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Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 03.08.1923
- Erscheinungsdatum
- 1923-08-03
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-192308037
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-19230803
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-19230803
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1923
-
Monat
1923-08
- Tag 1923-08-03
-
Monat
1923-08
-
Jahr
1923
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Vie neue Reichranleihe Berit», 1. August. (Eig. Tel.) Um dem Drangen der Allgemeinheit nach einer wertbestän digen Anlage entgegenzukomme», hat sich die Reichsregierung entschlossen, der Bevölkerung ein wertbeständige» Anlagepapter in Form einex auf den Gegenwert von Dollar» in Mark lautenden Anleihe r». it 12fähriger Laufzeit zur Der- fügung zu stellen. Die Anleihe wird von der Börsenumsatzsteuer und, soweit sie selbst ge zeichnet ist, von der Erbschaftssteuer de* freit, eignet sich also in gleicher Meise zur dauernden Anlage von Kapitalien wie zur vorüber- gehenden Anlage von Betriebsmitteln. Für Kapital und Zinsen dieser Anleihe soll an teilig die ganze deutsche Wirtschaft, Banken, Handel, Industrie, Landwirtschaft, sowie jeder, der über steuerpflichtiges Vermögen verfügt, haften. Rach dem von der Rcichsregierung den gesetzgebenden Körperschaften vorzulcgcnden Gesetzentwurf wird die Rcichsregierung ermächtigt werden, um den Zinsen bedarf für eine Anleihe bi» zu 860 Mil- lionen Mark Gold zu decken, Zuschläge zur Vermögens st euer zu erheben und zur beson deren Sicherung der Kapitalsrückzahlung bei Fällig- keit gegebenenfalls die einzelnen Steuerpflichtigen nach dem Verhältnis ihres steuerbaren Vermögens zur Aufbringung des Kapitalbedarfes heranzuziehen. Die Anleihe ist bei den Darlehenskassen des Reiches beleihbar und wird sofort nach Aus- gäbe der Stücke an der Börse eingeführt werden. Die Anleihe lautet auf Stücke über 4L0 Mark ---- 1 Dollar, 8,40 Mark --- 2 Dollar, 21 Mark ---- 5 Dollar, 42 Mark --- 10 Dollar, 106 Mark — 25 Dollar, 210 Mark — 50 Dollar, 420 Mark ----- 100 Dollar, 2100 Mark --- 500 Dollar, 4200 Mark --- 1000 Dollar. Ls wird damit gerechnet, daß auch kleinere Be träge bei den Sparkaffen in dieser Anleihe Anlage finden können. Die Stücke von 4,20, 8,40 und 21 Mark werden ohne Zinsscheine ausgegeben und bei Fälligkeit (2. September 1935) mit einem Auf geld zum Nennwert von 50 vom Hundert eingelöst. Die Stücke von 42 Mark und darüber tragen 6 Prozent Zinsen und sind mit einjährigen Zins scheinen versehen (Zinsenlauf ab 1. September 1023, Fälligkeit des ersten ginsscheine» am 1. Septem- ber 1924). Die Rückzahlung dieser Stücke erfolgt bei Fälligkeit (2. September 1935) zum Nennwert. Die Stücke sowie die Zinsscheine werden in Mark eingelöst entsprechend dem durchschnittlichen Dollar kurse in der Zeit vom 15. Juli bis 14. August. Der Zeichnungspreis beträgt bi» auf weitere» 100 Proz. für die Einzahlung in Mark. Soweit die Zahlung mit Devisen oder Dollarschatzanweisungen erfolgt, die auch zugelaffen ist, wird ein Dorzugrkur« von 95 Proz. bi« auf weiteres eingeräumt. Als g e i ch n u n g s b e g i n n ist der 15. August vorgesehen. Jeder Zeichner kann seine Zeichnungen bei dem Geldinstitut