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Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 05.08.1923
- Erscheinungsdatum
- 1923-08-05
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-192308056
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-19230805
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-19230805
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1923
-
Monat
1923-08
- Tag 1923-08-05
-
Monat
1923-08
-
Jahr
1923
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. H. Lauri« , s». Proit O. Brckov» >. Danknrart e L.Grrvan 2. Akt. »« 10 Uhr. b«r blau« ater . 12300 dertsr 8z, vkr: n«r. mptrest. süplslr. in. 13433. uung dr» !». -r: lStianscn. riet». - D«S di« »ost tu Deuischlaud moaolltch V^r5000(stetbl.);«u«landM22L000rtnlÄ. »ono tkrschrtui lLglich morg«n», autzer Moniag». HSHer, «ewalr tchNetzt «rtüllang au». ScvrUUett- Grschästtst.. Druckerei: Leipzig. JohanuiLaaste 8 (gernsprecher Orrsgesprache Tammrl-Nr.: 7Ü811, Jrruaesprachr 17089-11992': ebenda u. in allen Filialen Anzeigen« u. Abonnement-Annahme; auch nimmt jedes Postamt Bestellungen an. Anzeigenpreis: A^Ä^dr^Z^.^M auSw.Inserent.M.12000. Donderpre tse: Famtltenanz. v. Prtv. wo» ZelieM.2500, Gelegenheit»«!,,, lpriv.Natur) u. Vtevenangeb^ ouo- Zeile M.3lX)0. Stellenges wm Zeile M.25OO. amtl. Beianntm. Doppel« 'mo-Zl.M.14ü00.».au8W.M.240VO.Rckl 72wmbr-ww-Zl.M.EVO.t.auSW. M.SOOVV.AuSlandSanz.m Valntaaufschl. BeiWiedcrh.Nachias:. Platz- u-Daienvorsch.unverbindl.ErMV.-Ort Leipzig. Postscheckk. Leip». 3VV4. La» »otari—r r««a»la« «KG«« dt« amtNeG— «o»«u,t«a»a»a«e »o» ,aK»ot»ei»GGi«»«W» «ata»»a Ur. 1« Linrslnummbr 10000 I^srk Lonning, Le» s. Lngn»t 1922 ^Srn-^ULALdS 117. IaNrg. Spart und Politik I». «.Leipzig, 4. August. > Die Sjpvrtwoche, die aus Anlaß des 40. Bundestages des Bundes Deutscher Radfah rer Tausende von jungen Deutschen in Leipzig versammelt, regt zu einigen Betrachtungen über das Verhältnis an, in dem der Sport zur Wohlfahrt des Vaterlandes steht. Ueber die Nützlichkeit des Sportes an sich herrscht kaum noch eine Meinungsverschieden heit. Es ist heute allgemein anerkannt, daß die Art der Leibesübungen, deren Namen zugleich mit der Sache der ganze Erdball von den Briten übernommen hat, in hohem Maße zur Stählung und Vervollkommnung des menschlichen Körpers geeignet ist. Und auch darüber besteht kein Zweifel mehr, daß der sportliche Spielbetrieb eine Reihe von Elementen birgt, die auch die geistige Ent wicklung seiner Anhänger günstig zu beeinflußen geeignet sind. Wie es Lebewesen gibt, die zwi- schen dem Pflanzen- und Tierreich stehen, so könnte man von gewissen Eigenschaften sprechen, die dem Grenzgebiet zwischen Leiblichem und Geistigem anzugehoren scheinen. Diese vor allem, Willenskraft, Selbstbeherrschung, rasche Entschlußfähigkeit usw. sind auf dem Sportplatz zu Hause. Unter allen Umständen von hoher Wichtigkeit für den voranstrebenden Menschen, ist die Erwerbung solcher Tugenden heute von doppeltem Wert für den jungen Deutschen, der im Kampf ums Dasein durch das Schicksal der Nation benachteiligt ist und um so mehr der An- spannung aller Kräfte bedarf, um im Wett bewerb der Völker zu bestehen. Nicht durch einen glücklichen Zufall, sondern mit sinnvoller Zweck mäßigkeit ist es ja geschehen, daß einst die Tur nerei in Deutschland zu einer Zeit in Aufnahme kam, als Ae einem niedergeworfenen und getre tenen Volke dazu dienen