Suche löschen...
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 09.08.1923
- Erscheinungsdatum
- 1923-08-09
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-192308094
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-19230809
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-19230809
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1923
-
Monat
1923-08
- Tag 1923-08-09
-
Monat
1923-08
-
Jahr
1923
- Links
- Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
Oorurerslsg, äea 9. Lugust l-elprlger Tagedlütt uu<1 fluoäelsLeltuug «r. 1S7 S«Na S ^s^esberickt Swei Ausstellungen: Lebensmittel in Leipzig — Wäsche in Dresden Gegen die gestrige Pressenotiz wird hiermit aus drücklich darauf hingewiesen, daß auf Wunsch der großen Mehrheit der Aussteller die Ausstellung noch bis Donnerstax den S. August, 7 Uhr abends, offen gehalten wird. Es ist deshalb nach wie vor Gele genheit gegeben, die Ausstellung zu besichtigen. Da» Privatpublikum, insbesondere die Leipziger Haus frau, wird hierdurch ganz besonders -um Besuch der sehenswerten Ausstellung aufgefordert. Bei der gegenwärtigen schweren Zeit ist es überaus wichtig und notwendig, da« breite Publikum davon zu über- zeugen, daß unsere Nahrungsmittelindustrie durch aus auf der Höhe ist und daß nach besten Kräften alles getan wird, um unserem Bolke zu erschwing- l chen Preisen die notwendigen Nahrungsmittel zu zuführen. Um der Allgemeinheit weitestgehende ent- gegenzukommen, ist der Eintrittspreis für den Don nerstag auf die Hälfte (6000 Mark) festgesetzt worden. * Eine Ausstellung der deutschen Wäsche- und Leinen schau ist vom 21. bis 24. August in Dresden geplant. Es wird ausdrücklich betont, daß man mit dieser Ausstellung nicht etwa der Leipziger Messe Kon kurrenz machen will. Im Gegenteil soll den Aus- stellern, bisher sind etwa 200 angemeldet, Gelegenheit geboten werden, der Eröffnung der Leipziger Messe am 20. August beiwohnen zu können. Die Dresdener Ausstellung und die Leipziger Messe sollen sich er- gänzen und gewissermaßen eine große Einheit bilden. Durch das Entgegenkommen der sächsischen Re gierung stehen der geplanten Ausstellung, die übrigens nur für Fachleute und Interessenten, nicht aber für das große Publikum bestimmt ist, die Säle des ehemaligen Residenzschlosses zur Verfügung. Es ist dies das erstemal, daß das Schloß wirtschaftlichen Zwecken dienstbar gemacht wird. Die künstlerische Leitung in den Entwürfen und Herrichtungen der Räume hat Prof. Hähnel, der Kustos des ehe- maligen Residenzschlosse» übernommen. Das vorläufige Programm sieht für den 21. August eine Eröffnungsfeier vor geladenen Gästen vor. Die Festansprache wird voraussichtlich Ministerpräsident Dr. Zeigner halten. Ferner ist in den Räumen t s Landtagsgebäudes ein Diskusisionsabend geplant, auf dem auch das Problem der Doldmark» Währung und das Verhältnis zwischen Fabrikan ten und Abnehmern erörtert werden soll. Am 24. August nachmittags trifft Reichspräsident Ebert in Dresden ein zum Besuch der Ausstellung. Abends findet in den Paradesälen des Schlosses ein große« Konzert in klassischem Stile von der Opernkapelle unter Leitung Generalmusikdirektors Busch und unter Mitwirkung erster Solisten statt. Auch das Philharmonische Orchester hat sich für die anderen Säle zur Verfügung gestellt. Dem Konzert wird sich ein Gesellschaftsabeno in sämtlichen Sälen des Schlosses anschließen. Die Einnahmen sollen zu 50. Prozent den Kleinrentnern Dresdens und zu 50 Prozent den Arbeitslosen zugute kommen. Während des Promenadenkonzerts findet eine Modenschau statt. * El» Fußball-Wohlfahrtsspiel. Ein besonder» beachtlicher Sportkampf wird am Mittwoch, den 15. August, der großen Leipziger Sportgemeinde vor geführt werden. Es handelt sich um ein Fußballspiel Leipziger Epielvereinigung gegen eine ausgewählte Leipziger Städtemannschaft. Die sportlichen Leistungen beider Mannschaften sind außerordentlich hoch; man darf daher dem Ausgang dieses Spiel», das in den Abendstunden auf dem Spielvereinigungs-Sportplatz an der Demmering- straße in L.