anbringen, mit welchem er zu arbeiten pflegt. Di» Einzahlung muß am Tag« der Zeichnung geleistet werden, und zwar, soweit sie in Mart erfolgt, auf der Basis des letzten vor dem Aeich- nungstage notierten amtlichen Dollarkurses. Eine Verrechnung von Stückzinsen findet bei der Zeichnung nicht statt. Es bleibt aber ein« Erhöhung de» Kurses Vorbehalten. Auch Voranmeldungen werden entgegengenommen. Sie sind zu dem für den ersten Zeichnungstag maß gebenden Kurse zu berücksichtigen. Vie erste Neichstagrsitzung Berlin, 1. August. (Lig. Tel.) Die erste Eit- zung des Reichstages, die am 8. August zusammen- tritt, wird den Erklärungen gewidmet sein, die von der Regierungsbank zu erwarten sind. Reichsfinanz. Minister Dr. Herme» wird die erste Lesung de» auf der Tagesordnung stehenden Rhein- und Ruhr- opfer» und den Entwurf eine» Steuerzinsgesetze» benutzen, um die Steuervorlagen zu vertreten. Der Reichskanzler wird über die innere und äuoere Politik sprechen. An die Regierungserklärung wird sich eine Aussprach« anschließen. Außer den »wer genannten Steuergesetzentwürfen werden noch weitere Struervorlagen und der Gesetzentwurf über die Soldanleihe auf die Tagesordnung gesetzt «er den, wenn die Vorlagen bis dahin im Bureau de» Reichstages eingegangen sind. Bei dem heutigen Empfang des Vorstandes der sozialdemokratischen Reichstagsfraktion durch den Reichskanzler wird vorwiegend da» Steuerpro- gramm der Reichsregierung und der Sozialdemo kratie erörtert werden. Lin Kompromiß wird nicht schwer zu finden sein, da die Regierung gern bereit ist- noch höhere Steuern und Opfer zu verlangen, wenn Aussicht vorhanden ist, daß diese vom Reich»- tag bewilligt werden. Var Lisenbahn-Unglück Vie Lifte ber verletzten Kassel, 1. August. Die Pressestelle der Reich»bakn- Direktion Kaffe! teilte gestern mit, daß sich von den beim Kreienser Unfall Verletzten in der Göt tinger Chirurgischen Klinik befinden: 1. Dachdecker- meister Wilhelm Köhler au» Bebra; 2. Wokroll au» Bad Tölz; 3. Werkführer Karl Guntsch aus Lisenach; 4. Etsenbahnasststent Karl Boltz au» Würzburg. 5. Buchbinder Otto Dörr au» München; 8. Kaufmann Ferdinand Hillebrand au» Bremen; 7. Radmu« Munkegaard au» Odense. Insel Fünen; 8. Stefan Kulterer, Student der Landwirtschaft, au» Thon Grafensteinkanten (Deutsch-Oesterreich); S. Wilhelm Dollkommer, Lehrer, au« München; 10. Neergard (männlich) aus Dänemark; 11. Pahlma (männlich) aus Wien; 12. Siggelkow Sohn, 18 Jahre, au» Offenbach; 13. Jensen (männlich) au» Schleswig; 14. Homeier (männlich) aus München; 15. Ferdinand Kulterer, landwirtschaftlicher Praktikant, au» Thon Grafensteinkanten (Deutsch-Oesterreich); 15. Schaffner Hennemann au» Grone bei Göttingen; 17. Karl Siggelkow aus Offenbach; 18. Christel Rheinhardt (Knabe) au» Hanau; 1v. Babette Pfannenmüller au» Wölkersdorf; 20. Marie Rasmuffen au» Molte- Kopenhagen; 21. Josepha Knecht au» Augsburg; 22. Walborg Iesparsen au» Dänemark; 23. Else Fischer au» Christiania; 24. Elise Hansen aus Hus- mendsskallen-Odense (Dänemark); 25. Therese Janssen aus Schleswig; 26. Hanstne Rasmin« Andersen au» Hyortholm, Insel Lanaeland (Dänemark); 27. Elisa- beth Kurtz aus Arheittgen bet Darmstadt; 28. Mar- garete Kunze aus Altona; 2S. Marie Strobel au» Bünkelsbühl in Bayern; 30. Konrad