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9. Lugugl r MW88 »n» Isiseii, !WgIl, 7s!g, I«! »resrl^etor ISS" !«. L d. L -1L. r Str. 16 b. t. 71 r»l. i7IÜ7 mkadrikütioo: SN lunls »eksibSn ieksn ser-vorrate ^Äterislien .Lciimalsvus iebe )e6. ^rt Ivä L»u von ZIsisen. ruresu: bessingstr. 3 lslepb.11702 i»— I Ein etnfachc- psl > wundcrvarci ' Miitel. leü Ar«« H.I-oIoni ilieksach^mr. ISllgülDlck' »««Sill, IN. d. « , ur^-l^iirlvxer kulfitrsoder LttüUl 4586 UllN 150 M. «Sports auswärts mit u « ««tuns- slause^ chast! HI en wesenk- Ml rden sind, U.I on Brenn- MI rrung der MI Bei ver- MI »mätz den tsächsischer I t uns in 81 i Geldent- W I reisam AI stellen. iHlisoL" W W. KI 117. Isdrg. 0Ü tzUUU^ yUNVAS^eUHULA 8vonn.m-nr-»E>me; auch nimm, t-d.s Postamt B-st-üung.n an u DEvottch E Da» Leiv»iaer raaeblatt «mtbillt di« a»ttich«a Ueranntaeachuane« de» Va»i»«wrSi»di«»» L«iv»i« Ur. 1S7 SInrsInummse soooa eesrll oievstag, 6en 21. Nllgllst 1S2A i-«rn--1u»z«bs Die Eharleviller Rede V. Leipzig, 20. August. Die Welt hat mit ganz besonderer Spannung darauf gewartet, was der französische Minister präsident am Sonntag in Char le ville sagen würde. Für eine Philippika gegen Deutsch, lands Schandtaten konnte dieses Städtchen, das für beide, für Deutsche und Franzosen, in vier furchtbaren Jahren eine Art Aranjuez gewesen ist, nur schwerlich eine Resonnanz bieten. Herr PoincarS hat in seiner Rede einen Ton angeschlagen, der gegenüber dem üblichen For tissimo milde zu nennen ist. Auf eine Aende- rung in der Gesinnung hieraus zu schließen, ver- riete unpolitisches Denken. Poincars ist ziel- bewußter Politiker, dem Sentiments nur dann nicht fremd sind, wenn er mit ihrer Hilfe die Meinung der Welt für seine Zwecke gewinnen will. Es ist aber bezeichnend, daß er, der auf die Erschütterung der Gemüter sonst so eifrig hingearbeitct hat, sich diesmal einer recht ruhigen Rade befliß. Er mag sich vielleicht auch dessen sicher sein, daß seine Anklagen gegen Deutsch, land nunmehr die Zustimmung der Welt gefunden haben und nicht weiter erhärtet zu werden brau chen. Hat sich ja Deutschland fast nie durch den dazu bestellten Kanzler oder dessen Außenminister dagegen verteidigt. Und so kann Herr Poincare sa)on triumph'eren, daß die öffentliche Meinung den Vorwurf des französischen Imperialismus endlich scherzhaft oder vielmehr lächerlich finde. Wenn ein so kluger und zäher Politiker wie der französische Ministerpräsident für seine Rede einen ruhigen Ton wählt, der an Stelle der Anüage viel eher die Auseinandersetzung über mehr oder weniger vage Historien stellt, die im Jahre 1923 schließlich beiden Teilen ziemlich gleichgültig sind, so muß man sich hüten, hierin etwas Nichtssagendes oder vielleicht gar eine Er müdung zu sehen. Zwei Dinge von großer Be deutung sind in den letzten Tagen geschehen: der deutsche Kabinettswechsel und die englische Note. Die französische Politik i stark genug, um zunächst einmal bei beiden die Auswirkung abzuwarten. Der neue Reichs kanzler hat — sehr im Gegensatz zu den ungedul- digen Worten seines sonst so geduldigen Vor» güstgers — wohl den deutschen Standpunkt dar- gelegt, hingegen jedes starke Wort gegen Frank- reich vermieden. Wenn sich Verhandlungen an- bahnen sollten zur Lösung der die ganze Welt bedrückenden Schwierigkeiten, so hat Herr Poin- ears auch seinerseits nicht Lust, das Odium auf sich zu nehmen, daß er diese Klärung trübe. Der fron- zösische Ministerpräsident ruft dazu auf, Lösun gen für die Probleme zu finden, an denen jede europäische Macht beteiligt sei. Daß er in seiner Rede