Suche löschen...
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 10.08.1923
- Erscheinungsdatum
- 1923-08-10
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-192308107
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-19230810
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-19230810
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1923
-
Monat
1923-08
- Tag 1923-08-10
-
Monat
1923-08
-
Jahr
1923
- Links
- Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
8ette 2 Ur. 188 für Deutschland zu bekunden, dann brauchen den Erwartungen entsprach, die man billigerweise von ihr hegen tnnnke. Die rechtsradikale .Deutsche Zeitung", die natürlich die gegen die Sabotagepolitik gerichteten Worte des Kanzlers verurteilt, hat den Eindruck, daß schleunigster eiserner Wille, nicht nur nach außen, sondern auch nach innen, auch dem Reichstage gegen» über an Stelle des bisherigen Dahingieitens treten müsse. Einig sind sich alle Blätter im Beifall für die Worte des Kanzlers, daß an eine Aufgabe des passiven Widerstandes nicht zu denken H e i Frankreich ist nicht überrascht Paris, 9. August. <E i g. Tel.) Die Rede des Reichskanzlers hat in hiesigen orientierten Kreisen keine 1l c b c r r a s ch u n g hcrvorgcrufcn, da man nichts anderes erwartet hatte. Eie wird von den Nationalisten, die eine deutsche Initiative zur Herbei» führung einer direkten Verständigung mit Frankreich befürchten und den völligen Zusammenbruch herbei» wünschen, freudig begrüßt, während die Organe der» jenigcn Kreise, die eine deutsch-französische Verständi gung für notwendig hallen, ihre Enttäuschung nicht verbergen. > Der sozialistische „P o p u l a i r e" stellt mit Bc- »aucrn fest, daß, von der nicht wertlosen Verurtei- ung der nationalistischen Attentate abgesehen, nichts n der Rede enthalten ist, was der Lösung des Kon- liktes dienen könne. Die radikale „Ere Nouvellc" '^sagt wörtlich: Wir bedauern, daß der Kanzler dem französischen non possumus ein deutsches non possu» mus cntgegenstellt und den passiven Widerstand ver- ^herrlicht, der keinen positiven Wert hat, sondern nur die verletzte Eigenliebe befriedigt." Die lmks- demokratische .Oeuvre" erklärt, Deutschland fehle offenbar eine energische, Willensstärke und lebens fähige Regierung, die allein imstande wäre, den Frieden hcrbeizusllhren. Gestern habe sich ein Echattcnkanzlcr an ein Sci>cinparlamcnt gewandt. Der linksrcpublikanische .Radikale" stellt fest, daß der Reichskanzler aus der Entwicklung der Dinge nichts gelernt habe. Der .Petit Parisi en" schreibt, da Deutschland die französischen Bedingungen für eine Verhandlung entschieden ablehne, bleibe Frankreich und Belgien nichts übrig, als den be schrittenen Weg fortzusetzen. Der „Mat in" ver gleicht die Rede des Kanzlers mit Ludcndorffs Er- llärung vom August 1918, und prophezeit, daß der Kanzler Deutschland zum völligen Ruin führen werde, wie die Heeresleitung es 1918 zur völligen Niederlage geführt hat- Der „Gaulois" meinr, Frankreich brauche sich nicht darüber zu beklagen, daß Deutschland den passiven Widerstand fortsctzen wolle.' Die Rede des Reichskanzlers werde die Wieder annäherung zwischen Frankreich und England und damit die späteren Verhandlungen erleichtern. Das nationalistische .Echo de Paris" erklärt triumphierend, die Ruhrpolitik zeige jetzt ihre Konsequenz. Nach der Rede des Reichskanzlers werde PoincarL gezwungen, sich die Mittel zur Ausführung des Versailler Vertrages an anderer Stelle als bei der machtlosen Berliner Zcntrcrlregierung zu sichern. Die .Victoire" zählt eine Reihe von Maßnahmen