konnte, zugleich mit dein leistungsfähigeren Körper auch das seelische Gleichgewicht und Selbstbewußtsein zu erlangen, das nötig war, um den Kampf gegen einen sechinbar unüberwindlichen Unterdrücker wagen zu können. Dir Turnerei erschien damals als ein aus- gesprochen politisches Tun, insofern sie un mittelbar und mit klarer Absicht aus die natio nale Wohlfahrt eingestellt war. Wenn anders das allgemeine Beste der Gegenstand der Politik istj so war die Turngemeinde, in der sich das Volk unter den mißtrauischen Augen feiger oder verräterischer Dynastien zur leiblich - geistigen Wiederbelebung des Deutschtums zusammentat, ein wesentlich politischer Verein, der seinen Zweck nicht in sich selber, sondern im Wohl des Vaterlandes suchte. Wird gleiches Loo einst dem deutschen Sportbetrieb von heute nachzusagen sein? Gerade die außerordentlichen Vorzüge, die dem Sport eigen sind und seine Anhänger vielfach zu leidenschaftlicher Hingabe entflammen, bringen es mit sich, daß er nur allzu leicht zum Selbstzweck entartet und von den Ausübenden oder auch nur Zuschauenden in einen: Maße Besitz ergreift, das jedem anderen Interesse den Zutritt zum Herzen des Sportfreundes versperrt. Es unterliegt gar keinem Zweifel, daß solcher maßen manche üble Versuchungen ferngehalten werden. Doch ist es nicht minder sicher, daß dabei nicht selten auch die notwendige Teilnahme an den öffentlichen Angelegenheiten ausgeschal- trt wird. Gerade aus England, der klastischen Heimat des Sports, werden in der letzten Zeit häufige Klagen darüber vernommen, daß die traditionelle britische Staatskunst Gefahr laufe, durch das überwuchernde Sportintereste schweren Schaden zu nehmen. Wenn sich ein ganzes Volk vom Forum abwendet, um nach dem Spielplatz zu laufen, so ist es kein Wunder, wenn seine Staatsmänner gegenüber denen einer anderen Nation, di« sich weniger ausschließlich für Rekorde und Championate begeistert, ins Hinter treffen kommen. Unendlich mehr noch als der Engländer be dürfen wir heute des politischen Geistes, um durch die klippenreichen Gewässer unserer inneren und äußeren Angelegenheiten zu steuern. Darum ist der deutsche Sportfreund noch weit dringlicher al» der englische vor jener Verirrung des Sport geistes zu warnen, dem die Beschäftigung mit den Angelegenheiten der Nation als etwas Wesenloses, ja schier Verächtliches erscheint. „Gesunder Geist in gesundem Körper*, hat sich der Sport zum Wahlspruch erwählt. Eben als Probe auf die. geistige Gesundheit des deutschen Sportfreundes aber gelte die Erkenntnis, daß Abkehr vom politischen Interesse nicht mehr und nicht weniger al» Abwendung vom Vaterland« bedeutet und daher im rechten Sportsmann auch ein reger und klarer politischer Sinn leben muß. . _ Veränderte Taktik B«ch Frankreich mr- Aelgi« veröffentlichen ihre Rot«« Pari», 4. August. (Eig. Tel.) Die französische Regierung hat ber Presse den vollständigen Wort laut der vom 14. Juli datierten Instruktionen für den französischen Botschafter tu London und der Antwortnote an Eng- land vom 30. Juli zur Verfügung gestellt. Die beiden umfangreichen Dokumente werden vom „Temps* und vom „Journal des Dsbats* veröffent licht. Weitere französische Dokumente sollen amt licherseits bckanntgcgeben werden, wenn England die entsprechenden englischen Dokumente veröffentlicht hat. Aus den Instruktionen vom 14. Juli geht hervor, daß die Geheimhaltung des Meinungs austausches