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Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 04.09.1923
- Erscheinungsdatum
- 1923-09-04
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-192309047
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-19230904
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-19230904
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1923
-
Monat
1923-09
- Tag 1923-09-04
-
Monat
1923-09
-
Jahr
1923
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! Sparmahnahmen zur Erhaltung der Leipziger Palmengartenr Unter den Leipziger Kulturstätten leidet besonder» der Palme ngarten. E» ist kein Geheimnt», daß be reits seit vielen Monaten eine Lösung erstrebt wird, wie da« Institut au» seiner wirtschaftlichen Be drängnis herausgeführt »erden kann. In be stimmten Perioden tauchen in der Stadt Gerüchte auf, die von einer Auflösung de« Palmen hause« wissen wollen. Den Eingeweihten ist e« längst kein Geheimnis mehr, daß der Palmengarten mit erheblichen Schwierigkeiten, die durch die Kohlenteuerung heraufbeschworen wurden, zu rechnen hat. Man braucht sich bei den hohen Kohlen preisen nur zu vergegenwärtigen, daß der Palmen- garten jährlich 86 000 Zentner Kohlen benötigt, und wieviel Eintrittskarten verkauft werde» müssen, um allein diese Milliardenausgaben zu bestreiten. Hinzu kommen die Ausgaben für Unterhaltung de» Garten» und die Personalaufwendungen. Um die bestehenden Gefahren zu beseitigen, fichd vom Rat Maßnahmen verschiedener Art erwogen worden. Dabei ist auch da» Angebot einer Filmgesellschaft, den Palmengarten für Filmz wecke zu pachten, geprüft worden. Der Rat ist aber davon abgekommen. Er hat nach ein gehender Beratung da» Filmangebot abgelehnt, da es ihm der Einwohnerschaft gegenüber unverant wortlich erschien, den Palmengarten auf SO bi» 40 Jahre seiner ursprünglichen Bestimmung, als Kulturstätte zu dienen, zu entziehen. Auf kürzer« Verpachtung»dauer würde das Filmunter- nehmen nicht eingegangen sein, da bei den auf- zuführenden Riesenbauten eine Verzinsung de» An lagekapitals nicht möglich gewesen wäre. Bei der Entziehung de» Palmengarten» auf so lauge Jahre hinaus bestand fernerhin die große Gefahr, daß die Anlagen Schaden leiden würden. Der Plan >r Umwandlung de» Palmengartens in einen olkspark war von vornherein undurchführbar, da re Aufwendungen für die Erhaltung die gleichen ''n winden, kt, b'«h"- aufgebracht werden müßten. Der Rit ist schließlich dazu gekommen, um das Palmenhaus zu erhalten, Sparmaßnahmen zu ergreifen. In welchcm Ausmaße ' diese durch- geführt werden, ist vorläufig nur in ungewissen Umrissen festgelegt. Sin Umbau der Hei- ungs anlagen, um Kolen zu sparen, scheidet der Milliavdenkosten wogen au». L« kann sich nur ad um handeln, die Temperatur im Palmenhau« auf ein Mindestmaß zu reduzieren, soweit es ohne Gefahr für die Paünen geschehen kann. An gärt nerischem Schmuck soll gespart >md da» Hauptaugen, merk auf die Erhaltung der bestehenden Baum- nd Sträuchergruppen sowie der Unterhaltung ge- gt werden. Geprüft wird ferner die Frag«, in- ieweit durch Aendrrung oder Verlegung der ' üe'.tszeit, eventuell auch Versetzung in andere .'i^ssotts, an Arbeitskräften gespart werden kann. Bei der strikten Durchführung dieser Maßnahmen und in der Erwartung, daß die Leivztger Ein- wohnrrschaft