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Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 10.08.1923
- Erscheinungsdatum
- 1923-08-10
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-192308107
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-19230810
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-19230810
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1923
-
Monat
1923-08
- Tag 1923-08-10
-
Monat
1923-08
-
Jahr
1923
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krett-g, 6ea 10. Lugust politische Kurzsichtigkeit Der Reichskanzler hat an der Stelle seiner Red«, di« die radikalen Umtriebe erörterte, die Kampfmethoden, die auf Verunglimpfungen und <§e- heimbündelci hinzielen, als „politische Kurzsichtig, teitcn" gekennzeichnet, die jeden Anspruch auf Führer- schäft nehmen. Den Gegensatz, in den sich die Radikalen zu der Volksmehrheit stellen, kann man ganz einfach aus die Frage zurückführcn: sollen die innerpolitischen Schwierigkeiten gemeinsam ertragen und llberwun- den werden, oder sollen Teile des deutschen Volkes dabei von andern Teilen derselben Volksgemeinschaft nicht nur beiseitcgeschoben, sondern schlechtweg aus. gerottet werden. Die Radikalen entscheiden sich für das letzter und treiben damit dieselbe Politik, die einem Llemenceau von seinem Standpunkt aus emp. fehlcnswert erscheinen mag; denn die französische Po- litik ist nun einmal auf Vernichtung gegen uns em- gerichtet. Es scheint aber, als ob das den Radikalen nicht genügt: die deutsche Volksgemeinschaft muß auch noch von innen zersetzt werden. Unter Vermeidung jeder noch so geringen klaren Darstellung wird eine poli- tische Phantasie vorgetragen, die morgen Wirklichkeit sein könnte, wenn nicht „die Bösen" dazwischen- ständen. So verächtlich solche Demagogie ist, enthält sie doch vor allem eine reale Gefahr: Der Deutsche ver gißt immer mehr, daß das Primat der Geschichte in der Außenpolitik ist. Die Radikalen jagen ihre Anhänger in Gcmütswallungen gegen eigene Volks- genoßen, so daß sich jede Neigung verlieren muß, an die Bedingungen und Verflochtenheit der wirklichen Politik mit klarer Ueberlegung hcranzugehen. Voller Ressentiments, lassen sich solche Verführte treiben, wohin der Verführer will, und in ihrem Stimmungs- rausch meinen sie sogar, sie selbst wählten den Weg, auf dem sie in Wahrheit nur blind dahinstürmen, einem sinnlosen Ziele entgegen. Wer verführen will, muß zunächst den Blick trüben. Die Radikalen, vor allem die dcutschvölkischen Führer, haben noch nie ihre Ziele aufgedeckt. Was sie darüber sagen, ist Gcschwätz ohne Inhalt. Aber es genügt ihren Zwecken, wenn die Massen politisch immer kurz- sichtiger werden. Wer fest davon überzeugt ist, daß die Juden an all unserem Unglück schuld sind — wie sollte er denn überhaupt zum Nachdenken darüber kommen, ob nicht vielleicht PoincarS ein viel schwererer Alp auf unserer Prust ist? Politischer Fanatismus ist nicht nur an sich eine Gefahr; das Verhängnis für das deutsche Volk liegt darin, daß er den Blick ablcnkt von den Dingen, die erkannt werden müssen. Je stärker der Radikalismus, um so schwächer der politische Blick. Und um so hilf, loser sind wir den Kräften ausgesetzt, die unserer Politik den Atem abschnüren. Ein politisch kurz- sichtiges Volk kann auch nie und nimmer die Regie rung aus sich hervorbringen, die seinen