auf, zu denen Frankreich sich entsprechend der ab lehnenden Haltung Deutschlands entschließen müßte. Er nennt 1. die Schaffung eines Rhein-Beratungs- ausschusses, der bei der Verwaltung der besetzten Ge biete mitzuwirkcn habe, 2. die endgültige Beschlag nahme der rheinischen Eisenbahnen, die als Pfand für eine internationale Rcparationsanleihe zu dienen hätten, 3. die Beschlagnahme aller Staatsgruben und auch der privaten Gruben, deren Besitzer sich weiger» len, die Kohlenstcuer zu bezahlen, und 4. die Schaffung einer rheinischen Währung. „Luno rückt von England ab" Loudon, 9. August. (Eig. Tel.) Don der Londoner Morgcnprcsse beschäftigen sich nur die .Times", die .Morningpost" und der .Daily Mail" in Leitartikeln mit der Rede des Reichskanzlers. Die .Times" hebt hervor, daß es im doppelten Sinn für die englische Regierung erfreulich sei, daß der deutsche Reichskanzler an den englischen Vor schlägen Kritik geübt habe. Dadurch würde der französische Vorwurf hinfällig, daß England der Vertreter Deutschlands sei. Wichtig sei ferner, daß das deutsche Volk endlich zu erkennen scheine, daß England nicht voll und ganz mit ihm in seinem Haß und in seinem Glauben an seine Sache überein stimme. Es sei gut, daß diese Illusion zerstört wurde, weil sie einen lähmenden Einfluß in Deutschland gehabt habe. Das Blatt schließt seinen Artikel nach Würdigung der Bedeutung der vorgeschlagenen Steuern mit dem Satz: .Es wäre wenigstens eine Beruhigung unserer ernsten Besorgnisse, wenn wir feststellcn könnten, i>aß Deutschland durch irgend welche Mittel im Begriffe sei, seine Untätigkeit zu überwinden." Die .M orningpo st" drückt die Freude der Franzosenfreunde darüber aus, daß Baldwin vom deutschen Kanzler eine schroffe Zurückweisung er» fahren habe- Die deutsche Regierung habe durch ihre Haltung die Tür zugeschlagcn, abgeschlossen und verriegelt, und sei bereit, allein zu stehen. Die .Daily Mail" beschäftigt sich fast aus- schließlich mit dem Versuch, nachzuweisen, daß Vie deutsche Industrie die Kaufkraft der Mark absichtlicy zerstört habe, um sich von den Reparation-Verpflich tungen in der nächsten Zukunft zu befreien. Da» Blatt stimmt mit der .Morningpost" überein, wenn es schreibt, für die englische Regierung könne es nur eine Politik geben, nämlich die Hoffnungen Frank reichs zu unterstützen. Die liberale Presse und das Blatt der Arbeiter partei verzichten auf jeden Kommentar, offenbar unter dem Eindruck eines verhängnisvollen Irrtums der Kanzlerrede über die Meinungsverschiedenheiten inner halb des englischen Kabinetts Gegen- über zahllosen Pressekombinationen wird darauf hm- gewiesen, daß der nächste englische Dorschlag an Frankreich und Belgien aus dem in verschiedenen Einzelheiten abgeänderten Reparationsplane für die Pariser Konferenz bestehen wird Sollte dieser ab gelehnt werden, so dürften Baldwin und Bonar Law sich au» einem Europa, dem nicht zu helfen ist, za» rllckziehen. Geteilte Aufnahme in Wien Wien, 9. August. Die Blätter nehmen zu der «estrigen Rede de» Reichskanzler» in ausfLhrltchen Leitartikeln Stellung. Dt« Meinungen sind g e» l»e!pr!ger l^gedlLtt «aü ULaäelsreNuag teilt. Während die sozialistischen und die ihnen nahestehenden Blätter die Regierung Luno angreifen, sehen die übrigen in der gestrigen Red« den Ausblick auf größere Aktivität der deutschen Regierung im Innern und auf die Organisation eine» großen aktiven innern Widerstandes, durch den allein der passive Widerstand an der Ruhr unterstützt werden könne. Das „Neue Wiener Taqblatt" hebt die Klarheit der Rede hervor. Die .Neue Freie