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I-elprlger LagsdlLtt «>6 ll»LÜGl«L«ttmig ^s^erberirlit Nur nicht Kleben! „Auf Zahlkarten dürfe« keine Marke« auf« geklebt werden." Mit diesen Worten gab mir der Schalter» beamte mein« säuberlich au-gefüllte und vor schrift-mäßig frankierte Zahlkarte zurück und schloß sein Aensterchen so schnell, daß ich ihm nicht erwidern konnte: »Aber auf dem Zahlkarten formular steht doch die ausdrücklich« Anweisung, daß die Frankierung durch Markenaufkleben zu geschehen hat." Es war auch gut, daß ich nicht antwortete, denn ich hätte dadurch nur verraten, daß ich schon seit Wochen keine Zahlkarte mehr aufgegeben und mich um die neueste Aenderung der Bestim mungen über das Frankieren nicht gekümmert hatte. Fest überzeugt, daß der Beamte die Be stimmungen besser kennt, als ich, und daß die Neuerung einen wichtigen, mit der Beseitigung des Defizits irgendwie zusammenhängenden Grund haben muß, ging ich nach Hause, löste die Marken vorsichtig mit Wasser ab und trug die Zahlkarte ohne Marken wieder auf de» Postamt. Jetzt fand sie gnädige Annahme und ich schickte mich an, die Gebühr nach der neuen Bestimmung zu begleichen. Aber da kam ich schön an! .Haben Sie » nicht kleiner?- fragt der Beamte — die Gebühr betrug nämlich 1200 M. und meine kleinste Rote war 5000 M. „Oder haben Sie vielleicht Briefmarken?" Nun durfte ich die Gebühr doch durch Briefmarken begleichen, nur — aufkleben darf ich sie nicht. Auf meine bescheidene Frage, warum die Post ihre eigenen Marken lieber unbenutzt zurück- nimmt, al» sie ihrer natürlichen Bestimmung zu führen läßt, zuckte der Beamte lächelnd mit den Schultern... D »» > » > * Notgeld bei der Post. Die Oberpostdirektion Leipzig hat Notgeld in Postschecks über 1 Million und 500 000 Mark, die auf da» Postscheckamt Leipzig lallten, herausgegeben. Sie bittet die Geschäftswelt und Private, diese Scheck», die zum Umlauf im Be reiche des Oberpostdirektionsbezirks Leipzig bestimmt sind, an Zahlungsstatt anzunehmen und sie zunächst im Derkehr zu belassen. Die Schecks tragen den Prägestempel und die Unterschrift von zwei Mit gliedern der Oberpostdirektion. Sämtliche Post- taffen de» Oberpostdirektionsbezirk« Leipzig nehmen das Notgeld an Zahlungsstatt an und läsen es nach Aufruf ein. Umlaufsdauer zunächst bi» Ende August. Nachzahlungen für städtische Ruheständler. Alle städtischen Ruhegebaltsempfänger und alle Hinter bliebenen von städtischen Beamten, die ihre Bezüge ans der Stadtkaffe Leipzig erhalten, können eine Nachzahlung in Empfang nehmen. Ruh «lohn- empfänger kommen dabei nicht in Frage. Personenzüge Leipzig—Deflau—Hamburg. Die nur bis 15. August vorgesehenen beschleunigten Per sonenzüge 480 Leipzig (ab 11/)0 abends)—Dessau (an 12,02 nachts)—(Magdeburg—Hamburg) und 470 (Hamburg—Magdeburg)—Dessau (ab 6^3)—Leipzig (an 7^8) werden vorläufig bis Ende August regel- mäßig gefahren. * Gewerbekammerbeitrag. Handwerker und Ge werbetreibende, welche zur Dewerbckammer beitrags pflichtig sind, werden darauf aufmerksam gemacht, daß der weitere Gewerbekammerbeitrag in fünfzehn facher Höhe des bereits am 15. Juni dieses Jahres fällig gewesenen vorläufigen Beitrages am 15. dieses Monat» zu zahlen ist. Die Zahlungs frist läuft am 29. August ab. Nach dieser Zeit er- folgt kostenpflichtige Mahnung