Suche löschen...
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 13.09.1923
- Erscheinungsdatum
- 1923-09-13
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-192309131
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-19230913
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-19230913
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1923
-
Monat
1923-09
- Tag 1923-09-13
-
Monat
1923-09
-
Jahr
1923
- Links
- Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
0oaa««Lg, aeo rs. sepremder l-eipriger ?«gedl«tt uack HLo6«r»»ettm>g e ge- rung zen er ir De- ich der Sep - :grnem !rons^ eschlu!) über unter- Zlatin, !N in jeder ingcn, a n - > Lil- nnten rbesitz gen »prüft» : 192S !N Ls» >rmit- "raus- schluß enden anzu- del- l-Mc- von alb- )rcn), bold- juri- '.etall ehalt ,enau oder wie c ge- sig:n brr- ! die MN Han. 'am imt Han- >)an. 8^ raf. Mr ner« 'g. ig- im sw.) 'ten der br-r Hs- Ng Die. n - rnr :«il ihr ld. di- ist- n. cm »u 4l- dir Ue rt- >er >ie b. 'r- >e- m ich >ie m u- r. n. er !n er er 1» ei 'ka^esderickt Vie entfesselte Stadt Was ist denn hier los? Bin ich in einer verhexten Stadt? Traume ich? Ein Volk von Mohren, Indianern, weiblichen und männlichen Zwergen, winzigen Greislcin und Matronen, Miniatur-Clowns und Rowdys wogt und brüllt durch die abendlichen Straßen. Es knallt — Detonationen ertönen — wird geschossen? Bengalische Signale flammen rot durch die Rächt. Ich bin hier fremd . . . Um Gottes willen, die Straße ist versperrt von einer Pygmäcn-Horde scl'samer Geschöpfe, sie umringen mich heulend, sie schreien in einem imverständlichen Idiom — — — .Hilfe, Polizei, Wache, Sipo! Ich wage mich an ein Halbwegs Manier- liches Geschöpf heran, das wie ein Knabe anssieht, aber wahrscheinlich ein verkleidetes Mädchen ist und mit feierlicher Würde einen Lampion vor sich herträgt. Ich frage, was das alles zu bedeuten har. Zwei verständnislose Augen blicken mich an; ich höre ein Wort; es klingt wie eine Zauberformel, etwa: „Dauchscher". Was fange ich damit an? Ich erbitte nähere Erklärung. Da wird der Blick des seltsamen zwitterhaften Wesens abgrundtief vor Verachtung. „Na Dauchscdes — du — Dämlack ." Und weg ist sie; oder er. Ich weiß es nicht. Richr einmal Deutsch sprechen diese Geschöpfe. Da steh ich nun . . . wie der Riese in Liliputs Land. Eine kleine Hexe schwirrt an mir vorüber. Ein Dreikäsehoch, den steifen Hut tief im Gesicht, zerlumpte, schlotternde, überlange .Hosen und Stiebcl so groß wie Elbkähne, steht plötzlich vor mir, eine leibhaftige Verkleinerung von Chaplin. Nackte Gestalten in Fellen und Federschmuck, die rote Brut vom Stamme der Sioux, stürmt durch die entfesselte Nacht. — Und wo ich frage, tönt mir das geheimnisvolle Wort „Dauchscher" entgegen. „Ja, sehen Sic/ klärt mich ein vernünftiger Leipziger auf, den ich endlich sand, „das ist eine Leipziger Spezialität, so etwas finden Sic in. der ganzen Well nicht wieder. Die Feste der Semiramis im alten Babylon waren ja auch nicht ohne; die Venetianischen Nächte am Canal Grande, dec Karneval in Rom, der St. Nepomukstag in Prag, der Blnmcnkorso rm Wiener Prater sind Feste, die für ein paar Stunden volkstümliches Leben in die Städte bringen. Aber was ist das olles gegen das Tanchsche! Acht Tage und acht Nächte (und auch noch länger) sind sämtliche Kinder Leipzigs außer Rand und Band und auf die Stadt losgclasseu, acht Tage und acht Nächte tobt der Karneval der Kinder, lämpfcn die Connewitzcr gegen die Plagwitzcr, acht Tage und