zuerst von Frankreich gefordert worden ist. Im ersten Teil der Instruktionen wird die Auf fassung Poincarös dargelegt, daß die Ruhraktion auf Grund des Versailler Vertrages unternommen wer den durfte. Frankreich werde vor Einstellung ves passiven Widerstandes nicht in Verhandlungen mit Deutschland eintreten. Falls aber die Reichsregie rung den Widerstand aufgebe, werde Frankreich die Berliner Regierung nicht für individuelle oder selbst Kollektivhanblungen verantwortlich machen, die viel leicht dann ohne Zustimmung der ReichsrcLierung unternommen werden. Für den Fall der Einstellung des deutschen Widerstandes wird in den Instruktionen die Auf hebung gewisser Maßnahmen versprochen, besondere die Rückkehr der ausgewiesenen Eisenbahner ,und unteren Beamten- Aber Frankreich wolle darüber nicht mit Deutschland verhandeln, und es will auch weder die wegen Mord und Sabotage Verurteilten begnadigen, noch die höheren Beamten, die wegen Organisierung von Re- volten oder S.trLiks qusgewiesen wurden, auf ihre Stellungen zürückkchren lasten. Die französischen Truppen würden bis auf ein Minimum zurück gezogen werden. Eine englische Vermittelung in der Didernandsfrage wird ausdrücklich abgelehnt, da Deutschland daraus schließen könnte, daß es da» letzte Wort in der Ruhrfrage gehabt habe und seine Ansprüche steigern würde. Wenn Frankreich unter solchen Umstünden nachgebe, müsse es nach 8 Mona ten alles wieder von vorne anfangrn, wie ja seit drei Jahren alles habe wieder von vorne angefangen werden müssen. Nur ein unerschütterlicher Wille könne nach der Ansicht PoincarSs Deutschland zur Erfüllung seiner Verpflichtungen bringen. Die Ruhr operation sei nur ein Mittel zur Erlangung von Re parationszahlungen. Einen Vorschlag für die Ne- parationsregelung habe Frankreich nicht zu machen, da es sich an den Versailler Vertrag halte. Am Schluß der Instruktionen wird daran er innert, daß Frankreich bereit ist, auf seinen Anteil an den deutschen Schuldverschreibungen der Reihe 6 in gleichem Umfange zu verzichten, m dem die Ver bündeten ihm selbst die Erfüllung ' seiner eigenen Schuldverschreibungen erlassen. Der Inhalt der ' * französische« Rote vom 30. Juki ist im wesentlichen durch den halbamtliche» Auszug von gestern abend bekannt. Poincar^ erklärt sich be reit, die deutschen Iunivorschläge mit England zu prüfen, und betont dann erneut die bekannten französisch-belgischen Grundzügc: Keine Verhandlungen mit Deutschland vor Einpetlung des passiven Widerstandes sowie staffslweise Räumung de» Ruhrgebietes nach Makaabe der deutschen Zah lungen. Zweck der Ruhroperation sei das Bestreben, eine direkte Störung in der wirtschaftlichen und poli tischen Organisation Deutschlands hervorzurufen, so mit Deutschland die Ausführung des Friedensver trages dieser Störung vorzrche. Deutschland sitze alle seine Hoffnung auf einen eventuellen Konflikt unter den Verbündeten; Frankreich sei überzeugt, daß alles sofort wieder in Ordnung kommen werde, wenn England der deutschen Regierung mitteile, daß es die deutsche Politik nicht billige. Die Prü fung der deutschen Leistungsfähigkeit durch internationale Sachverständig« sei bedenk lich. Trotzdem stellt di« französische Regierung cme Reihe von Fragen, um Genaues darüber zu erfah ren. wie England sich den Sachverständigenausschuß denkt. Namentlich wird um Aufschluß darüber ge- beten, was England unter „allgemeiner und end gültiger