Suche löschen...
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 12.08.1923
- Erscheinungsdatum
- 1923-08-12
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-192308129
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-19230812
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-19230812
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1923
-
Monat
1923-08
- Tag 1923-08-12
-
Monat
1923-08
-
Jahr
1923
- Links
- Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
5ett*4 «r. t« Letprlger *ragedl«tt m»6 Usa^elsrettuag Der dürftige Lebenrmittelmarkt Die städtische Markthalle tn Leipzig wies am Sonnabend nur wenige Vorräte an Lebens mitteln auf. Dieser Mangel an fast allen Waren, die zum notwendigen Lebensunterhalt benötigt werden, ist, wie die Direktion der Rtarkthalle angibt, a>uf zweierlei zurück- zuführen: Erstens — und das bestätigt ja jeder einzelne Händler — ist die Ursache der Knapp, heit in der fortschreitenden Entwer tung unserer Währung, zu suchen. Der Geschäfts mann ist außerstand«, bei den ungeheuren Summen, die für Lebensmittel vom Produzenten verlangt werden, größere Quanten anzuschaffen. Jede Kalkulation hört auf; vermag er doch mit dem Gelde, das er einnimmt, kaum seinen Stand neu zu füllen. Zweitens ist an dem Aus bl ei- den eines großen Teiles wichtiger Lebens mittel, insbesondere Gemüse, Hulfenfrüchte und auch Butter, die Verspätung der Ernte .schuld. Was in früheren Jahren bereit» Anfang und Mitte Juli auf den Markt kam, trifft jetzt erst nach und nach ein. Bias die Knappheit an Fleischwaren anbclangt, so glaubt die Markthallenleitung einen Grund in dem scharfen Vorgehen der Preisprüfungsstellen und der Markt standsgerichte zu erblicken. Die Viehhändler beschicken den Schlachtviehhof nicht in dem Maße, wie cs der Bedarf der Großstadt erfordert. So bietet die Markthalle ein dürftiges Bild. Zahlreiche Stände, auf denen sich sonst Berge von Gemüse und Obst häuften, sind voll kommen leer. Die übrigenMrnd spärlich bestellt. Auffallend ist der völlige Mangel an Kar toffeln. Nur an einem einzigen Stand waren in den Mittagsstunden des Sonnabends Kar toffeln zu erstehen. Da bildete sich denn auch augen blicklich eine lange Polonäse. Der Händler konnte natürlich, um möglichst viel Leute zu befriedigen, dem einzelnen Käufer nur wenige Pfund abgeben. Der Verkehr in der Markthalle war am Sonnabend nicht übermäßig stark. Vor den Fleischer ständen fanden sich kleine Häufchen Kauflustiger, die noch letzte Neste des schier unerschwinglich geworde nen Fleisches erstehen wollten. Um einige Beispiele zu nennen: die Preise bewegten sich für Rind-, Kalb- und Schweinefleisch zwischen 380000 und 550 000 Mark. Tala kostete etwa 800 000 Mark, Schweinespeck eine Million Mark, Butter 1H Mil lionen Mark. Diese riesigen Summen entsprachen nicht im ent ferntesten der Kaufkraft des Publikums. So konnte man beobachten, daß viele Händler, die vor allem Wurst, Putter, Margarine, Schmalz feilboten, ihre Waren nur in schwachem Maße loswurden, und zwar um so weniger, als zahlreiche Lohn- und Gehalts- emvfänger an dem letzten Lohntage nur einen Bruch teil ihrer Gehälter ausgezahlt erhielten. Die währungs- und Vevisenlüge Aus kaufmännischen Kreisen wird uns geschrieben: Es scheint, als ob es das Los des deutschen Volkes sein sollte, unter den Fußtritten der Lüge zusammen- zusinken. Es gibt Kreise, die es gewissermaßen als ihre Ausgabe ansehen, den Glauben an bestimmte Lügen im Volke wach zu erhalten. Eine Lüge, die ungeheure Verwirrung herbei geführt hat, ist die Währungslüge, d. h. die Täuschung, daß die Papiermark