acht Nächte lang: Knallfrösche und Petarden und vertauschte Geschlechter und vertauschte Lebens alter, und groß ist klein und klein ist groß — dos isi die Walpurgisnacht der Leipziger Kinder." „Mer was bedeutet „Tauchsches?" „Ach ja, — „Tauchsches", entgegnete mein Leip ziger plötzlich etwas zerstreut, „das ist ein alte Gc- schichte, davon schon die Chroniken berichten. Etwas Genaueres wissen wir Leipziger darüber nicht, am allerwenigsten die Kinder, die das Tauchsche feiern. Es ist eben Tradition, in Fleisch und Blut über- gegangen. Bor einigen Jahrhunderten wollte die gute Stadt Taucha auch eine Messe haben (schon da mals wollt" jedes Städtchen sein Mcßchen haben), und da zogen die erbosten Leipziger nach Taucha und ver droschen die Tauchaer gründlich. Seitdem ist ihnen die Lust vergangen, auch eine Messe ihr eigen zu nennen. So ungefähr war die Geschichte. Leider kann Leipzig mit den andern Meßstädten heutzutage nicht mehr auf gleiche Weise verfahren; zu Schade. Und in Erinnerung an jene Prügelei in Taucha machen die Leipziger Kinder jährlich im September großen Feez; und wenn die Connewitzcr und die Plagwitzcr mit Gcbrnlk auf den Kriegspfad zichcn, dann wissen sie zwar nicht mehr, warum sic sich prügeln, aber es ist nun mal so — es ist ähmd Tauchschcs. tz_'sk. Armeua«t«direktor i. R. Sell s. Am Montag verstarb in Leipzig der seit kurzem im Ruhestände lebende Direktor der Armenpflege Oskar Sell. Er hatte vorher dem geistlichen Stande angehört und sich in dieser Stellung schon vielfach Werken der Wohltätigkeit gewidmet. Geboren am 20. Novem ber 1857 m Meiningen, begann er im Jahre 1881 seine Wirksamkeit in Leipzig als Hilfsgeistlicher, wurde 1884 zweiter Diakonus an der Peterskirchc rückte 1887 in die Stelle des ersten Diakonus ans und wurde 1890 Archidiakonus. Als solcher amtierte er an der genannten Kirche bis Mitte Septem- der 1911, zu welchem Zeitpunkte er das von der Stadt neubcgriindetc Amt eines Direktors der Armenpflege übernahm. Bei der reichen Erfahrung, die er sich schon während seiner früheren Tätigkeit auf dieseni Gebiete erworben hatte, wirkte er äußerst nutzbringend, namentlich auch durch seine umfassende persönliche Kenntnis der einschlägigen Verhältnisse. Ende Juli dieses Jahres trat er in den Ruhestand, und so ist es ihm leider nicht vergönnt gewesen, diesen lange zu genießen. Lin Liter Milch eine Million Der Rat gibt bekannt: Der Vollmilchprei« im Stadtbezirk Leipzig wird vom 13. September o» je Liter auf l 000 000 Mark ab Laden oder frei Haus bis auf weiteres festgesetzt. Die Mager- und Buttermilchpreise betragen die Hälfte -es Vollmilch preises. Die Förderung der städtischen Großhandels- martihalle zum Ziel gesetzt hat sich eine Vereini gung, die kürzlich gegründet worden ist. Sie nennt sich „Standinhaber-Veceinignug der städtischen Großmarkthalle", ihr lsaben sich bereits die nam- Haftesten Firmen der in der Großmarkthalle am Dösener Weg vertretenen Obst-, Gemüse-, Süd- frucht, und Fischwarenbranche «»geschloffen. Als Vorsitzender wurde PanU Küpper gewählt. * Einzulösendes Post-Notgeld. Das von der Oberpostdirektion Leipzig ausgegebene Notgeld in Stücken zu 1 und 5 Millionen Mark wird lns Ende September d. I. bei den Postkassen cingelöit. Billige Speisen in den BahnHosswirtschaften. In einem besonderen Erlaß weist der Reichsocr- kehrsmii'.ister daraus hin, daß die Bahnhofswirte zu angemessenen Preisen anzuhalten sind; die Reichs- bahndirektionen sollen scharf darüber wachen, daß die