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Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 02.10.1923
- Erscheinungsdatum
- 1923-10-02
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-192310020
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-19231002
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-19231002
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Bemerkung
- schlechte Aufnahmequalität
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1923
-
Monat
1923-10
- Tag 1923-10-02
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Monat
1923-10
-
Jahr
1923
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vleustng, 6«a 2. Oktober preußisches Wegeabgabengesetz Zur Verbesserung dcr in und nach dem Kriege starr vernachlässigten Kegeunterhaltung will des preußische Staateminifterium in einem Wege- abgabengesetz die Maßnahmen ergreifen: 1. -weck' dienlichste Verteilung der an Preußen fallenden Er- träge der Reichskraftfahrzcugstcuer (RKFSt.), deren Auskommen für die großen Durchgangestraßen (Pro- vinzen) bestimmt ist-, 2. eine allgemeine Wrgc- benutzungesteuer (WBSt.); .1. Umgestaltung der Vor ausleistungen für den Wegebau (VW.). Der Entwurf zu einem Steuervcrtcilungs- und Dotationsgesetz sieht vor, daß die Einnahmen aus der RKFSt. -ur Verstärkung der staatlichen Dota tionen für Wegezweckc verwertet we-i-en. Die WBSt. (Benutzung öffentlicher Wege, nicht der reinen Ortsstraßcn, durch andere als Kraftfahr zeuge) nimmt zum Maßstab die Zahl der gehaltenen Zugtier«, die einen Rückschluß aus die Fläche, di« Kulturart und die Stärke der Wegcbenutzung bei landwirtschaftlichen Betrieben gestattet. Die Erträge sollen in erster Linie den Stadt- und Landkreisen zu kommen. Die Steuer ist in demjenigen Kreis zu entrichten, in dem das steuerpflichtige Zugtier ge- halten wird (d. h. nur einmalige Besteuerung). Nach der dem Entwurf beigefügten Steuer- ordnung (entsprechend den Vorschlägen der Hauptlandwirtschaftskammer) gelten Zugtiere, welche in landwirtschaftlichen Betrieben gehalten werden, als je eine Einheit-, Steuersatz 1 Million Mar'. Für Handel, Gewerbe und Industrie sowie landwirt schaftliche Nebenbetriebc, die im allgemeinen das ganze Jahr hindurch die befestigten öffentlichen Wege benutzen, beträgt der Einheitssatz das Fünf fach«. Die Steuer ist in halbjährlichen Teilbeträgen zu entrichten-, sie erhöht oder vermindert sich im Verhältnis der Abweichungen des Hattrprcises an der Berliner Börse. Hinsichtlich der Neuregelung des Voraus« leistungvwescns gibt der Entwurf nur Rahmenbestimmungen; sie lassen die Erhebung non Beitragen ohne Unterschied bei allen natürlichen und juristischen Personen zu, die über ein 1^ .immtes Maß hinaus (gemeinübliches Maß) Vrrkchrsnntagcn benutzen. Die Abgabeordnungen haben Bestimmung darüber zu treffen, welche Benutzung ül»er das ge- meinüblichr Maß hinausgeht, und dabei regel mäßig die tonncnkilomctrischc Verfrachtung des laufenden Jahres -ur Grundlage der Beitragssest- fetzung zu nehmen und Richtlinien darüber auszu stellen, ob und inwieweit Fuhren in landwirtschafi- lichen Betrieben außer Ansatz bleiben. Festsetzung eines abweichenden Vcitragsmaßstabcs sowie eine Abstufung nach Art und Höhe der tonncnkilometri- schen Verfrachtung ist zulässig. Als gemciniiblicher Iahrestransport wird der Begründung zufolge je nach den örtlichen Verhältnissen eine Verfrachtung bi» zu 800 oder 1000 Tonnen jährlich anzusehen sein. Der jährliche Gesamtbetrag der Bor- a u «l« i stu n g b e t r ä g e soll in der Regel 2b Prozent der Unterhaltungskosten