ein Wertmesser sei, ähnlich der alten Metallmark. Ihr Geburtsakt wurde vollzogen mit dem Druck der ersten ungedeckten Note als einer vollwertigen. Pis in die allerneueste Zeit hinein hat diese Lüge eine geradezu verheerende Herrschaft ausgeübt. Erst mit der Anerkennung desEntwertungsfaktors durch das Reichs- ge richt ist mehreren ein Licht aufgegangen; die maßlosen Sprünge der ausländischen Goldwerte gegenüber der immer tiefer sinkenden Bewertung der Papiermnrk haben aber neuerdings wohl auch dem Kurzsichtigsten die Augen geschärft. Was die Währungsliigc uns alles an hemmenden Gesetzen und mit der Lüge verstrickten Organisationen gebracht hat, soll hier nicht aufgezählt werden. Jedenfalls ist die Wirkung katastrophal, schließlich gar nicht gewollt, aber in ihrem letzten Ausmaß auch heute noch unübersehbar. Sind die Schäden auch nicht mehr zu beseitigen, so hat diese Lüge doch an Herrschaft und Gefährlichkeit wenigstens für die Folge verloren, weil man anfängt, sie in ihrem Charakter zu erkennen und das auch nunmehr amtlich anerkannt wird. Die Zwillingsschwester der Währungsliigc ist die Devisen lüge. Ich bin mir ganz klar, daß ich damit in ein Wespennest greife, und ich bin mir nicht im geringsten im Zweifel, daß der Durchschnitts deutsche für das Erkennen dieser Lüge noch nicht reif ist. Man sollte aber meinen, daß der Zusammenhang der Währungslüge mit der Deviscnlüge da, wo die erstere erkannt ist, naturnotwcndig auch zum Er- kennen der letzteren führen müsse. Die Devisenlüge, womit der mehr oder weniger gerecht urteilende .Verbraucher* lauch dieses Mort wird in einer lüg nerischen Deutung gebraucht, denn Verbraucher ist jeder, ohne Ausnahme!) gefüttert wird, hat es fertig gebracht, daß der „Verbraucher* allgemein der Meinung ist, Handel und Industrie seien nie glücklicher als in den Tagen, wo der (ominöse) „Dollar* „steigt*! Selten ist eine große Lüge mit größerer Inbrunst und Beharrlichkeit geglaubt und brutaler verteidigt worden. Tatsache ist, daß der reelle Handel, der sich auf eine solide Grund lage stellen muß und nicht mit Gelegenheitsgewinnen rechnen kann, die Zeiten sprunghaften Steigens aus ländischer Zahlungsmittel mit Grausen durchlebt, namentlich dann, wenn er in Papiermark weiter ver kaufen und gar noch Kredite (wenn auch noch so kurz- fristiae) geben muß. Innerhalb weniger Tage, das hat doch gerade die jiingste Zeit erwiesen, schmelzen diese Werte zusammen wie Butter an der Sonne und cs ist schechterdings unerfindlich, inwiefern das ein freudiges Ereignis für den Handeltreibenden sein kann. * Aerzte und Ortskrankenkassen. Don der All- gemeinen Ortskrankenkasse für die Stadt Leipzig wird uns geschrieben: Auf mehrfache Anfragen aus Mitgliederkreisen wird mitgeteilt, daß durch Ver fügung des sächsischen Ministers jede Beratung in der Sprechstunde des Arztes für die Kafsenmitgliedcr vom 1. August 1023 an 40 000 Mark kostet. Für einen Besuch in der Wohnung des Patienten sind 80 000 Mark zu zahlen. Für dringende Beratungen außerhalb der Sprechstunde beträgt die Gebühr 80 000 Mark, für dringende Tagesbcsuche 160 000 Mark und für dringende Nachtbesuche 240 000 Mark. Die Ge bühren für Sonderleistunacn, z. B. Wundverbände, Elektrisieren, sind entsprechend erhöht worden. * Straßcnbahnumleitungen am Sonntag. An läßlich des am Sonntag vom Arbcitcr-Nadfahrverein „Solidarität* geplanten Korsos werden, wie wir von der Straßenbahn hören, während seiner Dauer, d. h. von etwa 10,30 bis etwa 11 Uhr, Betriebs-Unter brechungen bzw. Umleitungen notwendig. Es empfiehlt sich daher, bei Benutzung der Straßenbahn während