den Pa'mengartcn unterstützt, hofft der Rat, das Palmenhau« zu Erhalten. Im'Hnterrss« der Stadt würde die» nur zu be grüßen sein, denn Leipzig ist nicht so überreich an lulturstätten, daß es die Auflösung des Palmen- > uses verschmerzen könnte. In aller Kürz« wird ine endgültige Entscheidung von Rat und Stadt- . crordnetcn getrofen werden, ob durch die Spar maßnahmen ein Versuch zur Erhaltung de« Val- uenhause» gemacht werden soll. Noch in diesem Aonat wird di« Bilanz des Palmengartens aus- 'eisen, inwieweit die Hoffnung auf Erhaltung des Palmengarten» al» Kulturstätte -utrtfft. L. 0. * Gewerbesteuer. Die Bescheide über die staatliche Gewerbesteuer und di« 300 v. H. der Staatssteuer betragend« gemeindliche Zuschlagssteuer werden jetzt »gestellt. Erhoben wird auf den Termin 15. Mai 19Ä das Achtfache und auf den Termin 15. August 1923 da» Dierzigfache de» ordentlichen Terminbetrage«. - Wer di« Steuerbeträge für beide Termine nicht innerhalb 14 Tagen nach der Zustellung de« Gewerbe- ' steuerbescheids zahlt, hat außerdem einen Verzugs zuschlag zu entrichten. Zu vergl. Punkt X unter 4 § des Gewerbesteuerbescheids. — Wegen der noch rück- i ständigen Zugtiersteuerbeträge mir-in be» nächsten Tagen da» Zwanasbeitrvtbungsverfahren ein geleitet »erden. Sin« Mahnung ergöht vorher nicht. — Die Ausführungsbestlmmungen zum 43. Nachtrag vom 15. August 1923 zur Steuerordnung für die Stadt Leipzig vom 22. Juni 1915, die Getränke steuer bett., können gegen Bezahlung bei der Stouerhebestell« V, Rathausring 5, Zimmer 18, ent nommen werden. vetriebreinschrLnkung bei der Leipziger Straßenbahn Die Direktton der Straßenbahn hat am 81. August 1440 .Angestellten des Fährbetriebes gekün digt. das sind rund 45 Prozent der gesamten Beleg- schäft. Obwohl die Direktion einen Kundigungsgrund nicht angegeben hat, darf man wohl annehmen, daß sie zu diesem Schritt durch die fortschreitenden Aus gaben gezwungen worden ist, für die keine ausrei- chende Deckuna vorhanden ist. Die ungeheuerlich ge- stiegenen Kobkenpreise und die Verteuerung von Ma- terialien sind die Hauptursachen der Unrentabilität der Straßenbahn, die durch den Rückgang der Fre quenz noch eine wc ^.e Schwächung erfahren hat. Der weitaus größte Teil des Publikums kann e» sich nicht mehr leisten, mehrmals am Tage 200 000 Mark für eine Fahrt anzulegen. Da mit dem geringeren Verkehr die Wagen nicht mehr voll ausgenutzt werden können, wird die Regie zu teuer. Die Direktion glaubt deshalb eine Einschränkung der Wagrnfolge vornehmen zu müssen. Vielleicht wird es notwend.g sein, einige Linien zusammenzulegen. Sei denn, wie ihm wolle. Diese Entwicklung ist im höchsten Grade unerfreulich. lieber sie Zulässigkeit der Kündigung bestehen übrigen« zwischen Betriebsrat und Straßenvaynver- waltung Meinungsverschiedenheiten. Der Betriebs rat glaubt die ohne Angabe von Gründen erfolgten Kündigungen al« ungesetzlich ablehnen zu können. Der Konflikt dürfte jedoch nach der am gestrigen Montag abgchaltenen Direktionssitzung auf gütlichem Wege beigelegt worden sein. Man wird, fall» die Straßenbahn selbst auf der Betriebsein- schränkung bestehen sollte, die im Straßen bahnbetrieb überfälligen Angestellten in an deren städtischen Betrieben unterzu bringen suchen, um die schlimmste Nor von den Betroffenen fernzuhalten. Dem Straßenbahnbetrieb