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Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 15.09.1923
- Erscheinungsdatum
- 1923-09-15
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-192309156
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-19230915
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-19230915
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1923
-
Monat
1923-09
- Tag 1923-09-15
-
Monat
1923-09
-
Jahr
1923
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Lomrsdenck, üea 18. Ssplemd« L«tp»1g«r Tageblatt ua6 H»»ckeI«Lettuag Die Votenfrau von ttötzschenbroda Während Raubüberfäll« und Ginbruchsdiebstähle größt« Stils sich mehr«, Kokainschlebevei« und Nackttünze blühen, Morde aller Art und Wchtung, po litisch, aus verschmähter Liebe, im offenen Auto, un Kell «verlies, durch Handgranate oder vergifteten Weißwein, während Totschlag und Verzweiflung«, selbstmord au der Tagesordnung find, die Korruption stet» überhand nimmt und der Millionenschein zu« lächerlich« Kleingeld wird, während aller dieser Undinge trottet in Deutschland ungestört der Amt», jchimmel seinen Weg weiter. Sie kenn« Kötzschenbroda. E» liegt bei Dresden, am Abhang des kleinen Lößnitzgebirges, grün und romantisch, mit einer Handvoll kleinen Villen, ein« kleinen, gelblouchtenden Straßenbahn- Ein Ort, der so friedesam ist, daß — offenbar durch seinen Anblick gerührt — sich seinerzeit die grim migen Schweden bewegen ließen, mit den Sachsen einen Waffenstillstand zu mach«. (^. O. 1645.) Den Fried« von Kötzschenbroda chpach am 2. August 1922 ein Obcrpostsekretär, doffen Nam« un» leider die Historie verschweigt. Gedachter Oberpostsekretär kam auf dr» glänzend« Einfall, die Botenfrau von Kötzschenbroda zu kontrollieren, obste etwa geschloffene Briefe «it zur Beförderung übernommen habe, was ein Vergehen gegen das Postgesetz vom 28. Oktober 1871 wäre. Gedacht, getan. Und stehe da, dem Oberposi- sclvetär gelang es, die Botenfrau dingfest zu machen- Sie wurde ertappt, vor d« Kadi gebracht und zu insgesamt 40 Mark Geldstrafe verurteilt, die st«, um weiteren Scherereien aus dein Woge zu gehen, be zahlte. Der Komödie zweiter Teil: Unter den vorge- fundenen Brief« befanden sich zwei, di« von einer b(-kannten Firma stammten und geschäftliche Belege enthielten zu d« der Botenfrau übergebenen Frachr- stück«. Der Inhaber dieser Firma erhielt deshalb ebenfalls eine kleine Geldstrafe, die er aber nicht zahlte. Er erhob Einspruch. Nach umfänglicher Be weisaufnahme (man weiß, welcher Aufwand an Zeit und Nerven dazu nötig ist) wurde er vor dem Schöffengericht freigesprochen. Nächster Akt: Die gekränkte Amtsanmaltschaft legte gegen dieses Urteil des Schöffengerichts De- rusung ein. Die Berufung krönte ein Mißerfolg, und die Strafkammer als Berufungsinstanz bestätigte lediglich das freisprechendr Urteil des Schöffen gerichts. Drittens: Am 23. Juni diese« Jahres hatte sich der weiland Marltl>elfcr gedachter Fl rum vor dein Schöffengericht zu verantworten, weil er Ende Fe- bruar des Vorjahres die Frachtstücke und Begleit- schreiben nach der Zentralausspannung gebracht und sie dort der Kösischenbrodaer Botenfrau übergeben hatte. Zu dies«: dritten Termin sand wieder eine umfängliche Beweisaufnahme statt, wieder waren dar Oberpostselretär und di« Botenfrau aus Kötzschen- broda als Zeugen vorgeladen. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme wirrde auch der Markthelfer sreigesprochen- Viertens: Die wiederum gekränkte Amts anwaltschaft legte gegen diese» Urteil wiederum Be rufung ein, so daß als Berufungsinstanz die sechste Ferienstrastanunln: gegen den Marktholfer zu vsr- handeln hatte. Bei der großen Verhandlung (im Saale liegt Stille und Halbdunkel, draußen, irgend- wo in der Welt, hört man die Zeit vorüberrauschen, die Nervenbündel zerknattern) . . .bei der Verhand lung konnte der Markthelfer, da es nun gar zu lange her war, daß er die Briese übergaben hatte, sich auf nichts mehr besinnen, auf gar nichts mehr. Es sei damals sehr feuchtes Wetter gewesen und die beiden Briefe wohl von allein zuge- klebt, erklärte er. (Offene Briefe zu expedieren ist bekanntlich nicht strafbar ) Angesicht« dieser milden Sachlage erkannte das Berufungsgericht abermals auf Freispruch. Ls waren seinerzeit durch die Vorgefundenen zwei Briefe zweimal zwei Mark HZarto bei der Post hinter, zogen worden. Um vier Mark führte man vier Pro- wehrt euch, Geistarbeiter! Don Bruno Ma» mutz der schrecklichen Not, in der ftch Deutschlands Geistesarbeiter befinden, Gehör scheute»: «S ist das geringste. >vos man ihnen schenke» kan». Man «nutz aus ihre Liin-nr-c auch dann düren, wenn sie sich, wie hier, wniich über schlägt. Stn solcher Sussay «st al» ein Dhwpiom zu bewerte». Es wird wieder viel von der Not der geistigen Arbeit gesprochen in Deutschland. Hilfskomitees für dm notleidenden Schriftsteller werden gegründet, mehr noch: Wohltätigkeitsvorstcllungen werden ver- anstaltet. Der Reichstag wird beschwor«, doch etwa» zu tun! Zm Kleinen Feuilleton wird ausgerechnet, wieviel der freie Schriftsteller auf seine Arbeit draus- zahlt. Ein« Welle de» Bedauern» mit dem armen unpraktischen Kopfarbeiter geht durch das Land. Ls ist klar: Es muß etwa« für ihn unternommen werden! * Die notleidenden Schriftsteller, Künstler und Gc- lehrt« werd« demnächst eine Massenversammlung abhaltev. Auch sie werd« beschließen, daß etwas für st« unternommen werden müsse. Da würde ich ihnen dies« Vortrag halten: Erstens: Lüge! Geistige Arbeiter: Ihr seid ebensosehr geistige Arbeiter, wie der Gemischtwaren. Händler gemischter Warenhändler ist. Geistarbeiter, keine geistig« Geistarbeiter, gewöhnliche Geist- arbeit«, mit Kopf und Magen und Verdauung«- Notwendigkeit«. Dar ist wichtig. Geistige Arbeiter sind eben geistig, brauchen nicht« oder nicht viel zu ess« — wozu denn sonst wären sie geistig? Aber leibliche Geistarbeiter sind ebenso leiblich wie Holzarbeiter und Bergarbeiter. Wollen, müssen ebenso essen und ihren Kindern zu essen geben wie etwa Mitglieder der ehrlich« Zunft der Häuser- schieber. Sonst beschließt der Geist eines Tage«, sich nicht weit« Hundsfott« zu lass«. Dann habt ihr da« Nachseh«! Und auch eure Not ist nicht geistig. Körperliche Not, leibliche Not. Klingt gewiß nicht schön. Darum soll auch eine Not schön kling«? Sie »mH häßlich kling« — vielleicht wirb st« bann leich ter beseitigt. Und »weiten«: Was wollt ihr? Nicht hungrig sein. Schämt ihr euch diese« ungeistig« Wunsche»? Findet ihr ihn materialistisch? Eurer hob« Braut nicht würdig? Se kiabM. d-^sttz» j«ste mit zaste, der« letzter zu einer Zeit stattfond, wo der Dollar 4ö Millionen Diark galt. Linom Statistiken sei es Überlasten, zu berechnen, was da» zu den Vor- l«düngen und den Protokoll« verwendete Papier kostet, welche Summe sodann zu den hinterzogen« vier Mark in» Verhältnis gesetzt werden muß. Die Differenz zeigt die Weltgewandtheit der deutschen Behörden in Papiermark ausgedrückt. O k 193000 