Presse" fügt hinzu: Alle Kreise in Frankreich, die auf den deutschen Zusammenbruch oder auf eine neue Revolte in Berlin spekulieren und die mit neuen Pressionsmittcln im Ruhrgebiet drohen oder die deutsche Politik durch Lockmittel auf einen Frankreich genehmen Weg bringen wollen, werven durch die gestrige Reichstagssitzung und die Rede Luno» belehrt werden, daß Deutschland, wenn auch aus hundert alten und neuen Wunden blutend, fest bleibt, die Waffen nicht aus der Hand gibt und Rhein und Ruhr nicht verrät. Oie Rede Cunos (Wiederholt weil nur in einem Teil der Auflage.) In seiner programmatischen Rede führte Reichs- kcnzler Dr. Euno am Mittwoch im Reichstag weiter aus: England habe den bis jetzt vergeblichen Versuch gemacht, durch weitgehende Zu gestund- nissc an den französischen Stand punkt die Ruhrkrise zu lösen. Es sei nicht gewiß, ob die englischen Bemühungen fortgesetzt würden, zu großen Hoffnungen sei aber für uns durchaus kein Anlaß. Das Verlangen Frankreichs, den pas» siven Widerstand aufzugeben, könne keine deutsche Regierung erfüllen, denn damit würde da» deutsche Volk auf Gnade und Ungnade seine einzige Waffe niederlegen. Die Rcichsrcgierung werde sich keinen Illussionen hingebcn, nachdem eine Verständi gung mit Frankreich im Augenblick unmöglich sei. Das deutsche Volk müßte sich selber helfen. Dem Verfall der deutschen Währung mit allen Mitteln Einhalt zu gebieten, sei gegenwärtig erste Pflicht der Reichsregierung. Auf irgendwelche Stände oder Lebensbedürfnisse ein» zelner könne im Augenblick keine Rück sicht genommen werden. Für die Regierung gebe es jetzt nur ein Gebot: Das Wohl des gesamten Volkes. „Wer Devisen spekulativ kauft oder zurück hält, handelt vaterlandcsverräterisch und trägt die schwere Schuld der Mitverantwortung." Der Reichskanzler entwarf dann da» neue Programm der Regierung. Drei Maß» nahmen seien vorgesehen, um die Kathastrophe ab- zuwcnden: Erstens eine wertbeständige innere An leihe, zweitens neue wertbeständige Eteuergesetze, drittens Maßnahmen zur Förderung der Wirtschaft. Die wertbeständige Anleihe solle die Noten- prcsic rasch entlasten, der Wirtschaft und dem ge samten Volke eine wertbeständige Anlagcmöglichkeit schaffen, die Devisenbeschaffung erleichtern, den Spat sinn und damit den Arbeitseifer erneut beleben. Die Steucrgcsctzc müßten grundsätzlich reformiert werden, selbst brutal wirkende Steuern, so- fern sie nur nicht die Wirtschaft zum Erliegen brächten, müßten auf Zeit in Kauf genommen werden. Da» Finanz verhältnis zwischen Reich, Ländern und Gemeinden mühte auf eine neue Grundlage gestellt werden. Pflicht dcr Rcichsbank sei die Einführung der G o l d- konten und des wertbeständigen Kredit». Die Ernährung des Volkes sei gesichert. Auf lange Zeit hinaus sei für Einfuhr der not wendigen Fette Vorsorge getroffen. Line Stockung in der Brotversorgung sei nicht zu befürchten, da in den Händen dcr Regierung eine genügende Getreide- menge sei. Die Ernteaussichten seien Heuer recht erfreulich. Eine Pflicht der Landwirtschaft sei es, durch rasche Zufuhr der Ernteerzeugnisse die Er nährung dcr Städte zu gewährleisten. Eine Privat wirtschaft, die nicht mehr aus sich selbst heraus das Notwendige an die Verbraucher liefere, gebe sich selbst auf. Gegen radikale Umtriebe, von welcher Seite sic auch kommen mögen, sei die Negierung jede Stunde auf dem Posten. Der meine, in unserer Zeit die sogenannten inneren Auseinandersetzungen bis zum Kampf betreiben zu müssen, wer dem Daterlande mit Dcheimbündelci und Verunglimpfungen anderer zu dienen vorgebe, der beweise seine