und Verzugs- zuschlaq. Die studentische Wohnungsvermittlung. Auf An- rcgung verschiedener Hausfrauen, die schon jetzt ihre Strrdentenzimmer für das kommende Semester an melden wollen, wird das studentische Wohnung» mi Leipzig jetzt täglich die Vermittlungsstelle, Schiller straße 7, von 10 bi» I Uhr offenhalten. Es ist da- durch di« Gelegenheit gegeben, jetzt, wo der Andrang von amneldenden Hausfrauen und wohnnngsuchenden Studiereirden noch nicht so groß ist, wie am Anfang des kommenden Semesters, in Ruhe die Anmeldun Kritischer Verfassungstag Von KIkrstt Vüdlln-Berlin (Es lohnt nicht, über das Berliner Kunstleben und das Theater dieser Tage zu berichten. E« hat keiner Interesse daran, daß in der Tribüne zum tausendsten Male Sternheims .Hose- gespielt wird, im Berliner Theater die Operette »Mäde", im Komö dienhaus .Die Causa Kaiser-, im Kleinen Theater die .Frau ohne Bedeutung- im Trianontyeater Sudermann» »Raschoffs". Alle» lahmt dem Schluß dieser erbärmlichen Sommersaison zu; prächtig ist die Operette im Großen Schauspielhaus zum Krachen ge kommen; Gott beschere auch den andern ein gleiches schmetternde» Ende.) Dageaen hat sich die Aufmerksamkeit notgedrun gen gewissen naheliegenden Dingen zugewandt. Die rotschwarzen Plakate der Kommunisten klebten noch an den Zäunen und Mauern: im Stahlhelm, der unter einer derben Faust zerbricht; da» Zeichen de» Antifaschistenwaes. Da traten Menschenanhäufunaen vor den Geschäften stärker al» zuvor auf. Im Osten und Norden begegnete man immer wieder diskutie renden Gruppen, in der Mitte bald Frauen, die ihre leeren Körbe zeigten und erregt klagten, für Geld nicht» kaufen zu können; bald Arbeiter, die die an gezeigten Preise mit ihren Löhnen verglichen. In zahlreichen Geschäften verschwanden die Preisnotie rungen; dafür traten Nummern an den Waren auf; eine Tafel hing im Schaufenster und im Laden, die anzeigte, mit welcher Zahl diese Nummer zu multipli zieren war, um den Preis zu ermitteln. Am Donners- taa zeigte sich eine sonderbare Streikpartri: der Ein zelhandel; grüne Plakate vor den geschlossenen Läden und Warenhäusern besagten, man protestiere gegen behördliche Schikane und Verordnungen, werde vom 10. ab nur S Stunden taalich öffnen. E» gab frei lich Spötter, die sagten, diese Geschäfte schlössen haupt sächlich, weil'Ihm ihre Ware lieber sei al» da» wack- lige Geld. Inzwischen steigen die Preise für alle» und jede« derart, daß eklatante Wirkungen hervor treten. Di« Geschäfte und Verkäufer paßten sich momentan de« Kur» an; die Käufer, sogar der drin genden Lebensmittel. standen verblüfft, bilflo», mit lcercn Händen an. Der Boden für rebellische Gefühle wurde in dem ruhigsten, indifferenten bereitet. Di« gen zu vollziehen. Die Znnmerpreise richten sich nach den vom Rat der Swdt jeweilig bekannt ge gebenen Sätzen. In Leipzig beheimatete Studierende, die die Not der Wohnungssuche in eine: fremden zum größten Teil nicht kennen werden gebeten, einig, Stunden ehrenamtlich dem studentischen Wohnungs amt Hilfe zu leisten. Anschrift: Studentische» Woh nungsamt, Schillerstraße 7, Lrdg., Borsaal link», letzte Tür. Zur Seträukesteser. Die städtischen Behörden in Merseburg beschlossen, eine Getränkesteuer einzuführen. Ls sollen bei Dein, Bier und Mineral wasser ö PrrH- -es Kleinhandelspreise», bei Schaum weinen und Branntweinen 15 Pro-, al» Steuer er hoben werden. Lin Leipziger in Triptis verschwunden Seit dem 11. d. M. ist der in L-Reuschönefeld, Thümmelstraße 17, wohnhafte Produktenhändler August Wilhelm Sigusch, geboren am 1. 