Bahnwirtsck>aftcn keinesfalls teurer als gleich artige Wirtschaften des Ortes sind, und Bahnhofs- wirte, die übermäßige Preise fordern, unnachsichl- lich zur Rechenschaft ziehen. In jeder Bahnhofs, wirtschaft muß ein Preisverzeichnis aushängen. Weiter sollen, da heute viele Reisende nicht in der Lag« sind, Flcischbeibaqen zu bezahlen, die Bahn- wirte verpflichtet werden, auch Semmeln oder Brot ohne Beilage abzugeben. * Neuer Tarif für Kraft- und Pferdedroschkcn. Durch die sprunghafte Preissteigerung der Betriebs mittel ist den Führern der Kraftdroschken als Tcuerungszuschlag der 4 500 000 fache, bisher :> 000 OOOfache, den Führenr der Pferdcdroschken -er 4 000 OOOfache, bisher 2 500 OOOfachc Betrag des vom Fahrpreisanzeiger nach Taxe III angezeigten Be trages genehmigt worde... Weiter hat das Polizeipräsidium beschlossen, die Bahnhofsgebühr für Droschken und telepho- nische Bestellungen von 300000 Mark auf 450 000 Mark zu erhöhen. Auch diese Erhöhung ist gestern in Kraft getreten. * Das Stadtgeschichtliche Museum zeigt in der Folge „Leipziger Landschaft im Bilde ll'tumdcr Künstler" Skizzen und Federzeichnungen non Alderr Andresen. Sächsischer Katholikentag. Am 6. und 7. Oktober findet in Dresden der diesjährige fünfte sächsische Katholikentag start. Mit der Tagung verbunden ist die Feier des 25jährigen Pricsterjubilänms des Bischofs Dr. Christian Schreiber von M-sißen, der eine besondere Veranstaltung am Sonntag abend ge- widmet ist. Auch diese Veranstaltung findet im Aus- stcllungspalast statt. Was kostet heule em Prozeß*) Von AmlSgerichtärat vr. SottumLNN-Leipzig Die Ebbe in den Staatskassen, die immer größer werdende wirtschaftliche Not der Rechtsanwälte Haven eine beschleunigte Anpassung der Gcrichts- und Anwaltskosten an die in unheimlicher Schnelliq- keit fortschreitende Markentwertung erforderlich ge- macht. Aus diesem Grunde hat der Reichsjustiz minister am 23. Juli 1923 eine Verordnung zur Er höhung der Grrichtskolten erlassen, die feit dem 7. August in Kraft ist. Weiter hak der Reichstag am 18. August ein Gesetz über die Gebühren der Rechts anwälte und die Gerichtskosten beschlossen, das — infolge sofortiger Verkündung — noch am selben Tage in Wirksamkeit getreten ist. Beide Gesetze haben die Gebührensätze in vielen Punkten geändert. Zunächst sind durch die Verordnung vom 23. I"li 1923 die gerichtlichen Gebührenklasten vereinfacht worden. Es gibt nur noch vier Klafft n: 1. Klasse bis lOOOOO Marl einschließlich, volle Gebühr 0 Prozent des Wertes des Slreitqegen- staudes, 2. Klasse vom Mehrbetrag bis zu 2 000 000 Mark einschließlich, volle Gebühr 4 Prozent des — stets auf die nächst höheren 100 000 Mark abgerundeten — Wertes des Streitgegenstandes; 3. Klaffe vom Mehrbetrag bis zu 5 000 000 Mark einschließlich, volle Gebühr 3 Prozent; 4. Klaffe vom Mehrbetrag unbegrenzt, volle Ge bühr 2 Prozent. Auch die A u s l a q r n b c r e ch n u n g des Ge richts hat insofern Abänderungen erfahren, als die Schrcibgebühr für die Seite jetzt 1000 Mark beträgt, und weiter die Zeugen- und Sachverständigen gebühren durch die — am 1. September in Kraft getretene — Verordnung vom 18. August 1923 ganz wesentliche Erhöhungen erfahren haben. Die Gebühren selbst sind unverändert geblieben; in einem streitig gewordenen Prozeß werden auch in Zutunfl regelmäßig mindestens 3 volle Gebühren erwachsen. Oie Gebührenklalsen der Rechtsanwälte sind durch das Gesetz vom 18. August 1923 völlig verändert und dabei vereinfacht worden. Die Zahl der Klaffen beträgt nur »och fünf: 1. Klasse bis 1 000 000 Mark, volle Gebühr süni- zehn Prozent des Wertes der Streitgegenstände; 2. Klasse vom Mehrbetrag bis zu 3 000 000 Mark einschließlich, volle Gebühr 10 Prozent von dem — stets auf die nächst höheren 1 000 000 Mark abge rundeten — Werte des Streitgegenstandes. 