fortfährt, ohne selbst auch nur eine An- deutung zu einer Lösung zu machen, zeigt den Sieger. Daß der Sieger aber — im Gegensatz zu seiner sonstigen Gepflogenheit — kein Wort ausspricht, das den Besiegten herabsetzen könnte, ist ein Beweis dafür, daß er sich doch durch irgendwelche Rücksichten gebunden fühlt. Es kann sich hier nur um die Rücksicht auf England handeln, das in seiner Note vom 11. August mit Entschiedenheit zu verstehen gegeben hat, daß es im Notfall die Entente aus einanderfallen zu lassen bereit ist. Dadurch würde Frankreich ziemlich isoliert werden. Es hat diesen Zustand bereits einmal an sich erlebt: nach der Konferenz von Genua, wo es sich durch seine Siegerhartnäckigkeit so nach und nach auszu kreisen im Begriff war. Poincars ist ein zu guter Diplomat, als daß er einen Fehler das zweite Mal machte. Geht die Stimmung der Welt auf Verhandeln, so ist in der Weltmeinung der nicht erhöht, der sich dieser Stimmung ent- gegengestellt, zumal wenn auf der andern Seite ein Staatsmann steht, dem auch der schlechteste Wille nicht nachweisen kann, daß er die Dinge einen unpolitischen Lauf gehen lassen will. Vorteil- Hafter aber ist es, bei Verhandlungen mit einem Freund zu erscheinen, und so kann der fran- zösische Ministerpräsident gar nicht genug Lob- spräche finden für das alte, bewährte Waffen- bündnis, das so Großes geschaffen hat. Um Eng- land als Freund zu behalten, hat Poincars in seiner Eharleviller Rede alles vermieden, was die in London so sehr gewünschte Verständigung er schweren könnte. Die deutsch« Politik steht also immer noch einer Entente entgegen. Der neue Reichs- kanzler hat jedenfalls klug gehandelt, daß er trotz der englischen Note sich mit keinem einzigen Wort zu irgendwelcher Reizbarkeit gegen Frank- reich hat hinreißen lassen. Praktische Lösungen für Problem« zu suchen, an denen alle euro päischen Mächte interessiert sind, das ist eine Arbeit, an der auch Deutschland mit teilnehmen kann und teilnehmen wird. Man wird scheu, ob die französische Politik. die natürlich dem neuen deutschen Kabinett das Ausspielen überläßt, infolge die in der Eharleviller Rede zum Ausdruck kom. menden Bedenken wegen Englands sich zur Mit arbeit an der Befriedung Eurova» bequemen wird, oder ob VoincarSs neueste Rede nur wie- der ein erster Schritt sein soll, um England auf Frankreichs Seite zurückzuriehen und dem Ver sailler Frieden die Unberührtheit zu Kabinettsrat über die Wirtschaftskrise Wirtschaft und Steuern — Llm Havensteins Rücktritt Berlin, LV. August. (Eig. T e l.) In ver Reichskanzlei siuvet heute abenv um 7 Uhr ein Kabinettsrat unter Vorsitz ves Reichspräsi denten statt. Diesem Kabinettsrat ist ganz besondere Bedeutung bci- zumessen, da es sich darum handelt, entscheidende Matznahmen gegen die drohende Wirtschaftskatastrophe zu treffen. Vs solle» die Richtlinien der Finanz- und der Wirtschaftspolitik festgesetzt werden, die die Reichsregierung in den nächsten Tage» einzuschlagen gesenkt. Tie Beratungen werden sich auch um die Schwierigkeiten drehen, die sich für die Wirtschaft aus den neuen Steuern sowie den erhöhten Frachten und Kohlenprcisen ergeben haben. Ebenso wird das Verlangen nach dem RücktrittdesPräsidentenSavenstein erörtert wer den. Es ist anzunehmen, datz der Reichsdankpräsideut sein Rücktrittögesuch in kür zester Heit einreichen wird. Ferner wird sich das Reichskabiuett mit der Notlage der Städte be schäftigen, und insbesondere mit dem Notschrei des Berliner Magistrates. In An betracht dieser Tagesordnung ist festzuftellen, vast die heutige Sitzung eine