Bäcker au» Debra; 31. Deettleff Schlüter au» Hanau; 32. Therese Huber au» Ganghofen, Niederbayern. In der Göttinger Privatklinik in der Goslar- straß« 5 befinden sich: 33. Ignaz Elementia au» Graz in Deutsch-Oester- reich; 34. Gerda Elementia au» Graz in Deutsch- Oesterreich. Im Sanatorium Dr. Brunotte in Gandersheim befinden sich 5 Verletzte, nämlich: 35. Ilna Feßner au» Ansbach; 36. Adolf Uher, Fabrikdirektor, au» Straßburg in Kärnten; 37. Frau Uher au» Straßburg in Kärnten; 38. Frau Dr. Walkhoff aus Hannover; 39. Karl Tesarik, Bank- beamter, au» Druck an der Leitha in Oesterreich. In Privatpflege in Kreiensen find 2 verletzte, nämlich: 40. Frau Susanne Doth au» Fredonia (New Park, Nordamerika), Reiseziel: München, Margareten- straße 15; 41. Frau Margarete Langenstein au» Albany (New Jork, 21 Kant Street), Reiseziel: Mün chen, Margaretenstraße 15. * Neun Tote, deren Identität lang« nicht fest gestellt werden konnte, sind numehr erkannt worden. Sie heißen: Arthur Kaiser au» Eisenach, Heinrich Boltner-Zeitlof bet Bad Brückenau, Albert Dern- jevicz au» Fiume, Arthur Münch au» Oldenburg, August Schieper au» Bremen, Kuhn«, Student an« Nürnberg, Bruno Keil-Hamburg, Keil» Frau und ein Knabe, Sohn der Familie Keil. Neues vom Steuerabzüge Dte Sätze der Ermäßigung für den Steuerabzug vom Arbeitslohn sind erneut festgesetzt Morden, und »war gilt für den Arbeitslohn, der nach dem 31. Juli 1923 ausgezahlt, jedoch erst nach de« Sl. Juli 1923 fällig geworden ist, folgendes: Der Steuerabzug hat zu unterbleiben, wenn der Lohn oder Gehalt niedriger ist als monatlich: wöchentlich: täglich: 2-stündlich: 2240 000 M. 537 600 M. 8S 800 M. 22 400 M. für Ledige 2480 000 „ 595200 „ 99 200 „ 24 800 „ „ Berh. ohne Kinder 3840 000 „ 921 600 ,, 153 600 „ 38 400 „ „ Berw- mit 1 Kind 4080 000 „ 979 200 ,, 163200 „ 40 800 „ „ Berh. mit 1 Kind 5440 000 „ 1806600 „ 217 600 „ 54 400 „ „ Berw. mit 2 Kindern 5680 000 „ 1363 200 ,, 227 200 . .56 800 „ „ Berh. mit 2 » 7 040 000 „ 1689600 ,, 281 600 70 400 „ „ Berw. mit 3 „ 7280 000 ,, 1747 200 . 291 200 „ 72800 ,, „ Berh. mit 3 » 8640 000 ,, 2 073 600 ,, 345 600 ,, 86 400 ,, „ Berw. mit 4 » 8 880 000 „ 2 131 200 „ ;)55 200 „ 88 800 „ „ Berh. mit 4 „ 10240 000 ,, 2 457600 „ 409 600 „ 102 400 „ „ Berw. mit 5 „ 10480 000 „ 2 515 200 „ 4l92OO „ 104 800 „ „ Berh. mit 5 „ 11840000 „ 2841 600 „ 473600 „ 118 400 „ „ Berw. mit 6 „ 12080 000 „ 2 899 200 ,, 483200 „ 120 800 . „ Berh. mit 6 „ 13440 000 . 3 225600 „ 537 600 „ 134 400 „ „ Berw. mit 7 , 13 680 000 „ 3283 200 „ 547 200 136 800 „ „ Berh. mit 7 » 15040 000 „ 3609600 „ 601600 ,, 150 400 „ „ Berw. mit 8 „ 15 280000 „ 3 667 200 „ 611200 „ 152800 „ „ Berh. mit 8 „ Don allen k der die vorstehenden Lohn- oder Gehalttzahlen hinau-gehenden Beträgen sind 10 Prozent «inzuveyalten; der einzubehaltende Betrag ist jedoch auf volle 10 Mark nach unten abzurunven. Mittellose Angehörige sind wie Kinder zu berechnen. Beispiele nach obiger Tabelle: ») Verheirateter mit 3 Kindern mit etnem Monatsgehalt von 6500 000 M. Hier ist nicht» einzubehalten, weil bis 7 280 000 M steuerfrei ist. d) Verheirateter mit 5 Kindern mit einem Wochenlohn von 8250000 M. In diesem Falle sind steuerfrei --- 2515200 ,, und e« verbleiben --- 734 800 M. abzug-pflichtig, so daß