1. 1871 in Golkowltz (Oberschl.) verschwunden. Sigusch war an dem Tage auf der Rückreise nach Leipzig. In Triptis war er vor Abfahrt de» Zuges ausge stiegen, um ein Glas Bier zu trinken und hatte da durch die Weiterfahrt verpaßt. Seine Familie ist allein weitergefahren. Seitdem fehlt jede Spur von Sigusch. Der Verschwundene ist etwa 1.75 Meter groß, kräftig, hat graue» Haar, graue Augen, ergrau- ten Bart; am linken Bein Narben von Krampfader operationen. Gr war bekleidet mit dunkelgestreiftcm Anzug, brauner Stoffmütze, Dauerkragen. Sein Oberhemd ist »de L." gezeichnet. Da Sigusch etwa 12 Millionen Geld bei sich hatte, ist e» immerhin möglich, daß er einem Verbrechen zum Opfer gefallen ist, zumal Gründe zu seinem Verschwinden fehlen. * Mit IS Liumillioveuscheiuen flüchtig ist die 18- jährige Verkäuferin Marie Türkis aus Weimar. Die Scheine entwendete sie mitsamt einer braunen Aktentasche bet einem »gelegentlichen Beisammen sein- mit einem Kcmfmcnm. Sine Milliarde für eine» Bullen. Auf der Zucht- viehversteigerung in Stendal wurde für einen Dullen eine Milliarde Mark gelöst. Der Durch schnittspreis für einen Bullen betrug 300 br» 500 Millionen Mark. Ein Kind al» Lebensretter. Zn Mariensiel bei Wilhelmshaven sank beim Durchschwimmen des Kanals ein Knabe aus dem Ruhrgebiet in die Tiefe. Der Lehrer W. sprang zur Rettung des Knaben in das Wasser. Da er aber durch Krankheit sehr ge schwächt war, sank er auch unter. Nunmehr unter- nahm ein zwölfjähriger Ruhrknabe das Rettungswerk, und er brachte beide Personen aufs Trockene. Die Feuerwehr verweigert Hilfe. In einer der letzten Nächte wurde in Berlin um 3 Uhr die Feuer wehr in eine in der Gegend der Hasenheide gelegene Straße gerufen, wo eine Frau auf der Straße an- geschoffen war. Der Feuerwchrbeamten lehnten es ab, und zwar wegen de r Lebens gefahr, die damit verbunden war. Es wurde nämlich in jener Gegend von unbekannter Seite dauernd scharf geschossen, weshalb die Schupo die ganze Nacht hindurch die i» tiefster Finsternis liegenden Straßen im Süden, besonders in der Hasenheide und Neukölln, mit Scheinwerfern erhellen mußte. Die eingeschossene Frau wurde nach der nächsten Rettungswache und dann nach dem Krankenhause gebracht. Eine Untergrundbahn für Mailand. Im Novem ber werden in Mailand die Arbeiten für den Dau einer Untergrundbahn in Angriff genommen, die von einer internationalen Gesellschaft, hauptsächlich mit französischem und belgischem Kapital, finanziert wor- den ist. Die Kosten sind mit 140 Millionen Lire veranschlagt, wovon 13 Millionen allein für die Umlegung von Wasserleitung, Gas und Telephon in Anspruch genommen werden. Es sollen zunächst drei Strecken fertiggcstellt werden. Der Brr- kehr wird mit einer Zuggeschwindigkeit von 25 Kilo meter durch dreizehn Züge von je vier Wagen, die etwa 500 Personen mitführen können, in Ab- ständen von drei Minuten abgewickelt werden. Der Fahrpreis soll der gleiche wie für die elektrische Straßenbahn sein, also 40 Centimes für die Fahrt. Oie Straßenbahner streiken wieder Da» Straßenleben Leipzigs zeigte am Mittwoch, morgen