Tschecho-ttronen Die deutschböhmische Sammlung unserer Prager Miteigentümer, de« Berlages Heinr. Mer« Sohn, hat nach dem vierzehnten Spendsnausweis insgesamt 198 748,28 Tschechokronen und 88 076 980 Mark er geben. Au, diesen Erträgnissen sind weiterhin fol gende Beträge überwiesen worden: 10 000 Tschechokronen an das Rote Kreuz, Berlin, 2 060 Tschechokronen an Richard Rosenheim, Königsberg, zur Verteilung an Königs- bsrger Ktndrrhilfs-Institutionen, 2 000 Tschechokronen an Obcrstudienrat Dr. Le Mang zur Verteilung an Kinderhilfs-Institu- tiouen in Halberstadt, 1000 Tschecholronen an das Fraureuther Kinder heim, Fraureuth in Thüringen, 800 Tschechokronen an Lehrer Drettschneidcr, Ober- weid bei Tann a. Rhön für hungernde Schulkinder. Außerdem sind für die Zwecke der Sammlung von H. B.-Wien 2 000 000 Mark bei uno ci-g'-gangen. Die Millionenmarke Infolge der neuen Portoerhöhuna sind eine ganze Anzahl von Morkenarken neu hergcstellt wordc». Es wurden durch Nchldrucke gewonnen: 100 000 Mark auf 400 Marl gnsin, kleine Ziffcrnmarke und aus 100 Mark lila. 250 000 Mark auf 500 Mark hellrot und 500 Mark ziegelrot, kleine Iiffernmnrke, 125 000 Mark auf 1000 Mark rot, 23 000 Mark auf 25 Mark Landarbeiter. Außer diesen Ucberdruckmarken wer- den noch umfangreiche Neudrucke vorgenommen, und zwar zu 8000 Mark, 80 000 Mark, eins halbe Million und eine Million. Die Ausgabe der Marken zu und 1 Million dürfte sich noch etwa« hinziehen. Dagegen werden die Neudrucke von 8000 und 50000 sofort, ausgegeben. Ls handelt sich um Ziffernmarken, die in den Ecken kleine Posthörner tragen. Die Ausgabe sämtlicher Marken geschieht in solchen Mengen, daß jeder Sammleransturm dar- auf eine Torheit wäre. Line 100-Milliouen Note. "in der nächst« Zelt werden Banknoten zu 100 M'llionen Ma-ck in den Verkehr gebracht werden. Die Noten werden nur auf einer Leite bedruckt sein. * Schalterabfertigung bei Fahrpreise Höhung«. Zur Entlastung der Fahrkartenausgaben bei weiteren Tariferhöhungen werd«, solana« die tztägige Gül tigkeit der Fahrkarten nicht beschränkt wird, die in d« 3 letzten Tagen vor der Erhöhung verkauft« Fahrkarten mit dem Datum de« letzten Tages abge- stempelt. Für den Verkehr der Schmalspurbahnen untereinander, für den die Fahrkarten nur am Lis. sungstage gelten, tritt eine Aenderung der Gültigkeit hierdurch nicht ein. Bädrrverkehr mit Teplitz—Karlsbad. Infolge ge- ringer Benutzung fallen die Bäderschnellzüg«: ab Bodenbach nackm. 1.80, in Teplitz 2.42, in Karlsbad 5.08 und umgekehrt: ab Karlsbad norm. 9.03, ab Teplitz 11.24, in Bodenbach nachm. 12.13 vom 15. September ab aus. Der vorm. 11.45 in Dresden Hbf. abgehende Wiener Schnellzug Ü 62 verkehrt infolgedessen von diesem Tage ab nur noch direkt nach Tetschcn—Prag—Wien: die Teilung in Mittelgrund und Ueberführung nach Bodenbach ent- fällt. Reisende nach Teplitz—Karlsbad können künftig mit dem Wiener Schnellzuge bis Schreckenstein fah- ren und von dort ab mit Personenzug über Aussig Weiterreisen (Ank. Teplitz 4.27, Karlsbad 8.3S abends). dem Frühstiick zusammenhängt — nicht jedes Früh- stück bringt Poesie, aber keine Poesie ohne Früh, stück —ihr findet, daß der Magen den Kopf in der Hand und ihn, wenn er hungrig ist, mit Füßen tritt. Also einstimmig beschlossen: Wir wollen nicht hungern! Aber drittens: Wie? Ein» ist klar: L» gibt keine taugliche Organisation von Blumenblüten. Kann kein« geb«. Ersten«: weil jede Blume ein Zwergbetrieb für sich ist, der sich nicht erweitern läßt. Zweiten«: weit jede Blume in ihrem Wachs- tumsbe reich der Todfeind jeder andern ist. (Wenn ihr'« nicht glaubt, so fragt die Pflonzenphysiologen unter euch.) Dritten«: weil jede Blume sich nur nach den in ihr schlummernden Gesetzen ihrer Keim- kraft entfalten kann. Vierten«: weil sich keine Blume von der Einwirkung de« Erdreich«, in da« sie zu- fällig verschlagen ist, befreien kann. L« ist also klar, daß die Ros« empört wären, in einer Organi- sation mit dem Löwenzahn zu bleiben. Und es ist ferner klar, daß das junge Mädchen, dem alle Blu men gehör«, bei einem Streik der Rosen achsel- zuckend zu den Veilchen greisen würde, wie es sich anderseits wohl noch non einer Rose stechen laßt, weil sie gar so berauschend düstet, nicht aber von einer größenwahnsinnig« Kleeblüte, deren die Wiese voll ist. Im übrigen ist «in Naturgesetz, daß Rosen schon aus Eitelkeit nicht streik« können. Spricht man von ihrem Duft, so können sie .nicht widerstehen, zu dichten — das heißt: zu duften. Die Machtfraqe wäre demnach erledigt. Also viertens: Die? Wenn Blumen unzufrieden sind, so machen sie, wie andre Unzufriedene, eine Re- volutton. Wenn sie nur zu duften aufhört«, so wäre das noch kein« wirksame Revolution. Also beschließen sie, die echte Blumenrevolution zu ver anstalt«: sie stinken. Sie hören aus, Blumen zu sein — wenigsten« in dem -duptbernf —, duften höchsten, lieblich in stiller Nachtzeit, wenn keine» Menschenwes«« Sinn e, genießen kann. Lenau umgekehrt, wie sie sonst zu tun pflegten. Tagsüber erhalten sie sich und ihre Kinder mit einfachem nähr- haften Kohlensäure«iftaa»; besonder» talentierte Ne- oolutionär« vass« sich sogar an Kuhdüogergestank an. Erfolg? Ersten» ««ährt sie dieser Beruf, und zweit«, wird durch die Si-lhswsrnichtung de» Blum«l»b«s di« öffentliche Meinung in der denk, bar wirkungsvollsten Weise auf die Not de» Blumendasein« gelenk». Denn wenn Blumen stinken, so stinkt und stört da, mehr, al« wenn e» emr einfach stinkt. .. . Nie Gta-tdesVölkerbun-es Von unserem Sonderberichterstatter. Genf, 12. September. Genf sonnt sich in seinem neu« Glanze, die graziöse und elegante Empore de» Lac Lämaa steht ganz im Zeichen der S. d. R, der »oaiStL ckes Nation», de» Völkerbunde», dessen au» aller Welt herbeigesirömte Mitglieder die Stadt Rousseau» und Laloins letzt wieder in ihren Mauern d«. herbergt. Di- ganze Stadt ist «in Fioggenmeer. Im leichten Sommerwinde flattern von unzähligen Dächern, Balkon« und Masten die Fahnen aller Länder. Nur di« schwarz-rot-goldenen Farben Deutschland», da» ja im Völkerbund noch nicht ver- treten ist, sucht man vergebens. Die drei Buch, staben S. d. N. leuchten von zahllosen Plakaten und Anschlagsäulen. Mögen in der Welt die Ansichten über den Völkerbund und seine Machtvollkommen heit auch geteilt sein, für Genf jedenfalls steht die S. d. N. im Mittelpunkt des Interesses. Das Völkerbundsheim und die Versammlung kennen zu lern«, erschien mir daher vornehmste Pflicht. Um zu diesem Ziele zp gelangen, führte mich der Weg zunächst zum Cercle de la Presse, dem offiziellen Stelldichein der internationalen Press« am Grand Quai. Im Erdgeschoß befinder sich ein behagliches den Prrffcleuten reserviertes Restaurant, im 1. Stock sind das Lese- und Schreibzimmer, sowie das öekre- tariat untergebracht. Der im Bureau ehrenamtlich tätige Genfer Kollege empfängt mich sehr liebens- würdig uni) gibt mir, als ich den Wunsch äußere, eine Pressekarte zur Völkerbundstagung zu er- langen, ein Empfehlungsschreiben