selbst stehen jedenfalls grundsätzliche Refor- men schon für die kommenden Wochen bevor, da sich da« Verhältnis zwischen Einnahmen und Ausgaben von Tag zu Tag ungünstiger gestaltet. Zuschläge bei verspäteter Steuerzahlung Dom 1. September an gelten bei verspäteter Steuerzahlung nicht mehr die bisherigen Zuschläge von 15 oder 30 Prozent. Vielmehr hat der Reichs- finanzmknister die Zuschläge auf da» Vierfach« de« Rückstandes festgesetzt. Außerdem sind die Zuschläge nicht mehr an den Kalendermonat gebunden. Die Verpflichtung zur Entrichtung des Zuschlag» besteht jetzt unmittelbar vom Zeitpunkte der Fälligkeit ab. Nur wer den Rückstand innerhalb einer Woche nach Fälligkeit noch begleicht, bleibt vom Zuschlag frei. Wird dagegen erst am achten Tage nach Fälligkeit gezahlt, -w i-d. z. P. ein überwiesener Betrag erst an "diesem §?ge dem Finanzamt» gutgeschrieben, so ist der Zuschlag in voller Höhe zu zahlen. Ist der Rück stand auch nach Ablauf eine» halben Monat» nach Fälligkeit noch nicht bezahlt, so wird erneut ein wei terer Zuschlag verwirkt. Neben dem Zuschläge bleibt der Rückstand selbst zu entrichten. v»kelMaxvo»derL«ipzigerKiu-«r. zettung veranstaltet nächsten Mittwoch im Lun,park eh» »wette« große. Kinder fe st, zu -em die allbekannte Lautensänge rin Agne« Delsart« ihre Mitwirkung zngesagt hat. Wir verweise» auf die Anzeige im heutige» Inseratenteil. * Erleichterung de« deutsch-böhmische« Autover kehr«. Zur glatten Abwicklung de« Kraftwagcnoer- kehr» an der sächsisch-böhmischen Grenze hat sich die Notwendigkeit ergeben, weitere Grenzübergangs stellen hierfür zuzulassen. Wie wir erfahren, will die Reick)»regi"rung h erüber mit der tschechoslowa kischen Regierung in kürzester Zeit in Verhandlungen treten. . , Tokio in Klammen Furchi-ares Erdbeben in Iaparr - Lieber HVOVVO Menschen - Mehrere Gtädie zerstört Pari«, 3. September. Nach einer Havas-Mel- düng au» Schanghai kamen bei der Erdbeben katastrophe in Tokio und Yokohama 100000 Menschen um. Da» Arsenal in Tokio ging in die Luft. Die Stadt Atami wurde zerstört, wo durch 7000 Menschen getötet wurden. Die Stadt Ito wurde durch eine Springflut hinweggerafft. Bei Sasaki ist ein Tunnel zusamm en- gestürzt, wobei 600 Personen getötet wurden. Zn Tokio wurde das Standrecht verkündet; 200 000 Menschen sind obdachlos. Es soll sich, ngch englischen und ameri kanischen Zeitungen, um ein Erd- und Seebeben ge handelt haben, da» sechs Minuten gedauert hat. Berichterstatter der Londoner Blätter in Japan be haupten, daß - di* amtlichen - Ziffern nur einen kümmerlichen Bruchteil der Menschenverluste um fassen. Yokohama und Tokio seien große Flammen- meere, in deren Straßen die Leichen bei Ausbruch des Feuers bereit» in Haufen lagen infolge des Ein- sturzes von zahlreichen großen Amtsgebäuden un- Geschästslokalen, die aus Stein gebaut waren. Da eiue drahtlose Verständigung Mit den im Hafen von Yokohama liegenden englischen un amerikanischen Schiffen nicht mehr möglich ist, be fürchtet man, daß zwei große Passägierdampfer der Pazifiklinie, die nach San Francisco und Vancouver abfahren sollten, dem Seebeben zum Opfer gefallen sind. Der gesamte Nachrichtendienst von Japan au» funktioniert nur noch drahtlos über Indien und über die amerikanischen Funkennetze im Pazifik nach San Francisco. Die Erschütterungen, die