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Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 02.08.1923
- Erscheinungsdatum
- 1923-08-02
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-192308027
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-19230802
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-19230802
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1923
-
Monat
1923-08
- Tag 1923-08-02
-
Monat
1923-08
-
Jahr
1923
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'ka^erberickt Deutscher Zeuerrvehrtag Tief verwachsen mit de« Volkstum ist die Idee, auf der eine unserer wichtigsten Rot. und Hilf»- Organisationen, die deutsche Feuerwehr, oufgebaut ist. Die Bekämpfung gemeinsamer Rot und Gefahr durch eine disziplinierte, für ihren Zweck d rchgebildete, von Opfermut und HUfsbereitschaft beseelte Bereinigung von Männern war der Aue- gangspunkt für die Schaffung der uralten Einrich tung der deutschen Feuerwehren, von denen uns Chroniken und Bilder schon au« dem frühen Mittel- alter berichten. Dieser Geist der Zusammengehörig, leit, der gegenseitigen Hilfeleistung im Kampf gegen feindliche Elemente belebt heute noch die Feuer wehren. So kommt e«, daß die deutschen Feuerwehren, al« Gebilde heimatlichen Gemeinstnn«, straffer Ein- und Unterordnung und opferwilliger Hilfsbereitschaft aus dem Volksganzen herausgewachsen sind. Für ihre Ausrüstung und für die Hebung ihrer Schlag- fertigkeit wurde kein Opfer gescheut, ihrer Entwtck- lung brachte da« ganze deutsche Volk die höchste An- teilnahme entgegen und die Städte und selbst die kleinsten Landgemeinden wetteiferten unter sich, die beste Feuerwehr zu haben. Große Industrien machten es sich zur Aufgabe, die vollkommensten Geräte und Einrichtungen für die Zwecke der Feuer- wehren zu schaffen, und die Großstädte stellten be- rufsmäßig vorgebildete Beamte dafür an und bildeten di« Berufsfeuerwehren als Kern und Vortruppen für die freiwilligen Feuer- wehren, die aus der gesamten Bevölkerung als ein Stück deutschen Volkstums Hervorgangangen sind. So ist es auch diesmal beim 19. Deutschen Feuerwehrtag in München. Etwa 7000 Teilnehmer sind gemeldet. Aus den entferntesten Gauen Deutschlands, au» Lübeck, Mecklenburg, Schleswig-Holstein, Oldenburg, Ostpreußen, Pom- mein, Schlesien, auch aus dem Rheinland und West falen .kamen die Wehren angerückt*. Auch wo sonst Deutsche wohnen, ist die Beteiligung am deutschen Feuerwehrtag rege. Ober, und Niederösterreich, Böhmen und Tirol, Kärnten und Steiermark schicken Vertreter und auch die Schweiz und ander« neutrale Staaten, Ungarn, Holland, Estland, Lettland, Liv» land, Kurland sind auf der Tagung vertreten, die bis zum 8. August andauert. Geldnot auch im Leipziger Nathause Bereits gestern hatten wir in einem Artikel über die Geldnot darauf hingewiesen, daß es den Noten- druckereien nicht möglich gewesen war, genügend Papiergeld fertigzustellen. Die Ultimozahlunaen konnten dadurch nicht prompt erledigt werden. Nun hören wir, daß Geldnot auch im Rathause geherrscht hat und zum Teil noch herrscht. Die städtischen Beamten hatten, obwohl gestern und heute Teilzahlungen der Rcichsbank an da« städtische Finanzamt erfolgt waren, bis gestern mittag noch keinerlei bare« Geld in die Finger bekommen. Auch Abschlage^ah- lungen waren trotz Vorhandenseins von Mitteln nicht vorgenommen worden. Der städtischen Beamten hatte sich daher eine ge- linde, einigermaßen verständliche Erregung be