3. Klaffe vom Mehrbetrag bis 'OO-IOVO Mark einschließlich, volle Gebühr 5 Prozent. 4. Klosse vom Mehrbeträge bis 500 000 000 Mart einschließlich, volle Gebühr 3 Prozent; und 5. Klaffe vom Mehrbetrag unbsichränkt, voll: Ge bühr 2 Prozent. Dabei ist noch zu beachten, daß die Mind c st - gebühr auf jeden Fall 50 000 Mark beträgt nu-.' in Armensuchen der Rechtsanwalt mir bis zu einem Höchstbetrage von 200000 000 Mark die Gebühren aus der Staatskasse ersetzt erhält. Weggefallen sind die Paufchsätze, die der Anwalt früher noch erhielt. Dageipm hat er jetzt Anspruch auf Erstattung der bei Ausführung des Auftrags ernmchsencn Post-, Telegraphen- und im Fernverkehr entstandene Fernsprechgebühren (zum Nachweis ihrer Entstehung genügt eine dahingehende Versick>crung des Anwalts). Weiter stehen ihm im gewissen Um fange Lchrcibgebühren (Seite 1000 Mark) zu. Vn ganz besonderer Bedeutung für die Gebüh- r-ndcrcchnung sowohl des Gerichts als auch der Rechtsanwälte ist die durch das Gesetz vom 18. August 1913 — als A9 Abs. 2 Gerichtskostcn- gesetzes geschaffen — Vorschrift, wonach der Wert des Streitgegenstandes sich nicht mehr nach dem Zeitpunkt der Klageerhedung (8*4 Zivil prozeßordnung), sondern nach dem des Urteils, crlasses richtet, falls er im Verlaufe des Prozesses gestiegen ist. Durch diese Vorschrift hat der Gesetz- Heber einem dringenden und auch durchaus berech- tigten Wunsche der gesamten Rechtsanwaltschaft ent sprochen. Blieb doch bis zu dieser Bestimmung in anhängigen Rechtsstreiten — nwchtcn sie auch noch solange dauern und noch so viel Arbeit erfordern — die durch die Markentmertung herbeigeführten u. a. außerordentlichen Steigerung aller Sachwerte ohne jeden Einfluß auf die Gebührcnberechnnng. Die nachfolgenden verspiele sollen zeigen, wie hoch die Kosten eines Prozesses im EiuzelsuUe sind, nnö wie sich Gerichts- und Au. waltskosten zu einander verhalten. Wenn schon Prozesse bis zu einem Streitwert von drei Millionen Mark keinem Anwaltszwang unter- liegen (die Auwaltskosten also unter Umständen bei Prozessen mit diesem Streitwert ganz oder aut seitcn einer Partei Wegfällen, soll auch hier wieder angenommen werden, daß beide Parteien von An wälten vertreten werden und je drei Gerichts- und je drei Anwaltsgebühren entstehen. .X) Streitobjekt: 100 000 -K; drei Serichtsgebüh- ren 18-000 .8, 2X3 Anwaltsgebühren — 90000" Mark; insgesamt 918 000 „st. Hierzu zwei Prozent Umsatzsteuer von den Anwaltsgebühren. 8) Streitobjekt: 1 000 000 .ss; drei Gericht», gebühren — 810 000 2X3 Anwalksgebühren --- 4 200 000 -st; insgesamt 5 010 000 -st. Hierzu Um satzsteuer. C) Slreitobejkt: 100 000 000 .K; drei Gerichts- gebühren - 6 210 000 .st; 2X3 Anwaltsgebühren — 20 100 000 -st; insgesamt 26 616 000 M. Hierzu Umsatzsteuer. Dieses Ergebnis zeigt wiederum, daß die Prozesse mit geringerem Streitobjekt gegenüber den mit hohem Streitwert mit zu viel Kosten belastet sind. Besonders fällt dabei ins Gewicht, daß die volle Anrvaltsgebühr auch bei dem kleinsten Objekt von 150 000 -st, die Mindesrgcbühr aber 50 000 ^st be trägt. Es lehrt aber noch eindringlicher als früher, daß bei kleineren Streitwerten das Kosten- risiko