da» japanisch« Erdbeben an der Erdob rfläche verursacht hat, sind sc heftig gewesen, daß sämtliche englischen Instru mente für.Erdbebenmessung versagten. Havas gibt ferner einen Funkspruch au« Tomioko wieder, nach welchem her Prinzregent Hiro- Htte und seine Familie wohlbehalten sind. Zahlreiche Schiff«, die in Yokohama auf der Reed« lagen, sind gesunken. Nach den letzten Nachrichten aus Tokio sind zahlreiche Züge, die, als das Grdbeben ausbrach, sich gegen Tokio be wegten, entgleist. Sie sind vollständig zerstört. Vle Verheerungen In Tokio London, 3. September. (Eig. Tel.) Nach einer heute vormittag in London eingetroffenen Meldung ist es nach 48stündiger Arbeit gelungen -e» Feuer» in Tokio Herr zu werden. Die funkentelegraphische Verbindung mit Japan ist seit heute morgen wieder hergestellt. Nach den ersten Meldungen, die in Amerika eingetroffen sind, be stätigt sich, daß die Katastrophe mehr al» 100009 Todesopfer gefordert hat. In Tokio ist eine Anzahl der Regicrungsgebäude dem Feuer und Grd- beben zum Opfer gefallen und nur mit Mühe und Not ist es gelungen, das Leben -es Minister» Präsidenten Jamamot'» zu retten. Der Ministerpruüdent befand sich in seinem Palais, da» infolge de« Erdbebens zusammenstürzte. Er wurde unter den Trümmern des Palais gerettet. Das gesamte Stadtviertel der Ar- beiterblsvölkerung ist dem Feuer zum Opfer gefallen. Die amerikanische Regelung hat einem Geschwader, das sich in den philippinischen Gewässern befindet, Befehl gegeben, sofort nach Japan abzudampfen und dort bei den Rettungs arbeiten tätig zu sein. Auch drei englische Panzer schiffe, die sich in den chinesischen Gewässern befanden, wurden auf Befehl de» englischen Mariuewini- steriums nach Japan gesandt. Die Verbindung mit Yokohama ist noch nicht wieder hergestellt, da sämtliche telegraphischen und telephonischen Verbindungen mit Yokohama unter brochen sind. Da infolge de» Erdbeben« die Schienenstrecke in einem Umkreise von 100 Kilometer vernichtet wurde, ist es bisher noch nicht möglich ge wesen, Yokohama zu erreichen. Da» Feuer wütete in Yokohama heut« morgen noch fort. Die japanische Regierung hat im ganezn Lande den Belagerungszustand verkündet. Au» den nicht betroffenen Gebieten de« Landes sind etwa 80 000 Mann Militär und 40 000 Arbeiter nach Tokio und Yokohama befohlen wczrden, um dort bei den Bergungsarbeiten tätig zu sein. Auf der Bahn- Uni« zwischen Tokio und Yokohama sind sämtliche Tunnel und Brücken eingestürzt. Yokohama zerstört Paris, 3. September. Nach einem Telegramm au» Osaka sandte der Gouverneur von Yokohama seinen Kollegen vpn Osakp und Kobe folgendes Funkcntelegramm: Meine Stadt ist durch Feuer und Erdbeben zerstört. Die Der- luste an Menschenleben werden auf 10 000 geschätzt. Alle Verkehrsmittel sind zerstört. Wir haben kein Wasser, keine - Lebensmittel. Schickt un« sofort Lebensmittel. In Osaka ist das Kriegsrecht verkündet. Nach einem weiteren Funkcntelegramm au« Südjapan sind die Städte und Dörfer zwischen Tokio und Osaka so gut wie zerstört. An zahlreichen Stellen stehen die Trümmer in Flammen. In Tokio find von 15 Stadtviertely 1y zerstör-. Die Leichen häufen sich in den Straßen. . Di» Zahl der Opfer ist zurzeit noch nicht abzuschätzen. Vas Erdbeben in Leipzig registriert Die Erdbebenwarte des geophysikalischen Instituts der Universität Leipzig