des lausenden Rechnungsjahre« nicht überschreiten. Der Einhcits- satz wird gefunden durch Gegenüberstellung von 28 Prozent der Unrerlmltungskosten des lausenden Rechnungsjahres nnd der un abgelaufcnen Rech nungsjahr üb« das gemeiuiibiiche Maß hinaus ver frachteten Tonnenkilometer. Der Borauszahlungs- betrag, der angeordnet werden kann, darf für den einzelnen Beitragspflichtigen nicht höher bemessen werden al» der Betrag, dcr sich aus einer Verviel fachung de» oben erwähnten Grundbetragcs für jede» Tonnenkilometer mit der im vorangegangcnrn Rechnung». (Kalender-, Wirtschaft«-, Betriebs-) Jahr vorhandenen tonnenkilometrischen Verfrachtung des einzelnen Beitragspflichtigen ergibt. Die Begrün dung erklärt die landwirtschaftliche Urerzeugung und den Verkehr im landwirtschaftlichen Innen- betriebe für schonungsbedürftig, dagegen eine schärfere Heranziehung, z. B. bei Fuhren in land wirtschaftlichen Nrbcnbetrieben, zum Bahnhof, zur Mühle, zur Zuckerfabrik und dergleichen für durch- au» angebracht. Die gutachtlichen Acußerungen des Staats rat», soweit da» Staatsministerium ihnen bei getreten ist, sind in dem Entwurf berücksichtigt. Nlchr berücksichtigt sind die Anträge des Staatsrat«, daß Fuhren in landwirtschaftlichen Betrieben, soweit sie rein landwirtschaftlichen Zwecken dienen und über da» gemeinüblichc Maß nicht hinausgchen, regel- mäßig außer Ansatz bleiben und daß zulässig sein soll, Betriebe der Vorausbesteuerungspflicht zu unterwerfen, die nach ihrer Art besondere Ab nutzung der Wege verursachen. Die Steuer für die Zugtiereinheit will der Staatsrat nach dem jeweiligen Wert von 5 Kilogramm Hafer (Engrospreis der Berliner Produktenbörse am 15. Mai bzw. 15. No vember) bemessen. Unglücksfälle und verbrechen Lin perfonenzug entgleist Ein Ciscnbahnunsall, dessen Ursack)« noch nicht er- mittelt ist, ereignete sich auf der Streck Kremmen nach Berlin. Bei der Durchfahrt der Station Hen nigsdorf (Osthavelland) entgleisten die Lokomotive und fünf Wagen eines von Neuruppin kommenden Pcrsonenzugcs. Dabei wurden drei Beamte und acht Passagiere zum Teil erheblich verletzt. Telephonisch wurde von Berlin ein H i l f s z u g an die Uniallstelle gerufen, der die Verunglückten, nachdem ihnen Not verbände angelegt worden waren, heimbefördrrte. Allem Anschein nach liegt Maschinendefekt, vielleicht Druck; dcr Kolbenstange, vor. Zugentgleisung. Am Sonntag ist die Lokomotive des Pcrsonenzugcs 1257 zwischen Müdisdorf und Großhartmannsdorf mit zwei Per- soncuwngkn entgleist. Von den Reisenden haben sieden Personen leichte Verletzungen davongrtrogen. Die Verletzten haben sämtlich ohne Inanspruchnahme ärztlicher Hilfe die Reise fortsetzcn können. Der Be trieb ist durch Umsteigen an der Unfallstelle aufrecht- erhalten worden. Die Ursache der Entgleisung hat sich noch nicht einwandfrei feststellen lassen. Todesurteil gegen den GaLtenmörder Das Schwurgericht III in Berlin verurteilte den Maschinenarbciter Paul Rackow, der im De zember 1922 seine Ehefrau im Grünewald auf grausame Art getötet hatte, um einen von ihr in der Wohnung verwahrten Geldbetrag zu stehlen, wegen Mordes und Diebstahls zum Tode und zu neun Monaten Gefängnis. Dcr Todessprung. In Hamburg stürzte sich rinc Besucherin der M'chaeliskirchc in Hamburg von dem 150 Meter hohen Turm in die Tiefe. Die Lebens müde zerschmetterte auf dcr Straße und war sofort tot. Trotzdem mehrere Personen mit ihr zugleich auf dem Turm anwesend waren, hatte kein; von ihnen den Vorfall bemerkt. * Verhaftete Grabschänder. Dcr Berliner Polizei ist cs gelungen, eine gefährliche