außerordentlich groß ist und sich deshalb jedermann noch genauer als früher über- legen muß, ob er wegen unbedeutender Ansprüche einen Rechtsstreit beginnen will. Uebrigcns dürste die Erhöhung der Gerichts- und Anwaltskostcn noch nicht zum Stillstand gekom men sein. Wie verlautet, soll bereits edcr eine Erhöhung der Anwaltskosten in Aus..P stehen. Ihre Rechtfertigung findet sie in der außerordent lichen Notlage, unter der die gesamte deutsche An waltschaft leidet. , *) Dergl „Leipziger Tageblatt" v. 17?Zuii' 1923. Sächsischer Lebenshaltuirgsindex (Mitteilung d. Sächsischen Statistischen Landesamtcs.) Nach den Preisfeststellungen vom 10. September 1923 sind vom Statistischen Landcsamte folgend- Indexziffern der Lebenshaltungskosten (1913/14 1) berechnet worden: Gcsamtindex (für Ernährung, Hei zung, Beleuchtung, Wohnung und Bekleidung) — 4 340 216. Gcsamtindex ohne Bekleidung -- 3 481 062. Am 3. September 1923 betrug der Gcsamtindex mit Bekleidung 1 535 523, und ohne Bekleidung 1 362 731. Vom 3. bis 10. September sind mithin die Preise der bei der Teuerungsstatistik berücksichtigten Güter um 182,7 bzw. 155,4 v. H. gestiegen. Die bisher vom Sächsischen Arbeitsministerium veröffentlichte „Punkt- zahl" (Steigerungszahl gegenüber Januar 1922 1) beträgt für den 10. September 1923: 183 869. Oer Mensch ohne SezishAng Don voris Beziehung ist olles, steht an der Stirn jener Welt, in der gelebt, geliebt, gewerkt, gewirkt, um Palmen, Lorbeer und Myrte gerungen und geeifert, der Mann im Wege erbarmungslos überrannt, des Nächsten Ehre kaltblütig abgescynitten wird, wenn das Ziel es erfordert, der Preis cs will. Jene Gesellschaft, die sich Welt, jene Welt, die sich Gesellschaft nennt, beruht auf der unerschütterlichen Grundlage der Gegenseitigkeit. ui ckes (ich gebe, damit du gibst), die alte römische Rechts formel, ist das tragende und erhaltende Prinzip des menschlichen Gesellschaftsbaues. Zumal im rasenden Wirbel moderner Zivilisation zuckt wider deine Brust (und deine Seele) dj§ drohende Frage: Wer bist du? Was kannst du mir nutzen? Nicht deine Person, deine Persönlichkeit, deine Leistung als „Ding an sich" gibt den Ausschlag, sondern die „Be ziehung" deiner Person, und deiner Leistung zum Mit- und Nebenmenschen; seine Möglichkeit, dich und deine Leistung zu „exploiticrcn", entscheidet. Entweder „man" ist eine Beziehung, oder man hat sic. Meistens ist beides identisch. Wer eine Beziehung ist, hat auch Beziehungen. Schwer zu definieren, wo und wann für den Herr» und die Frau von Welt der Mensch anfängt, eine Beziehung darzustellcn. Sichere Feststellungen: Der amtierende Minister, der Stellen zu besetzen, Titel und Würden zu ver- leihen hat; der Politiker des Tages, von dem man spricht; mit dem zu sprechen daher Relief gibt; der Mann der Presse, der Journalist, der dich in die Zeitung bringen oder totschwcigcn kann; der Geheime Kommerzienrat, bei dessen Diners man Bekanntschaften von Wert und Wichtigkeit (neue „Beziehungen") knüpfen kann; der Dichter tz 1» modo; der Dankdirektor, dessen „Tips" Vermögen bedeuten; der „Herr au« dem Auswärtigen Amt", der die un- crhörtesten diplomatischen Geheimnisse, weltbewegende „Informationen" zwischen Hemdbrust und Frack birgt; der Theaterdirektor, der dir (notabene: wenn du selbst eine „Beziehung" bist) mit gönnerhafter Miene kinc Loge zur Verfügung stellt; der Primadonncrich Ces Konzertsaales oder auch des Films; der Kritiker, ^er deine Pucher, deine Bilder, deine schöpferischen