registrierte am Sonnabend auf der Nordsüdkomponente ein kräftige» Fernbeben. Di« ersten Vorläuferwellen trafen hier 4.11 Uhr früh ein, wahrend da» Hauptbebe» 4.46 Uhr einsetzte und etwa 13 Minuten dauerte. Nach 5 Uhr erreichten Leipzig noch einige leichtere Stöße, dann klang da« Beben allmählich ab. Eine Ueberschlagsrechnung ergab eine Herdentfernung von ungefähr 10000 Kilometer. MUchvergistuug. In Madrid wurden «ehr als 800 Personen infolge de» Gnuffes verdorben«! Milch vergiftet. Der Tod im ewigen Eise. Wie aus Alaska ge meldet wird, fand eine Rettungscxpedttio, auf der Wrangelinsel die Expedition des Nordpolfahrers Allan Lraw ford auf, der auf der Insel die englische Flagge gehißt hatte. Alle Teilnehmer der Expedition bis auf einen Eskimo waren tot. Strandung eine« deutsche« Dampfer« n» der marokkanische» Küste. Nach einem in Hamburg e n- gegangerwn Bericht aus Gibraltar ist der deutsche Dampfer .Gutenfels* an der marokkanischen Küste gestrandet u,rd sitzt mittschiffs auf einem Felsen iest. Die Lage de» Schiffes ist gefährlich. Der Maschinenraum, zwei weitere Räume, sowie mehrere Tanks stehen voll Wasser. Die Kessel sind nicht mehr betriebsfähig. Bergungsdampfer sind zur Stelle, em Teil der Lddung ist gelöscht. Da» Kind al» Lotteriegewin». In Kingston in Amerika wurde auf dem Jahrmarkt al» Hauptgewinn einer Lotterie ein lebender Säugling ausgesetzt. Das Kind gehört einer armen Familie, die e» nicht er- nähren kann und der Stadtverwaltung übergab. Der Turmwächter von 5l oder Nornarrttk en gros Don Lrn»t ckobv Daß e» noch so etwa« gibt! Die Stadt hat einige Zehntausend Einwohner und schwimmt ganz in -en Rußwolkeu der umliegenden Kohlenschächte. Sttaßenbäum« und Gartenanlageu sind in grau«m Dunst erstickt. Nirgend« sah ich so traurige Rosen und so blasse Kinder wie in dieser Stadt. Mitten kn dieser finsteren Stadt steht der Nckolaitnr». Zn seine« dicken Knopf fitzt ein Wächter. Dieser Turm und dieser Wächter, der alte Niklas, sind innerste Angelegenheit der Bevölkerung. Kein Junger, der nicht Abschied nahm vom Vater Niklas, als er in die weite Welt zog! Kein Alter, der nach Rückkehr in die Vaterstadt nicht da ob«n auf dem Nikolaiturm Visite gemacht hätte! De» Herz in Lieb entbrannt, we» Sinnen wehmutsvoll, wer m Kümmer- nissen verstrickt oder von kommenden Freuden heimlich durchsonnt alle die treten unter die graue Pforte des Nikolaiturm», reißen an der Klingel und nehmen die Nase weg, wenn der schwerpfündige Torschlüssel an einer eisernen Kette herunterrasselt. Und Feuerwächter Niklas weiß, wa» sein« Kund- schäft will. Da» Panorama, da» er zu bieten hat, ist nicht viel wert. Wegen der Feueressen und der Häuserdächer steiat niemand 106 Stufen in die Löh«. Wohlvertraut mit dem, womit eine einfache Seel« Sonntag feiern will, hat er sein« Turmstube 1» ein Kabinettchen verwandelt, bei dessen Anblick nicht nur das lila verträumte Seelchen einer Altjungfer auf- juchzt, sondern auch di« Brust de» weitgereisten Manne« von Sehnsucht nach dem Einst mächtig durch plustert wird. . Da ist ein Dlasschrank. An dessen Scheiben stecken hundertteilige Fächer von vergilbten Visitenkarten. Die Wände find übersät mit Photo» aller Zeiten, von dem klaren Bromstlberdruck Daguerre» über di« schwulstig« Pküschfauttuillr-Photoaraphi« zur Kodack» «ufnahm« au» dem Schützengraben. Die