Perbrecherbande scstzunehmcn, auf deren Konto eine ganze Reihe von schweren Einbrüchen, besonders in Fürstengrüfte, kommt. Den Grabschändern wurde bereits der Ein bruch in die Gruft des Generalfcldmarschalls von Moltke auf Gut Kreisau in Schlesien nachgewiesen nnd die Beraubung dcr Fürstengruft in Weimar im Mai dieses Jahres. Der Verdacht ist nicht von der Hand zu weisen, daß auch die wiederholten Plünderungen von Grabstätten adeliger Familien, die im Laufe der letzten Jahre in Mittel deutschland verübt wurden, von der Bande aus geführt worden sind. Der Anführer der Bande ist ein alter Zuchthäusler, namens Wuttkc. Doppelselbstmord au» Not. In Heidelberg hat dcr 62 Jahre alte Dr. Max Wichmann, seit 1909 Chefredakteur des „Landauer Anzeigers", zn- sammen mit seiner Frau durch Leuchtgas Selbst mord verübt. Dr. Wichmann war bei Be- setznng der Pfalz wegen seiner deutschen Gesinnung von den Franzosen auf die schwarze Liste gesetzt worden und deshalb nach Heidelberg übergesiedelt. Weder er, noch seine Frau, die Malerin war, konn ten hier Fuß fassen und gerieten in bittere Not. Der Hauswirt hatte wegen rückständiger Miete eine Pfändung vornehmen lassen und Klage auf Woh- nungsräumung angestrengt. Dies war der un mittelbare Anlaß, der da» Ehepaar in den Tod trieb. Freigebigkeit auf anderer Leute Kosten. Ein Apothekcrgehilfe Kurt Friedländer aus der Stralauer Straße in Berlin hatte sich den Spaß — so nennt er es — gemacht, fremde Schecks zu verschenken, lind das kam so: Er erhielt im August, wie er selbst zugibt, einen Brief, der für eine Firma Fried länder in der Spandauer Straße bestimmt war, irrtümlich zugestellt. Den Brief, der Verrech- nungsschccks enthielt, übermittelte er dem richtigen Empfänger. Nach einer Woche erhielt er einen zweiten für diese Firma bestimmten Brief, in dem wieder Verrechnungsschecks waren. Den behielt er aber diesmal für sich. Einen Scheck über 17 Millionen schickte er seiner Freundin, einer Frau Gertrud' Ullrich. Bald darauf schenkte er ihr noch einen Scheck über sieben Millionen. Als der Bruder der Frau ihn einlösen wollte, wurde er un gehalten, da der Scheck inzwischen gesperrt worden war. Dem Dienstmädchen der Eltern schenkte Fried länder einen Scheck über 20 Millionen. Die Kriminal-Postdienststelle hat jetzt den ganzen Sachverhalt aufgeklärt und die Angelegenheit der Staatsanwaltschaft übergeben. Zuweleuräuber vor dem Schwurgericht. Vor den Geschworenen in Stettin hatten sich der 19 Jahre alte Motorschloffer Bruno Iäck aus Stettin und der ebenso alte Schlosser Georg Rösch aus Lands berg a. d. Warthe zu verantworten. Beide haben, wie erinnerlich, im Juli 1922 die Iuwelicrsfrau Schick in ihrem Geschäft überfallen, ermordet und beraubt. Den Verbrechern fielen damals Juwelen, Gold- und Silbersachcn im Werte von 60 Millionen Mark in die Hände. Iäck gab in der Verhandlung zu, daß er mit Rösch schon seit länge rer Zeit einen Raub geplant hatte, um ein Geschäft zu gründen. Nach dem Wahrspruch der Geschwore nen erkannte das Gericht gegen Iäck auf fünf zehn Jahre Zuchthaus und gegen Rösch, dem mildernde Umstände zngebilligt wurden, auf fünf Jahre Gefängnis. Schwere Schießerei zwischen Betrunkenen. Au» Gelsenkirchen wird gemeldet: Zu einer schweren Schießerei kam es in einem Kaffee in der Bahnhof straße. Vier Gäste, die angetrunken waren, mußten mit Gewalt aus dcm Kaffee entfernt werden. Plötz lich zog einer eine Pistole und brachte dem Inhaber des Kaffees einen Bauchschuß bei. Bei der Flucht er hielt einer der Täter einen Oberschenkelschuß, ein zweiter einen