dieser Zeit sich beim diensthabenden Personal die möglichen Fahrgelegenheiten zu erfragen. r. Der erwischte Kollidieb. Am Sonnabend vor mittag versuchte ein etwa 20 Jahre alter Bursche von einem vor dem Grundstück Grimmaische Straße 10 haltenden Rollgeschirr, das nur ein paar Sekunden ohne Beaufsichtigung war, einen Ballen Leinwand zu stehlen. Der Dieb hatte sich mit seiner Beute bereits entfernt, als der Kutscher zurllckkam. Eine im Grundstück tätige Reinemachefrau hatte den Dieb stahl bemerkt. Der benachrichtigte Kutscher lief dem Dieb nach, nahm ihm seine Beute ab, verabreichte ihm eine tüchtige Tracht Prügel und übergab ihn einem Schutzmann. Notgeld lm Mitteldeutschen Braunkohlenbergbau. Bisher war es immer noch möglich, die nötigen Zahlungsmittel für den Verkehr zu schaffen. Das wird künftig bei der starken Entwertung der Mark nicht immer der Fall sein. Die infolge der rasenden Geldentwertung zu ungeheuren Summen angewach senen Lohnbcträge können nicht mehr aufgebracht werden, da die Reichsdruckerei trotz stärkster An- spannung aller Kräfte nicht mehr in der Lage ist, die Nachfrage nach Zahlungsmitteln zu befriedigen. Die Neichsrcgicrung hat dem Mittelddutschen Braunkohlenbergbau, der mit ganz un geheuren Beträgen rechnen muß, die Lahnaus- zahlung in Notgeld gestattet, das von dem Mitteldeutschen Braunkohlenbergbau selbst heraus gegeben wird. Die Ausgabe erfolgt in Scheinen von je einer Million Mark, die bereit» von dem Mittel deutschen Braunkohlen-Syndikat in Leipzig in Auf- trag gegeben worden find. Dem Syndikat ist hierbei vom Reichsfinanzministertum die Verpflichtung auf erlegt worden, tn der Höhe de» ausgegebenen Not- gelbes ein Guthaben bei der Reichskreditgesellschaft zu bilden, da» für da» Finanzministerium gesperrt wird. Das Notgeld wird in den nächsten Tagen zur Ausgabe gelangen. Es wird, da der gesamte mittel- deutsche Braunkohlenbergbau dafür haftet, sicherlich in allen Kreisen willige Aufnahme finden. * Eröffnung »euer Eisenbahnstationen. Am 1. August d. I. ist an der Eisenbahnstrecke Leip zig— Bitterfeld, zwischen den Stationen De litzsch und Bitterfeld, der neuerrichtete Personen. Haltepunkt Grube Ludwig für den all gemeinen Personenverkehr eröffnet worden. Gepäck nach dieser Station wird nur zugelassen, wenn es vom Reisenden sofort nach Zugankunft dort ab genommen wird. — Am gleichen Tage ist ferner der an der Strecke Berga-Kelbra—Stolberg gelegene, bis her nur dem Personenverkehr dienende Bahnhof Stolberg (Harz) für den gesamten Gepäck-, Expreßgut-, Tier- und Güterverkehr eingerichtet worden. Oer gestohlene „Sieger" Im April 1922 wurde im Berliner Tiergarten die lebensgroße Bronzefigur der „Sieger* gestohlen, aber schon am nächsten Tage bei einem Metall- althändler in der Fennstraße entdeckt. Der Kunst raub war von einer Derbrechergesellschaft, an deren Spitze der im Zuchthaus ergraute, 38mal vorbestrafte Schwerverbrecher Alexander Baruth stand, verübt worden. Dieser hatte zusammen mit einem gewissen Klein und Vem Arbeiter Knops den Diebstahl in einer Nacht ausgeführt. Unter den Linden hatten sie den Droschkenkutscher B. Hunds zu einer Diebesfahrt engagiert und waren um 4 Uhr nachts in den Tier- garten gefahren. Die Bronzefigur hatten sie schon vorher vom Sockel heruntergeworfen und luden die 4)4-Zentner-Figur in die Droschke. Sodann sichren sie zu einem Althändler in der Ackerstraße, wo ihnen aber der „Sieger" nicht abgenommen wurde. Mehr Erfolg hatten sie bei einem Produktenhändler in der Fennstraße. Dem Käufer müssen aber nachträglich Bedenken gekommen sein, denn al» einer der Teil nehmer