wieder da» gewohnte Bild. Der von den Kommunisten au»gerufene Generalstreik ist nach ein tägiger Dauer abgeblasen worden, nachdem auch in Berlin die Arbeit in allen privaten und städtischen Betrieben ausgenommen worden war. In einer am Dienstag nachmittag im Leipziger Volks- Hause abgehaltenen Versammlung der kommunisti- schen Betriebsräte berichtete Lieberasch über den Stand der Dinge und empfahl die Wiederaufnahme der Arbeit. Gegen die Ausführungen mehrerer Dis kussionsredner wurde der Abbruch mit großer Mehr heit beschlossen; dagegen waren nur rund zwanzig Stimmen. In den Mittagsstunden des Mittwochs wurde die Leipziger Bevölkerung von einem neuen Streik der Straßenbahnangestellten überrascht. Kur- nach 12 Uhr wurden in der Innenstadt die Führer der Wagen anfgefordert, nicht wetterzufahren, da die Direktton der Straßenbahn die am Dienstag zu gestandenen Lohnauszahlungen nicht zur Ausführung gebracht habe. Die Nachricht von der plötzlichen Ar- beitseinstellung verbreitete sich schnell, und innerhalb einer Viertelstunde standen in ganz Leipzig die Wagen still. Ueberall bildeten sich kleine Wagen- bürgen. Die Leitungsstaugen wurden herabgezogen, und Schaffner und Führer verließen die Wagen. Lin großer Teil von ihnen begab sich zu dem Direk tionsgebäude nach der Zeitzer Straße. Wie es heißt, ist den Angestellten versprochen worden, am Mittwoch eine Abschlagszahlung von mehreren Mil lionen Mark zu leisten. Bis zu den Mittags stunden war diese Zahlung noch nicht erfolgt, ver mutlich infolge der allgemeinen Geldknappheit der Banken, die wiederum von der Reichsbank nur un genügend mit Reichsbanknoten versorgt worden waren. Der Grund der Arbeitseinstellung Don der Pressestelle de» Rathauses wird uns über die Streikgründe folgendes mitgeteilt: .Die städtische Straßenbahn ist von dem Personal am Mittwoch gegen 11 Uhr während de« Betriebe» stillgelegt worden. Anlatz zu dem neuen Ausstand gaben neue Lohnforderungen. Der Rat hatte eine sofortige Nachzahlung von S Millionen zugesagt, die für jeden Angestellten zur Auszahlung bereitgehalten wurde und auf die nächste Lohuzahlung auch nicht in Anrechnung kommen sollt«. MU dieser Abschlag». Zahlung waren indessen di« Angestellten»«rtrrter nicht einverstanden und forderten am Dienstag gelegent- llch der Lohnverhaudlungen da» Doppelte, nämlich 6 Millionen al» Abschlagszahlung Die Auszahlung der bewilligten drei Millionen Mark konnte am Dienstag nicht vorgenom- »eu werden, da da» Personal streikte. Eine Nach zahlung in der zuletzt geforderten Höhe sofort ohne Anhörung des Derwaltungsrates zu gewähren, glaubt« der Rat angesichts der Tatsache, daß die Straßenbahn schon jetzt sich nicht mehr ren- tiert und au» Mitteln der Allgemeinheit erhalten werden muß, nicht verantworten zu können. Auch würde sich dadurch der Preis für eine Straßen- bah »fahrt auf etwa 175000 bi» 200000 «rhöhen müssen Wegen der daraus sich ergebenden Folgen für das ganze Unternehmen und mit Rücksicht auf die Besoldung eine» erheblichen Teil» der Gemeinde arbeiter, die eine ähnliche Tätigkeit in der öffentlichen Verwaltung verrichten, konnte der Rat sich mit den neuen Forderungen nicht ohne weiteres einverstanden erklären." Die endgültige Entscheidung über die Lohn- forderungen sollte schließlich in einer für nachmittags 5 Uhr