al» zehnprozentiger Betrag — 73 48« M. einzubchalten sind. e) Lediger mit einem Tagelohn (Tagelöhner) von 100000 M. In diesem Falle sind steuerfrei — «9600 „ und e» verbleiben --- 10 400 M. abzugspfltchtig, so daß al» zehnprozentiger Betrag --- 1 «4« M. einzubehalten find. Kenderun- in der AngesteNten» Versicherung Da» am 4. Juli 1923 vom Reichstage verabschie dete, am 13. Juli verkündete Gesetz hat di« Leistungen und Beiträge erheblich erhöht. Vom 1. August 1923 an find der Grundbetrag und Kinderzusckuß ver zehnfacht, die jährliche Teuerungszulage auf 360 000 Mark bei Ruhegeld, Witwen- und Witwerrente und auf 180000 Mark bei Waisenrente festgesetzt. Pom gleichen Zeitpunkt an gelten folgende neue Gehalts klassen und Beiträge: monatl. Entgelt »1.13 r.: . 14 von «ehr als ISO 000- bis ISO 000 —00- sKooo I: WM 540000- 720000 720000- svoooo SSO 000-1260000 1 SSO 000-1620 000 1620000-1980000 1980 000-2430 000 2 430000-2070000 2970000 Bettr. mtl- 5000 M. 10000 . 17000 . 24000 . 32000 , 42000 . 54000 . 68 000 . 82000 . 100000 . 124000 , Die Post wird von jetzt an nur noch Marken von Klaffe 13 an aufwärts verkaufen. Arbeitgeber und Angestellte, die mit Beiträgen für die Zeit vor dem 1. August rückständig sind, müssen auch für die rückliegende Zeit Monatsmarken in Klaffe 13 zum neuen Preise von 5000 Mark kleben. Ungültig gewordene Marken können inner halb drei Monaten nach Ablauf der Gültigkeitsdauer bei den Verkaufsstellen umgetauscht werden. Die Berficherungspflichtarenze ist mit Wirkung vom 1. Juli an auf 78 Millionen Mark im unbe setzten Gebiet und auf 96 Millionen Mark im be setzten Gebiet, im Einbruchsgebiet und in den Be zirken, in denen besondere Vorschriften für die Er werbslosenfürsorge gelten, festgesetzt. Für Versicherte, die auf Grund einer Lebensver sicherung von der eigenen Beitragsleistung befreit find (Halbversicherte), entrichtet der Arbeitgeber die Hälfte des Beitrage» ihrer Gehaltsklaffe. Entspricht die Hälfte nicht einem der neuen Beiträge, so ist der nächsthöhere zu entrichten. (Beispiel: Beitrag Klaffe 23 124 000 Mark, Hälfte 62 000 Mark; es ist die Marke der Klaffe 20 mit 68 000 Mark zu Neben.) Der Arbeitgeber kann von Halbversicherten die Erstattung de» Mehrbetrages, im vorbezeichneten Falle also 6000 Mark verlangen. Bei der Frage, ob ein Angestellter auf Grund seine» Iahrcsarveitsverdienste» noch der Verficht- rungspflicht unterliegt oder ob er die Dersicherungs- pflichtgrenze überschritten hat, werden die mit Rück sicht auf den Familienstand gezahlten Zulage» (Frauen- und Kinderzulage) nicht angerechnet. Sie werden aber mitgerechnet bei der Feststellung, in welcher Gehaltsklaffe die Beiträge zu entrichten find. Schließlich ist zugunsten sämtlicher Versicherten bestimmt, daß alle in der Angestelltenverficherung er worbenen Anwartschaften bis zum 31. Dezember 1922 als aufrechterhalten gelten. * Die Reichsindexzisser für die Lebenshaltung»- kosteu stellt sich nach den Berechnungen des Statisti schen Reichsamtee für den 30. Juli auf 71476 (1913/14 gleich 1). Die Steigerung gegenüber der Vorwoche (39 336) beträgt somit 81,7 v. H. Werkland Ein Bund für neues Deutschtum Bon Prof. KleksrL Rfoltsroek (Leipzig) Heber die Arbeit und das Ziel, der in unserer Stadt gegründeten akademischen Wcrklandge- mein