an dem Raub am nächsten Morgen kam, um sich das Geld abzuholen, wurde er von der inzwischen benachrichtigten Polizei verhaftet, und etwas später saßen auch die Helfer hinter Schloß und Riegel. Baruth, der seit längerer Zeit mit Erfolg den Geisteskranken spielt, wurde auf Grund der ärzt lichen Gutachten freigesprochen. Die anderen Teil- nehmer erhielten vom Schöffengericht Gefängnis- strafen von sechs resp. zehn Monaten. „ - 5' Kirchlicher Gedenktag für Rhein und Ruhr. Am Sonntag soll in allen Gottesdiensten des evangelischen Deutschlands ein kirchlicher Gedenktag gehalten werden. Er soll besonders Hinweisen auf die vielen religiös-sittlichen Note, unter denen die Bevölkerung im besetzten Gebiet zu leiden hat. Dagegen ruft die evangelische Kirche das christlich« Gewissen in den Völkern auf, da» sich doch hier und da mit ent- sprechenden Kundgebungen zu regen beginnt. Wie in allen anderen soll auch in der sächsischen Landes kirche, obwohl sie selbst bittere Not leidet, für die Glaubensgenossen an Rhein und Ruhr eine Kollekte gesammelt werden. Für 200 Millionen Mark Schuhe gestohlen. Ein- bvechcr entwendeten aus den Räumen der Firma Gustav Block in Berlin für 200 Millionen Mark Schuhe und Leder. Auf die Wiederherbeischaffung des gestohlenen Gutes hat der Bestohlene 20 Mil- lioncn Mark ausgesetzt. Flottendemonstration i» chinesischen Gewässern. Nach einer Meldung der „Liberte* wird von den europäischen Kriegsmächten mit Rücksicht auf die immer weiter um sich greifende Anarchie in China demnächst in den chinesischen Gewässern «ine Flottendemonstratton veranstaltet. Don Frankreich werden dazu zwei Kreuzer entsandt. alles, was in Prosa, in gesprochener Rede bestimmte Wirkungen auf Leser und Hörer bewußt anstrebte. Immer wieder wird den Dichtern solcher Art das Faust-Wort cntgegengcworfen: „Pfui! Ein politisch Lied, ein leidig Lied", das doch nur den trinkseligen, engstirnigen Philister in Auerbachs Keller kenn zeichnen soll. Schon die vielen politischen Verse Goethes, der gewaltige Entwurf Schillers „Deutsch lands Größe*, ferner Uhlands, Grillparzers, Rückerts politische Dichtung hätten zeigen können, wie falsch die Anwendung dieses Zitats war. Weshalb sollte auch der Dichter nicht durch sein künstlerisches Vermögen mit seiner Kraft für alles eintreten, was ihm im Umkreis seiner eigenen Wirk- lichkeit erstrebenswert dünkt? Weshalb sollte die Be- geist-rung für große Aufgaben der Zeit nicht künst lerischer Gestaltung fähig sein? Rur ebea^muß es sich um Wertvolles, Große» handeln. Was solcher Behandlung würdig erscheint, laßt unkünstlerische Ab sicht nicht anfkommen und wird zum Seclenlaute, gleichwertig jedem anderen. Nur darauf kommt es an, und deshalb erscheint es als veraltete, ungerecht fertigte Lehre, der Kunst den Willen zur Wirkung ins Leben hinein, zur Tendenz, zu verbieten. Fritz von Unruhs Dramen „Ein Geschlecht* und „Platz" behaupten sich als Kunstwerke kraft ihre» inneren Vermögens, mag man auch deutlich die Willensrichtung und die Absicht, für sie Anhänger zu werden, herauvfühlen. So geht es mit den meisten lebensvollen packenden Werken, nicht nur unserer Zeit, sondern aller Zeiten. Und nur kraftloses Acsthetentum und politische Gegnerschaft werden mit dem Worte Tendenz das Werk des ander» gesinnten Künstlers herabzuwürdigen suchen. Denn im Grunde gibt es für das Kunstwerk nur eine Tendenz: wahr zu sein, ohne irgend etwas Menschliches aus- zuschlicßen, und zugleich schön zu fein, nicht im Sinne irgendeiner überlieferten Schulästhetik, sondern aus dem inneren Gesetz seine» besonderen Schaffen»- kveise». Wer