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Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 30.09.1923
- Erscheinungsdatum
- 1923-09-30
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-192309309
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-19230930
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-19230930
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1923
-
Monat
1923-09
- Tag 1923-09-30
-
Monat
1923-09
-
Jahr
1923
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Nähr (Boa ua^em Münchener Sonderberichterstatter.) «. Rl. «Nkrche», ». September. Ja Bayern herrscht völlige Arche. Hitler und seine Anhänger sind wahrscheinlich recht froh, daß ihnen di» Aufiihruna ihrer vor aller Welt gemachten Kraftsprüch« unmöglich gemacht wurde. Sehr ernst aber ist in Bayern die Lage wegen der Bestellung des Herrn von Kahr al» Staatskommissar. Kahr will, wie un» von einer führenden Persönlichkeit de» bayrischen Landtage» versichert wird, auf dem Posten des Gencralstautekommissars sich mit allen Mitteln zu behaupten suchen. Er betrachtet sich al» der Per treter der vaterländischen Verbände, und diese werden den allerstärlsten Druck auf ihn ausüben, daß er länger Generalstaatskonuuissar bleibt, als notwendig ist. Bei der Einstellung Kahrs ist es nicht zweifel haft, daß er für die nächste Zukunft in Bayern un- rimschräukt regieren wird. Die (befahren für die Reichseinheit sind also noch keineswegs vorüber. Mehrjährige Opposition, die von München aus ständig gegen Berlin getrieben wurde, hat es schon dahin gebracht, daß das Reich heute in Bayern nur mehr so viel Einfluß hat, als ihm Bayern freiwillig zugesteht. Die Ausübung einer ordnungsmäßigen Staatsgewalt des Reiches ist in Bayern mit den allergrößten Schwierigkeiten verbunden Daß unter Kahr, dem Feinde der Deutschen Republik, eine neue Entfremdung zwischen Bayern und dem gegenwärtigen Reiche eintritt, ist sehr zu befürchten. Unter allen Umständen muß vermieden werden, baß in Norddcutschland linksradikale Unruhen ous- hrechen. Würden heute z. P. in Sachsen die Kam- wunisten einen Putsch inszenieren, so würden di« vaterländischen Verbände in München sofort die Ge- l-genhrit wohrnehmen, Herrn von Kahr als wirk lichen bayrischen Diktator hinzustellen. Kahr, der selbst an den ihm angrdichteten „deutschen Beruf" glaubt, würde gewiß nicht zögern, auch als ver antwortlicher oberster Machthaber Bayerns ebenso deutlich zu werden, wie als Regierungspräsident von Oberbayern in verschiedenen Versammlungen. Vie Münchner Rohbach-Seier verboten München, 29. September. (E i g. Te l.) Amtlich wird mitgeteilt: Alle Nachrichten über die Absicht der Reichsregierung, die bayerische Regierung zu ver- onlassen, den von ihr verhängten Ausnahmezustand oufzuheben, sind falsch. Da» Leben in München geht seinen gewohnten Gang. Auch die vergangene Nacht ist ruhig ver laufen. Die Roßbachseicr, die gestern im Löwenbräukellrr stattfinden sollte, ist, wie erst gestern nachmittag mitgeteilt wurde, nicht gestattet worden. Der Generalstaatskommissor hat den Ver anstaltern den Rat gegeben, sie auf später« Zeit zu verschieben. Da die Presse widersprechende Nachrich ten über das Verbot der Feier mitgeteilt hatte, hatten sich viele Leute am Versammlungslokal eingefunden. Die Erschienenen zerstreuten sich oder bald auf An- Weisung der Polizei. Zweierlei Maß München, 28. September. (Eia Tel.) Der neu eingesetzte bayrische Diktator hat neuerdings eine Reii»e von politischen Versammlungen gestattet, und zwar alle Veranstaltungen vaterländischen