wirklichen Lebe isbcdingungcn genügen könnte. Politischer Blick des ganzen Volkes ist nicht darum zuletzt eine zwingende Notwendigkeit, weil nur so eine Regie- inng sich gestalten kann, die sich mit der Regierung eines fremden Volkes messen muß, das in seiner po litischen Zielsetzung klar ist. ; . ,.... ,LV Geständnis der Mörder des Staatsanwalts Haas Frankfurt a. M., 9. August. (E i g. Te l.) Die Ermittelungen der Kriminalpolizei in Sachen der Ermordung des Staatsanwaltschaftsrates Dr. Haas haben ein ziemlich klares Gesamtbild der Zusammen hänge geschaffen. Es steht nunmehr mit aller Be- stimmtheit fest, daß die beiden ersten Schüsse, die der Anlaß zur Bluttat wurden, von dem als Haupt- beteiligten festgenommenen 61jährigen Schreiber und früheren Hilfspolizisten Karl Dräuning aus Frankfurt abgegeben worden sind. Als Haupt- t4ter bei dem gewaltsamen Eindringen in das Haue l-at sich der 22 Jahre alte Fahrbursche Heinrich Fritz bekannt. Ein 20jähriqer Arbeiter und ein 21 jähriger Schlosser von hier, ein 21jähriger Schlosser aus einem nördlichen Vorort von Frank- furt und ein 27jähriger Hausmeister aus Bad Hom- bürg sind als Haupttäter beim Hinausschaffen des Staatsanwalts aus dem Gebäude und bei den nach- , folgenden schweren Mißhandlungen an Dr. Haas in I Gewahrsam der Behörden. Im ganzen sind von der I Vas große Lrlebttis Eine Umfrage unter Schülern Lin unserm Blatt befreundeter Oberstudienrat, der an einem Gymnasium in Mitteldeutschland tätig ist, stellt uns eine Anzahl von Aufsatzabschristen zur Verfügung, die die Aeußcrungcn seiner Klasse über das ihr gestellte Thema „Mein großes Erleb- n i s" wledergeben. Die Schüler befinden sich un- gefähr im Alter von 15—16 Jahren und haben nach keiner Anweisung das Thema bearbeitet. Man erficht aus folgendem, wie stark die geistigen Unter- schiede innerhalb einer gleichaltrigen Klasse, die äußerlich die gleichen Pensen erledigt, sind. Wir geben einzelne Aufsätze, im Auszuge, wieder. »Der Brand" .... Ich war bei meinem Onkel auf dem Lande zu Besuch. Wir schliefen, drei Brüder, in einem Zimmer, dessen Fenster auf freies Feld hinaus gmg. In einer Nacht wachte ich plötzlich auf. Es war mir, als hätte es irgendwo dumpf getutet. Drau ßen war es schon halb hell, denn es war gegen Morgen. Aber man konnte doch noch r.cht recht etwas erkennen. Es war so schummrig un) mir wurde ganz sonderbar zumute. Mit einemmal hob sich hinten, wo der Horizont war, eine Helle rote Wolke hoch und sank gleich wieder zurück. Da» ge schah einige Male. Obwohl ich schon groß bin, muh ich doch sagen, daß mich das sehr erschreckte. Ich kam mir plötzlich so allein vor. E» sah au», als ob hinten die Erde brannte, aber kein Mensch war auf der Erde, sondern nur ich und da» dunkle Feld und da« Feuer. Nachher kamen mein Onkel und die Leute mit Spritzen aus dem Stall und fuhren dort- hin, wo e» brannte. Aber e» war schon alle« ein- geäschert. Ich träume noch heute manchmal, datz ich allein stehe auf einer weiten Fläche und plötzlich überall ringsherum Feuerschein ist. Ich wache dann immer mit Herzklopfen auf..., , I-elpttgEr Lsgedlfltt uaä Xr. 1« Seile S Jur Geschichte des Attentats von Gerajews Mordkommission 53 Personen verhaftet worden, von denen rund 46 in gerichtliche Unter suchungshaft genommen worden sind. Bemerkens wert ist, daß sich unter den Verhafteten sehr viele Jugendliche