das beide» vermag, der darf auf den Vorwurf der Tendenz pfeifen. Di« Berliner Gtaatskapell« i» Leipzig. Au» An- laß der Leipziger Herbstmesse wird die Ber liner Staatskapelle unter Leitung de« Herrn Generalmusikdirektor Professor Dr. Max von Schilling«, Intendant dxr Berliner StaatsvLer, am Meßmontag, den 27. August, abend« 8 Uhr in der Alberthalle ein Konzert geben. Karten können schon jetzt beim Meßamt Leipzig, Theater kasse, bestellt werde». ,/< . - Münchener Elegie Don StrsII» S»IE»n-SoUr (Bernried) Wochenlang hat die Sonne schon um 5 Uhr früh durch die lädenlosen Fensterchen der noch peiswert gemieteten Dachstube geschienen und den Sommergast das Problem im Hirn wälzen lassen, was wohl sündhafter sei: Den blau-grün-goldenen Morgen zu verschlafen, oder aber sich eilig aus den bäuerlichen Federn zu lösen, wo cs doch in diesem einzigen ge segneten Urlaubsmonat alles, nur keine Eile gilt... Eines Tages aber ist es beim Aufwachen draußen grau und naß, und weil ihm vor lauter Erholung und Ausspannen selbst schon ganz blau-grün-golden vor Augen ist, beschließt er, nach München zu fahren. So, wie man ehemals, dazumal, selbstverständlich von der Sommerfrische aus nach München fuhr, sobald die ersten Tropfen sprühten. Was kann da schon viel geschehen? Es ist egal, ob du den Kalbs- braten hier oder drinnen verzehrst, wenigstens wird es dann einmal in drei Wochen kein Kalbsbraten sein. Die deutschen Eisenbahnen sind im Augenbick so billig, daß man eigentlich aus lauter Sparsamkeit nichts anderes tun sollte, als dauernd zwischen Lindau und Königsberg hin und her zu reisen. Und du fährst natürlich vierter Klasse, wie jeder bessere Mensch in dieser Gegend. Vor dem Hauptbahnhof stehen Karren, hoch getürmt mit roten und schwarzen Herzkirschen; Kirschenkompott wäre da draußen zum Kalbsbraten einmal gar nicht übel. Gleich daneben stehen die Münchner „Benzinschnaufcrln" in langer Reibe, buntlackiert, ledergepolstcrt, einladend da; ehemals, dazumal hast du natürlich sofort eines ankurbeln lassen und bist, kaum aus dem Zuge gestiegen, hinaus- geknattert zu irgendeinem Freund mit einer Villa in Bogenhausen oder Harlaching, der allsommerlich zu den Festspielzeiten großes Haus führte. Wo sind die Freunde, wo die Pillen...? Ob wohl ein Pfund Kirschen erschwinglich wäre, oder ob auch am Ende ein halbes genügte? Dom Hauptbahnhof bi» zum Odeonplatz ist man auch früher zu Fuß ge- schlendert. Aber verflucht, da« „ehemal», dazumal* stößt einen an jeder Straßenecke vor die Stirn. Hier der Laden, in dem du einmal dir sechs Paar seidene, deinem Hausmädchen sechs Paar bäum- wollene Strümpfe kauftest, drüben jener, wo du mit deiner Kinderpflegerin tn Differenzen gerietst, weil sie zum Kuraufenthalt am Starnberger See zu ihrer Tracht unbedingt einen weißen Flauschmantrl be anspruchen zu müssen glaubte. Der Omnibus des „Bayrischen Hofes" ist scheinbar noch derselbe, in dem die ganze Gesellschaft jeden Nachmittag ins Prinz- regententhcater fuhr; es war heiß, die Herren fächelten sich satt die Smokingbrüste, Feinhals sang den Wotan, Prinz Ludwig Ferdinand promenierte im Theatergarten und ließ sich die illustrer, fremden Theaterbesucher vorstellen... Ilm die Ecke muß die kleine Frühstückstube sein. Gott, gab es da exquisite Kaviarsandwiches mit Portwein, drüben in oer Konditorei die Schlagsahnetörtchen find auch noch un- vergessen, und da fällt dir wieder der Kalbsbraten ein. Er wird doch gewiß hier drinnen wesentlich teuerer sein als draußen, man muß sich nur die Preise in den Lebensmittelgeschäften ansehen. Sie sind mit Kreide angeschrieben, denn sie werden doch täglich zweimal abgewischt, der Dollar ist wieder ge- stiegen. Du triffst einen flüchtigen Bekannten, der dir rät, unbedingt Papiere zu laufen, Plauener Tülle oder ganz egal, was sonst, Tips braucht man nicht mehr, es steigt ja doch alles. Neben dem Kurszettel hängt das große Plakat: „Hände weg vom Ruhrgebiet!