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Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 12.08.1923
- Erscheinungsdatum
- 1923-08-12
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-192308129
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-19230812
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-19230812
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1923
-
Monat
1923-08
- Tag 1923-08-12
-
Monat
1923-08
-
Jahr
1923
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ust ak , Lebcn ung ge- ibt der reit- ine Art Cuno- l Hoff- »rbaren in der für die langen, e Cw o ieinahe t habe, e man Schuld Itungs- immer trauen nd den !d jede in. !l> Ut- >aß Ll» rer )e: dü rr ¬ eigene g und nderrn rg der cht sie auens- 2r !de »r- e t >r- >m >,» „ge- aus der ngen. der auch der ' um rnes- Ge- zum die aber :nem Politik -Wort: r Se- tischen Vor chafts- unter- en im Bann swirt- randel tschast ! auch ichtigc leichs- > aber chläge durch habe, un- von > sei schäft- l und t ge- ihren- schaft, links lichcn reibe- s der Secker eulich -daß nicht Das eichs- rium trio» ichen für Zeit- utz. nves stcn- vir Zeit- »net, egs- ifts- egs- urt- rieg lten llttk »aft- ter» haft !irt- len- oli. ml. Toaokrg,- 6ea 12. l^ipriger ^sgedlatt uaq ttLoüelsrettuvg »r. 190 Vie Notgeldnot. Im ersten Trubel des Krieg sbeginnes saß ich einmal in einem Kaffeehaus und wollte meine Zeche mit einem 5-Mark-Schein bezahlen. Der Kellner wies mein Geld aber zurück, da er vom Wirte Anweisung bekommen habe, nur Metallgeld zu nehmen. Vor einer Woche wieder wollte ich in einem Restaurant einen Verrechnungsscheck der Deutschen Bank an den Mann bringen. Der Kellner be dauerte. Er habe von seinem Chef Anweisung bekommen, nur richtiges Geld zu nehmen. Das Fräulein im Molkereigeschäft indessen hat mir in diesen Tagen einen Verrechnungsscheck schlankweg abgenommen. Abgewiesen von ihr wurde jedoch eine Arbeiterfrau, die Notgeld einer Fabrik brachte- Das Fräulein hatte Anwetsnng bekommen. Die Arbeiterfrau war über die Zurückweisung ihres Geldes empört. Ich gab ihr recht. Es sei eine Engherzigkeit, sagte ich, die Abwickelung des Zahlungsverkehrs durch Beanstandung von Not geld zu erschweren. Tas Fräulein berief sich nochmals auf ihre Anweisung. Es sei doch ein Geld wie das andere, erwiderte ich. Alles sei Papier. Das Fräulein müsse ihrem offenbar fern vom praktischen Ladenbetrieb in einem Kontor hockenden Chef einmal klar machen, wie aufreizend seine Anweisung wirke. Das Fräulein fragte, wie es denn dann wäre, wenn ich der Frau das Geld eintauschte, wenn ich ihr einen Verrechnungsscheck gebe für ihr Not geld. Dies nehme sie ja ... . Das hatte ich nicht erwartet. Diese Aufforde rung war mir peinlich. Ausreden konnte ich mich auch nicht, da ich die Brieftasche offengehalten hatte und einige Schecks aus ihr vorlugten. So rettete mich nur ein heroisches „Schön, natürlich!" vor der Blamage, vor einer versammelten Laden front als Großsprecher angesehen zu werden. Mit dem Notgeldschein pilgere ich nun ruhelos durch die Stadt. Untergebracht habe ich ihn bis jetzt noch nicht. Untergebracht habe ich bis jetzt nur mühelos das »richtige" Geld. Augenblicklich ist das Scheckgeld an der Reihe, verausgabt zu werden. Ich werde mit ihm zuweilen Schwierig keiten haben. Aber ich hoff», daß sie nicht ernst lich sind. Ich stecke einfach kein anderes