Taten nnd Missetaten seligsprechen oder verdammen kann; der große Arzt, dessen schier unerschwinglicher > Rat einer Gunstbezeigung gleicht; der Meister, von , dem gemalt oder gemeißelt zu werden schön oder < elegant sein heißt; der Großindustrielle mit den dreißig Aussichtsratsstcllen; der „bekannte Ver teidiger", dem die Sensationsprozefse die „ca-usos <elebres" automatisch zuströmen; der Bühnenautor mit den siebenstelligen Tantiemen; die Frau, die einen bedeutenden Salon hat: diese alle und ihres gleichen sind „Beziehungen". Einfluß haben heißt die magische Formel, das „Sesam, öffne dich", wovor die verschlossensten Pforten auffliegcn, die exklusivsten Häuser den Charakter der Ausschließlichkeit aufgeben. In der Welt des Scheins, die die „Welt" schlecht hin ist, gilt Sein gering. Man kann in Ehren (und unter Mühen) ergraut, ein tüchtiger, arbeitsamer, zuverlässiger Staatsbeamter — ein stiller Gelehrter, der an seinem Schreibtisch bei der Stndierlampe ernste und rvertvolle Gedanken fördert, ein wackerer und redlicher Kaufmann, der ein Menschenalter für Treu und Glauben bescheidenen Gewinn einstrich, ein pflichteifriger Helfer, Lehrer, Erzieher der Mensch- heit, man kann das alles nnd noch manches andere sein und wird in der Steeplechase der öffentlichen Geltung und Beachtung doch geschlagen werden. Man begegnet häufig in Gesellschaft Männern und Frauen, die keiner nennt und kennt. Sic sind zumeist unauffällig, unscheinbar, liebenswürdig, farblos. Sic sprachen üenig, hören gut und aufmerksam zu, er- weisen sich, wo sic können, hilfreich, offensichtlich bemüht, sich angenehm zu machen. Man weiß nie, sind es entfernte Verwandte des Hauses, selbstver ständlich und lautlos Zugehörige, oder — hinein- verirrte „Outsicker", Fremdlinge, bar der Kunst, sich Beachtung zu erzwingen? Fragt ein unvermutet Neugieriger zufällig einmal die Wirte nach lolchem grauen Gast, so erhält er oft die verlegene Aus kunft: „Ach, des ist Herr ik Z, ein Mann ohne Beziehung." — Manchmal ist der schüchterne An onymus sogar Eigner von Titel, Würden, Kennt nissen und materiellem Besitz. Nur eines fehlt ihm: — die „Beziehung". Und siehe: lächelnd geh! „Frau Welt" an ihm vorüber nnd hat seiner nicht Acht. Ein geistreicher deutscher Schriftsteller, ber ge- lkgrntlich ein „Brevier für Weltlciitc" veröffentlichte, schrieb in einem der amüsantesten Essays diese» launigen Leitfadens der Lebcnskunst: „Solange du einen gutgeschnittencn Nock, ein Paar Lackstiefcl, einen kleidsamen Hut und zwei bis drei einwandfreie Hemden hast, hoffe! Jede Viertel stunde kann deinen Fuß auf eine höhere Stufe der Leiter des Glücks stellen. Erst wenn die Neqnisiten des Gentleman verloren sind, wird deine Lage ver- zweifelt; die besten Zufälle helfen dir nichts, wenn dein Aeußercs unmöglich macht, sie auszunutzcn. Also: Zögere nicht, zu hungern, wenn es nötig ist, aber trage feste Manschetten!" Wer weiß, vielleicht hat dieses frivole arbiter elexantiarum mit seiner Ermahnung recht. Und sicher ist, daß, wenn die gediegenen Leute, die so genannten „wertvollen Menschen", die Tugend und Grundsätze tragen und keine Beziehungen — aber schon gar keine Beziehungen! — hoben, sotanc leicht fertige Ratschläge befolgen wollten, in Salons, Hotels und Badeorten jener Typus eines raschen Todes sterben würde, den die böse Welt bisher kennt und nennt unter der Bezeichnung: „Der Mensch ohne Beziehung." Die Tragödie de« Geiste«. In folgendem Brief eines Schriftstellers an die „Frankfurter