das Werk, da« er in Bear- beitung hatte und da» er jetzt halbvollendet zurück lassen mußt».
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