Armschuß. Ein Mädchen und zwei an- dere Passanten wurden durch Schüsse verletzt. Im Lause dcr Nacht konnten die vier Täter verhaftet werden. Zum Tode verurteilt. Aus Gießen wird gemeldet: Dcr Landarbeiter Wilhelm Sauer, der im Juli vorigen Jahres im Walde bei Gießen die 72jährige Frau Hoffmann ermordet hatte, wurde vom Schwurgericht zum Tode verurteilt. Raubüberfall auf eine Ladrnkasse- Maskierte Räuber überfielen in Charlottenburg einen Laden und plünderten die Kaff«. Es fielen ihnen an Beute ungefähr 70 Milliarden in die Hände, mit denen sie sich in einem Automobil entfernten. Lin Teil der Räuber hielt mit Revolvern den Ladenbesitzer in Schach, bis das Auto verschwunden war. Die Diebe sind bereit! Kurz nach Eröffnung der Berliner Automobilausstcllung wurde ein nur kurze Zeit unbeaufsichtigt gelassener A u s st c l l u n g s - wagen gestohlen. Großer Stahldiebstahl. Im Wormser Hafen waren 3 0 Tonnen Stahl, die einen hohen Wert dar- stellcn und einer Wormser Großfirma gehören, ver schwunden. Die Kriminalpolizei stellte fest, daß der Stahl gestohlen und durch verschiedene Schieber- Hände bereits gegangen war. Etwa 20 Personen konnten als Diebe oder Hehler festgcnommcn werden. Der Stahl ist wieder zur Stelle gebracht worden. Li« Untersekundaner alr Mörder verhaftet Das Verbrechen an der kleinen Ingeborg Bartkowski aus der Uhlandstraße 128 in Berlin hat jetzt durch die Verhaftung de» Tater» seine Aufklärung gefunden. Schon kurz nach der Tat lenkte sich der Verdacht auf de» 17 Jahre alten Untersekundaner Günter Seidel, der im gleichen Hause wohnt. Festgestellt werden konnte u. a. nur, daß er einen Schlagring besaß, mit dem das Verbrechen wohl ausgcführt worden sein konnte; er war auch kurz nach der Tat ganz aus geregt zu seiner Mutter gekommen. Auf Befragen konnte er keine bestimmte Antwort geben. Der Schüler, ein aufgeweckter junger Mann, leugnete zunächst die Tat ständig, brach aber, als er von den Kommissaren verhört wurde, zusammen und legte ein Geständnis ab. Die Schilderung des Drr- brechens ist zunächst noch unklar; Seidel behauptet, seine starke Sinnlichkeit und die Abwehr des Mädchens hätten ihn zur Tat getrieben. In seiner ungeheuren Erregung habe er dann noch aus Bindfaden eine Schlinge nm den Hals des Mädchens geworfen und zugezogen. Dann sei er geflüchtet. * Eilte Billion Mark unterschlagen. Bei einer Kölner Großbank hat ein lüjährigcr Bankbeamter Unterschlagungen begangen, die nach vor läufigen Schätzungen über eine Billion Mark hin ausgehen. Der Täter ist flüchtig. Bom Tode erettet. Aus London wird gemeldet: Die unermüdliche Reitungsarbeit auf der schottischen Grube Redding bei Falkirk ist erfolgreich gewesen, indem noch fünf Männer lebend heraus gebracht werden konnten. Die Arbeiten werden mit verstärktem Eifer fortgesetzt. Der Schrecken der britische» Badegäste. Die Be- sucher der englischen Badeorte Eastbourne und Hastings an dcr Südküste Britanniens wurden kürzlich durch die Nachricht alarmiert, daß sich im Kanal ungeheure Oktopusschwärmc auf- baltcn. Einige kühne Schwimmer, die sich durch die Schauernachricht nicht vom Baden abhalten ließen, erzählten, als sic bei Eeastbourne wieder aus dem Wasser stiegen, von sonderbar aussehenden Meer tieren, die mit langen Fangarmen durch das Wasser peitschten. Dann gelang es einem Londoner Angler, ein solches Ungeheuer zu fangen, als er von der Seebrücke aus seinen Angelhaken ins Wasscr warf. Es kostete viele Mühe, den Octopus an das Land zn bringen. Aber als er schließlich auf dcm Trockenen lag, klammerte er sich mit seinen Fang armen an