Geld zu mir. Sollen sie mit mir, wenn ich mein Glas Bier bereits in der Gurgel, meine Ware bereits unterm Arm habe sollen sie mit mir dann machen, was sie wollen. In einigen Tagen wird mein Scheckgeld auf gebraucht sein. Dann kommt der unangenehmste Teil, die Verausgabung des Notgeldes. Aber ich mache es einfach wie mit dem Scheckgeld: ich esse und trinke und kaufe und habe dann nichts anderes da. So muß man's machen! Es darauf ankommen lassen! Nicht nachgeben! Biegen oder brechen! Die Stirn bieten! Eine eiserne Stirn! Nebenbei bemerkt: Für alle Fälle habe ich im Nebenfach meiner Brieftasche dann doch noch für eine Kleinigkeit Verrechnungsschecks. Und „nd in einem Geheimfach sogar noch richtiges Geld. Für den äußersten Fall. «an» Vauvr. Das Aerztehonorar. Vom 8. August betragen die Gebühren der Acrzte und Zahnärzte, wie dem Amt lichen Preußischen Pressedienst vom Wohlfahrtsmini» sterium mitgcteilt wird, das 80 000fache des Friedenssatzes. Teilnahme des Centrosojus an der Leipziger Messe. Der Allruffische Zentralverband der Konsum genossenschaften (Centrosojus) war auf der vorjähri gen Leipziger Messe nicht in dem gewünschten Um fange vertreten. Der Grund hierfür lag darin, daß der Centrosojus nach dem Uebergang zur neuen Wirtschaftspolitik erst Anfang 1922 die volle Tätig keit auf dem Weltmarkt wieder aufnahm und darum nicht die Möglichkeit besaß, für die rechtzeitige Be- schickung der Ausstellung Sorge zu tragen. In diesem Tendenz Don Ssorz WttkowskI In dem Worte Tendenz klingt heute etwas mit, was, wenn auch nur leise, den Tadel der un- cnrlichen oder vorgefaßten Meinung enthält; noch deutlicher in dem abgeleiteten »tendenziös". Die Sprache hat hier, wie so oft, einem ursprünglich harmlosen Ausdruck einen verschlechternden Sinn ein- geprägt. Es ist der Mühe wert, einen solchen Be deutungswandel zu verfolgen und seinen Ursachen nachzuspüren, weil darin stets ein Stück Geistes geschichte, häufig noch mehr, offenbar wird. Das Fremdwort Tendenz ist erst im letzten Drittel des 18. Jahrhunderts in der deutschen Sprache vorgedrungen. Vermutlich sollte das eng lische ienäencv damit wiedergegeben werden; es be deutet Richtung, Streben, Neigung, am häufigsten aber den bewußten Zweck. Der Berliner Theologe Spalding übersetzte 1756 das Werk des englischen Bischaks Butler „Bestätigung der natürlichen und ge- offenbarten Religion". Hier schenkte Spalding der deutschen Sprache das bis dahin fehlende Wort „Tatsache", genau entsprechend dem englischen „iact" und „matter ok kact", wofür man bis dahin im Deutschen Fartum gebraucht hatte, oder wirkliche Be gebenheit und ähnliches. An derselben Stelle suchte Spalding auch eine Verdeutschung von Tendenz und sand dafür „ Ä b z w e ck n n g ". Aber während Tat sache sich, zuerst häufig bekämpft, durchsetzte, ist Ab- zwcckung wieder spurlos verschwunden und das Fremdwort Tendenz an seine Stelle getreten. Goethe gebrauchte es zu den verschiedensten Zwecken. Er sprach von seinen eigenen.falschen Tendenzen und meinte damit, daß er Dinge ver suchte, wozu ihm die Anlage von der Natur versagt war, namentlich den Dilettantismus in der bildenden Kunst. Lr spricht von Schillers ideeller Tendenz im Gegensatz zu seiner eigenen reellen, auch allgemein von der idyllischen Tendenz, die sich in der deutschen Dichtung weit verbreitet habe, und al» Naturforscher von der Spiraltendenz