Cha rakters. Hierunter fällt die morgen beginnend« Deutsche Woche mit allen vorgesehenen Ver anstaltungen, unter denen sich auch ein Vortrag des Admirals Scheer anläßlich des morgigen Flotten- gedenktagcs am Skagerrak befindet. Auch ein für Sonntag in Bayreuth angesagtcr Deutschentag, auf dem Hitler als Redner auftreten wird, ist g«. nchmigt worden. Vielleicht ist diese Svrechcrlaubni» für Hitler darauf -urückzuführen, daß man am Sonntag den Führer der Bayrischen Kampfvcrbände nicht gern in München haben möchte, wo anläßlich der Enthüllung der Gedenktafeln für die Gefallenen de» bayrischen Leibregiments, des populärsten Re- giments der früheren bayrischen Armee, auch Ex kronprinz Rupprecht eine Rede holten wird. Nach den von Herrn v. Kahr ausgestellten Richt- linken sollen vaterländische Veranstaltungen nur dann verboten werden, wenn der Zweck der Der- anstaltungen weniger der vaterländische Gedanke al« vielmehr die Verfolgung parteipolitischer Ziel« ist. Unter diesen Umständen ist cs nicht verwunder lich, daß ein: vom Republikanischen Reichsbund für Sonntag in München angikiin- digte Feier verboten wurde. Auch der geplant« bayerische Detriebsrätekong>'eß ist selbstverständlich verboten word-n. Unerwünschte Reichswehr.^Verstärkungen^ Berlin, 29. September. Amtlich wird mitgeteilt: Hn der Umgebung von Berlin sind während der letzten Tage vielfach Trupps jugendlicher Personen aufyetaucht, die sich der Reichs wehr zur Verfügung zu stellen beabsichtigten. Da ein ausdrückliches militärische» Verbot tzur An» Werbung und zur Einstellung derartiger Freischärler vorliegt, machen sich Veranstalter und Teilnehmer an der Bildung derartiger Trupps wegen Zuwiderhand lung gegen die Verordnung des Reichspräsidenten vom 24. April 1921 betr. das Verbot militärischer Verbände strafbar. Der Polizeipräsident non Ber lin hat daher die Beamten der Schutzpolizei an gewiesen, beim Auftauchen solcher Trupps sofort ein- zuschrciten und die Teilnehmer frstzunehmen. Ausschreitungen in Freiberg Freiberg, 29. September. (E i g. Te 1.) Gestern abend gegen 6 Ubr durchzogen trotz des Ausnahme- «ustondes mekrere hundert Erwerbslose, unter denen sich sehr viele Jugendliche beiderlei Geschlechts be fanden unter Absingen der Internationale die als Bannkreis erklärten Straßen der Stadt. In den späten Abendstunden kam es in einzelnen Nahrung»- mittelgeschästen zu P l ii n d r r u n g e n. So wurde nach Geschäftslchluß noch ein Fleischerladen ge plündert und Fleisch- und Fettivaren im Werte von Milliarden geraubt. Schließlich säuberten "Ab teilungen der Reichswehr die Straßen. Verschiedene Verhaftungen wurden vorgenommen. Zu weiteren Zwischenfällen ist e» in der Nacht nicht mehr gekommen. Oie neuen Bergarbeiterlöhne Berlin, 29. September. Für die Lohnwoche vom L4 September bis 1. Oktober sind die Löhn» in den Kohlenbergbaubczirken durch dea vom Reichsarbeit», minifkrium eingesetzten SchlichtungsaussLuß fest- »sfHt worden. Danach betrögt der Durchschnitts- Ua-^flohn einschließlich des H-u«stanh. und Kinder gelde» i» Ruhrkohlenberabau 28V Millionen Mark, n» oberschlesischen Steinkohlenbergbau 180 Millionen Mark, tm sächsischen Steinkohlenbergbau ISS Millionen Mark, in den Kernrevieren de» mittel- deutschen Braunkohlenbergbaus 1S7H Millionen Mark je Schicht. Vie Notverordnung im Reichstag Berlin, 28. September. (Etg. Tel.) Dor Ein tritt in die Tagesordnung beantragt Abgeordneter Reuhaur-Düsscldorf (Dntl.), die große politische Aus sprache schon heute zu beginnen und mit der Au», sprach« über die