mächtigt, deren Spitze sich gegen die im Rathause für Gehaltsauszahlungen zuständige Persönlichkeit richtete. Die Beamten verlangten den Oberbürger- meister Dr. Rothe zu sprechen, um ihren Wünschen Gehör zu verschaffen. Nach längerem Warten wur den sie vorgelassen. Die Angelegenheit der Gehalts auszahlung wurde dann im Ratskolleaium erwogen. Endlich um Uhr wurde den harrenden Vertretern der Beamtenschaft mitgeteilt, daß zunächst einmal 50 Prozent der fälligen Gehälter zur Aus- zahlung gelangen würden. * Ein neues Volksbildungshei«». Da- zweite Volkshochschulheim ist vom Dolksbildungramt der Stadt Leipzig eröffnet worden. Es nimmt junge Männer der werktätigen Bevölkerung im Alter von 18 bi» 25 Jahren auf, die sich neben ihrer Erwerb«, arbeit der geistigen Ausbildung widmen wollen. Die Heiminsassen bleiben in ihrer gewerblichen Berufs- tätigkeit, eine Werkgemeinschoft besteht nicht- L/.esr Beibehaltung der gewohnten Erwerbsarbeit gewähr- leistet die finanziell« Unabhängigkeit des Heimes, das au« den Beiträgen der Bewohner unterhalten wird- Die Bestimmung über di« Verwendung der Geld- mittel liegt bet den -eiminsassen selbst. Die Frei- stunden sind der gemeinsamen geistigen Weiterbildung gewidmet, die unter der Leitung zweier geistiger Arbeiter steht. Dies« wohnen ebenfall» im Heim. Sie erteilen den Unterricht und nehmen an den Interessen der Heiminsassen teil. Der Unterricht um- faßt einerselt« die politisch-wirtlchaftlichen Gebiete, anderseits literarisch-künstlerische Fächer. Die Dauer eine« Lehrganges beträgt ein Jahr. An dem Unter* richt können auch nicht im Heim wohnend« junge Leut« tetlnehmen. Da» erste Heim dieser Art in Lonnewitz ist bereit» voll besetzt, im -weiten (Hohe Straß« 3S) können noch einige Heiminsaffen nd einige auswärtige Schüler ausgenommen werden. Der Lehrgang beginnt am 1 September. (Anfragen und Anmeldungen nimmt da» Städtische Dolk»bil. dungsamt, Neue» Rathaus, Zimmer 608, entg'yen.) Sturm auf die Fahrkartenschalter In den letzten beiden Tagen de» Juli spielten sich vor den Fahrkartenschaltern dieselben Szenen wie kurz vor dem 1. Juli ab: Schlangen vor den Fahrkartenschaltern, um vor der Fahrkartenerhöhuna noch eine .billige* Reise anzutreten. Die am 1. August eingetretene Tariferhöhung bei der Reichsbahn hat zu einem Sturm auf die Fahrkartenschalter geführt. Die Eisenbahnverwaltung mußte verschiedene Dor- und Nachzüge einlegen, um die Reiselustigen zu be fördern. In den Badern und den Kurorten war eine allgemeine Reisendenflucht entstanden. Viele ver- zichteten auf ihre zwei oder drei letzten Urlaubstage und reiften heim. Im LeipzigerHauptbahn- Hof standen am 31. Juli noch in später Abendstunde Schlangen vor den Fahrkartenschaltern. Die Deam- ten mutzten mit Hochdruck arbeiten, um den Andrang zu bewältigen. * Der Polizeipräsident hat am 1. August einen dreiwöchigen Erholungsurlaub angeireten und wird während seiner Beurlaubung vom Leiter des Kri- minalamte», dem Regierunzsrat Dr. Hei- land, vertreten. ...