befinden, darunter eine ganze Gruppe aus einer Frankfurter Fabrik sowie eine große Anzahl Fürsorgezöqlinge eines hiesigen Heime». Teuerungrkrawalle in Danzig Danzig, S. August. (E i g. Te l.) Die mit der katastrophalen Entwertung der Mark über Danzig hereingebrochene Not hat heute zu erregten Straßenkundgebungen geführt. Gegen Mittag ver- ließen die Hafenarbeiter ihre Arbeitsstätte; der größte Teil der Werftarbeiterschaft schloß sich ihnen an. In der inneren Stadt erhielt der Zug Der- stärtung durch die Marktbesucher, die die Waren, soweit sie überhaupt vorhanden waren, mit ihrem wertlosen Gelbe nicht kaufen konnten. Die Erbit terung der Demonstranten stieg, als die Kmrfleute in der hauptsächlich von Arbeitern bewohnten in- neren Stadt ihre Läden schlossen. An der Grenze der Bannmeile kam es zu Zusammenstößen mit der Polizei, bei denen eine Person durch einen Säbelhieb verletzt wurde. Der Zug löste sich dann auf. Eine Abordnung der Arbeiter begab sich nach dem Senat, um einem Ausschuß ihre For- drrungen vorzutragen, die im wesentlichen auf die Schaffung wertbeständiger Löhne hinauegehen. Der Präsident des Senats betonte, der Senat werde alle ihm zu Gebote stehenden Mittel anwenden, uni der Not zu steuern. Heute schon sollen Verhandlungen über eine neue Form der Lohnzahlungen unter Berücksichtigung der augenblicklichen Verhält- nissc stattfinden. Heber die Lebensmittelversorgung gab der Senat beruhigende Auskunft. Die Polizei werde zurückgezogen werden. Die Erklärung wirkte beruhigend. Die Polizeistunde wurde auf 10 Uhr abends festgesetzt. Für heute sind der Ausschank und Verkauf von Alkohol und jede offene Tanzlust, barkeit verboten. Achttägige Grenzsperre Als Sanktion für das Düsseldorfer Attentat Pari», 9. August. Nach einer Havas-Meldung aus Koblenz hat die Rheinlandkommission im Ein vernehmen mit dem General Degoutte wegen des Bombenwurfes auf die französischen Jäger in Dussel- darf den Tag- und Nachtverkehr zwischen dem besetzten und dem nicht besetzten Deutschland vom 8. August 12 Uhr mitternachts an auf acht Tage verboten. Der Grenzverkehr wird erst am 17. August, vormittags 5 Uhr, wieder freigegeben werden. .r 4- Auch in Kehl a. Rh. ist eine von den Fran- zosen angeordnete Sperre de» Verkehrs mit dem linken Rheinufer in Kraft ge treten, die erst am 16. August zu Ende gehen soll. Llm den passiven Widerstand London, 9. August. Zur Beilegung der ministe riellen Meinungsverschiedenheiten hatten Bald win und Lord Lurzon gestern Besprechungen mit den anderen Kabinettsmitgliedern. Die Kon- servativen versuchten, auf die Minister einzuwirken, daß sie von Deutschland die Aufgabe de« passi- ven Wider st andes verlangen, doch wird in politischen Kreisen vermutet, daß der Premier- Minister dieser Forderung nicht entsprechen werde. In Dresden verstarb der Oberjustizrat Dr. Georg Stöckel. Der Verstorbene war lange Jahre ehemaliger Stadtverordnetenvorsteher und über 25 Jahre lang Stadtverordneter. Er gehörte über 6 Jahre dem Landtage an. Als Landtags abgeordneter stürzte er seinerzeit das konservativ« Ministerium Watzdorf, was in politischen Kreisen viel Aufsehen erregte. Er wurde auch dieserhalb viel angegriffen, doch hat ihm die spätere Entwicklung recht gegeben. Italienische Blätternachrichten über eine Reise de« Ministerpräsidenten Mussolini nach London, die zu Ende des Monat» stattfinden