Ausnahmcverordnung zu verbinden. Nach den gestrigen Ausführungen de» Zentrum- führers Dr. Marx sei es nota endig, daß nicht einen Tag länger unwidersprochen die Separatisten mit dem Marxschcn Wort operieren könnten, das Rhein- land sei von Preußen mit Füßen getreten worden und werde seine Geschicke selbst m die Hand nehmen. (Beifall und Unruhe.) Abg. von Gurrard (Ztr.): Wir müssen die un- erhörte Verdächtigung zurückweisen, daß unser Abg. Dr. Marx gesagt haben sollte, das besetzte Gebiet sei von Preußen mit Füßen getreten worden. (Unruhe.) Wir sind uus voll bewußt der Band«, die das Rhein- land mit Preußen verknüpft. Nur in der Zusammen, arbeit mit dem Reich und mit Preußen können wir Rheinländer gedeihen. Abg. Neuhaus (Dntl.) begrüßt das Bekenntnis de« Vorredners zu Preußen und dem Reich, bedauert ober, daß Abg Dr. Marx sich gestern ander« aus gedrückt habe. Abg. Bartz (Komm.) unterstützt den Antrag auf sofortigen Eintritt in die politische Aussprache. Abg. Dr. Peters«« (Dem.) wendet sich gegen den Antrag der Deutschnationalen. Der Antrag der Deutschnationalen wird gegen den Antragsteller und die Kommunisten abgelehnt. Ohne Aussprache werden dann in dritter Lesung die Aenderungen des Bank- gesetzer angenommen, die notwendig sind, in der Reichsbank die Ausdehnung wertbeständiger Kredite mif den Lombardverkehr »u ermöglichen. Slbg. von Guerard (Ztr.) begründet dann einen Antrag, das Reich möge für die Wiederbelebung von Industrie, Handel und Gewerbe im besetzte« Gebiet durch schleunige Erteilung öffentlicher Auftrag« sorgen. Abg. Deerman« (Bayr. Dp.) ersucht die Regierung, den sonderbaren Geschäftspraktiken im Scheckverkehr ein Ende zu machen. Abg. Karell (Dem.) «st für den Zentrumsantrag und verlangt ein« schnelle Ent schädigung de» Weinhandel« für die mit dem passiven Widerstand zusammenhängenden Schädigun gen. Abg. Oberweyer (Soz.) tritt für den Zentrum», antrag em. Abg. KLHaea (Kom.) bezeichnet den Zentrumsantrag als einen schlauen Trick zur Der- schleierung der Entgleisung de» Abg. Dr. Marz. Die Regierung hätte sofort bei Abbruch des passiven Widerstande» einen Demobilmachungsplan aufstellen müssen. Der Zentrumsantrag wird angenommen. Es folgt die gemeinsame Beratung der kom munistischen und deutschnationalen Antrag« auf Aufhebung de« Ausnahmezustand«» lm Reich« und des kommunistischen Antrages auf Aushebung de» Ausnahmezustand«» in Bayern. Abg. Köhnen (Kom.) begründet die kommunisti- scheu Anträge. Der Verfassung zuwider sei jetzt die Militärdiktatur errichtet worden. Die Ernennung Kahrs habe Hitler der Notwendigkeit zum Los- schlagen enthoben. Mit Kahr sei jetzt die völkische Diktatur in Bayern durchgesetzt. Der .trockene Putsch" sei durchgeführt, und werde nicht korrigiert durch tue Methode des Herrn Ebert, der mit feiner Diktatur Geßlrr—Lossow die Bayern übertrumpfen wolle. Lossow und Hitler seien von der gleichen Farbe. Die Sozialdemokraten Sollmann, Müller und Radbruch wollten sich der Generale zur Nieder- schlagung der Arbeiterschaft bedienen. Gerade in Sachsen und Thüringen, wo es am notwendigsten gewesen wäre, sei ein Zivilkommifsar nicht ernannt worden. Dort herrsche die unumschränkte Militär diktatur. Ausführlich bespricht der Redner sodann die Anordnungen dc» Generals Müller, die nach seiner Ansicht weit über di« durch die Ausnahme- Verordnung gegebene Beschränkung hinausgehen. Minister Geßl»r könne jetzt durch Müller den sächsischen Ministerpräsidenten verhaften und wegen Landesverrats vor ein Standgericht stellen lassen, wenn Dr. Zeigner seine Planitzcr Rede