Regelung* versteht und ob auch die Frage der interalliierten Schulden in dieser Regelung ein begriffen sein soll. Der Schluß des Dokumentes besagt, Frankreich sei stet» bereit, sich mit England über die Sicher- heitsfrage zu unterhalten, aber diese Frage habe mit der Ruhrbcsetzung nichts zu tun. E» sei deshalb bester, beide Probleme getrennt zu behandeln. Zwei belgische Dokumente Pari», 4. August. (Eig. Tel.) Auch die belgi sche Regierung hat mit der Veröffentlichung ihrer Dokumente au» den letzten Reparationsverhand- lungen begonnen. Sie Übergab gestern abend der Oefsentlichkeit zunächst zwei Schriftstücke, nämlich 1. das Aide memoir«, da» dem Baron Man cher» al» Antwort auf den englischen Fragebogen vom 13. Juni übergeben wurde, und 2. die bel gische Aitzt wort vom 30. Juli auf England« Notenrntwurf einer Antwort an Deutschland. Ferner hat die belgische Regierung nach Mitteilung de» „Petit Parisien' beschlofsin, ein Graubuch heraus zugeben, das all« diplomatischen Berichte und Stu dien enthalten soll, die den alliierten Regierungen seit Januar übermittelt warten sind. Ueber das Arve memoire liegt ein Havas- bericht vor, aus dem hervorgeht, daß seinerzeit die englische Regierung die belgische Regierung lediglich aufforderte, die Punkte 3, 4, 5 und 6 ihres Frage bogens zu beantworten, die sich in der Hauptsache mit dem passiven Widerstand befaßten. Als Be dingungen, unter denen die belgische Regie rung den passiven Widerstand als eingestellt zu be trachten bereit ist, werden in dem Aide memoire folgende Punkte angeführt: 1. Es ist notwendig, daß die Reichsregierung und alsdann die Behörden der interessierten deut schen Einzelstaaten den Zustand, der vor dem 11. Januar 1923 auf beiden Rheinufern bestand, wieder Herstellen, d. h. daß alle Verordnungen, Er lasse und Instruktionen zurückgezogen werden. 2. Die Einstellung des passiven Widerstandes soll nicht als gleichbedeutend betrachtet werden mit einer aktiven Mitarbeit der Bevölkerung an den Maß nahmen der Besatzungsbehörde. Es wird genügen, wenn diese Bevölkerung die gegebenen Maßnahmen nicht mehr hindert. 3. Nach der Beendigung werden wohl einige Personen, die gefangen genommen oder aus gewiesen wurden, begnadigt oder ihnen die Er laubnis zur Rückkehr erteilt werden könne». Aber die einzelnen Fälle werden genau geprüft und können niemals zu einer Amnestie für Gewalt- oder Sabotageakte gegen die besetzende» Vtächte führen. 4. Di« Einstellung des passiven Waderstandes in belgischem Sinne würde zur Folge haben, daß die Natur der Besetzung abgeändert würde. Die belgische Regierung wäre bereit, gleichzeitig mit det französischen Regierung die Notwendigkeit einer Aenderung zu prüfen, um ihrer Besetzung einen weniger militärischen Charakter zu -eben und sie auf die Maßnahmen zu beschränken, die in der Notifikation angegeben waren, die die deutsche Regierung am 10. Januar 1923 erhielt. Die Brüsseler Antwortnote In ihrer Antwort auf den englische» Entwurf für eine gemeinsame Rote an Deutschland betont die belgische Regierung ihren Wunsch, die Reparations frage gemeinsam mit den Alliierten zu lösen. Wenn man aber der deutschen Finanzkraft Rechnung trag«, so dürfe man nicht die Finanzkraft der alliierten Staaten au» dem Auge verlieren. Die Notwendig keit, Sicherheit gegen eine militärische und wirtschaftliche Erstarkung Deutsch lands zu erlangen, die ihm ermöglichen würde, seine militärische