der Vegetation in einem Auf sätze, der die Erscheinung des Windens, der spiraligen Krümmungen im Pflanzenreich behandelt. Er leitet sie ab aus einem allgemeinen Bestreben der Ge- wachse, sich zu winden, das ihren Charakter mit- bcstimmt, in Wechselwirkung mit dem starren Auf- wärtswachsen, wie es z. B. die Ulme darstellt. Mit gewaltig erweiterter Bedeutung erscheint unser Wort plötzlich im Kreise der Fragmente der Jahre find dagegen alle Vorkehrungen getroffen, um den Besuchern der Messe ein vollkommenes Bild über sämtliche Produkt« und Erzeugnisse zu geben, die durch den Centrosojus ausgesührt werden. Auch wird an der Hand von Diagrammen und Statistiken dar- gelegt werden, welchen Aufschwung die Tätigkeit de» Centrosojus bis jetzt genommen hat und welche außer ordentlichen Perspektiven für die Zukunft sich er- öffnen. , , Erhöhungen in Leipzig Brotpreiserhöhung. Die Löhne des Bäckerei personals haben wiederum bedeutend erhöht werden muffen. Weiter sind die Mehl- und Kohlenpreisc sowie auch alle sonstigen Betriebskosten außerordent- lich gestiegen, so daß eine erneute Erhöhung des Preises für das Markengebäck nicht zu umgehen war. Die neuen Brotpreise, die am 14. August 1923 für die zweite Hälfte der Marke 80 in Kraft treten, sind auf 10 900 Mark für 1 Pfund, 30500 Mark für 1400 Gramm und 41 400 Mark für 1900 Gramm festgesetzt worden. * Neue Nokspreise Infolge der erneuten allgemeinen Brennstoff preiserhöhung mußten auch die Preise für Koks aus den städtischen Gaswerken erhöht werden. Ab 13. August gelten für den Verkauf von Koks in den Werken bis auf weiteres folgende gentnerpreise: Nußkoks (Meidingerkoks) 1902 000 Mark, Perlkoks 770 000 Mark ab Hof Gaswerke. Der Verkauf von Koks findet nur statt, soweit jeweils Vorrat vor- Händen ist; Grobkoks kann bis auf weiteres nicht abgegeben werden. Die Anfuhr von Koks in kleinen Mengen frei Haus ist nicht möglich,'auch können mündliche und schriftliche Bestellungen auf Zusen dung von Koksmarkcn nicht berücksichtigt werden. * * Die Gebühren für de« städtischen Vieh- und Schlachthos sind mit Wirkung vom 13. August an erhöht worden. Zahlungsmlttelnot. Die Kreishauptmannschaft Leipzig schreibt uns: „Die ungeheure Knappheit der Zahlungsmittel, dec auch nicht sofort abgeholfen werden kann, hat die großen Firmen veranlaßt, ihren Angestellten und Arbeitern Löhne und Ge» Halter in Gutscheinen auszuzahlen. Vielfach haben Geschäftsinhaber die Annahme dieser Gut. scheine verweigert. Die Laden- und Geschäfts- inhaber werden gebeten, Schecks, die von bekannten Firmen stammen, in Zahlung zu nehmen, da diese sichere Gewähr bieten, daß die Einlösung erfolgt." * Rotgeld-Gutscheine der Leuua-Werke. Die vom Ammoniakwerk Merseburg G. m. b. H., Leuna- Werke ausgcgebenen Notgeld-Gutscheine, durch Ueberdruck jetzt auf 100 0 00 M a r k und 500 000 Mark lautend, können unbedenklich in Zah lung genommen worden, da nicht nur das ganze bedeutende Werk dafür haftet, sondern auch der ge samte Betrag durch gesperrtes Guthaben bei der Rcichskrcditgesellschaft sichergestellt ist. Der Reichs- finanzminister hat die staatliche Ge nehmigung zu dieser Notgeld-Aus gabe erteilt. 