Kurzsichtig keit, die ihm jeden Anspruch auf politische Führung nehmen sollte. Zu Pcrfassungsstrcitigkeiten und Vcrfassungsreformen sei jetzt keine Zeit. Die Innenpolitik der Lander müsse sich der Außenpolitik des Reiches unter ordnen. Jetzt sei es Pflicht des Reichstages, dem Volk die stärkste Regierung zu geben und sie mit der ganzen Autorität des Parlamentes zu befestigen. Der Kanzler sei nur dann gewillt, weiter an der Spitze der Reichsregicrung zu bleiben, wenn die Vertreter des Volkes ihm das Dertrauen ausspräch^n. Es müsse Klarheit darüber geschaffen werden, wie es mit diesem Vertrauen stehe. (Der Reichskanzler fand am Schlüsse seiner Rede stürmischen Beifall im Hause und auf den Tribünen.) Reichsfinanzminister Herme» gab anschließend ein gedrängte» FinanzexposL Er zählte die ver schiedenen Steuergcsetzentwürfe auf, und kündigte wertbeständige Tarife bei der Reichspost und bei der Reichsbahn an. Die schwebende Schuld de» Reiche» Hobe sich seit dem 11. Juni bis zum 4. August von l,6 Billionen auf 89,8 Billionen ver mehrt. Die Ruhrkredite seien nur in wert beständiger Form gegeben worden, und es sei stets darauf Bedacht genommen worden, daß dabei den Beteiligten kein ungerechtfertigter Vorteil entstehen könnte. Eine vollkommene Deckung der Schäden de» Ruhreinbruches könne auch durch den neuen Entwurf über die Erhebung eines Opfers für Ruhr und Rhein nicht erzielt werden. Wenn nicht die Ruhrbesetzung erfolgt wäre, würde die Reichsbahn im Rechnungs jahre 1923 die laufenden Ausgaben durch die Ein nahmen gedeckt haben. Bei der Reichspost rechne man für 1923 mit einem Fehlbetrag von einer Billion. Durch die außerordentliche Geldentwertung seien auch die erhöhten Sätze der Vorauszahlungen für di« Ein kommensteuer und die Körpcrschaftssteuer bereit» überholt. Sie müßten also weiter erhöht werden. Im Herbst werde bei einer Reform der Einkommen steuer über die Frage der Goldbasis und der Goldberechnung bei Steuern zu entscheiden sein. Schon jetzt werde geprüft, ob sich eine Fest markrechnung einführen lasse. Nach brr Rede de» Finanzminister, wurde di« Aussprache über di« Regierungserklärung auf Donnerstag nachmittag vertagt. Der sächsisch« Unterrichtominister Fleißncr ist vom Urlaub zurückgekehrt und hat seine Dienst- geschäfte nieder ausgenommen. Ieigner und Luno Enthüllungen Aber Geheim organisatianeu Der sächsische Ministerpräsident Aeigner setzt den Feldzug gegen da» Reichskabinett Luno fort, und seine Vorwürfe gegen Luno wegen angeblicher Begünstigung der rechtsradikalen Geheimverbände nehmen bestimmter« Gestalt an. Als Forum wählte er diesmal eine Mitgliederversammlung der Sozial demokratischen Partei Leipzigs, die am Dienstag abend im Volkshause stattfand. Die Versammlung war nicht öffentlich, aber da die „Leipziaer Volks zeitung" über sie ausführlich berichtet, gehört auch diese Rede Zeigners der Oeffentlichkeit an und wird, wie die Niederplanitzer, Aufsehen erregen. Von be sonderem Interesse sind Zeigners Mitteilungen über die Geheimorganisationen: Alle diese Organisationen, so sagte Herr Zeigner, haben mehr oder weniger enge Beziehungen zur Reichswehr, und sie verfügen über große Waffen lager. Die Behauptung, diese Organisationen bil deten eine Reserve für die Reichswehr, um diese im Notfälle im Abwehrkampf gegen außen zu ver stärken, ist unsinnig; diese Organisationen sind vielmehr für den Krieg im Innern ge schaffen worden. Das zeigt besonders deutlich Bayern, wo diese Organisationen ganz offen mit Kenntnis und im Einverständnis mit den Be hörden arbeiten. Dort hat z. B. die Technische