gewöhn liche Kabinettssitzung bei weitem an Bedeutung übertrifft. Am Donnerstag werden die einzelnen Ressorts des Lauptausschusies des Reichs tages auf dessen Verlange» die neuen Richtlinien der Politik des Reichskabinetts darlegeir. Bedenkliches von der Reichsbank Berlin, 20. August. (Eig. Tel.) Reichsbank- präsident Haven st ein und der Vizepräsident drr Rcichsbank von Glasenapp, deren Rücktritt von der Leitung der Rcichsbank von der ganzen Oeffenr- lichkeit immer dringender verlangt wird, haben bis zur Stunde noch immer leinen Schritt unternommen, der darauf schließen ließe, daß sie freiwillig zurück- zuweten beabsichtigen. E« ist anzunehmen, daß da« Reichs kabinett schleunigst den Reichstag ein- bsrufenunddas Autonomiegesetz durch ihn ändern lassen will, wenn die gegen wärtige Reichsbankleitung inner- halb 48 Stunden nicht zuriicktritt. Zu dieser Maßnahme würde sich, wie die „B. Z." erfährt, die Reichsrogierung gezwungen sehen, da die Reichs bank beharrlich die Wirtschafts- und Finanzpolitik durchkreuzt. So hat es die Reichsbank abgc - lehnt, einer an sie ergangenen Anregung, den Diskontsatz weiter zu erhöhen, und durch eine Geldverknappung den Devisenkauf einzu schränken, Folge zu gÄ>en. Alles deutet im Gegenteil darauf hin, daß sie durch weitere Kreditgewährung den Geldmarkt flüs sig, den Erfolg der neuen Steuergesetze aber dadurch illusorisch machen will. Durch die Kreditpolitik der Reichsbank wird die beabsichtigte Wirkung der Steuer- gesetze, einen beträchtlichen Teil des Devisen- und Effektenbesitzes aus dem Privatbesitz hoeauszu- zi^hen, geradezu in da» Gegenteil ver kehrt, da di« von der Reichsbank gewahrten Kre- dite eine Dezihlung der Steuern mit deren Hilfe er- möglichen, also «ine Schonung des Devisenbrsitzes, ja sogar eine Förderung des weiteren Devisenkaufes be deuten. Scharfe Bewachung des Reichs- anzler-Palais Berlin, 20. August. Die Gerüchte von einem Attentat auf den Reichskanzler am Sonn- ag abend sind unzutreffend. Ls wurden nur gegen 8X Uhr und 10 Uhr von der Wache zwei un bekannte Personen im Garten des Reichskanzler, palai» gesehen, die auf Anruf die Flucht ergriffen. Ihnen nachgesandte Schüsse verfehlten ihr Ziel. Die Polizei hat Nachforschungen eingelettet. Mit Rück sicht auf die Zeit des Vorfall« ist der Verdacht nicht unbegründet, daß es sich möglicherweise um den Per- such eine« Einbruchsdiebstahls in der Reichskanzlei zur Entwendung diplomatischer Aktenstücke handelte. Angesicht» dieses Vorfalls ist dafür gesorgt worden, daß die ständige Wache im Reichskanzlerpalai» ver stärkt worden ist. Der frühere deutsche Reichskanzler Dr. Wirth begibt siel) auf besondere Einladung der Eowjetregierung am 22. August nach Moskau zum Studium der gegenwärtigen Ver hältnisse. wechsel Im Reichs-Innenminlsterium Fr«ckb«t » 20. August. (Eig. Tel.) Wie die Berliner Redaktion der .Frankfurter Zeitung" hört, ist in der nächsten Zeit «in Wechsel auf d«m Posten de« Staatssekretärs im Reichsministerium des Innern zu erwarten: Staatssekretär Frether von Welser, der seit dem Rücktritt de« Herrn Dr. Lewald im Herbst 1S21 diesen Posten inne hatte, dürfte im Laufe dieser Woche seinen Abschied nehmen. Sein Nachfolger wird dem Vernehmen nach der bisherige Leiter der elsässisch-lothringischen Ab teilung des Ministeriums, Ministerialdirektor Dr. Götz, werden, der aus dem elsaß-lothringischen Ver waltungsdienst hervorgegangen ist. Stresemann antwortet Berlin, 20. August. (Lig. Tel.) Reichskanzler Dr. Ltrcsemann wird voraussichtlich an einem der letzten Tage dieser Woche auf die Rede ant