-Lindenau zum Austrag gelangt, mit Spannung entgegensehen. Das Spiel findet zum Besten der Wohlfahrtseinrichtungen de« Bezirk,verein» Leipzig im Lan desverband der Sächsischen Presse statt. * Bo» Güterverkehr. Der Verkehr von Eilgut ladungen und Stückgütern noch und über Etat onen de» Direktionsbezirks Münster ist wieder aus genommen, dagegen ist der Frachtgutladungsver kehr dorthin mit Ausnahme von Lebensmitteln, Futtermitteln, Zeitungsdruckpapier, Umzugsgut noch gesperrt. Don dieser Sperre wird auch der ge samte Ladungsverkehr nach Holland mit Aus nahme desjenigen über Neuschanz betroffen. Vas Spiel mit dem Revolver Am Montag abend gingen vier junge Leute an» Connewitz in den nahen Wald spazieren — ein 20jähriger Handlungsgehilfe und »ine ISjährige Kon- toristin, deren Freundin und der Bruder des Hand lungsgchilfen. Als sie auf dem Heimwege waren, blieben sie auf der Mühlgrabrnbrücke stehen und scherzten. Plötzlich zog der Handlungsgehilfe e'.nen Revolver aus der Tasche und fragte im Spaße je'me Begleiterin, ob er sie erschießen solle. Das n'.ckus- ahnende Mädchen antwortete mit „Ja", worauf aucy schon ein Schuß fiel. Durch den Schuß wurd: das junge Mädchen an der linken Hand und der Brust verlöt. Sie wur^» im Krankenhaus» St. Jakob ausgenommen- Soviel bis jetzt ermittelt, scheint die Wunde in der Brust nicht lebensgefährlich zu sein- * Die Notlage der Handelskammer. Die Handels kammer bittet uns um Ausnahme folgender Zeilen: Durch die alle Erwartungen übersteigende Geld entwertung ist die Handelskammer, die ihre Beiträge von den beitragspflichtigen Firmen nach deren Ein kommen von 1921 erheben muß, in Bedrängnis ge raten, so daß schwere Hemmungen ihres Dienst betriebes ernstlich zu befürchten sind. Sie sieht sich deshalb genötigt, auf diesem Wege an die Firmen des Bezirkes die dringende Bitte zu richten, den am 24. Juli 1923 ausgeschriebenen, am 15. August 1923 fälligen außerordentlichen Handclskammcrbeitrag — das Zehnfache des am 15. Juli 1923 fällig gewesenen — nicht nur rechtzeitig, sondern, soweit möglich, s o - fort zu entrichten und auf das Postscheck, konto 1556 einzuzahlen. Sie muß not gedrungenerweise auch darauf aufmerksam machen, daß Berufungen gegen die Veranlagung die Pflicht fristgemäßer Bezahlung nicht aufhebcn, und daß, wenn die Zahlungsfrist nicht eingehalten wird, nicht er st eine Mahnung erfolgen kann, sondern sogleich das Beitreibungsverfahren einsetzen muß. * Die Bauarbeiter demoustriere«. Am Mittwoch vormittag veranstalteten die im Streik befindlichen Bauarbeiter Leipzigs einen Umzug durch die Stadt mit dem Ziel Dolkrhcnw. Die mehrere hundert Mann starke Menge der Ausständigen zog in geschlossener Reihe unter Mitführung einer roten Fahne durch die Straßen. Zu einem kleinen Zwischenfall kam es in der Härtelstraße, wo, trotz des Streikes, an dem Textilmeßhaus-Neubau gearbeitet wird. Die Demon stranten verlangten unter Lärmen Abbruch der Ar beit, zogen dann aber, nachdem diesem Verlangen teilweise stattgegcben wurde, wieder ab. Zn der Stadt verbreiteten sich allenchalben Gerüchte, daß es bereits zu Teuerungskrawallen gekommen sei. Diese Gerüchte entbehren jeglicher