soll, wird amtlich als verfrüht bezeichnet. Frantfurt «. M, 9. August. (Eig. Tel.) Ueber die Zusammenhänge der Ermordung des Erzherzog-Thronfolgers Franz Ferdinand veröffentlicht Richard Wiener in der „Frankfurter Zeitung" folgende auf die Aussagen zuverlässiger Gewährsmänner begründete sensationellen Mit- teilungen: Im Frühjahr 1914 begann in Bosnien und der Herzegowina durch die Landesbehörden jene Auf- klürungstätigkeit, die angesichts der bevorstehenden Thronfolgerreise geboten und selbstverständlich war. Ein altgewohnte» und oft geübtes Verfahren. Durch Agenten und Vertrauensmänner wurde die Stim- mung im Lande und der sogenannten „subversiven" Kreise erforscht — mit einem Resultat, das die Be amte» in eine wahrhafte Bestürzung versetzte. Auf Grund der eingegangenen Berichte aus fast allen Bezirken mußte von dem beabsichtigten Versuch Franz Ferdinands dringend abgeraten werden. Namentlich die unteren Bezirksbehörden, denen die unmittelbare Durchführung der Sicher heitsmaßnahmen oblag, erklärten katego - risch, daß sie durch die obwaltenden Verhältnisse die Verantwortung für etwaige Zwischenfälle n i ch t ü b e r n c h m e n könnten. In den Kreisen der politischen Beamten herrschte die größte Auf regung. Noch niemals hatte die Situation sich so bedrohlich gezeigt wie jetzt. Man sandte Berichte, Warnungen und Telegramme nach Wien an die höchsten Stellen. Das Resultat war über raschend. Nach langem absolutem Stillschweigen ge- langte von oben ein D-rweis auf die bosnische Landesregierung herab: Dir Reise des Thronfolgers sei ausschließlich eine militärische Angelegenheit, eine Verantwortung der zivilen Stellen sei weder verlangt noch gerne gesehen. Sie hät ten sich in die Sache nicht einzumengen, vor allem aber unerbetene Warnungen zu unter lassen. Die Berichte seien dem Thronfolger vor gelegt worden und hätten seinen Entschluß, die Reise zu unternehmen, nur noch g-stärkt. Man wird sich erinnern, daß unmittelbar nach dem Attentat in offiziellen und offiziösen Nachrichten dieser Starrsinn Franz Ferdinands immer wieder hcrvorgehoben und ihm damit selbst die Schuld au dem unheilvollen Ausgang zugeschoben wurde. Tat sächlich ist aber, zuverlässige» Mitteilungen zufolge, der warnende Bericht der bosnischen Landesbehörden dem Thronfolger nie- malevorgelcgtworden. Es erging ihm wie der Warnung gleichen Inhalts, die der serbische Gesandte an die k. und k. Regierung richtete, und die kürzlich in dem Werk des serbischen Historikers Sta - nojewitzsch erwähnt wurde: Man ließ ihn verschwinden. Die Ereignisse ergaben ein deut liches Bild der geheimnisvollen Machenschaften, die bei der Entfesselung des Weltkrieges am Werke waren. Schon kurz nach Kriegsbezinn war insgeheim in bosnischen Regierungskreisen die Ansicht fest- stehend, daß die Ermordung Franz Ferdinands mehr als der zufällige Anlaß des längst geplanten Krieges gewesen sei, und daß, wenn die Schüsse von Sara jewo als Signal gedacht worden seien, man in Oester reich zum mindesten nichts getan hat, um dieses Signal zu verhüten. Dies rcar der anfängliche stimmungsmäßige Eindruck, der sich damals den Be- teiligten aufgedrängt hat. Nachdem die erste Aufregung über die Eera- jewoer Mordrat ruhiger Besinnung gewichen war, gingen die politischen Behörden Bosniens und der Herzegowina in pflichtschuldigerwcise, wie es ihnen selbstverständlich erschien, daran, die