§1 * Rohrpostbriese von und »ach Berlin. Ls ist noch wenig bekannt, daß man von Berlin au» Rohr- Postkarten und -briefe auch nach außerhalb aufgeben kann; diese Briefe werden in Berlin durch Rohrpost an den Bahnhof befördert, so daß sie oft noch Zug- anschlüffe erreichen, die von gewöhnlichen Briefen nicht mehr erreicht worden wären. Am Bestimmung«, ort werden diese Sendungen al» Eilsendungen behandelt und durch Eilboten abgetragen. Ebenso können Briefe von außerhalb nach Berlin und München al» Rokrpostsendungen aufgegeben wer- den. Die Gebühr für einen derartigen .gemischten* Rohrpostbrief beträgt 3400 Mark, für eine Rohrpost, karte 2600 Mark. Vorübergehend« Si»stell»»M de« Postzahl»»-«, verkehr« zwischen der Tschechoslowakei u»d Deutsch- land. Da» tschechoslowakische Postministertum teilt mit, daß der Postanweisung»-, -Nachnahme und Post, auftragsdienst im Verkehr mit Deutschland, Danzig und Saargebiet vorübergehend eingestellt ist. An« der schlesische» Metalltndastrie. Die Ab stimmung der Arbeiter der schlesischen Metallindustrie ergab nach erneuten Verhandlungen Wiederauf, nähme der Arbeit am Donnerstag. Fortdauer des Streike» im Zwickauer Kohlen revier. Die Streiklage im Zwickau-Oelsnitz-Lugauer Kohlenrevier ist unverändert. Ein Angebot des Dergbauverein«, an jeden Arbeiter einen Zuschuß in Höhe von 460000 Mark zu zahlen, wurde in einer Urabstimmung mit großer Mehrheit abgelehnt. Der Streik dauert fort. FS»s Generattoue» i» einer Familie. Dem Kauf- mann Riffrath in Köln wurde dieser Tage ein Töchterchen geboren. Das Kind erfreut sich außer der Mutter noch einer Großmutter, einer Urgroß, mutter und einer Ur-Urgroßmutter. Diese ist 99 Jahre alt und fühlt sich in einem Kreis« von über 100 Enkeln und Urenkeln noch recht wohl. Der Fall dürste in Deutschland einzig dastehen. Neue Wege der Polarforschung Amundsen hat seinen Flug -um Nordpol aufgegeben, und der plötzliche Verzicht auf ein mit so großen Absichten eingeleitete» Unternehmen er- regt natürlich allgemeine Ueberraschung. Der Ge danke, den Nordpol .im Fluge -u nehmen*, ist aber selbstverständlich damit nicht aufgegeben, sondern die Durchführung wird nur in anderer Weise erfolgen müssen, al» es bei Amundsen geschah. Der Polarforscher Dr. Stefansson, der gegenwärtig in London weilt, um die dortigen Finanzkreise für die wirtschaftliche Ausbeutung der Polargebiete zu interessieren, gibt im Manchester Guardian einen überraschenden Ausblick auf die Zukunft der Rordpolforschung. .Amundsen und ich,* erklärt er, .gehören vollkommen entgegengesetzten Schulen an, soweit es sich um die Erschließung der Polargebiete handelt. Ich behaupte, daß man im fernen Norden sich mit Hilfe der Jagd überall erhalten kann, mit Ausnahme weniger Gebiete; Amundsen meint, daß es nur wenige Gebiete gibt, in denen man durch Jagd sein Leben stiften kann. Er teilt also nicht mein Zutrauen auf die zukünftige Entwicklung der Arktis; er ist der Typus des Helden- haften Abenteurers der Vergangenheit. Meine An* schauung ist, daß die Bedingungen für einen Flug nach dem Nordpol in der Mitte de» Sommer« in der Arktis günstiger sind al« irgendwo sonst in der Welt. Nebel herrschen zwar, aber sie sind durch schnittlich viel niedriger als im nördlichen Atlanti- schen Meer, so daß Flugzeug oder Luftschiff in nor- malen Höhen darüber fliegen. Es herrscht be ständiges Tageslicht, was ein großer Vorteil ist. Die Temperatur über den Polarmeeren ist im Spätjuni nicht ander» als über den anderen Meeren im März oder April. Kommt es zu einer Notlan- düng, so läßt sich diese mit großer Wahrscheinlich, keit auf einer Eisscholle vornehmen, wenn auch frei- lich sehr viel offene» Wasser vorhanden ist. Rach genauen Schätzungen ist selbst mitten im Winter 25 Prozent offenes Wasser; in der Mitte de« Sommer« sind es etwa 30 Prozent. Der Ozean ist mit Millionen von Eisschollen bedeckt, die sich in be ständiger langsamer Bewegung befinden und sich immer wieder