* Seit Monaten sieht man es zwanzigmal am Tage, es ist einem schon reichlich über. Aber das wutverzerrte Gesicht unter der blutigroten Phrygiermütze scheint heute zu grinsen, anstatt sich im Schmerz zu verziehen und die habgierigen Krallenfinger der schamlosen Gestalt schließen sich fest um die dampfenden Schlote da unten. Du fühlst, wie sie dich an der Kehle würgen; die Türkenwerte sind um dreißig Prozent gestiegen und dein Nachbar gibt dir einen Stoß in die Rippen, weil er auch schon etwa« sehen möchte. Du flüchtest zu Ruben», zu van Dyk; am Eingang der Pina kothek werden die Pässe abverlangt. Du wußtest nicht, daß man sie in Deutschland bei sich tragen müsse, um andere Bilder zu besehen, al» nur jene» Plakat . . . Besucher au» hochvalutarischen Ländern -- welche find es nicht? — zahlen an der Kaffe da» Soundsovielfache. Du schleichst bedrückt durch di« Barerstraße zurück; liest, daß tn diesem Bierhau» den Franzosen, in jener Versammlung auf der die Einig keit de« deutschen Willen» verkündet «erden soll, den Juden der Eintritt verboten ist. Am Maxi- miliansplatz setzt du dich auf eine Bank und fühlst dich entsetzlich arm, fühlst di« Rotenbündel lautlo« in deiner Handtasche zusammenschrumpfen. Au» dem Einganaetor de» Regina-Palast-Hotel» tritt eine schlanke, weiße Lady; ein schlanker, weißer Wage« SomltKg, ckerr 12. Lrwerbrlosenunterftützung und Geldentwertung Die jede Voraussicht übersteigend« Geldentwer- tung hat das Arbeitsmimsterium bestimmt, sich bauernd wegen entsprechender Anpassung der Er werbslosenunterstützung an die gesunkene Kaustrast be« Gelde» mit dem Rsichsarbeitsministerium in Verbindung zu letzen- Nachdem am 4. August ein besonderer Vertreter de» sächsischen Arbeitsmini, sterium» nach Berlin gesandt worden war und münd lich die Notwendigkeit ausreichender Sätze be gründete, sind weitere dringliche Vorstellungen er- folgt. Diese haben das Ergebnis gehabt, daß dem Arbeitsministevium von einem Beschluß des Reichs kabinetts Kentnis gegeben worden ist, der das Reichsarbeitsministevium ermächtigt, die Er werbslosenunterstützung ohne weiteres, insbesondere also ohne besonderes Einvernehmen mit dem Reichsfinanzminister, in demselben Um- fange der Geldentwertung anzu- passen, wie dies mit den Löhnen der Reichsarbeiter geschieht. Die angepaßten Sätze werden künftig telegraphisch den Lan desregierungen mitzeterlr, und dabe' noch schneller bekanntgegeben als bisher. Di? Erwerbslosen hoben bei dieser Regel-.mz also die Gewißheit, daß ihre Unterstützung sich jeweils dec Kaufkraft der M^rk anpaßt. Sie können über den Umfang, in dem das geschieht, und über den Zeitpunkt,, von dem ad die Auszahlung möglich ist, nicht früher bindend? Aus schlüsse erwarten, als di» die entsprechenden Der- Handlungen mit dem Rcichsarbettsminister ab geschlossen sind. Der Grundsatz ist schon bei der ab 6. August in Kraft tretenden Unterstützungserhähung tatsächlich beobachtet worden, da diese Erhöhung zwei Tage nach Beendigung der letzten Lohnverhandlungen in Kraft getreten ist. Der alten sächsischen Forde rung, die auch der Landtag aufgestellt yat, die Unter st ützungssätze gleitend zu gestalten, ist mit -em vom Reich geplanten Verfahren im wesentlichen Rechnung getragen. * Die Gewerbeaufsichtsbeamte» für