Sci)äden auf- zudecken, die sie in ihren Berichten schon vergeblich als gefahrdrohend bezeichnet hatten. Die neuer- lichen Nachforschungen waren nicht in die Tiefe ge gangen. So blieb noch viel zu tun übrig. Prin- cip und Zabrinowitsch waren bosnische Serben. Es lag nahe, ihren Erklärungen und sonstigen Verhält nissen nachzuspüren und vorläufig zum mindesten eine Liste jener Persönlichkeiten anzulegen, mit denen sic Beziehungen unterhalten hatten. Die Ver kettungen erwiesen sich als über Erwarten groß und überraschend. Man sah sich genötigt. Namen offi- -ieller Persönlichkeiten auf diese Liste zu setzen, denen man im Hinblick auf ihre prominente Etel- lung einen direkten oder indirekten Verkehr mit dem unbedeutenden Seminaristen Princip und seiner Hintermänner niemals zugetraut hatte. Politisches Interesse an der großserbischen Idee, die das un- mittelbare Motiv der Mordtat abqaben, waren bei diesen Persönlichkeiten mit Sicherheit nicht nachzu- weisen. Welches waren also die Beweggründe, die sie bestimmt hatten, sich in eine solche Affäre ein- zulaffen? Diese Erforschungen mußten jedenfalls Sache der obersten Stellen in Wien sein, denen man die Liste der Persönlichkeiten nach dem Abschluß einsandte, und von der,en man weitere Maßnahmen erwartete. Sie schwiegen lange. Erst nach geraumer Zeit, wäh rend welcher der offizielle Nachrichtenapparat in mehr initiativer Weise die Blicke der Oeffentlichkeit auf Serbien als den Herd der Verschwörung lenkte, gelangte auch die Lifte wieder bei den bosnischen Bc Hörden an. Hier ergab sich eine neue ll eber rasch nnq: aus dem Verzeichnis waren alle jene Namen verschwunden, die gelegentlich der Aufstellung das Erstaune» der Beamten erregt hatten." Aus den Angaben der Gewährsmänner für diese Mitteilungen geht hervor, daß bei der Durch führung der Untersuchung ein geheimer, aber um so stärkerer Antagonismus zwischen den bosni schen Behörden, die sich eifrig bemühten, Licht über den wahren Stand der Dinge in die dunkle An- gelegenheit zu bringen, und den höchsten Wie ner Zentralstellen bestand, die vielmehr danach strebten, die Blicke der Ocssentlich- keit nach Serbien zu lenken, wo II Tag: später der Weltkrieg seinen Anfang nahm. Ein „legittmistisches" Wahlbündnis Wien, 7. August. <Eig. Tel.) Wie die „Frank furter Zeitung" meldet, veröffentlicht „Die Stunde" nähere Mitteilungen über das Zustandekom men des Wahlbündnisses zwischen den Eh r i st l i ch s o z i a l e n und den M o n a r ch i st c n. Nach dieser Darstellung hätte Bundeskanzler Seipel durch den Vorarlberger Bischof Dr. Weitz, einen der intimsten Ratgeber des verstorbenen Kaisers Karl, den Auftrag des Vatikans erhalten, den monarchisti schen Gruppen bei den kommenden Wahlen in irgend einer Form entgcgenzukommen, um erstens eine Zer splitterung des antimarxistisch gesinnten katholischen Bürgertums in Oesterreich zu verhüten, und nm zweitens dem legitimisten Willen cin^s großen Teiles der Bevölkerung auch in der Nationalversammlung zum Ausdruck zu verhelfen. Auf diese Weise — so meint „Die Stunde" — soll die Restauration der Habsburger in den Donauländern vor bereitet werden. Seipel habe sich übrigens über die Stimmung der großen Mehrheit der eigenen Partei hinweggesetzt und lediglich mit-Zustimmung einiger Führer den bezeichneten Pakt abgeschlossen. Meine politische Nachrichten Nach