berühren. Man kann auf dem Meer zu Fuß reisen, indem man von Scholle zu Scholle geht und von der einen auf die andere springt, wenn sie sich berühren. Die großen Schollen mögen etwa 30 bis 40 Kilometer auseinander liegen. Bei so großen Entfernungen muß man manchmal lange warten. Ich habe schon zwei, drei Wochen auf einer Scholle verbracht, bi« sie mit einer anderen in De- rührung kam. Rach meiner Ansicht find zwei gut ausgerüstete Männer verhältnismäßig sicher, wenn sie eine Notlandung auf dem Eis vornehmen. Gefährlich ist nur, wenn sie nach dem Atlanti- schen Ozean abgetrieben werden, wo der Golfstrom da» Eis unter ihren Füßen schmelzen würde. Ge fährlich wäre e» auch, wenn sie irgendwo in der Nahe von Spitzbergen niederkämen, ohne an der Küste landen zu können. Nach meiner Ansicht ist ein Polarflug in nicht» unterschieden von einem Flug über den Atlantischen Ozean und hängt ganz von der Widerstandsfähigkeit der Ma- schlnen ab. Im Atlantischen Ozean ist die größere Wahrscheinlichkeit, daß ein Flieger, der niedergehen muß, von einem Dampfer aufgefunden wird. Im Arktischen Ozean aber bleibt der große Vorteil, daß man auf dem Eie landen und sich dann durch Jagen erhalten kann. Ich glaube, daß da» Luftschiff für solche lange Fahrten besser geeignet ist als da, Flugzeug, wie es heute ist. Ich halte deshalb den Plan de» amerikanischen Admiral» Moffet für sehr wichtig, der ein Luftschiff quer durch da« Polargebiet senden will, wahrscheinlich von Alaska nach Ror- wegen oder England. Die Probeflüge dafür sind bereits im Dange. Vom englischen Lustministerium wird die Möglichkeit erwogen, die Post im Luftschiff von London nach Tokio auf dem direkten Luftwege zu befördern, und der Weg würde an der Küste von Norwegen entlang über Nowaja Semlja und bio- gonal durch Ostsibirien gehen. Auf diese Weise wird, wie ich bestimmt hoffe, die Erschließung der Polar- gebiete erfolgen.* X. R. - ,, Eine Vallkönigin alr Kfrikaforscherln „Acktuna! Expedition geht in nächster Zeit nach Zentralafrika ab. Gelegenheit zu Abenteuern und Geschäften! Vakanz für noch einen Teilnehmer frei geworden. Offerten an . . .* Diese Anzeige ist kein Witz, ist nicht dem durch die Sommerhitze überreizten Gehirne irgend eines Repor- ter« entsprungen, sondern erschien in der letzten Woche in allen großen Londoner Tageszeitungen und erregte immerhin einiges Aufsehen. Ein Zeitung»- mann machte sich auf den Weg, um den Leiter der Expedition über seine Absichten zu befragen. Statt des abgehärteten, gebräunten Afrikaforscher», den er zu finden erwartete, traf er zu seinem größten Er staunen in einem geschmackvollen Boudoir eine ele gante Dame der besten Gesellschaft, Frau Diana Strickland, die Anfang September mit ihrer Expedition nach dem dunkelsten Afrika aufzubrechen bebabsichtigt. Die Gesellschaft besteht au» zwei Damen, vier Herren und 300 eingeborenen Trägern und wird von Boma an der Westküste Afrikas ihren Ausgang nehmen. Sie wird dann zu Faß durch da» Dahuni- land, das noch gänzlich unerforscht ist, und durch die Jturi-Urwälder zum Nord-Ost-Kongo, dann ostwärts vom Lake Edward nach Kenya vorstoßen. Wie die schöne Afrikaforscyerin, di« bei der Unter- redung ein wunderbares „cl^cvliets* trug und au» einer goldenen Spitze Zigaretten rauchte, erklärte, hat sic die Absicht, zwölf Monate unterwegs zu sein und zu Fuß 3000 Meilen zurückzulegen. An der Expedition können wegen der Verpflegung»- schwierigkeiten nur sechs Europäer teilnehmen, denn