worten, die der französische Ministerpräsident gestern in Tharleville gehalten hat. Er wird aber vorher noch die Veröffentlichung der franzö sischen Note an die englische Regierung ab- warten, die am Dienstag in London überreicht werden soll. In dieser Note wird die französische Regierung wohl das nachholen, was in der gestrigen Rede PoincarSs gefehlt hat und vermißt worden ist: die sachliche Stellungnahme zu den aktuellen Fragen, die jetzt zur Debatte stehen. Der Reichskanzler wird in seiner bevorstehenden Rede Gelegenheit nehmen, sich zu dem ganzen Komplex der Reparationsfrage und der mit ihr zusammenhängenden Probleme zu äußern. Gute Ernte-Aussichten Berlin, 20. August. (Eig. Tel.) Wie die .Montagspost" mitteilt, wird vom Deutschen Land- Wirtschaftsrat, der Landwirtschastskammer für die Provinz Brandenburg und von anderen zuständigen Stellen eine Ernte erwartet, die die vorjährige bei weitem Übertressen wird. Nur der Kartoffelertrag wird nach den bisherigen Aussichten das sehr gün stige Ergebnis de« Vorjahres nicht erreichen. Äußerst erfreulich sind die Aussichten für Getreide. Haupt, sächlich in Bayern, in der Lyneburger Heide und 'n Mecklenburg wurden ausgezeichnete Felder gesehen, deren Weizenertrag z. B. auf 18—20 Zentner für den Morgen gegen 16 im Vorjahre geschätzt wird. Rüben und andere Hackfrüchte haben sich nach der für sie un günstigen Iuniwitterung im Juli gut erholt. Klee- und Luzernenfelder haben überall einen guten, stellenweise einen sehr^guten Ertrag geliefert, was von dem Nachwuchs nicht erwartet wird, da er von der Trockenheit der letzten Wochen sehr beeinflußt werde. Die augenblicklichen Strichregen verbessern aber auch hier die Aussichten. vom Ztaatsgerichtshof Leipzig, 2S. August. Der Staatsgerichtshof zum Schutze dr« Republik wird im September folgende Sitzungen abhalten: Am 2?. September gegen den Studenten Gerhard Hahn aus Görlitz, am 27. September gegen den Derlagsbuchhändler Theodor Fritzsche aus Leipzig. Der süddeutsche Senat de» Staatsgrrichtshofes wird am 12. September gegen den .Südwestdeutschen Zcitungsverlag" verhandeln. Major Walsin-Lsterhazy gestorben Berlin, 20. August. (Eig. Tel.) Nach einer Londoner Meldung ist Major Walsin-Ester- Ha z y in Harpenden in der Grafschaft Hertfordshire, wo er unter einem angenommenen Namen lebte, ge storben. Esterhazy ist bekannt geworden durch die Rolle, die er im Dr e y f u ß p r o z eß al» Verfasser des be rüchtigten gefälschten Borderau gespielt hat. Nach der endgültigen Rehabilitation Dreyfuß' im Jahre lS06 hat Esterhazy seine Fälschung zugegeben, jedoch behauptet, daß er auf Befehl seines vorgesetzten General« gehandelt habe. Er verließ daraufhin Frankreich und nahm seinen Wohnsitz in England. Bayerische Drohungen Dem Reichskanzler Stresemann ist es schnell gelungen, in mündlicher Aussprache mit dem sächsischen Ministerpräsidenten Zeigner, an der auch der Neichsinnenminister Sollmann teil nahm, die Meinungsverschiedenheiten wegzurüu- men, die unter Cunos Kanzlersä-aft zwischen der Reichsregierung und der sächsischen Landes regierung bestanden. Es wurde festgestcllt, daß die beiden Regierungen darin übeceinstimmen, die Grundlagen der heutigen Staatsform, der demokratischen Republik, mit allen Mitteln stützen zu wollen. Kaum war dieses erfreuliche Ergebnis verkündet und damit die Hoffnung begründet worden, daß die neue Reichsregierung in der Erfüllung ihrer außergewöhnlich schwie rigen Aufgaben, von der das Wohl des gesamten deutschen Volkes abhängt, nicht durch inner staatliche Reibungen gehemmt werde, da erheben sich