14 Millionen beim Kegelspiel verloren. Sin Kleinbauer aus der Gegend von Dachau bei München, der seit einigen Tagen vermißt wurde, nachdem er 14 Millionen für gelieferte Milch an die Lieferanten seiner Genossenschaft in München mit sich genommen hatte, wurde in Dachau in einer Wirtschaft entdeckt und festgenommen. Er hatte fast das ganze Geld beim Kegelspielen verloren. Bestrafter Wucher. Das Münchner Wucher- gericht verurteilte den Viehhändler Adolf Kupfer au» München wegen Zurückhaltung von Vieh, Preis treiberei und Schleichhandels zu vier Monaten Ge fängnis, 25 Millionen Mark Geldstrafe, Einziehung von 19 Stück Vieh im heutigen Werte von 1^ Mil liarden Mark und Einziehung der Handelserlaubnis. Studenten in Not Oie wirtschaftliche Lage der Studentenschaft in jüngster Jett Die Wirtschaftshilfe der Deutschen Studentenschaft hat in einer im Juni herausgegebenen Schrift die Ergebnisse der letzten Statistiken veröffentlicht, die über die wirtschaftliche Lage der Studenten an den meisten Universitäten und sonstigen Hochschulen an gestellt worden sind. Die Erhebungen erstrecken sich auf die Zeit vom Sommer v. I. bis in das Frühjahr d. I. — für das abgelaufene Sommersemester liegen natürlich noch keine ausgcwcrteten Statistiken vor — und geben ein erschreckendes Bild von der ständig wachsenden wirtschaftlichen Not, der sich, wie das ge samte Volk, in besonderem Maße die Studentenschaft gegenüber sieht, und von dem Parallelismus zwischen dem Verfall unserer Währung und dem der atademi- schen Jugend in wirtschaftlicher Hinsicht. Man kann sich vorstellen, wie die Währungskatastrophe, die seit dem April und besonders in den letzten Wochen ein gesetzt hat, die Daseinsverhältnisse der Studenten — von L e b e n s Verhältnissen kann man kaum noch sprechen — wiederum herabgedrückt hat. Bezüglich der Einkommensverhältnisse zunächst, die als durchschnittlichen Monatswechsel für Oktober 1922 und Februar 1923 ermittelt worden sind, ist folgendes festgestellt worden. Im Oktober des Vorjahres stand der Dollar auf dem 750fachen des Friedcnswertes, die Kosten der Lebenshaltung betrugen das 221fache, der Monatswechsel des Stu denten — das 71fache! Im Februar d. I. waren die entsprechenden Steigerungsfaktoren: Dollar das 6600- fache, Teuerung das 2600fache, Wechsel des Studen ten — das 500fache der Vorkriegszeit. War im Oktober 1922 der Wechsel des Studenten gegenüber den Lebenshaltungskosten schon wie 1:3 zurückgeblie ben, so verschlechterte sich dieses Verhältnis im Fe- bruar 1923, also in der relativ günstigen Zeit der Stützungsaktion, noch mehr und nahm die Form 1:5 an. Interessant ist ein Vergleich, wie sich die Einkommensverhältnisse einiger wichtiger Dolksschich- ten und der Studenten *) verschoben haben. Setzt man da« Durchschnittseinkommen des ungelernten Arbeiters für 1913 und für September 1922 1, so ergibt sich zunächst für die höheren und mittleren Beamten ein starkes Herabsinken des Einkommens vom 5,7fachen auf das ILfache bzw. vom 3F- auf das IHfache. Die Einkommen der unteren Beamten, gelernten und ungelernten Arbeiter zeigen ungefähr die gleiche Tendenz zum langsamen Sinken, sie halten sich noch um einige Prozent über dem des ungelern ten Arbeiters. Der Schwund, den das Einkommen des Studenten in der gleichen Periode erlitten hat, ist verhältnismäßig gerade ebenso groß, wie der des höheren Beamten, nur ist zu bedenken, daß die abso lute Höhe des Monatswechsels schon 1913 unter dem Einkommen des ungelernten Arbeiters lag und im September 1922 daher kaum noch ein Viertel von dessen Einkommen ausmachte! Die