Nothilfe Tank» gebaut, die lediglich für den Straßenkampf bestimmt und verwendbar sind. Und diese Dinge sind auch verantwortlichen Rrichsstellen bekannt. Als in Preußen, Sachsen und Thüringen ver schiedene dieser Organisationen aufgelöst wurden, legte die Deutsche Frciheitspartei Beschwerde ein. Sie erklärte offen, daß die Regierung sich mit die sen Organisationen eingelassen habe und mit ihnen gemeinsam eine .schwarze Armee" aufstellen wollte. Sie behauptete, daß ein genauer Organisations plan bestehe. Der Prozeß wurde vertagt. Als die Regierung von den dcutschvölkischen Abgeord neten darüber interpelliert wurde, erklärte die Rcichsrcgierung eine Diskussion „im Interesse dcr Einheit, der Ruhe und Ordnung als nicht zweck mäßig". Die verlangte Aufklärung wurde nicht gegeben. Die beantragte Vernehmung von Luno, von Sccckt, Lützendorfs hat bis heute noch nicht stattgefundcn. Als Roßbach verhaftet wurde, verlangte er seine Entlassung mit der Begründung, für das, was er getan habe, sei die Reichs regierung mitverantwortlich; sie sei von allem unterrichtet gewesen. Auch Roßbach forderte vergebens die Vernehmung von Luno, Seeckt usw. Der Oberrcichsanwalt Dr. Ebermayer soll angesichts dieser Tatsachen dem Rcichsjustizminister erklärt haben, daß er die rechtliche, politische und moralische Verantwortung für diese Dinge ab lehne. Auch das hat nichts genützt. In einer Besprechung ist klipp und klar gesagt worden, daß um das Ruhrgebiet herum Abteilungen der Gehcimorganisationen zusammengezcgen worden seien, die von der Reichswehr organisiert und ans den Ruhrkrediten finanziert wür den. Aus diesen Tatsachen erklärt es sich, daß die Reichsregicrung — erst nach langem Drängen — eine so lahme Erklärung gegen die Sabotageakte abgegeben hat. Ls ist ein Jammer, daß da» Kabinett Luno üie Oeffentlichkeit nicht über di« Ziele und Wege dcr Rcichspolitik unterrichtet und dadurch die Atmo- sphäre geschaffen hat, in der solche Enthüllungen, wie die des Herrn Zeigner, auftauchen und eine politisch verderbliche Wirkung ausüben können- Wahrschein lich sind Zeigners Behauptungen nicht aus der Lust gegriffen, man muß vielmehr glauben, daß ihnen Tatsachen zugrunde liegen. Aber es ist sehr wo.;l denkbar, daß diese Tatsachen, von einer anderen Seit: beleuchtet, ein: ganz andere Beurteilung zulassen als nach dcr vielleicht auf einseitiger Information be ruhenden Darstellung Zeigners. Solange sich jedoch das Kabinett Luno in Schweigen hüllt und deca Lande die Aufklärung verweigert, auf die es An spruch hat, wäre es voreilig, Herrn Zeigner die Schuld an dem unerquicklichen Schauspiel des Redr und Federkriege» -wischen dem sächsischen Minister präsidenten und dem Reichskanzler beizumesse;-. Hätte Herr Zeigner schweigen sollen, wenn er über zeugt ist, daß dieS^cherheit der Republik durch Unbesonnenheiten de» Reichskanzler» gefährdet wird? Die Zeiten sind zu ernst, als daß ein Politiker, der die Gefahren sieht, mit seiner Warnung warten dürfte, bi» e» der anderen Seite gefällt, sich zu äußern. Wenn erst Unheil geschehen ist, kommt War- nung zu spät. Nachdem nun aber Herr Zeigner ge sprochen und die Bekanntgabe weiteren Materials an gekündigt hat, sollte Herr Tuns nicht länger zögern, über die hier berührten. Besorgnis erregenden Vor gänge volle Klarheit zu schaffen. O Forderungen der thüringischen Sozialdemokraten Line in diesen Tagen in Weimar abgehaltene Sitzung der DSP. Thüringen hat nachstehende Ent schließungen gefaßt, die -um Teil von den Anschau ungen der eignen Berliner Parteileitung und denen der Ruhrarbeiterschaft abweichen, da die gerade ein enge» Zusammenhalten aller Bevölkerungskreise zur Grundlage ihre» Handeln» gemacht haben. Die Weimarer Forderungen sind: 1. Schärf st e Opposition gegen die Regie rung L u n'o mit dem Ziele ihre» Sturze». 