den Gittcrftäben der Landungsbrücke fest nnd war kaum wieder loszubekommen. Als man das Tier endlich bettelt hatte, schlug es wild um sich, und es entspann sich, nach den Versicherungen englischer Blätter, ein regelrechter Kamp f zwischen ihm nnd den verschiedenen Anglern, der von de» Bade gästen vom Strande aus mit Spannung und Gruseln verfolgt wurde. Die Fangarmr des Octopus sind 18 Zoll lang, der „Fisch* selbst mißt etwa zwei Fuß. Die englischen Biologen erklären, cs handle sich ^icr erst um den kleinen Oktopus, der zuweilen bei warmem Wetter seinen Weg in britische Gewässer nehme. Er sehe aber gefährlicher aus als er sei. Wildwest in Polen. Auf der Strecke Luniniec— Sarny, in dem von Polen annektierten Pleßjcgebiet, brachte, wie dcr Ost-Expreß meldet, eine Räuber bande einen Pcrsonenzug zum Stehen und plün derte die Fahrgäste aus. Die Verfolgung der Täter blieb erfolglos. Der Kampf der polnischen Behörden mit der Unsicherheit in den Ostprovinzcn, deren Bevölkerung im Weltkriege zu einem großen Teil entwurzelt worden war, hat bisher wenig Erfolg gezeitigt. Schreckliches Eisenbahnunglück im Staate Wyo ming. Aus New Pork wird gemeldet: Ein unweit Lochctt im Staate Wyoming eine Brücke passierender Pcrsonenzug stürzte in den Fluß. Die Zahl dcr Opfer wird auf 100 geschätzt. Vie ich Akademiker wurde Don Anstois ktts.ies Das neueste Werk von Anatole France: „Die Blütezeit des Lebens*, eine Ergänzung seiner t poetischen Selbstbiographie, ist soeben in einer deutschen Uebersctzung im Kurt-Wolff-Verlcg, - München, in München erschicncn. Ihr ist das folgende Kapitel im Auszug entnommen: - Da« Schuljahr neigte sich seinem Ende zu. Für um» Schüler dcr ersten Klaffe war cs das letzte Jahr auf dem Gymnasium. In empfindsamen Gemütern mischte sich mit der Freude, endlich frei zu werden, die Wehmut, alte Gewohnheiten ausgcben zu müssen. Maxime Denis, der Begabung für lateinische Verse und ein zärtliches Naturell besaß, sagte eines Tages in der Mittagspause unter den Akazien zu uns: .Bald werden wir in die weite Well cintrcten und un» trennen, um ein jeder seinem Berufe nach- zugehen. Wir haben in dcr Schule Freundschaften geschloffen, die wir nicht verlieren wollen. Jugend- kr kundschaften sollen das ganze Leben hindurch dauern; wenn wir sie ausgcben, in dem Augenblick, wo wir die Schule für immer verlassen, so verlieren wir unser kostbarstes Gut. Wir werden diesen Fehler nicht begehen. Dir wollen gleich jetzt, noch auf dem Gymnasium, einen Mittelpunkt schaffen, an dem wir un» immer wieder finden können. Welcher Art soll dieser Mittelpunkt sein, ein Klub, ein Verein oder ein« Akademie? Hierüber sollt ihr beschließen, Kameraden!* Dieser Vorschlag sand lebhaften Beifall. Man er örtert« ihn sofort und stellte bald fest, daß die Grün dung einer Gesellschaft, eine» Verein» oder Klubs bedeutende Geldmittel, eine gewaltige Organisationo- arbeit und Desrtzeskcnntni» erfordern würde, alles Ding«, die un» Schülern nicht zur Derfllaung standen. Wir sprachen uns mit großer Mehrheit für eine Aka- dnat« au«, ohne recht zu reissen, was dies für ein Gebilde sein könnte. Aber do» Wort selbst schmei chelt« un». Wir wählten zwanzig Akademiker und behielten un« vor, ihre Zahl zu erhöhen, wenn c» sich al» nötig erweisen sollte. E» würde mir schwer fall«», mich heute noch an di« Namen der zwanzig zu erinnern. Ich bitte sich hierüber nicht zu wundern, venn e» soll irgendwo eine berühmte Akademie geben, der«« vierzig Mit ¬ glieder zu nennen niemand imstande ist Wir beeilten uns, unserer Akademie einen Namen zu geben. Nacheinander wurde vorgeschlagen: „Aka demie dcr Freunde.