Nachrichten französischer Zeitungen sollen rm Ruhrgebiet von französischer Seite Küchen für deutsche Kinder eingerichtet worden lein, bei deren Beköstigung angeblich deutsch: Behörden mitwirkten. Demgegenüber ist festzustelleu, daß in Essen keine einzige Behörde bei diesen Speisungen mitgewirkt hat und auch von auswärrs derartige Fälle nicht bekannt gewor- den sind. Wie aus New Pork gemeldet wird, wohnte der deutsche Botschafter am Mittwoch den Leichenfeier lichkeiten in Washington bei und legte am Sarge Hardings im Namen des Reichspräsidenten einen Kranz nieder. ' * Der Generalsekretär der Lausanner Kon ferenz hat dem russischen Vertreter Iordansky den Wortlaut des Meere ngcnabkommens zur Unterzeichnung übersandt. »Da« Pferd 1» der Schelde.« .... Mein Vater und ich gingen neulich di« Hauptstraße entlang. An der Ecke war ein Auflauf, und die Menschen standen um ein Pferd, das sein Kutscher von der Droschke abgeschirrt hatte. Das Pferd, welches zitterte, war sehr unruhig und tän zelte immerzu hin und her. Die Leute lachten und mein Vater sagte: „Komm, wir wollen weitergehen." Aber ich wollte nicht gern und da ging das Pferd auch schon los. Es rannte mächtig die Straße her unter und wieder zurück. Die Leute sagten: „Das hat den Koller" und mit einem Male blieb es vor einem Zigarrenladen stehen. Der Zigarrenladen hatte große Scheiden. E» stellte sich auf und sprang mit beiden Fügen in eine große Scheibe. Es schlug sie glatt durch, blieb aber in dem Glas stecken. Das war ganz zersplittert und das Pferd hatte furchtbare Schmerzen und wollte zurück. Da überschlug e« sich nach rückwärts und riß die ganze Scheibe mit her aus. Nun stand es da und war ganz ausgeschnitten um den Hal« und die Brust herum, und da» Blut rann in Strömen wie au» einem Kranz herab. Da fiel es hin und zuckte furchtbar. Mir wurde schlecht and ich regte mich so auf, daß man mich zu Hause zu Bett brachte. Der Arzt kam und sagte: ich hätte Fieber. Ich fehlte drei Wochen in der Schule.... »Dl« Nevolutton" ... Al» ich elf Jahr war, ist mein Vater au» dem Kriege gekommen. Die Mutter weinte furcht- bar und in den Straßen haben sie geschossen. Aber dann war es vorbei. Die Leute sangen alle, und wir Kinder bekamen einen großen Kuchen zur Ver- teilung. Am Nachmittag gingen wir alle au», und auf der Straße kam ein Mann mit einem Auge auf Vater zu und umarmte ihn und sagte: „Wilhelm, nun brauchen wir un» nicht mehr totschießen zu lassen." Vater sagte zur Mutter: Da« sei ein Käme- rad und sie hätten bei Werduhn zusammen gekämpft und nahm ihn mit und alle waren sehr vergnügt und tranken und wir bekamen auch ein Ei». Da» war der schönste Tag, den ich erlebte ... »Der tote Onkel" .... Meine Schwester Liselotte und ich haben keine Eltern mehr. Wir leben, weil uns ein gütiges Geschick dies so bescherte, bei meinem Onkel Franz oder wir lebten vielmehr dort. Denn mein Onkel Franz ist tot. Denn das kam so. Wir spielten im Hose. Als es Mittagszeit war, bekamen wir Hunger und gingen hinauf. Da saß oben der Onkel in seinem Lehnstuhl und er hatte seinen Suppenteller schon in der Hand. Wir wunderten uns, baß er ohne Tischgebet angefangen hatte aber da sagte Liselotte: „Er hat sich ja bekleckert." Der Suppenteller lag auch schief auf den Knien in seiner Hand und die Kar toffelsuppe war herausgefloflen. Da ging ich zu ihm und zog ihn am Aermel, denn ich