sämtlich« Nahrungsmittel müssen von Anfang an mitgefllhrt werden, was für jeden Weißen 50 Trä ger erforderlich macht. Um die Kosten der Expedition einigermaßen zu decken, beabsichtigt Frau Strickland, sich unterwegs mit Elfenbeinhandel und Goldsucben zu beschäftigen. Außerdem hat sie bereit» von einigen Zoologischen Gärten den Auftrag bekommen, verschie- dcne seltene Tiere mitzubringen. Die Expedition»- tcilnehmer find mit den modernsten Waffen ausge rüstet und nehmen für den Fall ernsthafter Zusammen- stöß« mit Eingeborenen auch ein Maschinengewehr mit. Nicht weniger überaschend al« die Idee dieser Ge- sellschaft»dam«, Afrika zu erforschen, ist der Grund, den sie für ihr Unternehmen angibt: sie haßt da» Gesellschaftsleben, ist «» müde, auf Gesell» schäften und Bällen als Schönheit und DaH^> konigin gefeiert zu werden, sie hat «» über, sich den Kopf über Toiletten- und Modefragen zu zerbrechen. „Manche Frauen lieben das ja* — so schloß philo sophisch Frau Strickland — „aber ich ziehe den Ur wald, da» Lagerfei»«r und das Leben in der Wildnis vor.* ' Scharfe Flugkonkurreuz Wien—Budapest. Die Ungarische Luftverkehrs-A.-G. eröffnet einen täg lichen Flugverkehr von Wien nach Dudcwest. I« ganzen sind jetzt auf dieser Strecke drei Fluggesell schaften, eine französtsch-rumänische, eine öster reichische und jetzt eine ungarische Gesellschaft tätig. Si» Wels vou 82 Pfusd ist kürzlich im Zeuthener See gefangen und von den Gästen verzehrt worden. Da der Wels bis 5 Zentner schwer wird, handelt e» sich um ein verhältnismäßig junges Tier. Vinkelsbühl Don N«a» vskstz« Don Nördlingen im Ries fuhr ich nach dem fränkischen Dinkelsbühl, es ist eine Stunde mit der Kleinbahn. Spät abend» in der Dunkelheit kam ich an. Nicht» ist für die Wirkung alter malerischer Nester günstiger, al» wenn man sie da« erstemal in nächtlicher Lkmkelheit sieht. Alles erscheint ge- wattiger in den Umrissen, und die Phantasie steigert unwillkürlich alle Eindrücke in da» Romantisch- Pitoreoke, ia Geisterhafte hinein. Uevergetzlich bleibt mir der Eindruck, da ich al« junger Mensch da» erstemal tu einer Herbstnachr nach Tolado kam. Der Bahnhof liegt, wie bei Dinkelsbühl, eine Strecke von der Stadt entfernt. Ich nahm einen Wagen, es ging eine Höh« hinan, und nun türmte sich die verwitterte Stadt im Mond- licht vor mir auf wie «ine alte spanisch« Romanze, es ging über eine Zugbrücke, unten in geheimnis- voller felsiger Tiefe rauschte der Tajo, ein altes, zinnengekröntes Stadttor nahm uns auf, — mir war, ich führe geradeswegs in das Herz der rttteerlichen spanischen Romantik hinein. In dem sanfteren Dinkelsbühl erging e» mir ähnlich, und es war nicht Zufall, daß ich an Toledo denken mußte. Dinkelsbühl ist, wenn auch in kleine rem Maß, genau so typisch für di« mittelalterliche deutsch« Romantik wie Toledo für die spanische. E« ist von einer Einheitlichkeit und Geschlossenheit in seiner bebaglichen bürgerlichen Struktur, daß man etwa» Endgültiges zu sehen meint. An jene« Abend, al» ich e» da» erstemal betrachtet«, schien e» mir wie aus einer schönen mittelalterlichen Legend« her- ausgehoben zu sein, und al» ich durch da» hoch, getürmt« Dörnitztor in die Stadt «intrat, erwartete ich, daß ein schnauzbärtiger Torwächter mit Picks- ärmeln und Hellebarde an «ich herantreten würbe, um bei vorgehaltener Laterne «eine Papiere »u prüfen. Die Turmuhr der Georg»Nrch« schlug voll, mit altem, gleichsam au» begrabenen Jahrhunderten herüberkommendem