Ursache dafür ist zum großen Teil darin zu suchen, daß viele Stu denten selbst Beamtensöhne sind, und daß, da deren Einkommen sich immer mehr dem Existenzminimum nähert, die Unterstützung vom Elternhause immer knapper ausfallen muß. Der Tytz des Werkstudenten hat sich daher auch in der letzten Zeit immer weiter verbreitet, worüber die erwähnte Schrift zuverlässiges Material *) Im Verhältnis zu den Löhnen der am niedrig, sten bezahlten Arbeiterkategorien. . . ? für das ganze Reichsgebiet bietet. Im Sommer des Vorjahres waren an den 18 Universitäten, die sich an der Statistik beteiligten, 42 Prozent d-er Studenten erwerbstätig. An den tech- nischen, landwirtschaftlichen und Handelshochschulen sowie den Bergakademien ist dieser Prozentsatz noch weit größer, wobei allerdings zu beachten ist, daß die Praktikantentätigkeit der Studenten dieser An stalten zum Teil keine Werkarbeit im eigentlichen Sinne ist. Eine Gliederung der Werkstudenten an den Universitäten nach ihrer Semesterzahl ergibt, daß die zweiten bis siebenten Semester den größten Teil der Werkstudenten stellen. Im 2. Semester er reicht die Werkarbcit mit 57 Prozent der Studenten ihren Höhepunkt. Vom 8. bis 10. Semester nimmt dann ihre Zahl bis auf 27 Prozent ab — der Ein fluß des Examens —, um vom 11. an wieder lang sam zu steigen. Hier handelt es sich aber meist um Personen, die in einem dauernden Anstellungsver hältnis stehen, und man kann sie eher als Berufs tätige, die nebenbei noch studieren, bezeichnen, denn als eigentliche Studenten. Was die Verteilung der Wertarbeit auf Semester und Ferien betrifft, so wird naturgemäß die meiste Arbeit in den Ferien geleistet. Von 100 Werkstudenten arbeiteten 85 in den Ferien, 33 im Semester und 23 im Semester und in den Ferien. Die Bezahlung erreichte leider in vielen Fällen nicht die des unge lernten Arbeiters. Die Beschäftigungsart ist während der Ferien etwas anders als im Semester. Während der Ferien nehmen die Industrie ein reich liches Drittel, die Landwirtschaft ein Fünftel, die staatlichen Betriebe ein Neuntel aller Werkstudenten auf, während im Semester deren Anteile geringer sind gegenüber der Kategorien Unterricht, kaufmännische Betriebe und Sonstiges (z. B. Klavierspieler, Nacht wächter u. dergl.). Die einzelnen Fakultäten waren in verschieden hohem Grade an der Werkarbcit beteiligt, den größ ten Anteil stellen die Pharmazeuten mit 64 von je 100 Studierenden dieses Faches, alsdann folgen die Chemiker und die Theologen mit 54 und 52 Prozent und in Abständen die Landwirte, Tierärzte, Juri sten usw. Im ganzen waren im Sommersemester v. I. rund 60 000, ,d. h. die Hälfte aller deutschen Studenten, nebenbei erwerbstätig. Das ist gewiß im Interesse der Wissenschaft höchst unerfreulich, und auch vom Standpunkt des Studenten aus kann man nicht mehr behaupten, daß es kein schöneres Leben als Studen tenleben gebe. Aber wenn überhaupt Wissenschaft und Studentenschaft über die nächsten Jahre Hinweg kommen sollen, so wird man wohl oder übel solche Er scheinungen wie das Werkstudententum rückhaltslos -bejahen müssen und sich über den eisernen Willen zur Selbsthilfe freuen, der in Deutschlands Jugend lebt und sich hierin ausdrückt. Rkr. Romantiker, der Brüder Schlegel, Schleiermachers und Novalis': „Die französische Revolution, Fichtes Wissenschastslehre und Goethes Meister sind die größten Tendenzen