* „Akademie Moliere." Man würde Theater spielen. „Akademie F6n6lon." „Aka- dcmie der Rhetorik und Philosophie.* „Akademie Chateaubriand.* La Bertheliöre, der großes An- sehen besaß, sagte mit fester Stimme: „Wenn ihr auf mich hören wollt, so stellt euch unter den Schutz Blaise Pascals.* Dieser Vorschlag wurde einstimmig mit Begeisterung angenommen. Unsere Akademie hatte einen Namen, aber wir stellten fest, daß sie noch keinen Wohnsitz hatte. Der Landbewohner Ehaaal bot uns für unsere Sitzungen die Scheune eines Futterhänd- lere in der Rue du Regarde an. „Wir werden uns dort sehr wohlfühlen," meinte er. „Aber man darf wegen Feucrsgefahr kein Licht anzündcn.* Di« Liste der Akademiemitglieder wurde aufge stellt; sic trug am Kopfe den Namen Tristan Desrai». Nousflard und Fontanet wurden beauftragt, am ersten schulfreien Tage eine Büste Blaise Pascale zu kaufen, die unseren Sitzungssaal schmücken sollte. Mouron aurde zum Vorsitzenden ernannt. Ich wurde dazu bestimmt, die Eröffnungsrede zu halten; diese Wahl tat der Eitelkeit meines Herzens äußerst wohl, und da» Gefühl des Ruhmes bereitete mir ein Ent zücken, wie ich es später nie mehr empfunden habe. Ich war nicht mehr auf dieser Erde. Noch am glei- chcn Abend begann ich meine Ansprache euszuarbei- tcn; sie sollte ernsthaft, aber nicht langweilig werden. Ich bemühte mich, alle Schönheiten des Stils in ihr zu vereinigen, verbesserte sie täglich, und feilte an ihr bi» zur letzten Minute. Nie hat es wohl eine schwülstigere Rede gegeben. An dem für die Einweihung festgesetzten Tage regnete es in Strömen, wild entfesselte Bäche ergossen sich über Fahrdamm und Bürgersteige, und da» Wasser floß au» den Schleusen wieder auf die Straße zurück; ein heftiger Wind drehte alle Schirme um. Es war so dunkel, daß man kaum seinen Weg fand. Ich drückte mit beiden Händen da» Konzept meiner Rede fest an die Brust, um e« vor der Sintflut zu retten. Endlich kam ich in der Rue Saint-Dominique an. Im zweiten Stock öffnete mir ein alter Diener die Tür und wies mich stumm nach einem langen dunk len Gang, an dessen Ende ich den Sitz der Akademie fand. E» waren erst drei Akademiker gekommen. Aber wo sollten noch mehr Platz finden. Da» Zimmer enthielt nur zwei Stühle und ein Bett, auf denen Sauvigny und Lhagal neben De»rai«, unserem Gast- gcber, saßen. Auf dcm hohen Spiegclschrank erblickte man die Büste Pascals als einziges Denkmal, daß in diesem, mit Floretten, Degen und Jagdflinten aus- gestatteten Gemach zur Seele sprach. Desrais zeigte auf die Büste und sagte verdrießlich: „Glaubst du vielleicht, cs ist angenehm, wenn man zu Bett geht, diesen blöden Kopf über sich zu haben?* Desrais, der den Anfang meiner Eröffnungsrede mit ironischem Beifall begrüßt hatte, unterbrach mich: „Na höre, Naziere, du wirst uns hoffentlich nicht so lange anöden! Stecke deine Rede ein und halte den Schnabel! Hier kommt übrigens dcr Tee!* Wirklich kam in diesem Augenblick eine alte Haushälterin herein und setzte ein Tablett auf den Tisch. Als sie wieder hinausgeqangcn war, sagte Desrais gering, schätzig: „Dies ist ein von der Familie gelieferter Tee!* Dann lachte er hämisch: „Ich habe etwas Besseres!* Er entnahm dcm Schrank eine Flasche Rum und erklärte, er würde in Ermangelung einer Terrine in seinem Waschnapf einen Punsch brauen. Er tat, wie er gesagt hatte, goß den Rum mit Zucker in den Waschnapf, löschte die Lampe ans und brannte den Punsch an. Ich hielt es jetzt für angebracht, auf die weitere Verlesung meiner Rede zu verzichten, da niemand nach der Fortsetzung verlangte; es war für mich eine grausame Kränkung. Die Akademiker tanz- ten Hand in Hand um den Punsch herum, wobei Fontanet und Sauvigny wie zwei teuflische Zwerge aussahen und sich durch erschreckende Raserei aus- zeichneten. Plötzlich ries jemand: „Die Büste, die Büste!