an' Monsieur Lharrerc mit, der im Völkcrbundshause die Presse- Mitglieder zu betreuen hat. Im anschließenden Gespräch erfahre, ich, daß im ganzen etwa 400 Journalisten zur Völkcrbundslagung eingctrofsen sind. Bei weitem die meisten kommen aus Amerika, obwohl die Vereinigten Staaten dem Bunde be- kanntlich nicht angchorcn. Aus Frankreich sind nur wenige erschienen und Italien ist nur durch drei Presseleute vertreten. Das Haus der Dölkerbundstagung enttäuscht äußerlich durchaus. An der Ecke der Rue Pierre Fatio und der zurzeit wegen Erdarbeiter» auf. gerissenen Rue du Rhone gelegen, macht es den Eindruck eines nüchternen, mäßig großen Hotels. Der Augenschein trügt auch nicht. Das Bersamm- lungsgebäud« hieß früher Hotel Victoria. Das in Stein gemeißette Wort Hotel ist an der Front auch noch zu lesen. Ueber.Victoria" hat man einen pro- visortschen und leicht zerreißbaren Leinwandfetzen angebracht, der die Worte tragt: .Sooi^tü ä« nationk. LntrL« äs» äeput^» et äs !» vre»»«". Mög« da» Provisorische und di« leichte Zerreiß- barkeit kein böses Omen für den ganzen Völkerbund sein! — Monsieur Lharrdre, dem ich das mir mit- gegeben« Empfehlungsschreiben überreichte, heiht mich in liebenswürdiger Weise Willkomm« und stellt mir gleich eine Dauer-Pressekart« für die ganze Bölkerbunbstagung aus. Man ist beim Eintreten in den Versammlungs saal überrascht, daß da» äußerlich schmucklose und nicht ckehr geräumig anmutende Hotel Victoria «inen so schönen und großen Saal aufweist. Er könne, sagt man mir, 2500 Person« fassen. Jetzt befinden sich, trotzdem zahlreiche Deputierte an- wesend sind und trotzdem die halbkreisförmig an gelegte Iournalistengalerie, di« 360 Plätze enthält, überfüllt ist, nicht annähernd soviel« Menschen m dem großen Raum. Ich komme zu der bisher bedeutungsvollsten Plenarsitzung der augenblicklichen Völkerbunds tagung zurecht. Der italienische Deputierte Sa- landra, Ministerpräsident a. D-, hat gerade ge sprochen und erklärt, im italienisch-griechischen Kon flikt sei nur die Botschafterkonferenz zuständig. Jetzt hat der Grieche Po litis das Wort. In fließen- dem, elegantem Französisch setzt er auseinander, Griechenland habe sich, um Frieden zu behalten. nicht ab«, um seiner Verantwortlichkeit zu enl- gehe», an den Bund gewandt. Es bestehe energisch auf der Intervention de» Völkerbundes. Bliebe dieser untätig, so künde er damit sein« beoorstehcn- den Ruin an. Die Ausführungen de» griechischen Diplomaten wurden aufmerksam angehäpt, aber ohne bcsondere Beifall», oder Mißfallenskundgedung« zur Kenntnis genommen. Der japanische Präsident Zshij beantragt nun, die Versammlung zu ver- tagen. Die Deputierten sind damit einverstanden, aber ehe sie auseinandergehen, erhebt sich noch der Engländer Sir Robert Cecil, eine aus gezeichnete, typisch englische Erscheinung, und hält unter lautloser Stille des Hauses mit erhobener Stimme eine von feierlichem Ernst getragene An sprache. Seine abschließenden Worte: Wenn die Artikel 10, 12 und 15 des Dölkerbundspaktes nutz- achtet würden, dann werden die Grundlagen des aus dem Kriege hervorgegangenen Europa zer trümmert, lösten ostentativen, lang anhaltenden Beifall aus. Ich ging in dem Bewußtsein, einem immerhin bedeutungsvollen Momente beigewohnt und den Wort« eines von der Bedeutung des Völkerbundes tiesinnerlich durchdrungenen, aufrechten Nkannes gelauscht zu haben. — Eine weitere Plenarsitzung habe ich nicht besuchen können, da die Vertagung am nächsten und übernächsten Tage