g«»H« Stadt mit ihren Dorkahren Ist versammelt in der Dachterstube des Nikolaiturm«. Und Vater Niklas bewacht sie und wischt ihnen jeden Morgen den Staub von den gelben Gesichtern. Dann aber setzt er sich in den Großvaterstuhl und — malt. Malt Spruchbilder. Man kennt ja die Marotte alter Leute, in ihren knappen Nächten zu dichten. Wa» dem alten Mann bei seinen Turmgängen um Mitternacht b«ifällt, was er dann bis zum Morgen kaffee in kleine Verse gebracht hat, das wird mit Blau stift und Tusche auf weißen Karton gemalt: Schon zwanzig Jahr' ich auf dem Turm steh Und mich nach allen Seiten umfeh. Zwar ist es einsam, doch ist » schön. Bald w«rd' ich in die Ewigkeit gehn. So ungefähr. Und noch ein wenig abendroter, noch ein wenig mehr: Abschied des Pater» von seinen Söhnen. Dabei aber ist Papa Niklas mir in seiner Lyrik so sterbesüchtig. Im übrigen raucht auch er lieber eine Henry als eine Porstenlanden. Leidenschaftlich gern ißt er Sträußelkuchen. Auch .Trabener Kräuterhaus* und ander« würzige Weinchen de» Rhein- und Mosel lande» finden in ihm einen wohlwollenden Beurteiler. Das Publikum weiß da» und ehrt seine'doppelten Qualitäten. Tagtäglich finden sich auf den Nikolai turm Könlaskinder jedes Alter». Da oben 'st man vor den nassen Zungen böser Nachbarinnen sicher und Pater Nikla» ist, nachdem er einen Topf rassigen Kaffee gekocht und sein Straußelkuchendeputat verdrückt hat, von entzückender Diskretion. E» kommen natürlich auch Leute, bei deren Besuch sich Herr Niklas nicht plötzlich zu besinnen braucht, day er ja di« Turmuhr aufzieben muß. Da» sind meist ^alte ehrenwerte Knochen, die dann von ihrem Di»marck schwattern, Kautabak lutschen und Malzbier dazu trinken. Un- ab und zu kommt «in Fremder, verlangt da» Besuchebuch, Jahrgang 1892-94, setzt sich schwei gens in» Kanapee und blättert. Jagt über di« Seiten, übrr di« Namen und starrt dann lange, lange hinan» in den versinkenden Tag. Sein Finger aber ruht auf zwei Namenszügen, um die «in flammende» Herz zuckt. Dann gibt der Fremd« — ganz wi« im Kino — -em Alten wortlo» «inen ««»ländischen Geldschein und hasicst di« Stufen hinunter. Niklas, der Wächter, aber beginnt seinen Rund- gang. Als zu seinen Häuptcn der schwere Klöppel der Turmuhr zwölf dumpf« Schläge getan, ist da» Ge dicht fertig. Es heißt „Heimkehr": Max Reiuhardt kehrt .zurück? ABerlin wird uns gedrahtet: In Künstlcrkreistu verlautet, daß FelixHolländer amtsmüd« ist und schon in der nächsten Zeit die Leitung des Deutschen Thea ters und dc» Großen Schauspielhaus«» niederlegen wird. In Verbindung mit einem Besuch, den Direktor Holländer bei Max Reinhardt in Salzburg gemacht hat, wird auch von einer Rückkehr Reinhardts, der aber in Wien das Ioseftheater eröffnen will, nach Berlin ge sprochen. Der Rückttittsentschluß Holländer» soll auf finanzielle Schwierigkeiten seiner großen Thraterbettiebe zuriickzuführen sein. Da« Jubiläum der Dresdner Staatsoper. Unser fs. ^.