2. Sofortige Erfassung der Sachwerte durch direkte und unablösbare Beteiligung de» Rei- che» an dem der Kapitalistenklasse zuflicßenden Mehr werte und der Grundrente. 3. Die Reichsbank darf nur wertbe ständig'« Kredite gewähren. Die Goldanleihe muß durch Sachwerte hypothekarisch garantiert werden. 4. Verpfändung eine« Teile« der vom Reiche erfaßten Besitztitel an ein »nrernati'o- nole» Bankkonsorti'um zur Garantie einer an die Alliierten zu zahlenden Reparationasumm«, um die Räumung de« Ruhrgebiet« herdetzuführen. ü. Zu diesem Zwecke direkte Verhandlungen mit den Besatzungsmächten. Im weiteren Verfolg An- bahnung von Verhandlungen mit den Unterzeichnern de« Versailler Vertrage« zur endgültigen Lösung der Reparation«frag« (Moratorium usw.). 8. Die zur Sicherstellung dcr Ernährung der Be völkerung notigen Maßnahmen unter weitgehender krettsg, 6en 10. LuAUst Heranziehung der Verbraucher zur Kontrolle der Ab lieferung und Verteilung. Die Durchführung kann nach Ansicht der Parteifunktionäre nur durch schärf st en Kampf des Proletariat» erfolgen. Daher wird die Koalitions politik abgelehnt als Unterordnung der Sozialdemo kratie unter ein tatsächlich bürgerliche» Herrschafts system. Notwendig sind: Engstes Zusammrnarbcitcn der parlamentarischen Parteivertretungen im Reiche mit denen der Länder; einheitliche Maßnahmen der DSP. im Reich und in den Länder.» gegen den Faschismus; Aufbau eines einheitlichen Sclbstschw * durch die Partei; sofortige Einberufung eines Partei- tage». Kommunistische Streikhetze Ernste Lage im Zwickauer Kohlenrevier Dresden, 2. August. (Eig. Te l.) Nachdem gestern noch Aussicht aus die Beilegung de» Streiks im Zwickauer Bergbaurevier vorhanden war, hat sich die Lage anscheinend wieder verschärft. Wie wie erfahren, haben gestern tatsächlich in Zwickau V-.'- Handlungen zwischen den Vertretern der Organi- sationen dcr freien Gewerkschaften, dem Oberbürger meister Holz von Zwickau und Vertretern der säch sischen Regierung stattgesunden, die folgendes Cr- gcbni» gezeitigt haben: als einmalige Beihilfe er halten die 16—17jährigen 800 000 Mark, die 18-20- jährigen 1 Million, die 21—23jährigen 1^ Millionen, die 24jährigen 1,4 Millionen, die weiblichen Arbeiter 800 000 Mark und die Jugendlichen 400 000 Mark. Dieses Angebot war allerdings nur unter der Be dingung zustande gekommen, daß am Mittwocq frnH üie Arbeit wieder ausgenommen worden wäre, wozu auch ein Aufruf der Gewerkschaften, die das Angebot angenommen hatten, auffocderte. Inzwischen haben sich neben der Haupisiceik- leitung noch verschiedene wilde Streik leitungen gebildet, die das Bureau des Berg baulichen Vereins belagern. Gestern kam nun ein großer Zug von einigen tausend Bergarbeitern mit vielen roten Fahnen und mehreren Musikkapellen sowie einigen hundert Radfahrern von Lugau-Oels- nitz nach Zwickau marschiert, was nicht ohne Ein fluß auf die Streikenden blieb. Zunächst hatte es am Abend noch den Anschein, als ob heute eine Ab stimmung in den Betrieben über die Wiederaufnahme der Arbeit stattfindcn würde, die sicherlich den Streik beendet hätte. Jedoch ist heute wiederum eine große Anzahl Lugau-Oelsnitzer Bergarbeiter in Zwickau cingctroffen, die die Abstimmung ver eitelten. Da die Verhandlunqsgrundlagen er- schöpft sind, ist die Lage kritisch, zumal da auch noch Schwierigkeiten in der Metallindustrie