* Im Lichte der fahlen Flamme erschien die Düfte auf dcm Schranke grün, ein schrecklicher, furcht- erregender Anblick. Sie sah au», wie ein aus dem Grabe gestiegener Leichnam. Desrais goß immer wieder Punsch in die Tassen. Er nahm Karten und begann mit Sauvigny Ecartä zu spielen. Inzwischen beschimpften die plötzlich vom Delirium erfaßten Akademiker den Pascal, den sie kurz vorher als Schutzpatron erwählt hatten. Sie verhöhnten seine Büste. Fontanet schleuderte ein Paar Schuhe, die er in einem Wandschrank gefunden hatte, gegen sie. Desrai» bemerkte e» trotz seine» Kartenspiel», bei dem er übrigen» stark verlor, und ersuchte Fontanet, seine Schuhe in Ruhe zu lassen. Dann sagte er: „Ich wäre dir dankbar, wenn du mir di« Büste vom Halse schafftest.* Der ganz wild ge wordene Fontanet ließ sich das nicht zweimal sagen. Er stieg auf einen Stuhl, zog Blaise Pascal herunter und warf ihn aus den Fußboden, wo er mit fürchter lichem Krachen in Stucke zerbrach. Dir Akademie brach zu Ehren de» Bilderstürmer» in Hurrarufe au». Lärm und Unordnung waren auf ihrem Gipfel an- gelangt, als die Haushälterin, die den Tee gebracht hatte, wieder erschien und zu ihrem jungen Herrn sagte: „Ihr Vater ersucht Sie, ihre Freunde sofort nach Hause zu schicken; dcr Lärm, den Sie nach Mitternacht machen, ist unerträglich.* Desrais wagte trotz seiner Kühnheit nicht, gegen diese Aufforderung Einspruch zu erheben, und sein Schweigen beuftruhigte uns. Wir gingen fort, ohne ein Wotr zu sagen; auf der Straße trieben Wind und Regen immer noch ihr Spiel. Die Akademie Blaise Pascal hielt nie wieder eine Sitzung ab. Jahresversammlung de» Deutschen Museums i» München. Schon vor längerer Zeit wurde die Ab haltung der Jahresversammlung des Deutschen Museums auf den 20. Oktober unberaut. In- zwischen haben unsere wirtschaftlichen Verhältnisse eine neuerliche Wendung zum Schiechteren genom men. Die Not der Zeit macht festliche Veranstal tungen unmöglich. Trotzdem wäre es bedauerlich, wenn Vereinigungen, die sich die Beratung und För- derung kulturell wichtiger Aufgaben zum Ziel ge setzt haben, nicht mehr zu ihren wichtigsten Besprechungen zusammentreten könnten. Die Dorstandschaft ist sich wohl der Schwierigkeiten be- wußt, die sich im gegenwärtigen Augenblick ihren Absichten entgegenstellen, hält es aber für unerläß lich, ihre Ausschußmitglieder, Förderer und Stifter in München zusammenzurufen, weil hier allein die Fortschritte im Ausbau der Sammlungen gezeigt werden können. Die schreckllche Wirkung des »er.« Garkri gs. Aus San Francisco wird gekabelt: Bor kurzem sind hier in Gegenwart mehrerer ausländischer Kon suln Versuch« mit dem neuen Gas gemacht worden, da« ein Gelehrter namens Harry Quick au» Oakland erfunden hat. Die Versuche wurden in einem leeren Gebäude der Montgomtrystraße in San Francisco angestellt, in welche« man eine Unmenge Meer- schweinchen al» arm« Opfer menschlicher Lxperi- mentierkunst gebracht hatte. Die Wirkungen de» Gase» waren schrecklich Harry Quick erklärt«, daß die Menge Gas, die man für diesen kleinen Ver- such verwendete, genügen würde, um, fall» sie über di« Stadt San Francisco geworfen würde, sofort den Tod von wenigsten» 100 000 Personen Au bewirken.
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