schäften berichtet Richard Woltereck in der von ihm gemeinsam mit dem Dichter Hermann Hesse begründeten Zeitschrift .Divos voco* (3, 11/12). Die Zeitschrift selbst wird von ihrem nun beginnen den 4. Bande ab den Namen „Werkland* tragen und sich die geistige Sammlung aller Menschen und aller Bestrebungen, die den Werkland-Ztelen inner- lich verwandt sind, zur Aufgabe machen. Uns wurde das Echlußheft de» III. Bandes, da« erst in der kom- mcndcn Woche ausgedruckt wird, zur Verfügung ge stellt und wir benutzen gern die Gelegenheit, unsere Leser wenigstens in einem knappen Auszuge aus Pro- feffor Wolterecks fesselnder Darstellung über den Stand dieser schönen Dcrklandsache zu unterrichten. * * * Je drohender die Gegenwart auf unserem Volke lastet, um so notwendiger ist es, daß jeder an seinem Teile besonnene und mutige Arbeit an der Zukunft leiste: gedanklich sowohl — wie es In dieser und anderen Zeitschriften nach Kräften versucht wird — als auch praktisch, wie es z. B. tn dem Menschenkretse geschieht, der hinter .Ptvoo voco" steht. Der Organismus, dem unsere Zeitschrift dient und dessen Ausdruck sie mehr und mehr werden soll, sind die in Leipzig und von Leipzig au» ge gründeten, in einigen Teilen schon ausgebauten Werkgemetnschaften, lebendige Gebilde, die sich als Ganze» schon hente selbst erhalten und von denen als einem Ganzen deshalb heute zum ersten Male öffentlich gesprochen werden soll. — Darüber hinaus dint .Pkvos voco" nach wie vor der großen Werkgemeinschaft eine« geistig erneuerten, helleren und freieren Deutschtum«, für dessen künftige Gestüt tung wir nicht nur gedanklich, sondern auch praktisch einen Kelmpunkt, ein Probestück, einen Mikroko»mo» aufzubauen im Begriff sind. Ein kleiner Krei» von fast durchweg jugendlichen Menschen hat sich in unserem Leipziger Bureau und den von hier au» geleiteten Betrieben zusammen-«- funden und bildet eine enger« und einig« «eitere Werkgsmeinschaften, deren Arbeit sich folgendermaßen gegliedert und entwickelt bat: 1. Sils »arbeit. („Deutsche» Fürlorgebureau Leipzig"): Wir begannen, weil nach den Krieg», imd Hungersohren die» die Voraussetzung jeder geistigen Aufdmrorbeit ist, mit der Unterstützung Ernährung, Gesundung Jugendlicher, wobei wir un« au» Grün- den der Kräfteökonomie mehr und mehr auf eine de- stimmt« Schicht, nämlich die Studierenden konzerO trierten. Diese wichtige Schicht unserer jungen Mann- schäft bedarf, da sie dem Erwerbsleben am fernsten steht und vorwiegend dem verarmten Mittelstände entstammt, einer vernünftigen Hilfe heute am meisten. Die sehr kleine Minorität „Wohlhabender*, die nur äußerlich noch al« typische Studenten erscheinen, ist ohne Bedeutung. 2. Naturwissenschaftliche Werkge meinschaft („NaDeGe"), Wohltätigkeit ist auf die Dauer nur für Krank« erträglich und zuträglich. Für Gesunde haben wir deshalb Werkstätten einae- richtet, in denen Lehrmittel (Präparate, Skelette, Mo dell«, Iusektenkästen, Wandtafeln und dgl.) hergestellt werden, die wir zu guten Preisen vorwiegend an das Ausland verkaufen. Wir wählten da» natur- wiffenschaftlich-medizinische Gebiet, weil hier von al- teren Studenten, jungen Lehrern und dgl. ersten» wirklich hochwertige Arbeit geleistet werden kann und zweitens ein« Arbeit, die gleichzeitig der