Rache vorzubereiten, mache solchen Schuldenausgleich notwendig. Erhalte Deutschland also eine Erleichterung, so müßte sie auch den vom Kriege besonders heimgesuchten alliierten Ländern gewährt werden. Hierfür habe man zwei Mittel ins Auge gefaßt: Streichung ver intercüliierten Schulden und Prioritäten für di« zerstörten Gebiete. Die Priorität für die zer störten Gebiete sei notwendig, da man den Zah lungsvoranschlag vom 6. Mai 1921 abändern wollte. Würde diese Priorität zugestanden, so wäre Belgien bereit, die von England vorgeschlagene Ent scheidung unparteiischer Sachverstän diger anzunehmen. Von Bedeutung sei es, daß Garantien und Sicherheiten wirt schaftlicher Art den Alliierten als Pfänder über- geben werden. Belgien schlägt weiter strenge Kontrolle der deutschen Finanzen vor, da sonst jeder Zahlungsaufschub zwecklos sein würde. Zum Schluß da«kt Belgien der englischen Negierung für ihren Vorschlag, einer Prüfung der Sicherheitsfrage wohl wollend näherzutreten. Var französische TodesurteU gegen Vr. Nülz Wie wir zu der gestern mitaeteilten Nachricht von dem Todesurteil des französischen Kriegsgerichts in Nancy gegen den sächsischen Bürgermeister und vor- maligen Hauptmann Kuntz in Zittau erfahren, liegt eine Namensverwechslung vor. Es handelt sich um den derzeitigen Zweiten Bürgermeister von Dresden Dr. Külz, den bekannten demokratischen Abgeord neten und früheren Oberbürgermeister in Zittau, der im Kriege als Hauptmann der 19. Reserve-Ersatz- division angehört hat. Dr. Külz selbst äußert zu dem Urteil, daß der französische Pfarrer, auf dessen Aus sagen hin das Contumatiam-Urteil des Kriegs gericht» erging, einer Personcnvcrwechslung zum Opfer gefallen sein müsse, da er sich keiner der be- schuldigten Straftaten bewußt sei. Der augenblicklich in Paris weilende ameriianische Schatzsekretär Mellonist am Freitag vom Minister präsidenten Poincar 4 empfangen worden, dem er über seine Eindrücke in den zerstörten Gebieten be richtete, und hatte später auch eine Zusammenkunft mit dem franzäsischen Finanzminister deLasteyrie sowie mit dem Gouverneur der Van! von Frankreich Podineau. Frankreichs Wille Die französische Regierung hat gestern den Wortlaut ihrer am 14. Juni erteilten Instruk tion für den französischen Botschafter in London und ihre Antwortnote an England vom 30. Juli der Oefsentlichkeit übergeben. Zur gleichen Zeit hat die belgische Regierung ihre Antwort auf den englischen Fragebogen vom 13. Juni und ihre Antwortnote auf den englischen Notenentwurf vom 30. Juli veröffentlicht. Damit ist England, das ja die Veröffentlichung der Dokumente aus den letzten Reparationsverhandlungen angekün- digt hat, der Wind aus den Segeln genommen worden, und die beiden Staaten, in erster Linie Frankreich, von dem sicherlich die Initiative zu diesen Veröffentlichungen ausging, haben ihr ge fährdetes Prestige gegenüber England gewahrt. Wieviel Gewicht gerade in Paris auf diese Pre- stigefrage gelegt zu werden scheint, ergibt sich daraus, daß man noch vorgestern die englische Drohung mit der Veröfftntlichung eines Weiß buches höhnisch damit abtat, diese „Flucht in die Oeffentlichkeit" sei ein offenes Eingestämmis der Schwäche Englands. Und dennoch schreckt man nicht davor zurück, genau das gleiche zu tun und England sogar noch zuvorzukommen. Aus den Pariser Dokumenten geht gleichfalls mit aller Klarheit hervor, daß es Poincarö in der durch den