Zeitung" kommt erschütternd zum Ausdruck, wie der verzweifelte Kampf um das nackte Dasein die geistige» Kräfte Deutschlands tötet. „...Der Kampf um die wirtschaft liche Existenz in feiner verabschcuungswürdigen — weil unproduktiven — jetzigen Form (er erinnert an den Tanz um das goldene Kalb und hat doch keine Spur von der Freudigkeit des Tanzes) hat mich ganz und gor gefangengcnommcn, hat mir die Möglichkeit -um Denken nnd zum Schauen abgeschnitten imd nur etwas, wie eine ferne Erinnerung daran ist mir geblieben. Ich suhle mich wie ein aus dem Leben Verstoßener, und jeder Widerschein des „Lebens" tut mir weh. I-nseits des Getriebes, dos mich gcfangcnhält und das ich treibe, ersehne ich nur eines: absolute Stille . . . Den gewünschten Artikel zu schreiben bin ich außerstande ..." — Das ist der geistige Tod, der täglich umgeht, ohne daß man davon Kunde erhalt. Den anderen, den leiblichen Tod meldet der folgende Bericht: Der Lyriker Maximilian Bern, der außer durch seine eigenen Schöpfungen als Herausgeber lyrischer Samm- langen, namentlich seiner „Zekntcn Muse" bekannt ist, ist im 74. Lebensjahre in oo bl kommen k ö.r p/; x l j tzr r Krtchöpju A Morden. S« wurde festgcstcllt, daß Bern seit mehreren Tagen nicht mehr gegessen lwttc. Oie Werkstatt einer vorgeschichtlichen Höhlenbildhauers Eine einzigartige Entdeckung, die einen Einblick in die Tätigkeit eines vorgeschichtliche.-. Plastikers gcwöbrt, ist in einer Höhle in der Rai;„ von Toulouse gemacht worden. In der außer ordentlich schwer zugänglichen Höhle von Saini- Martory entdeckte ein junger Prähistoriker Norbert Castcret Tonmodelle von verschiedenen Tieren, die in Europa schon lange ausgestorben sind, aber hier ia vorgeschichtlichen Zeiten vorhanden waren. Die Höhlenbewohner, die hier künstlerisch tätig waren, gehörten den „Maqdalenicn" an, einer vor geschichtlichen Epoche, die etwa 20 000—25 000 Iahrr zurücklieqt. Die romantische Geschichte der Ent deckung schildert der Professor für Anthropologie cn der Universität zu Toulouse, Graf Henri de Beaoner. dessen Schüler der Entdecker ist: „Die unterirdisch; Quelle eines kleinen Zuflusses der Garonne bilder eine Höhle, die viel zu hoch liegt, als daß der Zu gang so ohne weiteres möglich wäre. Lästeret, dar ein tüchtiger Schwimmer ist, schwamm öfters den Fluß bei Saint-Martory herauf bis zu der Grotte, wo sie verschwindet. Eines Tages war der Wasser- stand niedriger, so daß er in die sonst ganz vom Wasser ansgefüllte Höhle emdringen konnte. Mit einer elektrischen Lampe auf dem Kopf schwamm er wohl zwei Kilometer den unterirdischen Fluß ent lang und entdeckte auf der rechten Seite eine trockene Galerie, die offenbar nur gelegentlich überschwemmt war. Er kletterte hinauf, und das erste, was er sah, war die Form eine» Bären, der au» Toa modelliert war, aber keinen Kopf hatte. Er dran« nun weiter vor und entdeckte in der mitt leren Hoble rohe Wandgemälde von Tieren nnd eine ganze Menge von Tonmodellen. Neben der plastischen Darstellung de« Bären ohne Kopf lag ein wirklicher Därenschädel, wie wenn der vorgeschicht- liche Bildhauer mitten in der Arbeit durch eine Katastrophe gestört worden wäre. Diese Höhlen, in denen Tiere dargestellt sind, werden also wahrscheinlich Stätten der Zauberei gewesen sein. Wie heute noch die Eskimo», die Indianer und afrikanische Stamme, so benutzten die vor geschichtlichen Menschen die Tierdarstellnngen zn magische 2 Zwecken. „
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)