Fachaus bildung der Arbeitenden zugute kommt. .3. Landwirtschaftliche Derkgemein- schäft (.Werkland*): Teil« für die Zwecke der natur- wissenschaftlichen Abteilung (aber von dieser finan ziell ganz unabhängig), teil» al» Vorbereitung auf di« Verwaltung eine» größeren Landkomplexe» haben wir an einer der bayrischen Seen ein Anwesen ge- pachtet, dessen Betrieb einigen jungen Menschen, die landwirtschaftlich^norqebildet sind, übergeben wurde. Ucber den Ertrag dieser Dersuchrwirtsckast, die durch, aus keine .Siedlung* im üblichen Sinne ist, kann noch nicht» gesagt werden, da wir im ersten Betriebe jahre stehen. Die Kleintierzucht soll für di« Bedürf- ntffe der NaWeG« und für den Bedarf von Hochschul- institusen (Serumforschung) besonder» auegebaut wer den. Auftrage find an unser Leipziger Bureau zu richten. 4. Duchtechnische Werkgemeinschaft. Bisher b-steht ein Verlag (mit drei Zeitschriften und d4r Pressekorrespondenz), «in« Buchbeschaffungsstelle und eine Druckerei. Die Einrichtung einer Vuchbtn- derri wurde vorläufig zurückaestellt, bi» wir dazu kommen werden, auch ander« Handwerksbetriebe uns anzugliedern. Die Druckerei wird vorläufig in Ge- meinschaft mit tiner Prkvatdruckerei betrieben, der unsere Maschinen, Schriften und Papiersorten an ver traut wurden. Un» selbst fehlt es noch an hinlänglich geübten Kräften für «in so differenzierte» Gewerbe. Doch werden für di« Setzarbeit««, al» Korrektoren und für die Kalkulation einzelne Kina« Leute au« unser« Kreise (Studenten) eingestellt Uns«« Druc kerei wurde unlängst sehr bereichert durch die Auf stellung einer Schnellpresse und durch wertvolles Schriftmaterial. Beides ist uns von einer Gruppe von Freunden und Angehörigen der Universität Leip- zig zur Verfügung gestellt worden mit der besonderen Aufgabe, Drucksachen (Dissertationen usw.) für diese und ander« Hoäffchulen so gut und so preiswert als möglich herzuftellen. Für lohnende Druckaufträgc, besonder» aus dem Ausland«, find wir stets dankbar. * Was wir bisher geschaffen haben, mag von außen her wie ein zufälliges Konglomerat aussehen von naturwissenschaftlicher Arbeit, Fürsorge, Zeitschriften, .Siedlung*, Druckerei usw. E» sieht aber nur so au». Ueber die Leitgedanken unserer Arbeit ist in dieser Zeitschrift wiederholt gesprochen worden: wir wollen daran Mitarbeiten, daß in unserem Volk, da» so schwer und so furchtbar erschüttert wurde und wird, ein geistigeres und hellere», ein wahrhaftes, frohes und verantwortungsvoll-freies Menschentum sich durchsetzt, eine Gemeinschaft wirklicher Menschen, die über da» verlogene Nützlichkeit»- vnd Genußgestndel, bas heute sich Menschen nennt, allmählich die Oberhand gewinnt. Man hat aber mit bloßen Forderungen und Be trachtungen auf diesem Planeten noch niemals etwas Wesentliches verbessern können, auch nicht durch Parteiprogramme, Parlamentsreden und tausend Vereine. Allein die Tat ist fruchtbar oder kann fruchtbar sein, nur da« Erschaffen eines neuen Zu stande« kann alte Zustände ändern. Deshalb ist es unser Bestreben, von dem, was un« al» wirkliche Menschengemeinschaft, al» neues Deutschtum vor Augen steht, ein Beispiel zu schaffen, einen Mikro kosmos der neuen Welt, der gleichzeitig ein Keim- punkt Neuen deutschen Wesen», eine» der Kraft zentren der neuen