des Zeitalters." Als Friedrich Schlegel diesen Satz prägte, fürchtete er, man werde an dieser Zusammenstellung Anstoß nehmen, und in der Tat erscheint uns noch heute der Dreiklang von Politik, Philosopphie und Romandichtung sonderbar. Es entspricht romantischer Denkweise, aus dem ein heitlichen Untergrund der Persönlichkeit die ver- schiedenartigsten Erscheinungen abzuleiten. Was in der Tiefe als unbewußtes Wogen und Wollen lebt, tritt in Gestalt des politischen Handelns, des Denkens und Dichtens zutage, wird zu der darin waltenden triebhaften Richtung und läßt das Wesen i-er Epoche erkennen. So wird Tendenz zum Aus druck des innersten geheimen Wollens, zeitbedingt, aber nicht der Zeit dienstbar. Solche Dienstbarkeit haben unsere Klassiker und Romantiker für die Kunst aufs schroffste abgclchnt. Schiller wollte in seinen ästhetischen Ab handlungen die Kunst als reines Spiel definieren und deshalb alle direkten Zwecke außerhalb der künstlerischen Sphäre von ihr fernhalten. Am meisten galt das für ihn und die gesamte spätere Kunstlehre in bezug auf dir Absicht, durch die Dichtung auf das öffentliche Leben, den Zustand der Gesellschaft, die herrschende moralische und religiöse Meinung direkt einzuwirken. Theoretisch ließ sich das wohl als Gesetz verkünden, aber im Kunstwerk kommt neben allen anderen Eigenschaften der schöpferischen Seele auch ihr Verhältnis zu den wichtigsten Lebensfragen un willkürlich zum Ausdruck und damit zugleich auch der Wunsch, do» für recht und notwendig Erkannte, den ersehnten und besseren Zustand an die Stelle des gerade herrschenden zu setzen. Schiller hätte nicht der Dichter der Freiheit werden können, der er für die folgenden Generationen war, er hätte ihr nicht al» Fahnenträger im Kampfe um politische Rechte und ein neues demokratisches Deutschland ge- dient, wenn nicht in seinen Werken eine klar erkenn bare Tendenz durch die Hülle der scheinbar nur künstlerischen Absichten strahlte . . . „Tendenz," sagt Dolkelt, „ist in allen Fällen eine künstlerische Sünde, die auch durch ein heilsames sittliches Bestreben des Dichters nicht ausgeglichen wird." Tcndcnzdramen in diesem Sinne sind in unseren Tagen Otto Ernsts „Flachsmonn als Er zieher" und „Jugend von heute". Sudermanns .Sturmgeselle Sokrates"; ans älterer Zeit etwa Gutzkow» „Pugatfchew" und »Uriel Acosta". Diese Beispiele lassen das Wesen der Tendenz nickt einheitlich erscheinen. In „Jugend von heute* und „Flachsmann als Erzieher" kämpft der trockene, von allen Musen geflohene Schulmeister Otto Ernst gegen vermeintliche Mißstände in Schule und Literatur. Gutzkows „Uriel Acosta" schildert mit nicht unansehnlicher tragischer Kraft den Kampf eines selbständigen Denkers um Glaubensfreiheit. Zn beiden Fällen handelt es sich nicht um Dichter ersten Ranges und um höchste Gegegnstände der Menschheit; aber man wird doch zwischen dem Gestaltungs vermögen Gutzkows und dem Otto Ernsts ohne weiteres unterscheiden, ebenso wie zwischen dem Stoff ihrer dramatischen Gebilde. Wenn bei Gutzkow von Tendenz gesprochen werden darf, so ist es eine, die er mit großen Dichtern aller Zeiten teilt: einzutreten für das, was seinem Herzen teuer ist, und zu kämpfen gegen das Schlechte und Niederziehende und Dürftige. Otto Ernst dagegen hat es mit Erscheinungen zu tun, die ihm als Spießbürger nnd Pädagogen innerhalb seiner kleinen Welt