Klang, ehrwürdig und tief be- ruhigenb, ich fühlte bald, daß der Ort enger, ge- drunaener, zusammrngepreßter sei al» da» raumvoll« Nördlingen, mit dem es verwandt ist. Die alt« Giebel türmte» sich mit phantastischem, säst unwahr. scheinlichem Rhythmu» in die Nacbtluft, und al» ich mich zur Ruhe begab, hatte ich einen Eindruck voll Poesie, welcher der Größe nicht entbehrte. Ein Gang bei Tage ergänzte und klärt« den ersten Eindruck. Dinkelsbühl ist bisher erfreulich un- berühmt geblieben, e» bietet das überaus reizvolle Bild einer fränkischen, mittelalterlichen, mauerum- gürteten Kleinstadt, es birgt, neben der schönen gotischen Georaskirche, in der man eine der statt lichsten Hallenkirchen Süddeutschlands kennenlernt, und neben dem „Deutschen Haus* am Deinmarkt, einem entzückenden, intimen Fachwerkbau aus dem siebzehnten Jahrhundert, kaum irgendwelche wich, tigen Architekturen, — aber es ist in seiner Gesamt- Wirkung von einer unvergeßlichen Reinheit und Ge schlossenheit und ist durchweht von jener stillen, weit- fernen Atmosphäre, wie sie uns au« den Malereien von Karl Spitzweg vertraut ist. „Romeo u»d Julia*. Im Alten Theater spielte Lutz Altschul zum letzten Male den Romeo. Er sagte nachher unter Blumen und Beifall, wie das so Sitte ist, aus Wiedersehen! Darauf scheint denn auch wirklich mehr Aussicht zu sein, al« auf da« Wiederholen, denn Altschul — der kürzlich om Berliner Staatstheater gastierte — wird sich von hier au» in kein neue« Engagement, sondern z«m Film begeben. Lr Hot manchmal, auch al» Romeo, einen Moisfiton in der Kehle, um den es noch mehr schade wäre, wenn er die anderen Tone und die Uebergange auch dazu hätte. Aber sein« Erfolge am Theater und in Sonderheit bei den kleinen Mädchen die im Gtrhparterre und in den Rängen nicht nur blühten, sondern geradezu wucherten verdankt er weniger dieser Kehl«, als seinen übrigen körperlichen Vorzügen, di« wirklich beträchtlich find und seinem Romeo wohl anstehen, mag auch des jungen Italieners vollkommenes Bild magerer und jungen- Hafter sein, al» Altschul es treffen kann. Diese Vor- züge bleiben ihm auch «ms der Flimmrrieinwand. ia fl« find dort — wenn «an nicht gleich ein Chaplin ist — sogar mit da» wichtigst«. Eine allgemeine Bemerkung: Romeo, der ein ewia aufgeregter Liebhaber ist, zappelt meist zuviel, auch andere tun da» in so einem immerhin aufgeregten Stück; da erinnert man sich der Russen Lairoff», di« hier auch von diese« Stück ein Stückchen spfttten. und bedenkt, wozu es — besonders im aufgeregten Kostümdrama — gut ist, wenn die Leute tanzen können. Sie behalten dann ihre Gliedmaßen mehr bei sich, fallen nicht so au» einem Bewegungstempo in das andere. Der Schauspieler soll gewiß nicht immerfort tanzen, aber er sollte, so wird man es ausdrücken müssen, ein heimlicher Tänzer sein, einer, der diese Kunst in den Fingerspitzen hat. Denn nur durch diese Kunst wird er vollkommen Herr über sich selbst, bi» in die Fingerspitzen. bk. S. R. Reue» Operettentheater. Neben „Madame Pom- padour* behaustet sich „Katja die Tänzerin* andauernd in der Gunst de» Publikum«. Die span- nrnde Handlung, theatralisch fast Sudermännisch, Gilbert» hübsche melodische Einfalle — nicht bloß der Leander-Schlager — und seine feine und geist- reiche Instrumentierung, nicht zuletzt die derben, manchmal auch feinen, nicht selten sogar neuen Witze, ergeben einen sehr amüsanten Abend unter der Regie des drastischen Polizeichef» Steinherr und Kapell- meister