noch nicht ihr Ende fand. In der Zwischenzeit fanden Kommissions- sitzungen im .Palais des Nations" statt. Dieses andere Pölkerbundsgebäude befindet sich am ent- gcgengesetzten Ende der Stadt, in dem sehr elegan ten Wohnviertel de» Quai du Löman, vom See- gestade nur durch die breite Strandpromenade ge- trennt. Auch dieses hohe und ausgedehnt« Gebäude ist ein ehemaliges Hotel. .National" hieß der Riesenbau noch bis vor kurzem. Als ich vor der nach der Rue des Paquis gewandt« Front stand, vereinigte sich das au» zahllosen, weit geöffneten Fenstern dringende Klavvern ungezählter Schreib- Maschinen zur Melodie einer, wie der Optimist noch immer hoffen will, fruchtbaren Arbeit. 0r. Norookol Neue Sätze für die Erwerbslosen. In der Woche vom 1L. bis 18. September werden wochrntäglich ge zahlt: für männliche Personen über 21 Jahre, die nicht im Haushalt eines anderen leben, j« nach d«n Ortsklassen täglich bis zu: 7 500 000, 7 000 000, 6 500 000, 6 000 000. Für männliche Personen über 21 Jahre, die im Haushalt eines anderen leben, tag- lich bis zu: 6 000 000, 8 600 000, 5 200 000, 4 800 000. Für männliche Personen unter 21 Jahre täglich bis zu: 4 500 000, 4 200 000, 3 900 000, 3V00 000. Für weibliche Personen über 21 Jahre, die nicht im Haushalt eines anderen leben, täglich bi» zu: 6 000 000, 5 600 000, 5 200 000, 4 800 000. Für weibliche Personen über 21 Jahre, die im Haus- halt eines anderen leben, täglich bis zu::: 5 000 000. 4 560 000, 4 300 000, 3 950 000. Für weibliche Per- soncu unter 21 Jahr«, täglich bi» zu: 3 500 000, 3 230 000, 3 000 000, 2 750 000. An Familien- zuschlägen werden für den Ehegatten bezahlt, täglich bis zu: 2 750 000, 2 550 000, 2 350 000, 2150 000. Für Kinder und sonstige Unterstützungsbedürftige die -um Haushalt gehören, täglich bi« -u: 2 250 000, 2 100 000, 1 950 000, ! 800 000. Heimakschutz-Vorträge. Der Landesoerein Säch sischer Heimarschutz macht darauf aufmerksam, daß er di« Eintrittspreise für sein« Vorträge, die am 21. September beginn«, mit 7 Millonen Mark (Dor- zugskorlen) und 12 Million« Mark (Karten für Nichtmitglieder) nur bis Montag abend halt und daß ab Dienstag (sieh» auch die Anzcig« in -er heu tigen Nummer) erhöhte Preise gelt« müssen, nach dem die Unkosten der Vortragsreihe in Goldmnrt gezahlt werden müssen und die jetzigen Preise unter Zugrundelegung eine« Dollarstande« von SO Mil- Ronen Mark berechnet wurden. Deshalb, fünftens, mein« Verehrten: Gin pack en! Alle Geistigkeit und Kultur, alles (schaffen und Schöpfen, alles Wissen und Weisen, Schreiben und Schauen — alles, alles einvacken! Weg damit — vorläufig! Werdet Inseratcnagcntcn! Werbet Reklamcaufträge! Handelt mit Zigaretten! Werft euch auf die Geheimnisse des Kurszettels! Euer Kopf ist ein Kapital wert! Nützet eure schlum- merndcn Talente zu nützlichem Werk! Schaffet, raffet! Geld . . . Brot ...! Nur verhungert nicht so wehrlos! Kein Tier im ganzen Brehm verhungert, ohne sich zu rühren. Rührt euch! Macht schnell! Abend» könnt ihr hinter verschlossenen Türen musizieren, könnt schreiben und dos Geschriebene im Schreibtisch versperren — die besten Manuskripte werden dadurch besser werden —» könnt denken und träumen, braucht euch deshalb nicht selbst auf- zugeben. Cure Freunde werden sich freuen, eure Kinder gesunden, eure Frauen sich wieder Heiden können. Ihr werdet glücklich leben. Nun, was soll das, sechstens? Sittliche Be denken? Hemmungen? Gesamtwohl? Ethik. Wir wollen mal deutlich sein: Gut ist alle», was geeignet