angesetzten Borstandssitzung im Rothaus ge troffen werden. Ihr Ergebnis lag bi» zur Druck- legung diesr Ausgabe noch nicht vor. * Elektrizität«- unk Gaswerk in vollem Betrieb Wie uns von den städtischen Elektrtzitäts- und Gaswerken mitgeteilt wird, ist die Arbeit dort in vollem Umfang wieder ausge nommen worden. Rian rechnet indes bei beiden Direktionen noch jetzt mit der Möglichkeit, daß es wilden kommunistischen Umtrieben gelingt, vorüber gehend stürmend in die Betriebe einzugreifen. Man muß jedenfalls noch auf Ueberraschungen gefaßt sein. Streik bei den Eruemann-Werken. Sämtliche Arbeiter der Firma Lrnemann, A^G., in Dres den sind wegen Lo hnz ah l ung sschwierig ketten in den Streik getreten. Notmarkttage auf dem SchlachtviehmarKt Dresden, 15. August. (Eig. Tel.) Entgegen anderen Darstellungen wird von der Staatskanzlei mitgeteilt, daß das sächsische Wirtschaftsministerium den Standpunkt vertritt, daß zurzeit auf dem säch sischen Schlachtviehmarkte eine Notmarktlage besteht. Wenn in einer Derhandlung vor dem Leipzig« r Wuchergericht neulich behauptet worden ist, daß das Wirtschaftsministerium das Dor- handensein einer Notmarktlage auf dem Schlachtvieh hofe bestreitet, so ist dies« Behauptung schon um deswillen unrichtig, weil das Wirtschafts ministerium schon seit mehreren Wochen gemeinsam mit dem Justizministerium Maßnahmen getroffen hat, die nur den Sinn und Zweck haben, die Folgen der ungcgheuren Notmarktlaqe zu mildern. In einer Sitzung, die vor kurzem unter dem Borsitz des Wirt schaftsministers stattgefunden hat und an der sowohl Vertreter des Wirtschafts- als auch des Justiz ministeriums, ferner eine Anzahl Wucherstaats anwälte und Vertreter der Landes- und Bezirks- prcisprüfungsstellen teilgenommen haben, ist ein mütig das Vorhandensein einer Notmarktlage bejaht worden. * Drotversorgungsabgabe. Das Finanzamt Leipzig-Ntttte I schreibt uns: Es wird nochmals darauf hingewiesen, daß der erste Teilbetrag der Brotversorgungsabgabe am 1. August zu zahlen wor. Lr beträgt grundsätzlich das Zehnfache des vollen Zwangsanleihebetrages. Ausgenommen von der Mgabe sind nur Mietswohnungsgrundstücke, Bau land sowie Vermögensgegenstände, die sich der Mark entwertung nicht haben anpaffen können (z. B. fest- verzinsliche Wertpapiere, inländische Wertpapiere, inländische Hypothekenforderungen, Sparkassen guthaben und dergl. Wer seiner Verpflichtung zur Zahlung der ersten Teilabgabe noch nicht nachgckom- men ist, wird, um die ihm sonst drohende zwangs weise Beitreibung zu vermeiden, den rückständigen Betrag unverzüglich zu entrichten haben. Die Ab gabe ist von dem Steuerpflichtigen selbst zu berechnen und bei der für ihn zuständigen Finairzkaffe »rr zahlen (nicht bei einer Annahmestelle für die Zwangs anleihe und nicht bei einer Gemeindekasfc); bargeld lose Zahlung liegt im Interesse des Steuerpflichtig gen. Jur Vermeidung von Rückfragen ist es drin gend erforderlich, daß bei der Zahlung das Akten zeichen der Vermögenssteuererklärung oder, wenn dieses nicht bekannt ist, Name und volle Adressk Zahlenden genau angegeben werden. Dergnügungslokale, mit Ausnahme der sehr west lichen, leerten sich, die riesigen Gärten und Hallen der großen Brauereien, sonst vom kleinen Volk fre quentiert, ließen ihre Musik blasen; aber nur ver einzelte setzten sich an