deutsch-französischen Ruhrkrieg ge- schaffenen Lage vor allem darauf ankommt, die Vormachtstellung, die Frankreich durch sein gewalttäiges Vorgehen unter den Alliierten Errungen hat, zu verteidigen und um jeden Preis zu verhindern, daß England sich als , Schiedsrichter zwischen Frankreich und Deutsch land stellen könnte. Die englische Regierung wird jedenfalls zu dem überraschenden Schritt Frankreichs Stellung nehmen müssen, und auch das Kabinett Cuno wird vor der Welt Deutschlands Standpunkt darlegen müssen, denn die deutschen Schritte zur Lösung des Ruhrkon- flittes und der Reparationsfrage sind ja nicht ohne eine diplomatische Fühlungnahme mit Eng land erfolgt und Deutschland ist aus diesem Grunde schon verpflichtet, in dem englisch-fran zösischen Prestigekampf sein Gewicht in die Wag- schale zu werfen. Um ein Vielfaches verstärkt wird aber diese Verpflichtung durch die Begrün dung, mit der Poincar6 eine englische Dermitt- lung im Ruhrkrieg ablehnt. Es heißt nämlich in den französischen Dokumenten, daß Deutsch, land nicht das letzte Wort in der Ruhr- frage haben dürfe, weil es sonst seine Ansprüche steigern würde. Deutschland soll also, nach der Ansicht Poincartzs, in jedem Fall Objekt sein und nur verpflichtet werden, das anzu- nehmen, was ihm von den alliierten Mächten diktiert wird. Die französischen und belgischen Dokumente stimmen dem Sinn nach ziemlich überein. In verschiedenen Einzelheiten können die belgischen Schriftstücke als Kommentar zu den französischen aufgefaßt werden. In beiden ist nicht die Rede von einer endgültigen Räumung des Ruhr- gebietes. Es heißt in den französischen In- struttionen, daß im Falle einer Einstellung des passiven Widerstandes die Truppen „bis auf ein Minimum" zurückgezogen werden sollen. Wie hoch dieses „Minimum" sein könnte, wird nicht gesagt. Es wird im Fall der Einstellung des deutschen Widerstandes die Aufhebung einer „ge- wissen Zahl von Maßnahmen" versorochen. Aber Frankreich will mit Deutschland darüber nicht verhandeln und ebenso sollen die wegen Man) und Sabotage Verurteilten und die wegen Orga nisierung von Revolten und Streiks ausgewiese- nen höheren Beamten nicht begnadigt werden. Es soll also unter gewissen Erleichterungen bei der Besetzung des Ruhrgebietes bleiben mrd d« Raub soll lediglich durch ein Deutschland diktier tes Abkommen legalisiert werden, so daß d« französischen Industriebaronen aus der Ausbeu tung dieses reichsten deutschen Industriezentrums von der Welt keinerlei Vorwürfe mehr gemacht werden könnten. PoinearS erklärt, daß er mit der Besetzung des Ruhrgebietes eine direkte Störung in der wirtschaftlichen und politische» Organisation Deutschlands Hervorrufen wollte, damit Deutschland die Ausführung des Frie densvertrages dieser Störung vorziehe. Das bel gische Memorandum kommentiert gerade diesen Satz vortrefflich, indem es von der Notwendig, keit spricht, „Sicherheit gegen eine militärische und wirtschaftliche Gr- starkung De utschlands" zu erlangen. Da mit wird offen zugegeben, daß es Frankreich und Belgien bei den deutschen Reparationszahlungen nicht so sehr auf die Wiederherstellung der ver wüsteten Gebiete, die Koinpensierung der franzö. fischen und belgischen Kriegsschulden ankommt, als vielmehr die dauernde Niederhaltung Deutschlanos. Frankreich ist sich sicherlich LmerUttuMckier Kelümsrlü »srlla roo«t<»» 4
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