deutschen Jugend werden soll. Wir kapseln un» durchaus nutzt ab, so sehr wir un» auch geistig wie räumlich von der städtischen .Zivilisation* distanzieren möchten. Dir verzichten auf keine echte Kraftquelle de« heutigen Wirtschafts leben», wir wollen sie benützen, um selbst stark zu werden —: um da», was wir als schädlich erkennen, dann wirksam bekämpfen zu können. Wir verzichten auch aar nicht auf den Strom künstlerischen, wissen schaftlichen und überhaupt geistigen Leben», der nun einmal heute am stärksten in de« Großstädten flutet. * Das größere .Werkland", das wir in Süd- deutschlavd oder im geistigen Herzlande Deutschland«, in Thüringen, al» Fortsetzung unserer bisherigen Pachtung zu erwerben hassen, wird unser Herzland sein; ein Teil von uns wird dort dauernd oder einige Jahre leben, andere werden nur zeitweise sich dort aufhalten, um an dem Wachsen teilzunehmen und um Kräfte für ihren Alltagokampf mit der Alltags- rvelt zu sammeln. An Ort und Stelle wird außer der Landwirtschaft und Gärtnerei, außer einem Erholungsheim, einigen Handwerksbetrieben und hoffentlich auch einigen Künstlerwerkstätten sich vor allem der Kern und das Heiligtum unserer Arbeit befinden: die Schul gemeinde, in der wir einer mäßigen Anzahl aus gewählter Kinder ermöglichen wollen, zu solchen Menschen heranzuwachsen, wie sie nötig sind, um da« .neue Deutschtum", das hellere Menschentum zu ver wirklichen, das unser eigentliches Ziel ist. Der ökonomische Hilfsgedanke unserer Gesamtarbeit ist der folgende: mit der Erzeugung geistiger Werte, die auch heute und künftig in unserem halbbankrotten Land der Denker und Dichter Hunderttausende beschäftigt, ist als Nebenerscheinung die Produktion von riesigen Geldwerten verbunden, die zum großen Teil auch Goldwerte sind, da ja Deutschland den stärksten „geistigen Export" eller Länder besitzt. Wo bleiben heute diese Gold werte? Die geistig produzierenden Arbeiter er halten, wenn sie nicht gerade Operetten oder Geheim- mittel ausbrüten, sicherlich weniger al» 10 Prozent davon. Der Rest kommt ein paar hundert Unter nehmern zugute, einzelnen mit einem gewissen Recht, falls sie als Organisatoren und Herausgeber den Hauptteil an der Dertproduktion haben. Aber die meisten und größten Verdienste haben die bloßen Geschäftsleute, deren geistige Arbeit fick auf die Vermittlung beschränkt und bei denen e» im Grunde unwesentlich ist, ob sie Bücher, Lehrmittel oder Strumpfwaren aus den Markt bringen und exportieren. Prtvatwirtschaftlick« Organisation und Geschäfts leute mögen nun auch auf dem geistigen Markt noch geraume Zeit unentbehrlich sein, aber neben ihnen muß es Stellen geben, die auch über Kapital, Er- sahrung, gut« Verbindungen und Initiativ« ver- fügen, die aber ersten- den geistigen und geistig, manuellen Erzeugern von Druckschriften, Lehrmitteln, Lichtbildern usw. eine wirklich angemessene Entgeltung gewähren und di« zweiten« den außerdem sich er gebenden Ueberschuß nicht al» Prtvataewinn buchen, sondern für ein« Idee, ein Gemeinschaft»w«rk zur Verfügung stellen. Ein« solch« Stell« haben wi- b««it« geschaffen: jeder Gewinn au» dem Verkauf unserer Lehrmittel nnd Zeitschriften, au» Druck aufträgen und Vermittlung »arbeit en dteut de« fach.
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