schon wieder in einem anderen Winkel des Reiches grollende Stimmen, die eine gedeihliche Arbeit zu stören drohen: Der bayerische Ministerrat zeigt sich mißvergnügt über den Kabtnettswechscl im Reich. Er läßt verkün den, daß er den Rücktritt Cunos „aufrichtig be dauert" und daß ihn die Bildung einer Reichs regierung auf der Grundlage der großen Koali tion, von der alle Welt eine Gesundung unseres Staatswesens erwartet, mit „Besorgnis" erfüllt. Der bayerische Ministerrat hat es sehr eilig, seine Gegnerschaft gegen die neue Reichsregie rung zu betonen. Ohne abzuwarten, ob die^e irgendeinen Schritt tut, durch den sich Payern benachteiligt fühlen könnte, ist das Kabinett Knilling mit seinem Urteil fertig. Allein die Tatsache, daß an dem neuen Reichskabinett die Sozialdemokratie, die stärkste Fraktion des Reichstages, beteiligt ist, genügt der bayerischen Negierung, um die „Möglichkeit zu folgen schweren Meinungsverschiedenheiten" an die Wand zu malen und zu erklären, daß sie „in Fragen der Hoheit der Länder nicht in der Lage zu Kompromissen und Zugeständnissen ist". Man könnte über diese Sorge lächelnd zur Tagesord nung übergehen, da ja das Verhälfins des Reiches zu den Ländern in der Reichsverfassung erschöp fend und klar geregelt ist und eine Reichsregie rung, die sich an die Verfassung hält, überhaupt nicht in die Lage kommt, von den Ländern Kom promisse oder Zugeständnisse zu fordern, — wenn es nicht eben deshalb offensichtlich wäre, daß sich hinter den Worten der bayerischen Kundgebung etwas ganz anderes verbirgt: ein neuer Vorstoß gegen die Reichs verfassung und die in ihr festgelegte Ein- he'it des Reiches. Was Bayern fürchtet, ist nicht, daß ihm Zugeständnisse zugemutet wer den könnten — das wäre ja sinnlos —, sondern daß das neue, auf breiter parlamentarischer Grundlage ruhende Reichskabinett sich als stark genug erweisen könnte, der Reichsverfassung auch gegen bayerische Eigenbrötelei Geltung zu ver schaffen. Gerade das, was die große Mehrheit des deutschen Volkes sehnlich wünscht, die innere Festigung der Deutschen Republik, ist für das Kabinett Knilling Gegenstand schwerer Bo sorgnis. Der Zwiespalt, der sich hiermit von neuem ankündigt, könnte verhängnisvoll werden, wenn das Kabinett Knilling sich wirklich, wie es wiederholt versichert, „in völliger Uebereinstim- mung init dem Willen des bayerischen Volkes" befände. Aber das ist zum Glück nicht richtig. Das bayerische Volk in, staatsrechtlichen Sinne, zu dem neben 2,8 Millionen eigentlichen Bayern 3,2 Millionen Franken und 0,8 Millionen Schwa ben gehören, ist in seiner Mehrheit weit davon entfernt, das Vorgehen des Kabinetts Knilling gegen das Reich zu billigen. Die Franken und die Schwaben sind von alters her unbe- dingt reichstreu. Hinter den partikularisti- schen Bestrebungen der Münchner Regierung steht nur die altbayeriscbe Bevölkerung, die südlich von der Donau und im Bayerischen Wald sitzt, und auch diese nur, soweit sie von der Bayern- schen Volkspartei und von der deutschnationalen Bayerischen Mittelpartei beeinflußt wird. Nur dieser Bevölkerungsteil, der durch die Regie rungskunst der Wittelsbacher mit Hilfe eines Teiles der Geistlichkeit systematisch in Unwissen heit gehalten worden ist, der nie aus Altbayern heran? kommt und von dem übrigen oeufichen Volke nichts kennt, als die aus Mittel- und Nord deutschland in die bayerischen Berge fahrenden Dollar in Derlin swtl. AUttelkurs: 4 20V 00 v Alk. Lmerllumlraer «eftimarU * 8oa4erklldf»l cl«3 l, D Her Ito voockoo »Lwuxl Vorlr, 20. August. :o. ro. 1S.0S SLIS1O ZS.Zd 1786618