-Korrespondent erführt über die Pläne -er Dresdner Staatsoper und Staat»kapelle folgende«: Al» wichtigste» Ereignis beherrscht in -en nächsten Wochen das 875jährige Jubiläum der Staatsoper da» Dresdner Kunstleben. Der eigentliche Gedenktag (22. September) wird durch ein große» Konzert unter Generalmusikdirektor Fritz Dusch» Leituna in der Staat»oper festlich be gangen werden. Vorher, am Sonntag, den 12. Sep tember, findet in der Katholischen Hofkirche die Auf- sührung einer Mess« von F. A. Hauße, Leitung Generalmusikdirektor Dusch, und anschließend die Aufführung eine» Tedeum» von Kammermusiker Joses Lederer, Leituna Pembaur, statt. Ein künstle- rische« Kammerkonzert im Dankettsaal de» ehemalia«n Residenzschlosse» ist ferner geplant. Im Rahmen des Jubiläum» find auch Neueinstudierungen zweier Opern früherer Dirigenten vorgesehen. — An Konzert werken sind von Fritz Busch erworben worden u. a. da» Cborwerk Mors et vita von Hqns Gal (Wien) und die sinfonische Dichtung .Faustszen«* (nach Goethe, erster Teil) von Hermann Ambrsfiu» (Leipzig). — Generalmusikdirektor Dusch ist ein geladen morden, Anfang Oktober zmri Konzert« in Stockholm und Ende Oktober rin Ginfoniekonzert de» Zürcher Tonhallenorchester» zu leiten. Wim sst -tkviark Ein« Schnecke ohne Hau», «ft» Kaufmann ohn« Laden, sagt «an in China. Zn Wirk lichkeit ist es ein Mann, der sein eigener Packtraget ist. »Ein Hikosar bleibt zeitlebens ein Hikokar", lautet ein chinesisches Sprichwort. Er mag noch so hoch steigen, den Pack, der er einst geschleppt, tragt er un sichtbar auf dem Rücken weiter. Es sind arme Teufel, die Hikosqre, aber wir bei uns ein Lumpensammler e» bis zum Rothschild bringen kann — der Stamm vater des Frankfurter Hause», Mayer Amschel (An selm) war nichts andere» —, so kann auch in China ein Hikosar schließlich ein reicher Mann werden. Die Geschichte eines solchen Hikosars, eines Pinselhändler» von unermüdlichem Fleiße (.Fleiß zieht stärker al» vier Maultiere", sagt da» chinesische Sprichwort), sein Glück und Ende erzählt Robert Austerlitz im neuesten Heft der Monatsschrift „Da» Leben", und er weiß diese Geschichte so reizvoll einzukleiden und sö fesselnd vorzutragen, daß man mit sich ständig steigerndem Interesse di« Schicksal« seine» Helden verfolgt. Der Verfasser hat dies« wundervolle Geschichte während einer Orienttelse au» dem Munde seines Trager» in einem Teehaus« gehört. Sie ist »eine« d«r kostbarsten Geschenke", da» er mit in die Heimat gebracht hat. Wer sie liest, wird ihm beipflichten. Zentralheizung für eine ganze Stadt durch heiß« Quälen. Der Bürgermeister von Reijkiavik, d« Hauptstadt von Island, Ingenieur Knud Zimsen, der sich gegenwärtig in Christiania befindet, hat in einer M^nreduna mit einem Mitarbeit- von «Tiden» Tegn* erzcchlt- daß man auf Island den Plan habe, die warmen Quellen, die einige Kilometer von Reykjavik liegen, »ur Beheizung der Stadt zu ver- wenden. Schon seit vielen Jahren werden diese warmen Quellen al» eine Art natürliche Dampf- Wäscherei von der städtischen Bevölkerung benutzt. Dicht neben den warmen Quellen fließt ein kristall- l-eller kalter Brunnen, so daß die Waschfrauen dl« Wäsche, nachdem sie sie im warmen Ouellwasser ge- kocht hoben, im Brunnen ousspülen können. Der Plan besteht nun ddrtn, da» heiße Wasser in Holz röhren in die Stadt »u leitch, und es dort zur Er- warmung der Häuser zu gebrauchen, eventuell auch zur Einrichtung von Dampfwäschereien in der Stadt und fpr charwe Bäder. Da« Wasser ist schwefelhaltig und radioaktiv, und eignet sich deshalb ausgezeichnet für Badezwecke. Auf dies« Weis« wür de» jährlich viele tausende Tonnen Steinkohle erspart werd«» können.
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