wiederhole. Die Sozialdemokraten müßten sich jetzt klar entscheiden entweder für Oeh lers Militärdiktatur oder für Dr. Zeigner und da» Proletariat. Abg. Graef-Lhürivge» (Dntl.) erklärt, gründ- fätzlich sei die Deutschnationole Polkspartei für die Diktatur, denn wenn sie einmal an» Ruder kommen werde, dann werde sie auch nicht mit Sammet- Handschuhen auftreten. Eine solche Macht- defugnis könnten die Deutschnationalen aber nicht der jetzigen Reicheregierung zugestehen. Deshalb be antragen die Deutschnationalen die Aufhebung de» Ausnahmezustände» im Reiche. Der bayrischen Re- gierung aber wollen sie nicht in den Arm fallen. Nachdem der Reichsminister des Innern Soll- «um« erklärt hat, die Regierung werd« auf die An- träge im Rahmen der Aussprache über die politisch« Lage eingehen, beschließt das Haus, die Aussprache auf Dienstag zu vertagen und sie mit der allgemeinen Aussprache zu verbinden. Nächste Sitzung: Dienstag nachmittag 3 Uhr mit der Tages ordnung: Entgegennahme einer Regie rungserklärung und Fortsetzung der Aus- spräche über die deutschnationalen und kommunisti- scheu Anträge, Gesetz über die D ä h r u n g s b a n k. Vorschläge zur Finanzreform Perlt«, 29. September. Die Stcuerkommission des Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbunde», des Allgemeinen Freien Angcstelltenbundcs und des All gemeinen Deutschen Beamtenbundes Hal drm Reichs- sinanzministerium Richtlinien und Vorschläge für eine allgemeine Finanzresorm unter breitet. E» wird darin als Vorbedingung für die Schaffung einer wirklichen Goldwährung da» Gleich gewicht de» Haushalt« bezeichnet. Die Steuerkom- Mission fordert daher unmittelbare Beteiligung de» Reichs an den Ertragen der Volks- wirtschaft, und zwar sollen alle Körperschaften, die aus Grund des Körperschastssteuergesetzes der Körperschaftssteuer unterliegen, ihre Anteile um !L erhöhen. Diese» Drittel soll dem Reich abgetreten werben. Für ave Unternehmungen in Handel, Ver- f-hr und Gew-rbe mit ib-r IM Arbvtn.-Hmern und einem Anlagekapital von mehr als einer Million soll durch Reichsgesetz die Pflicht derKörper- schaft»bildung durchgeführt werden; die an- dcrn Betriebe sollen durch eine Reichsgewerbesteuer in Höhe von einem Viertel des Reinertrag» erfaßt »erden. Auf inländische» Vermögen an Grundbesitz soll zugunsten dc« Reichs an erster Stelle eine Grundschuld eines Viertel» de» von dem abgabe- pflichtigen Eigentümer angegebenen Werte» einaetra- gen werden. Die Steuerkommiflion fordert ferner eine Neuregelung dc» Reichserbschaftsrechts. Vie Neumark Berli», 28. September. (Eig. Tel.) Der Gesetz- Entwurf über die neue Währung liegt rn der Form, wie er vom Reichskabinett verabschiedet wurde und dem Reichsrat zur Beschlußfassung zugegangen ist, vor. Gegenüber dem früheren, bereit« vcröffent- Ucht-u Entwurf haben sich folgende Aenderungen er- geben. Der frühere Name Pod.nmark ist in Neu mark ul.>g ändert worden. 8 2. Das Kapitol und die Rücklagen der Währungs bank betragen 3200 (nach dem früheren Entwurf 2400) Millionen Mark. 8 6. Die Belastung des Grundbesitzes beträgt 4 (vor- her 3) Prozent. 8 12. Die von der Wührungsbank herausgegebenen Rentenbriefe sind mit 5 Prozent jährlich verzinslich, ß 14. Auf Grund je eines über öOO Goldmark lautenden Rentenbriefcs dürfen Geldzeichen im Betrage von ,'(!0 Neumark ausg-geben werden. Insgesamt dürfen n-cht mehr GeliHeichen ausgegchen werden, als der Betrag des Kapitals aus der Grundrückloge aus macht (volle Deckuna). 