Findeisen« Leitung. Als Prinz Sascha war in der letzten Aufführung an Livpert-Schrotbs Stelle Herr Suckmann mit^hübscher Stimme in einiger Der- kloßung getreten. Man hat also jetzt zwei Prinzen, die sich sehen und zum Teil auch hören lasten können. Sonst war die Besetzung (Frau Rößner, Frl. Petry, die Herren Gfaller, Herlt usw.) die gleiche wie bei der ersten Aufführung; ein famoser Einfall der Autoren oder de« Spielleiter«: die gemütliche Mitwirkung de» Publikum« bei der letzten Zwischenaktmusik. G. Haupt»»»» und Lieber«»»» Mitglieder der Li«»« Akademie. Die Akademie der bildenden Künste zu Dien hat Max Liebermann und Gerhart Hauptmann zu Ehrenmitgliedern er- nannt. Mit der Wahl Hauptmann» folgt die Aka demie einem seit hundert Jahren geübten Brauch, auch Dichter und Tonkünstler durch die Verleihung der Mitgliedschaft zu ehren. D>» „Theater de» spitze» «i»kel*. InMo »kau wird, wie der „Ost-Expreß erfährt, in der kommen- den Saison «in Komödien, und Operettentheater er- öffnet, das den Namen „Theater der spitzen Winkel' führen wird. Da« Theater wird im Kammrkstil «ine Komödie von Gozzi („Hirschkönig*), einig« kleine O ffe n b a ch - Operetten und Komödien Mo- litzre « zur Aufführung bringen. Leiter der Bühne ist A, Koschewski. , < . — Die Buchhändlerschliiflelzahl wurde vom Börsen verein mit Wirkung vom 2. August ab auf 41000 erhöht. Au» de» Theacerbureaus. (Städtische Bühn«».) Die Vorstellung „Der Psarrex von ttirchseld" Sonnabend, den 4. Auauft, «m Mten Theater (Reuet», stud-ierung) beginnt um 8 Uhr. — Nb Montag, den 6. August, gastiert das Berliner Residenz. »Heater im Neuen Operettentheater. Datür spie« daS «Operettencnsembl« tm Neuen Theater ab- wechselnd „Madame Pompadour* und „Katia, die Tän zerin* im Anrecht. ., , Ti Der melancholische vlock Der rätselhafte Steinblock, der sich im Vorder- gründ von Dürer« berühmtem Blatt „Melancholia* befindet, hat den Gelehrten sehr viel Kopfzerbrechen bereitet, und schließlich Wölffltn dazu geführt, diese» Problem für unlösbar zu erklären. In einem vor kurzem erschienenen Buch „Der Kristall auf Dürer« Melancholie" hat aber nun F. A. Nagel eine sehr interflante Erklärung de« geheim nisvollen Steins gegeben. E« handelt sich bei diesem schon seiner Form nach schwer erklärlichen Gebilde um einen Dodekaeder, der dadurch entstanden ist, daß Dürer von der nach oben und von der nach unten gerichteten Ecke eines per- spektivisch gezeichneten, um etrca 60 Grad nach links aufwärt« gedrehten Würfel« je eine Pyramide ab schnitt und den so gewonnenen neuen Körper auf die untere Schnittfläche stellte. Die Absicht de» Künst ler», der mit der gelehrten Weisheit der damaligen Humanisten wohl vertraut war, bestand darin, einen von Reuchlin wcitergeführten Gedanken des alten Pythagoras anschaulich zu machen. Nach dieser anii- ken Symbolik ist der Kubus das Sinnbild der Ma terie, die Pyramide da» de» göttlichen Wesen». In dem nun Durer dem Kubus, der die irdische Form darstellt, oben und unten eine Pyramide abschnitt und ihn dadurch de« Göttlichen vollkommen entklei dete, wollte er da» Zeichen des rein Materiellen, nämlich de« Mineralreiche», schaffen. Diese» Reich de« irdischen Stoffe» untersteht aber nach den astrolo- gischen Anschauungen dem Saturn, und unter dem Zeichen diese» Gotte« »ieder lebt da» Temperament der Melancholie. Der rätselhafte Kristall soll also Saturn, den Gott der Melancholiker, verkörpern. .
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