die Tische. Der große Landes- ausstellungspark leer. Nicht nur vor den Läden, sondern sogar vor den Wagen mit Kartoffeln, Flun dern, Seefischen bilden sich Polonäsen. Die Stimmung wird in der zweiten Hälfte der Woche erregter, die allgemeine Spannung nimmt zu. Für den Sonnabend ist der Verfaffungstag angesagi, es sind Mrektiven für die Feier gegeben; da sagt die Stadt Berlin ihre Feier ab, der Reichspräsident die Abendfestlichkeit im Opernhaus, der ein Fackelzug folgen sollte. Die rechten Parteien schmunzeln; die Republik hat das Ickbr kein Glück. Man hört von Einzelstreiks der Aroeitse in den Eisenbahnwerk stätten, Generalstreik in Nowawe» bei Potsdam. Der Reichstag tritt »usammen; es werden »brutale" Steuern angekünkngt, aber aus der Rede des Kanz lers tönt kein Impuls. Dann trttt die Gruppe der Buchdrucker in Streik, eine Sache, die sonst nur die Zeitungen betroffen hätte, legt aber durch Stillegung der Rotenpressc allerdringlichste Augenblicksbedeutung hat und katastrophal wirken kann. Der Berfassung»- tag ist da. Am Morgen erscheinen keine Zeitungen. Mit Schreibmaschine getippte Zettel kleben an den Häu sern und Säulen: dies ist eine Verordnung des Reichspräsidenten, Verbot von Zeitungen, die zu Ge walttätigkeiten aufsordcrn oder zur gewaltsamen Aenderung der verfassungsmäßig festgestellten repu blikanischen Staat»form (nicht Übel diese Formulie- rung: verfassungsmäßig festaestellte Staatiform; im Reichstag hat zwar Cuno sehr lauwarm mit Der- neiaung nach recht« gesagt: die Einheit des Reiches muß erhalten bleiben; darum stehen wir zur Repu- blik; aber, nur darum). Der Brotpreis, Kommunal- brot, sagen Zettel daneben, wird auf da» 2—3fache erhöht. Die Stadt Berlin kündigt Notgeld an; die alten Notscheine zu 100, 200 sollen mit den Zahlen 100000 usw. überdruckt werdra; die Großbanken er- klären, Rotscheck» ausaeben zu müssen statt Geld. E» hat sich eine 15er Ausschuß der Betriebe Groß- berltn» aeoildet; er ruft alle Betriebsräte der Stabt zur Versammlung vormittag» in der Hasrnheid« zu sammen. Die Aufrufe des Ausschusses verlangen »Dreckarbeit für Drecklohn! Passive Resistenz in den Betrieben. Weg mit der Hungerregierung Cuno! Bildet Abwehrformationen." Die Straßenbahn steht; es heißt, sie streikt. Dann wird bekannt: die Elektrizitätswerke sind von den Arbeitern stillgelegt worden. Es ist Verfaffungstag. Die Kinder kommen von der Schule zurück, berichten, man hätte ihnen von der Verfassung erzählt, von Ruhr und Rhein; zuletzt hätten sie das Deutschland- lied gesungen. Man sieht die amtlichen Gebäude ge- flaggt, wirklich schwarzrotgold; sogar einig« Privat- Häuser und Warenhäuser zeigen die Farbe der Repu- blik. Mittags ist Feier im Reichstag und zugleich vor dem Reichstag. Eine stramme Kompanie Reichs- Lehr steht da im Stahlhelm, die Gewehre in Pyra miden gestellt. Starke Schupomannschaften sind, zum Teil beritten, um das Gebäude und den Königsplatz -usammengezogcn (er heißt noch Königsplatz; die Berliner Demokraten haben den Antrag, ihn »Platz der Republik" zu nennen, zu Fall gebraut; man verbeugt sich nur nach rechts, nie vor sich). Im Auto jährt Ebert vor, mit Hochrufen begrüßt, geht die stramme Ehrenkompanie ab, einige Herren in Zylin der und Uniform hinter ihm. Die Menge am Königs platz ist recht kle(n. Während drin die offizielle