Grundlage. Souderzüge de« Verkehrsverein» Leipzig. Der Sonderzug nach Wunsiedel im Fichtelgevirge am 12. August wird wahrscheinlich vormittags 3.25 Uhr vom Bayrischen Bahnhof abfahren. Der Preis für 3. Klasse hin und zurück beträgt 180000 Mark. Am selben Tag verkehrt ein Sonderzug des Verkehrs vereins nach dem Kysfhäuser. Abfahrt in Leipzig etwa vormittags 5.30 Uyr. Die Eisenbahnfahrt geht bis Derza-Kelbra. Preis 3. Klasse hin und zurück 130 000 Mark. Voranmeldungen unter Hinterlegung der genannten Fahrpreise in den Geschäftsstellen Perkehrsverein und Meßamt des Internationalen Derkchrsbureaus. Da die Fahrpreise der Eisenbahn voraussichtlich schon am 15. August wieder erhöht werden sollen, ist mit starkem Andrang bei diesen beiden letzten Sonderzügen zu den jetzt geltenden Fahrpreisen zu rechnen, und es empfiehlt sich deshalb, sich recht bald vormerken zu lassen. Oer Leidensweg der Hausfrau Oollarstand und Warenmartt Der Dollar ist zu schwindelnder Höhe, empor- gestiegen. Was wollen die Millionen besagen, die der Arbeiter, der Angestellte als Bezahlung für seine Tätigkeit nach Hanse schleppt. Trotz der hohen Zahlen, die ihm von den Geldscheinen verlockend entgezsnprangen, ist er ärmer als je zuvor. War es schon vor dem Dollarsprung ein Problem für die Hausfrau, den T sch für die Familie zu decken, heute steht sie der Tatsache gegenüber, daß das für eine Woche berechnete gesamte Wirtschaftsgeld, das sie vorsorglich in dicken Bündeln mit sich herumschleppt, kaum zum Ankauf der für einen Tag nötigen Lebens- mitte! ausreicht. Und dabei muß sie noch froh sein, wenn sie überhaupt etwas bekommt. Die Fleisch-, Fisch- und Gemüscstände der Markthalle sind geräumt. Hinter den Drahtgittern der Kojen gähnt dem Besucher der Markthalle, eine entsetzliche Leere entgegen. Ganz vereinzelt sind die Verkäufer er schienen, um das Wenige, was sie noch auf Lager haben, dem Publikum zugänglich zu machen. Hier sieht man einen Fleischer, der aus einem kleinen Napf Wurstfett achtel- und viertelpfund weise abgibt! In Scharen drängen und stoßen sich die Hausfrauen vor dem Stand und starren mit angst- vollen Angen auf den mit erschreckender Schnelligkeit zusammcnschriimpfcnden Inhalt des Fettnapfes. Und wer etwas von dem kostbaren Gut, 140 000 Mark das Viertel, erobert hat, drängt sich froh durch die Menge, um anderwärts etwas Preiswertes für den Mittags- tisch zu erstehen. Dort liegen gepökelte Schweins köpfe. Vor wenigen Tagen konnte man das Pfund für 20 000 Mark erhalten. Dann stieg der Preis auf 80 000, heute muß man 200 000 Mark für ein Pfund anlegen. Für Rindfleisch müssen 280 000 bis 336 000 Mark bezahlt werden. Schweinefleisch kostet ebensoviel. Kalb- und Hammelfleisch werden für 240 000 bis 260 000 Mark abgegeben, ein Pfund ge hacktes Rindfleisch wird mit 280 000, gehacktes Schweinefleisch gar mit 300 000 Mark bewertet. Der einfachste Brotbelag, Lcberwurst, stellt sich auf 220 000 bis 350 000 Mark das Pfund. Knackwurst ist nicht unter 360 000 Mark erhältlich. Die Kartoffel ist heute ebenfalls zur fast unerschwinglichen Deli katesse geworden. Fünf Pfund müssen mit 75 000 Mark bezahlt werden. Tomaten, einst eine er- frischende und beliebte Frucht für jedermann, gehören heute auch zu Genüssen, die sich nur-noch besonders bevorzugte Kreise leisten können: 80 000 Mark kostet ein Pfund der roten Früchte. Kirschen müssen jetzt mit 18 000 bis 22 000 Mark bezahlt werden. Auch die ersten reifen Birnen sind auf dem Markt er- schienen. Ganz geringe Mengen nur, dafür kostet das Pfund, d. h. etwa acht Stück, 18 000 Mark. Fast aänzlich geräumt sind auch die Derkaufsstände