schädlich erscheinen. Und deshalb darf er mit Recht Tendenzdichter heißen, während dieses Wort für Gutzkow, wenigstens als Dichter des „Uriel Tcosta", ungerechtfertigt wäre. Hl Der hiermit vorausgesetzte Sinn ist dem Worte „Tendenz" erst ini Laufe des 19. Jahrhunderts ver liehen worden. Als nach der romantischen Zeit die Vertreter des Jungen Deutschlands kamen, wollten sie Dichtung und Leben wieder miteinander vereinen. Ihre Poesie sollte begeistern, aber nicht für all gemeine Ideale, sondern zum Kampf, zur politischen Tat. Die Dichtung sollte journalistisch werden: Die Lyrik zum poetischen Ausdruck des revolutionären Gedankens. Damit war der Weg für die politische Lyrik gebahnt. Seit dem Anfang der vierziger Jahre überschwemmte sic Deutschland. Nikolaus Becker mit seinem Rheinlicd „Sie sollen ihn nicht haben, den speien deutschen Rhein" eröffnete den Reigen, und eine Unzahl von kleinen Poeten folgte, immer die gleichen Tone nachleiernd, die von wenigen höher Begabten angegeben wurden: von Hoffmann von Fallersleben, Herwegh, Prutz, Freiligrath, und dem Vater der dcntschen politischen Lyrik, Heinrich Heine. Vielleicht stammt von ihm der üble Klang der Worte T-ndcnz und Tendenzpocsie. In seinem „Buch dec Lieder" hatte cr noch keine politischen Klänge ncrnehmen lassen, aber dann waren in den ersten Pariser Jahren di« »Zettgedichte' entstanden und hatten mit bitterem Ernst und Hohn Weckrufe in die Gegenwart hineingetönt unter dem Motto: Trommle die Leute aus dem Schlaf, Trommle Reveille mit Iugendkraft, Marschiere trommelnd immer voran, Das ist die ganze Wissenschaft. -Dahinter stand auch ein Gedicht mit dem Titel „Die Tendenz" und mit der Aufforderung an den deutschen Sänger: „Rede Dolche, rede Schwerter!" Wenige Jahre später aber wirst Heine sich bl seinem „Atta Troll" zum Anwalt des echten Talent» gegen die Gcsinnungsphrasen auf. Im ersten Drucke von 1843 standcn die nachher beseitigten Verse: Später werde ich berichten, Wie der Jüngling treu geblieben Seinem Eid. Er ging nach Deutschland, Und er wurde ein Tendenzbär. Zum Entsetzen aller Menschen, Und der Musen ganz besonders, Brummt er dort herum und wütet, Droht uns alle aufzufrrfsen. Heine konnte es sich auch nicht versagen, auf jenen Streit anzuspielen, der kurz zuvor zwischen zwei Häuptern der politischen Dichtung, Herwegh und Freiligrath, tobte. Freiligrath hatte in einem seiner Gedichte einen französischen Royalisten gefeiert, der für seine Ueberzeugung gestokben war und darin die geflügelt gewordenen Worte gesprochen: Der Dichter steht a»rf einer höheren Warte Al« auf den ginnen der Partei. ' , . Und darauf erwiderte Herwegh: Partei! Parteil Wer wollte sie nicht nehmen, Die noch die Mutter aller Siege war! ' j Wie mag ein Dichter solch ein Wort verfemen, Ein Gort, das alles Herrliche gebar? Nur offen wie «in Mann: Für oder wider! - Und die Parole. Sklave oder frei! Selbst Götter stiegen vom Olymp hernieder Und kämpften auf der Zinne der Partei! Je heftiger die politischen Leidenschaften sich regten, je zahlreicher da» Volk am öffentlichen Leben teilnahm, um so mehr wuchs auch bi» 1848 der Gogenschwall dieser Tendenzdichtung. Weil ihre Er zeugnisse meist al» Kunstwerke erbärmlich waren, be festigte sich die Meinung, alle Zweckdichtung sei > minderwertig, kunstwidrig, »ch darßher hinaus t
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