Feier abläuft, spielt di« Kapelle draußen schmetternd aller- Hand; erst Beethoven, dann viel Vaterländisches, Militärisches. Die Menge ist klein, aber nicht homogen; das Deutschlandlied wird intoniert, wird gesungen, aber man wundert sich im Auhören, es klingt so durcheinander. Dann wird am Schluß deutlich: die Internationale wird von einem Trupp gleichzeitig gesungen. Dann entwickelt sich der Sängerkrieg am Königsplatz. Der Trupp singt ein revolutionäre» Lied nach dem andern; prompt fällt die Kapelle «in mit ihren Märschen. Plötzlich gibt es eine Pause; man hört eine Stimme, bravo wird gerufen; dies war die Rede de» rheinischen Reich«- tagsabgeordneten K. Gegen 1 Uhr verläßt der kom- munistisch, Singtrupp den Platz, etwa gleichzeitig zieht eine Schar von etwa 100 jungen Leuten mit dem Hakenkreuzlied an. Sie werden mit heftigen Schimpfworten und Drohungen empfangen, erstaun lich einmütig und sind a tempo klein und verkrümelt. Dann kam der Parademarsch d«r Reichswehr vor dem Präsidenten. In sein Auto sah ich Cuno steigen, ein starker großer Mann, sichtlich der Chef eine» großen Konzern», Typ eine» Direktor» und Indu- striellen; er schien strahlender Laune; ich schloß: er kann nicht mehr im Amte sein, er hat es überwunden. Zurück kann man nicht in die Linden, die Wilhelm- straße; alles dicht abgesperrt. Aber in den Straßen bewegt man sich ruhig. Gegen Nachmittag wird be kannt, die Arbeiter hätten eine Generalstreikparole bis Dienstag herausgegeben; der 15er Ausschuß der Betriebsräte. Jetzt drängen sich die Mensche» vor den Filialen der Zeitungen. Abends erlischt das Gas, das schon tagsüber schwach auf dem Herd ge brannt hat; die Straßen liegen völlig im Finstern bis auf einzelne Bezirke: die Frauen lassen überall Lcitungswasscr in die Wannen, da Waffernot be- fürchtet wird. Sonntag kommt die Entspannung. Zeitungen sind da; Stresemann soll die Regierung bilden, Cuno geht: dir Sozialdemokraten gehen in das Kabinett. Große Veruhigungsplakate an den Säulen; Aufrufe an die Bevölkerung mit Aufzählung der getroffenen Maßnahmen für die Ernährung; der Reichstag habe zum Teil einstimmig die neuen Bcsihsteuern ange nommen. In den Arbeitergegenden stehen miß trauisch diskutierende Gruppen davor. Die schwere Wirkung der Markentrrertunq sieht man: die Straßen sehr leer, die Lokale ebenso; abends kaum besetzte Hochbahnziige. Und daß die Gärung nicht beseitigt ist, zeigt der Montagmorgcn. Streikende Aroeiter, einzeln und in Haufen stehen herum und gehen durch die Straßen. Blutrote Plakate rufen: »Rettet Deutschland!", fordern die »Arbeiter- und Bauern- rezierung". Noch öfter als Sonnabend bilden sicy Frauengruppen: sie wollen einkaufen und da» Geld, ungeheure Summen, reicht nicht. Sicher: die« ist keine Bewegung aus Politik, sondern aus Hunger. Geh. Rat Prcfessor Dr. Emil Abderhalden, der hervorragende Physiologe der Universität Halle, wurde für die Jahre 1023—27 zum Mitglied des Reichsgesundheitsamtes gewühlt. Hochschulnachrichten. Der Lehrstuhl der Anatom!« an der Universität Kiel ist dem ordentlichen Professor Dr. Wilhelm v. Möllendorff in Hamburg angeboten worden. Der außerordentlich« Professor an der Universität Münster Dr. jur. Han» Teschemacher hat einen Ruf auf den Lehrstuhl der Staatswiffenschaften an der Universität Königsberg erhalten.