8 16- Die Währungsbank darf bankmäßige Geschäfte nur mit dem Reich oder der Reichsbank machen. Sic ist verpflichtet, während der nächsten zwei Jahre dem Reich auf Neumark lautende Kredite bis zum De- trage von 1200 Millionen Neumark zum festen Zins fuß von 6 Prozent zu gewähren. (Neu.) 8 24. Die Währungsbank ist bei Wiedereinführung der Goldmark durch das Reich berechtigt, entweder zu liquidieren oder ihre Geschäfte ohne das Recht drr Notenausgabe fortzusehen. Frankreich auf -er Lauer Pari», 29. September. (Eig. Te I.) Die Blätter betonen, offenbar aus Grund amtlicher Informa tionen, daß Frankreich die bisherigen deutschen Maßnahmen zur Einstellung des passiven Wider stände» nicht als ausreichend betrachte. Die Zeitungen heben besonder» hervor, daß oie Ver ordnung vom 13. Januar über die Einstellung der Reparationslieferungen noch nicht zurückgezogen worden ist. Sie bestätigen weiter, daß Frankreich zunächst die Entwicklung der Dinge im Ruhrgebiet und in Deutschland abwarten wolle. Die meisten Blätter billigen die Rückkehr PoincarSs zur Ver schleppungstaktik. Sie betonen, daß die Vorgänge in Deutschland der französischen Regierung größte Vorsicht zur Pflicht machen und daß die Haltung Stresemanns mehr und mehr zweideutig erscheine. Aus den Pressekommentaren geht hervor, daß das Mißtrauen gegen Strescmann in Paris hauptsäch lich gesteigert worden ist durch die Erklärungen des bayrischen Ministerpräsidenten, die Reichsrcgierunz betrachte den Versailler Vertrag nach oer rechts widrigen Besetzung des Ruhrgebietes als aufgehoben. Deshalb müsse Frankreich aus der ausdrücklichen An ordnung der Wiederaufnahme der Reparationsliefe rungen au» Deutschland bestehen. Sollte diese Forderung nicht durch Zurückziehung der Ver ordnungen vom 13. Januar erfüllt werden, so würde man es als erwiesen betrachten, daß das Kabinett Stresemann sich nicht zur Ausführung des Versailler Vertrages verpflichtet glaubt. Es muß festgestellt werden, daß auch in fran- zösisch-n Kreisen, die aufrichtig eine Verständigung mit Deutschland wünschen und die Verschleppungs taktik PoinearLs mißbilligen, der Glaube an Strele- manns Aufrichtigkeit durch eine Reih« von Ilm- ständen erschüttert worden ist. Man bedauert in diesen Kreisen z. B. den al» symptomatisch be trachteten Verzicht auf rasche Ernennung eines deutschen Botschafters in Paris, den Aufruf Edcris, der al» unfaßbare Ungeschicklichkeit bezeichnet wird, das Weißbuch über die früheren deutschen Vor schläge, das hier die Annahme zerstören mußte, Stresemann sei sich über die Irrtümer der früheren deutschen Revarationspolitik klar und wolle sie ob stellen, ferner gerrisse Erscheinungen auf dem Ge- biete des offiziösen deutschen Pressedienstes. Hollands Stellung im Weltkrieg Rotterdam, 29. September. (Lig. Tel.) Der „Nicuwe Rotterdamsche Courant" veröffentlicht Er klärungen, aus denen hervorgeht, daß im April 1918 die Niederlande vor einem Kriegsausbruch mit Deutschland standen. General Ludendorsf hatte von Holland das Recht gefordert, einen holländischen Schienenstrang durch Roermund zu benutzen. Der amtliche Bericht meldet, daß er gleichzeitig um,die Erlaubnis nachgesucht habe, deutsche Batterien im holländischen Staatsgebiet aufzustellen, um die alli ierten Flieger zu Kindern, deutsche Truppen anzu greifen. Am 17. April erhielt die deutsche Gesandt» schäft im Haag von Ludendorff eine Mitteilung, die von der Wilhrlmstraße gebilligt worden war und die obengenannten Forderungen oufstellte. Die Mit teilung hatte nicht gerade den Charakter eines lllti- moiums, da sie kein Datum setzte, aber Ludendorff nahm darin einen sehr energischen