der Fischhändler. Sogenannter Portionsschrllfisch erfordert eine Ausgabe von 90 000 Mark, Kablian gar 150 000 Mark. Norweger Heringe stellen sich auf 40 000 bis 45 000 Mark das Pfund. Ein Matjes- Hering kostet 35 000 Mark das Stück. Auch oben auf der Galerie der Markthalle, wo sonst das Gurren der Tauben, das Sackern der Hühner, das Schnattern der Gänse dem Besucher ent- aegentonten, stehen die Käfige verödet. Die an schließenden Stände mit Seife und Lichtern haben wohl Ware, aber so gut wie keine Abnehmer. Der Preis von 400 000 Mark für den Riegel Wasch seife schreckt wohl auch die scheuer- und wasch lustigste Hausfrau vor dem Ankauf zurück. Butter konnten wir nur an einer einzigen Stelle entdecken: 600 000 Mark sollte das Pfund kosten! Die bisher hochgetürmten Margarinewürfel sind so gut wie ganz von der Bildfläche verschwunden. Hier und da taucht noch eine Kiste zum Preise von 400 000 Mark das Pfund auf. Ein sogenannter Sechserkäse muß mit 8400 Mark bezahlt werden. Eier sind gänzlich vom Markt verschwunden. Nur gan- be anders gute Kunden können nach langen Bitten ein paar der kost baren Dinger, die aus einem verschwiegenen Korb unter der Perkaufstafel hervorgeholt werden, für 20 000 Mark das Stück erhalten. Büchscnmilch wird mit 60 000 Mark die Dose gehandelt. Äaccaroni sind für 115 000 Mark, Nudeln für 60000 bis 95 000 Mark, Bruchreis für 136 000 Mark das Pfund zu haben. Mengenabgabe bleibt vorbehalten. Wer sein Morgengetränk, den sogenannten Kaffee, noch bei- behalten hat, muß mindestens 40 000 Mark für die geringste Ersatzmischung anlegen. Kakao stellt sich auf 380 000 Mark das Pfund einer namenlosen Marke. Macht dann die Hausfrau mit leerem Deutel und kärglich gefüllter Tasche noch einen Gang durch die Straßen der Stadt, dann tritt ihr ein gänzlich ver ändertes Bild entgegen. Fast sonntäglich muten die Straßen an. Die Rolläden der Schaufenster sind herabgelassen, die Auslagen mit Tüchern ver hängt oder gänzlich aus den Fenstern entfernt. „Der Perkauf findet wie üblich statt" kann man an Stelle der bunten Auslagen lesen. Ein geheimnisvolles Dunkel herrscht in den Verkaufslokalen. Das Per sonal wartet stundenlang auf einen Käufer. Ost vergebens. Wagt sich wirklich jemand in ein Ge schäft. dann läuft er in den meisten Fällen bedeutend schneller, als er hineingegangen ist. wieder hinaus. Der geforderte Preis für die nachgefragte Ware läßt ihn ein wahres Eilzugtempo anschlagen. Auch hier seien einige wenige Preise erwähnt. Ein Paar Schnürsenkel können billigst mit 10 000 Mark, eine Schachtel Streichhölzer mit 1000 Mark erstanden werden. Eine Dose Schuhputzmittel unbekannter Marke wird für 6000 Mark abgegeben. Eine kleine Abkühlung erhält die Hausfrau bei dem Unter fangen, sich eine Linonform für den unbedingt er forderlichen W'nterhut zu kaufen. 900 000 Mark dürfte das Billigste sein, was zu bekommen ist. Herrenhüte erfordern heute eine Millionenausgab-e. Der minderwertigste Wollfilzhut stellt sich schon auf rund 1-H Million Mark. Eine halbe Million er fordert auch der Ankauf eines Paares Schuhe für ein einjähriges Kind. Dabei sind die genannten Preise nicht in allen Geschäften auch nur annähernd dieselben. Fragt man in zwei Läden der gleichen Branche nach einem bestimmten Artikel, so kann man die größten Ueberraschunge.i erleben. So geschah es, daß das gleiche Taschenmesser an der einen Stelle 260 000, an der anderen 800 000 Mark kosten sollte! Die deutsche Hausfrau von heute hat es nicht leicht. p. * vke Margarineversorgung Die Nachrichtenstelle der Staatskanzlei teilt mit: Hand in Hand mit dem schnellen Sinken der