dachte, er schlief- Mit einem Male rutschte er aber vom Stuhl ganz lang auf den Boden und blieb liegen. Wir bekamen einen großen Schreck und fingen an zu beten. Dann kamen Leute, die trugen ihn weg... * Soweit die Kinder. Andere Aufsätze, die zum Teil reifer sind, haben wir mit Absicht fortgelaffen, weil sie so persönliche Stellen enthalten, daß sie ab zudrucken an den Kindern nnrecht handeln hieße. Aber schon diese Proben zeigen, daß bei aller Kind- lichfeit es doch immer wesentliche Erlebnisse sind, die auf die Jugendlichen Eindruck gemacht haben. m,. Lederer Ehrenmitglied der Diener Akademie. Die Wiener Akademie der bildenden Künste hat soeben Prof. Dr. Huao Lederer, den Berliner Bildhauer, durch einstimmigen Beschluß zu ihrem Ebrenmitgliede ernannt. Die Auszeichnung wird da- mit, nachdem Gerhart Hauptmann und Mar Lieber- mann sie gleichfalls erhielten, dem dritten deutschen Künstler verliehen. Ei« österreichischer Theattrtrnst. Nachdem da» Innsbrucker Stadttheater, in dem es schon seit langem kriselte, vor einigen Tagen end- gültig zusammenzedrochen ist, will man an eine gründliche Sanierung der österretchlschen Theater gehen. E» ist di« Gründung eines «lpen län dischen Theaterkonzerns geplant. Die Theater der Städte Linz, Innsbruck, Salzburg und Klagenfurt sollen zusammengeschlossen werden; aus geschlossen bleiben soll lediglich das Grazer Stadt theater. Als Direktor des neuen Konzerns kommt in erster Linie Direktor Exl des bekannten Bauern ensembles in Frage. Er gastiert gegenwärtig im Kgl. Schauspielhaus im Haag; die Stadt Innsbruck ist mit ihm wegen vorläufiger Uebernahme des Inns brucker Sradrtheaters in Verhandlungen getreten. Als Leiter des neuen Konzerns wird ferner Direktor Max Höller vom Linzer Stadttheater, der als be sonders tüchtiger Theaterfachmann gilt, genannt. Der nächste Esperanto-Weltkongreß in Bulgarien. Die bulgarische Regierung hat den nächstjährigen 16. Esperanto-Weltkongreß nach Sofia ringelnden. Dem diesjährigen Esperanto-Weltkongreß in Nürn berg wohnt der bekannte Dresdner Großindustrielle Kauffmann, der bulgarische Generalkonsul, bei. Er hat sich bereit erklärt, den nächstjährigen Esperanto- Weltkongreß mit großen finanziellen Mit teln zu unterstützen. , Zunahme der Krebsleiden in Frankreich. Beun- ruhigende Mitteilungen über die Verbreitung des Krebses in Frankreich machte Prof. Rcmond in der letzten Sitzung der Pariser Akademie der Medizi». Seine Erhebungen stamnrrn von 270 Spezialisten in 694 Orten in 8 französischen Departements. Die Zahl der Fälle, die hier beobachtet wurde, betrug 1919 300, 1920 312, 1921 589 und 1922848. In Toulouse allein wuchs die Zahl der Krebserkran- kungrn von 22 1919 auf 126 1922. Ri-mond hebt besonder» hervor, daß die Krankheit jetzt Leute schon in viel jüngerem Alter ergreift, als früher feftgestellt wurde. »tae neue Anatomie in London. Als Teil der großen Medizinschule, für deren Errichtung die Rockefeller-Stiftung 6 Millionen Dollar gegeben hat, ist jetzt ein neue» Anatomisches Institut an der Londoner Universität errichtet worden. E» hat 1H5 Millionen Dollar gekostet und soll mit den neuesten und besten Hilfsmitteln des Unterrichts ausgestattet sein. Die Buchhändlettchlüsselzahl ist mit Wirkung von heute (10. August) ab, von 80000 auf 120 000 er - höht worden. .... L. -
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