Ton an und ver langte eine sofortige Antwort. Bei der brutschen Gesandtschaft im Haag sak man in dieser Mitteilung Ludendorfss das Vorspiel zu einer Kriegserklärung. Der deutsche Gesandte erklärte, daß er unter diesen Umständen Befehle nur vom Kaiser annehme und telegraphierte an Wilhelm II. Gleichzeitig wurden von holländischer Seite Anstrengungen unternom men. um eine Katastrophe zu verhindern. Eine sehr hochstehend: Persönlichkeit setzte sich telegraphisch mit dem Kaiser in Verbindung. Erst ein zweite» Tele- gramm erhielt «ine Antwort. Der Kaiser erklärte darin, daß er unter keinen Umständen gestatten würde, daß die beiden Länder sich bekriegten. Nach d'esem kaiserlichen Telegramm wich die Spannung, aber es dauerte noch eine geraume Zeit, bis der Kon flikt b:iz:legt war. Der Reichswehrminister hat bis auf weitere» d-n »Völkisch-n P-"bach»er" Seitschriften-Nundschau Bon kulrekdavk Zn einem Artikel .Allerhand Passivität" lucht der Demokrat Senator Dr. Stubmann im letzten Heft der .Deutschen Einheit" an Hand zahl reicher Beispiele die Schädlichkeit passiver Politik für die Träger einer republikanischen Re- gierung nochzuweisen. Neben der .eunonischen', der bayrischen, der währungspolitischen und der parla mentarischen Passivität kommt Stubmann dabei noch auf die Passivität der bürgerlichen Demokratie zu sprechen. Hierzu führt er aus: „Es sicht wirklich manchmal so au», al» ob die bürgerlich-demokratischen Parteien kaum noch Ein fluß besitzen und die Vertretung an die Deutsche Volkspartei abgegeben haben, von deren grundsätz licher Einstellung zur Deutschen Republik ein völlig klares Bild noch nicht gegeben ist. Um so notwendiger scheint mir zu sein, baß sich nicht der Eindruck fest- seht, als ob die politische Geschäftsführung des Deut schen Niches mehr oder weniger ohne die bürgerliche Demokratie gemacht werde. Der Wunsch nach mehr Aktivität, der ohne Zweifel in der Deutschen Demo kratischen Partei stark empfunden wirb, sollte auch im Zentrum mehr Beachtung finden. Sonst laufen wir Gefahr, daß der einziL« politische Halt unserer Zeit ruiniert wird, weil seine Anhänger zu passiv gegenüber einer weit stärkeren, wenn auch irrsinnigen Aktivität waren. Der Streit um den passiven Widerstand ist mit der Ruhr-Proklamation der Reichsregierung entschieden worden. In Nr. 9 der .Sozialisti schen Monatshefte" geht der sozialdemo- iratische Reichstogsabgeordnete Ouessel in scharfer Weise gegen die Stimmungsmache des Kabinetts Cuno für den Ruhrkrieg vor. Unter dem Titel: „Wahrheit über den Ruhrkricg' schreibt er: „Der Fluch der Lüge ist, daß sie sich schließlich gegen ihren Urheber wendet. Da» hat uns der Ruhrkrieg von neuem bewiesen. Zunächst enthüllte er dem überraschten Ausland, daß das selbe Deutsch land, dos seit November 1918 ständig geklagt hatte sofort elend sterben zu müssen, wenn es die von Frankreich cmgeforderte Kohlenmenge liefern müsse, trotzdem immer no chlebte, als es schon viele Monate hindurch von seiner Kohlenbasis gänzlich abaeschnürt war. Es wird jetzt unendliche Mühe kosten, die Gläubigerstaaten davon zu überzeugen, daß die Liefe rungsfähigkeit Deutschlands für Ruhrkohle wirtlich beschränkt ist, nachdem da» Kabinett Cuno die ganze Welt mit der Falschmeldung erfüllt Hot, daß Dcuisch- land durch die über das Ruhrrevier verhängte Kohleuausfuhrspcrre überhaupt nicht zur Kapitu lation gezwungen werden könnte. Wenn jetzt Strese mann in Stuttgart im Gegensatz zu den Erklärungen der Regierung Cuno wahrheitsgemäß erklärte, der Rückgang der deutschen Ausfuhr von 614 