ist, die Summe von Leiden zu verringein. Tut ihr nicht« für euch, wird niemand was für euch tun — das End« eurer phvsischen Existenz rückt nnabwendbar näher. Hemmungen. Sollen jene immer den Nutzen eurer Hemmungen genießen? Die Ilnanstän- digen die Hemmungen der Anständigen? Seid einmal hemmungslos, daun werden jene — alle — kernen, daß Hemmungen entweder für alle gelt« oder für keinen. Ihr fürchtet die Revolution -es Magen» gegen dcn Kopf? Ich aber sage euch: das ist die echte Bundesgenossenschaft von Hirn und Herz, die Schul- ter an Schulter leben wollen — oder sterben. Noch ist Meneniu» Agrippa nicht vergessen: nur die Moral klingt umgekehrt aus: sie können doch nicht leben, wenn alle .Schieber" sind. Deshalb werden sie bald, sehr bald darauf sehen, daß die Blumen wieder duf- ten — und daß da» Vorrecht de» Stinken« ihn« er- halten bleibt, und daß sonst die natürliche Ordnung der Dinge wiedcrhergestellt wird. Ihr werdet euch nicht dagegen wehr«, wieder abzutretan, «enn e« Zeit ist. Nicht früher. Alles — nur nicht tatenlos, wehrlos nerrecken. Do» ist verächtlich, viel, viel verochtl-cher als olle» andre. Am verächtlichsten aber ist, in demütiger An- ständigkeit aus die Bettelsuppe der Hilfskomitee» ru wart«, und den Geis» Mt QuLkerspeis« Wch» füttern zu lassen. Wehrt euch, regt euch, beißt, schlagt um euch, schlagt zurück, wenn man euch schlägt, schreit, wenn ihr leidet — aber seid nicht so furchtbar anständig, so entsetzlich -ahm! Denn eure Anständigkeit ist-unanständig, eure Zahmheit böse. * So wollt' ich zu ihnen sprechen. Aber dann machte man mich darauf aufmerksam, daß sic sich ja noch gar nicht versammeln! Sie schlafen. Pst! Still! Stört den deutschen Geist nichr! Er hungert, aber er schläft dabei gut. Lebt er über» homvt? Zweckentsprechende Mitteilungen 6nd an di- Re daktion dieses Blatte« zu richt«. Wie deutsche Privatdozentea »leb«". Nach -c.i Berichten des Reichstagsaba« c-neten Univ.-Prof. O. Dr. G. Schreiber (Munster) in seiner Schrift »Die Not der deutschen Wissenschaft und der geistigen Arbeiter" sind eine ganze Reihe Privatdozenten bei Kanaldaut«, bei Eisendahnbauten, bei Tiefbauten und anderen Arbeitsstellen in dcn Ferien tätig. Ändere er- teilen Nachhilfeunterricht für Kinder, um den kärg lichen Lebensunterhalt zu gewinnen. Je mehr da.- Kolleggeld erhöht wird, um so mehr leert sich drr Hörsaal des Privatdozenten. Ein« Reihe von (im Herbst 1922 beantworteten) Fragebogen offenbaren Tragödien. So gibt ein Privatdozent als Ein- kommen 1922 150 000 .<t an. .Nebeneinkünfte nichk vorbanden. Wenn solche Nebeneinkünfte zufkirßeu, so deshalb, weil ich während der Ferien einige Wochen al» Tiefarbciter tätig war. Ich bin von Zeit zu Zeit genötigt, Wertgegenstände zu veräußern." Der Fragebogen eine» anderen Privtdozenten: Kinderzahl: .vier". Jahreseinkommen: ,190 000.4t". Nebenerwerb: .Erdarbeit im Eisenbahndau". Dabei schwere Lungenkrankheit der Frau.... Neue Werke »o» Hauptouum. Hauptmann» Ulrich.von-Lichten st ein-Drama .Frau Minne" steht vor der Vollendung. Line neue Dichtung Hauptmann» in Ottave rime, die der Er- innerung an oerstorbene Freunde gewidmet ist, kiihrt den Namen ^eute". — Noch im Herbst dieses Jahres sollen zwei Bände .Gespräch« mit Gerhart r^auvkmann", gesammelt und h«rau»gegeben non Zosef Schapiro, erscheinen-, em Vorabdruck mit Erinnerungen an August F»r«l wird anläßlich de« For^s b«U» in diese» PoWn» ver- Ssfeatvcht »»«»».
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