die Gewerbe- aufficht. Die Gewerbeaufsichtsbeamten werden in den letzten Jahren häufig durch Aufgaben andrer Art ihrer eigentlichen Tätigkeit entzogen. Man wünscht, daß sie nach Möglichkeit auf eine Tätigkeit beschränkt werden, die mit dem Arbeiterschutz unmittelbar zu sammenhängt. Wenn man auf ihre sachkundige Mit arbeit nicht verzichten will, so müßte wenigstens eiiL. ausreichende Zahl von solchen Beamten angestellk werden. Dann will man, daß die Beamten, wie dies vielfach schon vor dem Kriege geschehen ist, in Füh- lung mit den Arbeiterverbänden treten und sich mög lichst auch an Vorträgen und Lehrgängen für die Arbeiter beteiligen. Der Reichsarbeitsminister hat diese Wünsche jetzt den Sozialministerien sämtlicher Länder zur Beachtung mitgeteilt. fährt vor, der Gentleman im Chauffeurdreß schwingt sich aus den vorderen in die Hinteren Lederkisscn, die Lady nimmt am Volant Platz, neben ihr ein Eton-Boy und ein schlanker, weißer Barsoy; sie streift die Stulpenhandschuhe über die Hände und rollt mit einem zufriedenen Lächeln davon. Es wirkt gar nicht aufreizend, nur sonderbar. Zurück! — es ist besser draußen, i» der blau- grün-goldenen Einsamkeit. Auf dem Bahnhofplatz find die Kirschen seit vormittag um tausend Mark das Pfund gestiegen. Du kaufst aber doch eine große Tüte voll und noch ein Diertelpfündchen Zucker dazu. Die Wirtin wird sie abends schmoren und das Schüsselchen auf den Tisch der lindenumrauschtcn Veranda bringen; und du wirst teilnehmend mit dem Kopf nicken, wenn sie von den heutigen Milch- und Eierpeisen erzählt, und die Augen ergeben gegen den Himmel richten, wenn sie fragt: „Herrgottsakrament, was wird denn mit uns werden?!* Sin neue» Theater in Dresden. Nachdem die Genossenschaft deutscher Dühnenangehöriger über das Neustädter Schauspielhaus in Dresden den Boykott verhängt hat, haben die führenden Mitglieder dieses Theaters eine neue Bühne, das „Neue Theater* in Dresden gegründet. Die „Reue Bühne* wird im September eröffnet. Ei« Debütant von 52 Jahre«. InDerlin wird in kurzer Zeit der Königsberger IuwelierHan» Aron im Schauspielertheater in den „Räuber*-Auf- führungen austreten und mit Alexander Granach in der Rolle des Fran- Moor alternieren. Aron, der heute in einem Alter von 52 Jahre» steht, zeigt von Jugend auf eine leidenschaftlich« Neigung zur Bühne; er hat sich erst im vorigen Jahre einer schauspielerischen Ausbildung unter- »ogen und hat im Neuen Schauspielhaus in Königs berg al» Fran- Moor einen ungewöhnlichen Bühnen- . «rfolg errungen. An» de» Tbeattrdnrean». (Kl et««» Theater.) zDt« kleine Sünderin', Schwankoperette von Jean Gilberi, dem Komponisten von „Katja. die Tänzerin', wird ab Montag, den 13. August, täglich 8 U-r al« Snsemble-Gastsptel des Berliner »Operetten bause« gegeben. — (Operellen-Thraler.) Ab Mittwoch, den IS. «uaust. spielt da« Berltner Nestdenzt-eater im Neuen Operettentbeater Dtuchen« Schauspiel „M h rr da- mit Ida Vttst t» »er Hauptrolle. _ . _ - 1 l > r z L § u n h n ii P bi ir su di ai vc uc M A. ha lic sch Kc du wc hä die Tu höl sch» wa kan zirk lass: ang Kir, Opp Dur mcif Geir und runc wori das Aust Mar »chon samr ourct nur! b. Berg Zeit witz dageg Obere 11 M ferner mittel Rini verteil monta Fett ? ter f in dei nerwei Kreisci a. Feitum B u ch 'liisstä b e i h i i'öhung Di- V l'likts si a. ! tag fai vereinst die Bef '->eiter den Be nist D nboeolD Schluß die De Stadt. L. < Arbcitei g. treten, einer i Zentn Dircktio beihilfe aber der 3uf Brau Branden zwischen stranten, versamm rungen sprengen, zu -erst wurde, o
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)