Millionen im Mai auf 106 Millionen Goldmark im Juli zeige deutlich, daß Deutschland „ohne Ruhr und Rhem nicht lebensfähig und ohne die Verfügung über diese Gebiet zu irgendwelchen Reparationsleistungen außer- stände" sei, so wird damit die Wahrheit wieder in ihre Rechte eingesetzt." * Nachdem die Papiermark von neuem in» Gleiten gekommen ist, tritt die Notwendigkeit einer schnellen Lösung der Währungsfrage immer dringlicher in den Vordergrund. lieber da» von der Reichsiegi'. rung ausgearbeitete Projekt, in der „Neumark" eine Zwischenmährung zu schassen, stellt ein »Zwischen währung — Zwischengefahren' über schriebener Artikel im Heft 26 der „Glocke" interessante Betrachtungen an unter Hinzuziehung bcr Erfahrungen, die man in Rußland aus diesem Ge- biet gemacht Hot. In der Abhandlung heißt es: „In Rußland ist darauf geachtet worden, biß durch die Währungsfcum der Papicrrubel nicht aus dem Alltagsverkehr gedrängt mürbe. Ntit anderen Warten heißt das, baß dem Staate für di« weitere Ausgabe von Popierrnbeln zur Deckung des Defi zits durch die Inflationssteuer Platz freigehalten wurde. Das wurde sehr einfach dadurch erreicht, daß die Stückelung des Goldgcldcs nicht tiefer als bis zu einem Tscherwonetz (gleich 10 Goldrubel» herabgeführt würd'. Damit ist der Kleinverkehr von der Benutzung drr Goldnoten ausgeschaltet. In Deutschland wird voll! das gleiche eintretrn. Das offizielle Sachwertgeld wird dann füa die Ar beitnehmer eine geringe Rolle spielen, sie werben mit der Popiermark- .Echeidemünze" weiter Umgang zu pflegen hoben. Die völlig unabhängigen Gold noten der Reichsbank werden im großen Geschäfts- und Bankvcrkchr verbleiben. Damit besteht die Ge fahr weiter, daß die wirtschaftlich Schwächsten die Inflationssteuer zu tragen haben. Mit dem aufkommenden Sachwertgeld soften die. Finanzen in Ordnung gebracht werden. Inflations emission soll unmöglich sein. Auch wenn dieser Wunsch in Erfüllung geht, ist zu befürchten, daß für dieses Geld ein Dcsagw eintritt. Wir sehen die Entwicklung zum Kursgeld ja auch beim Tscher- wonetz. Sachwertgeld ist eine innerdeutsche Per- tranenssache, aber kein internationaler Goldwert! Aus diesen Gründen und noch manchen anderen befriedigen die ersten Ankündigungen der Zwischen- Währungsreform noch bei weitem nicht. Zm Geyen- teil, sie machen bedenklich." Anfragen im Lanviage Die Deutsche Polkspartei hat im Sächsischen Land tage eine Anfrage eingebracht, in der um Angabe der Gründe gebeten wird, die zur Amtsent hebung des Geheimrat» Dr. Naumann, des Rektors der staatlichen Schwestern schaft in Arnsdorf, geführt haben. Die gleiche Partei fragt ferner nach den Gründen, die zur Amtsenthebung des Regierungsrats Dr. von Burgsdorfs, de» Vadedirektor» in Bad Elster, Vorgelegen hoben. Die demokratische Landtagsfraktion hat ebenfalls in der Angelegenheit der Abberufung des Geheimrats Dr. Naumann eine Anfrage im Landtag elngebracht, wonach di« Regierung veran lassen wolle, daß die verfügte Amtsenthebung D r. Naumanns auf Gründ des Gesetze» über die Pflichten der Beamten wieder rückgängig gemacht werde. » Die Deutsche Volkspartei Hot im Sächsischen Land tage eine Anfrage einaebracht, in der um Angabe der Gründ« gebeten wird, die zur Bmt» ent heb ung des Geheimrats Dr. Naumann, de» Rektors der staatlichen Schwestern schaft in Arnsdorf, geführt haben. Die gleiche Partei fragt ferner nach den Gründen, die zur Amtsenthebung hes Regierungsrar» Dr. von Burgsdorff, de» Babebirektmi i« Elst-r, vcwg-i-g'',, h-che«.
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