hinzugctreten sind. Wie wir erfahren, ist cs gestern abend noch verschiedentlich zu Ansammlungen und kleinen Ausschreitungen gekommen, wobei auch ver schiedene Geschäfte geplündert wurden. Vie lrommunlsten gegen Minister Liebmann Dresden, 9. August. (Eig. Tel.) Ueber die Antwort an den sächsischen Innenminister Liebmann auf die Erklärung des Landesvor standes der kommunistischen Partei, schreibt die Sächsische Kommunistische Presse unter der Ueber- schrist „Liebmanns Marsch zur Bourgeoisie": Pkv Erklärung, daß die Regierung jede Konsequenz aus einer Entziehung des Vertrauens der Kom munisten ziehen werde, beleuchtet kraß die Schwenkung Liebmanns, der noch vor nicht langer Zeit den bürgerlichen Parteien im Landtag zurief, daß er an dem Tage, wo sie ihm ihr Vertrauen schenken würden, die Konse- quenzen daraus ziehen werde,ss Die Kommuni stische Partei hat der sächsischen Arbeiterschaft den Charakter des ehemaligen Innenministers Lipinski, der auck zeitweilig so radikal war, klar gemacht und, wie aus der sozialdemokratischen Presse hervorgeht, mit Erfolg. Sie wird das selbe mit Liebmann verstehen, wenn er nicht wissen sollte, welche Interessen er zu vertreten hat. Sowjetstern und Hakenkreuz Berlin, 9. August. Unter der Ueberschrift „Sow- jetstcrn und Hakenkreuz" veröffentlicht der „Vor wärts" einen kommunistischen Plan zum Werben um völkische Offiziere. Zn dcm Plan ist vorgesehen, mit cinigen höheren Offizieren die durch ihre nationalistische Gesinnung bekannt seien, die jedoch nicht zu den faschistischen Organi- sationen gehören, in unmittelbare Berührung zu kommen. Bei den Verhandlungen soll über die Mög lichkeit einer gemeinsamen politischen und eventuell auch praktischen Plattform gesprochen werden. Par teitheoretische Differenzpunkte seien möglichst zu um- gehen. Dcr Ton bei den Besprechungen solle höchst höflich (mit Exzellenz anreden) und liebenswürdig sein. Durch indirekte Propaganda soll die Dearbei- tung der ganzen Offizierskrerse vor sich gehen; wo möglich sollen bereits bestehende militärische Organi sationen ohne ausgesprochenen faschistischen, aber mit nationalem antifranzösischrn Lharakter, wie di« Orga. nisation für die aktive Sabotage im Ruhrrevier, gr- wonnen werden. Da» Endziel der Sache sei, die Be teiligung einer großen Zahl rein national einge stellter Militärpersonen und Organisationen im Bürgerkriege auf faschistischer Seite zu ver hindern, ferner möglichst diese Personen und Orga nisationen im Bürgerkriege für die kommunistische Sache auszunutzen. Später, auch bei der Derteidi- gung der eroberten Staatsmacht, wenn sie nicht mehr nötig seien, sollen sie abgeschoben werden. Vie Geldnot Berlin, 8. August. (Eig. Te ».) Die §,hlunzs- mittelnot hat heute vormittag in Berlin geradezu katastrophale Formen angenommen, und an den Kassenschaltern der Großbanken spielen sich die er- regtcsten Szenen ab. Die Reichsbank stellt den Ban ken nicht nur völlig unzureichend« Kassamittel zur Verfügung, sondern die Banken erhalten auch täglich nur 200 Reichsbankscheck», während bei der Zahlung», mittelnot mehr al« 1000 Scheck« verlangt werden. Hunderte oo» Kunden konnten deshalb heute an den Bankschaltern weder Bargeld noch Scheck» empfangen, so daß viele Firmen nicht in der Lag« find, die zur Lohnzahlung nötigen Gelder aufzubringen. Auch in Hamburg hat «ine der größten Banken beute vormittag ihre Schalter wegen Mangel an Iah- luiig»mitteln vollständig schließen müssen. In Rom starb der Vizepräsident des römischen Senat», Fürst Fabrizio Lolonna.
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)