Mark geht ein gewaltiges Ansteigen der Margarinepreise und eine zunehmende Knappheit der zum Verkauf gelangenden Vorräte. Diese Erscheinung weckt in der Derbraucherschaft die begreifliche Annahme, daß eine Zurückhaltung der Ware in gewinnsüchtiger Absicht vorliegt. Diese Annahme beruht indessen meist auf einer Verkennung der der Margarineversorguug zu grunde liegenden Verhältnisse. Die Rohstoffe, aus denen Margarine hergcstellt wird, müsfenaus dem Auslande bezogen werden. Diese aus- ländischen Rohstoffe sind nicht Eigentum der Fabri- k»n, sondern werden ihnen nur in Konsignation ge geben. Die Margarine ruht daher in den Fabriken wie auf den Derkaufslagern solange in ausländischer Währung, bis der Kre dit in Devisen gedeckt ist. Bei verminderter Zuteilung von Devisen kann von den Fabriken täglich nur so viel Margarine von den Lagern freigegeben werden, als der Devisenzuteilung entspricht. Das Konsignationsverfahren bedeutet einen großen Vor teil, weil er allein die Möglichkeit bietet, Vorräte im Inlands aufzuspeichern. Um so größer ist die Ge- fahr für die Margarineversorgung, wenn, wie es in verschiedenen Fällen geschehen ist, in der irrigen An nahme einer strafbaren Zurückhaltung durch Beschlag- nähme oder gar durch gewaltsame Eingriffe die Her gabe von Margarine erzwungen wird. Derartige Porfälle, besonders wenn sie mit einer Verletzung des ausländischen Eigentumsrechtes verbunden sind, brin gen die Gefahr mit sich, daß das Ausland die Liefe rung von solchen Gefahrengebieten einstellt. Damit Vrsuch beim Ameisenbär Don ^l»In kisttt Durch eine grüne Tür geht « hinein. Ein Feuer- löschapparat ist darauf abgebildet. Man hat diese Tür noch nicht halb geöffnet, da bleibt man, wie von einem Feuerlöschapparat auf die Nase getrosten, stehen: Welch ein Dust! — Was für ein Parsüm! — Welches Gewürz! — Welches Aroma! . . . Mut!, sage ich mir, und mache die Tür möglichst weit und eine ziemlich lang« Weile auf. Mein- Nüstern schwelgen sonst, wenn sie einmal ländliche Düste von irgendwo in unserer gewür-losen Steinöd: zuge tragen bekommen. Aber dies Donner wetierparfüm, das mir beim Betreten des Apartemento dieses aparten Amerikaners fast die Drille beschlägt, das ist mir doch etwas zu ausländisch, zu :xotl,ch — exotisch in negativem Sinne. Allerdings: diese Rase — sagt man i'ub unwill kürlich mit innerlichem schweigenden Respekt beim ersten Anblick: Nase und Schwanz das ganz« Wesen! Eine Nase wie ein ausgezogenes Fernrohr — und ein Schwanz? — wie eine traumhaft schöne Pleureuse seligen Angedenken«! Ein« Pleureuse, wie sie nur Bilbao, das Riesenstaulein aus dem Panoptikum, an den Hut stecken dürste, wenn nicht die Kalbe Arbeit der Straßenreiniger umsonst getan werden soll. Man sieht, bi» zu welcher Länge sich jede Rase entwickeln läßt, wenn man die Nase immer m fremde Dinge hineinsteckt. Bei diesem monströsen Wesen sind die fremden Dinge möglichst große, möglichst bevöl kerte, von einem schwirrenden Dekribbel belebte Ameisenhaufen. Wenn für uns Menschen alle frem den Dinge so geartet wären, würden wir uns in vielen Dingen besser vertragen. Jedenfalls stecken wir unsere Nase nicht ungenötigt in einen schwirren den Ameisenhaufen. Aber für diesen Sonderling unter den Bären ist es das seligste Vergnügen, wenn ihm ein ganzer, toll gewordener Ameisenstaat über die lange Nasenröhre galoppiert, wo dann die noch längere Zunge summarisch unter den flüchtigen Bür gern diese« Bankerott machenden Staate» aufräumt. Um aber gleich mitten in die Reichshauptstadt «in«» solchen, unter einer Waldesche oder einer mächtigen Tanne etablierten Staatsgebilde» zu dringen und es im Nu zur Uebergabe zu zwingen, hat der Bär einen Stoß Krallen an den Porderpranken, bei deren An- blick einen geradezu schaudert. Das so müksam aus gebaute Kunstwerk dieses vieletagigen Staats gebäudes fliegt in großen Fetzen, sozusagen immer in ganzen Provinzen, durch die Luft und in wenigen Minuten ist das Werk von Hunderttausenden von fleißigen, für dos Gemeinwohl aller Staats- angehöriger besorgten Ameisen dem Erdboden gleich gemacht. Diese Krallen, glaube ich, könnten der Erde das Eingeweide aus dem Leibe reißen, wenn sie mehr Ehrgeiz hätten und nicht nur auf schwache, kläglich schwache Ameisenliliputaner losführen. Unermüdlich trottet er umher, und verhält sich allen Fragen gegenüber, die ich an ihn stelle, voll kommen schweigend. Nur einmal richtet er seine Nasenröhre in die Gegend hinein, wo ich stehe, al« solle es jetzt eine zusammcnfassende Antwort werden. Aber er stellt nur an meine linke Paletottasche die stumme Frage, ob nicht eine schöne Tüte Ameisen eier für ihn darin sei. Nachmittags zum Diner gibt es eine dreietogtge Mahlzeit für diesen Einzigartigen: obenauf in d?r dritten Etage eine reichhaltige Portion Ameiseneier — die hier ungefähr den Zweck hat, wie auf mensch lichen Tafeln die kleinen pikanten, zum Appetit an regenden Sächelchen. In der zweiten Etage dann gekochter Reis — und als kräftige Unterlage für den Magen Schabefleisch in der ersten Etage. Im Par terre hat man nur die Dustspender des gewürzrcichcn exotischen Parfüms zu suchen. Außerdem bekommt die Ameisennase noch ein Dejeuner: Suppe und Eier! Ich wünsche es mir nicht besser! Im Sanatorium kann man nicht besser, nicht gesünder leben! Nur auf die Ameiseneler würde ich, glaube ich wenigstens, vorläufig noch vcr- zichten. Sie sollen allerdings eine außerordentlich lebenspendende Kraft besitzen, wie olles, was mit Ameisensäure verwandt ist. Wenn ich sehe, wie dieser fast einen halben Meter lange dicke Wurm, der die Zunge des aparten Ameri kaners ist, blitzschnell sich unter die Ameiseneler wühlt, sie gierig in sich einschleckt, im Nu wieder da ist, unersättlich scheint, so lange noch etwas Ameisen- artiaes da ist, sage ich mir doch halb und halb, daß ich die Delikatessen der Erde bi» jetzt wahrscheinlich nur halb und halb kenne. Diese merkwürdige Wurmznnge, die so sehr an die des Chamäleons erinnert, ist im Grunde nur rin langgezogener Leimtopf, eine unendlich schmiegsam« und unendlich schmierige Leimrute, an der alle» in dem aus diesem Fanginstrument herausquellrnden leimigen Schleim rettungslos hängen bleibt, was auch nur mit einer Ameisenzeh dahinein gerät. Frei- lich müssen die Ameisen vor ihrem desperaten Unter tauchen in dem schmalen Schlund dieses Molochs ihn doch noch zwicken — und nicht zu angenehm. Denn solche Ameisenstaaten, in denen die Bürger wohlaus gebildete große Freßzangen als Nassenmcrkmal vor sich hertragen oder wohlausgcbildete Stinkdrüsen an geheimer Körperstelle verborgen hinter sich hertragen, und bei jedem Alarmzeichen gleich in lebhafte Tätig- keit setzen, vermeidet der Bär. Es gibt also offenbar Ameisen, die ihm in der Pcrrsümbranche überlegen sind — und dabei ist dies eine ganz kleine, allerliebst kleine Sorte, so etwa von der Größe der Flöhe. Es steht da quer ins Skamdre xarnie dieses denk würdigen Bewohners eine rote niedrige Holzkiste hin ein — wahrscheinlich das Sofa für die Besucher. Ich verzichte aber, mich darauf zu sehen. Ich habe mich vorher so hintenherum beim Wärter erkundigt, wie der Bär bei Laune ist. „Ja, wir haben ihn schon 13 Jahre in Logis — aber ich habe ihn noch nie bei guter Laune gesehen. Ich brauche nur meine Stiebel- spitzc zu ihm reinzusetzen, so fährt er mit seinen ja jrade nich kleinen Krallen auf mich zu. Na, ich möchte mich nachher nicht sehen, wenn ich ihm auch nur so was wie meinen kleinen Finger ließe. — Mas? Was sagen Sie? — Auf einer amerikanischen Farm, da ließ sich einer streicheln? — Hatte gern mit Menschen zu tun? — War spiellustig, — Nun, so was! — Wenn ich nich immer so was wie 'ne halbe Kloppeitsche hinter mir halte, darf ich ihn nich mal bitten, aus einem Zimmer ins andre rin zu iehn — was ich doch muß, wenn ich ihm die Stube rein machen will." „Ja, ja, auch ein Charakter!" „Aber früher hatte ich eine Tamandua, was auch so ein Ameisenbär ia — so e'ner mit einem Greif schwanz, so ein scheckiger Geselle — der war ja freundlicher, der wußte doch, was'n Mensch i« und was kein Mensch is." „Aber einmal — ha! — da hat er mich doch so'n bisken lieb gehabt, so auf seine Weise, wissen Se. Sehen Sie da auf der Hand die Narben? Er hatte auch so kleine Ncigrlken vorn an den Pfoten wie der da. Ich wollte ihn baden — er sah furchtbar dreckig aus — er war tuberkulös und vernachlässigte sich ganz, ganz und gar — er war zuletzt ein Schwein igel. Da mochte er wohl das Bad nicht — und da hatte ich's mit einemmal sitzen. Ich hab'» rasch aus- jewaschen Arnika, Seife, Lysol, alles mögliche — und nachher war's doch 'ne Geschwulst — ick saje Sie, so dick wie'n Kiuderkopf!" Der da braucht nicht ins Bad gesteckt zu werden. An warmen Tagen, wenn er die ganze Zeit sich in seinem „Park" aufhält, klettert er ab und zu auch in seine Badewanne. Erst wackelt er in seinem gichtischen Trottelgang — er läuft auf den Dorderfüßen auf den eingezcge- nen riesigen Krallen — ein Dutzendmal um die Bade anstalt herum, wittert mit dieser vorauslaufenden Nase über die grünliche Feuchte hin, — jetzt setzt er die Vorderpfoten mit den Krallen krachend auf den Blechrand und überlegt. Dann plötzlich eia Plantschen, Brausen, Schäumen, Strömen, Prusten, Spritzen, Schnaufen — und ein schreckliches, ganz unkenntliches, nie gesehenes Etwas, das triefend und dürr wie eine ausgewühlte Puppe aus der brodeln- den Badewanne emporschnaubt, springt unbeholfen und tapsig hervor. Das soll ein Ameisenbär sein? Dieser nasse, triefende Lappen, diese nasse Zottel, dies verschrumpfte magere Fell, das eben aus einer Gerbergrube sein muß — diese wie von einem Wolkenbruch vernichtete Pleureuse? Wo er Gelegenheit hat zu schwimmen, macht er das Bad lieber in einer kleinen Schwimmtour ab. Seine gewaltigen Porderpranken, das kann man m t blinden Augen sehen, müssen prachtvolle Ruder sein. Diese im Aufgraben von Termitenhaufen und im Zersplittern von morschen Baumstämmen beim Suchen nach Würmern zweifellos sehr brauchbaren Werkzeuge müssen für einen Menschen, der da hin eingerät, wirklich wenig angenehm sein. Mit seinen Zähnen, die er nicht hat, kann er ja nicht um sich beißen, der Bärbeißige, und mit seinem winzigen Maul, durch das bloß dieser Wurm von Zunge eben au» und em kann, vermag er ungefähr soviel zu beißen wie eine Ameise. Aber diese Pranken! — diese Krallen! Ein sürwitztger Verwalter einer amerikanischen Farm, der einen ihm ohne jede bös« Absicht entgegen trottelnden Ameisenbär da» bißchen Hirn mit seinem Buschmesser au» purem Uebermut, aus reiner Mord- lust einpfeffern wollte, wurde fast zu einem Hasen pfeffer von den verteufelten Pranken der hitzig ge- wordenen Bestie -uaerichtet — und dann, als nach mehreren Stunden dieser blutigen Lektion, während dessen der Bär den Buschmrffer-Helden unerbittlich
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)