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Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 29.07.1923
- Erscheinungsdatum
- 1923-07-29
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-192307299
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-19230729
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-19230729
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1923
-
Monat
1923-07
- Tag 1923-07-29
-
Monat
1923-07
-
Jahr
1923
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Zeitfchriften-Run-schau Richt s«de« tft e» heutzutag« mSgNL. nede« d« LageSieUunq noch polMsch« Aettfchrttteu »u -alle». Um unser« Leser über »ul« und tnirressant« «uf- fitz« solch«, Aettschrlft«» »u «nterrlchteu »der st« darauf -«uzuwelsen. werde» wtr künftig t» regel- mS-lger Folg« «ubzüg« au» »en detanntesten polt» tische» Zeitschrift«» ver0fs«»tliche«. In Nr. 29 der Deutsche Einheit, wie sich seit dem 1. Juli Graf Bernstorfs» Wochenschrift Das demokratisch« Deutschland nennt, gibt Junius eine Darstellung über den Entwicklungsgang de» Führer» der Deutschen Dolkspartei, Gustav Stresemann, den er nächst Eevering den von den Nationalisten bestgehaßten deutschen Politiker nennt. Nach einer Schilderung de» Stresemann der Krieg», und Dor- krieyszcit al» Realpolitiker, der im Rahmen der Nanonallibcralen Partei ebenso entschieden wie zäh für Gerechtigkeit und Demokratisierung kämpfte, zeichnet der Verfasser den Stresemann der Nachkrieg»- wie folgt: „Daan, nach dem 9. November! Stresemann für Sinigung de» freisinnigen Bürgertums, für die lange erstrebte „große liberale Partei"; Widerstand bei dem linken Flügel; Absicht Stresemann», eine neue Partei außerhalb der demokratischen zu bilden, Widerspruch seiner Fraktionsgcnoflen Friedberg und Schiffer; Sezession der alten Nationalliberalen Partei. Samm. lungsparole gegen Parteischeuklappen. Attacke geg?n non Gräfe und den Antisemitismus. Dann „der Feind steht links". Aber auch rechts, besonders in Ost. preußen bei Hergt. Für Koalitionsregierung. Für Ablehnung des Ultimatums. Für Politik der Mitte. Für Zusammenarbeit mit der Sozialdemokratie. Volksgemeinschaft, nicht Opposition. Für Genua. Zurzeit gegen große Koalition. Arbritsgemein» schäft der Mitte. Monarchist durch Ueberlieferung, Republikaner durch Ueberlegung. Für Tuns. Hinter der Regierung." Und zum Schluß der Ausführungen heißt er: „8umm» smnmsrum: ist er nicht „imponierend" wie Bennigsen, nicht „repräsentativ" wie Vaster- mann, in der Erscheinung gedrungener, untersetzter; so ist er kenntnisreich, zielbewußt, arbeitsfreudig. Und vielgewandt wie Odnsteus. Und erst 45 Jahre alt. Also Reichskanzler in «pe. Ob er schon beim nächsten oder erst bei einem folgenden Nennen siegreich durchs Ziel geht, mögen die Tipster wissen. Und dann wird sich zeigen, ob di« Reckt b«. halten, die in ihm mehr den Flieger al» den Steher sehen wollen." * Die demokratische Halbmonatsschrift für Politik, Literatur und Kunst, Die Hilfe, kündigt für den 1. August eine Sondernummer an, die in ihrer Ge- samtheit dem Völkerbund gewidmet sein soll. In seiner letzten Nummer vom 15. Juli veröffentlicht Die Hilfe den Wortlaut des umstrittenen Deriac- Berichtes über seine Rhrinlandrise, wiwe er von der Londoner Sonntagszeitung Observr am 24. Juni ver. vfs^tlicht worden ist, und intcressssant Einzelheiten enthält. Außerdem verdient ein Artikel des Reichs- iagsabgeordneten Erkelenz über den „Kampf um den Frieden Europa»,, besonders erwähnt zu werden. Erkelenz führt darin aus, daß der Frieden erst er kämpft sein werde, wenn der französische Zmperialis- mus überwunden sei. England sei dabei der er- blttcrtste eGqner Frankreich», aber es habe in Ver sailles alle Trümpfe aus der Hand gegeben und be- finde sich nun in einer wenig aussichtsreichen Lage. So sei Deutschland im Kampf um seinen Frieden vor allem auf sich selbst angewiesen. Hierbei sei es töricht zu hoffen, daß wir das französische Joch früher oder spater durch irgendeinen neuen Krieg in Europa abschütteln könnten, vielmehr sei es aussichtsreicher, durch Anwendung geistiger Mittel den Frieden in Europa zu schaffen. Die der höheren Kulturentwick- entsprechenden Formen des Dölkerwettbewerbe» würden die imperialistische Gewaltpolitik Frankreich» am sichersten und schnellsten beseitigen. In der sonst unpolitischen Zeitschrift für Literatur, Wirtschaftsleben und Kunst, Die Gegenwart, behandelt im letzten Iuliheft Dr. Richard Behr den Begriff der Deutschstämmigkeit. Er bedauert »»nächst, daß der Anschlußgedanke, der nach dem Zusammen- bruch so mächtig aufgeflammt war, anscheinend mehr und mehr vergessen wird, da sich der Deutsche in seinem Denken einfach „umgestellt" habe auf die engeren Grenzen und auf da« kleinere Doll. Der Begriff der sogenannten Deutschstämmigkeit gehe immer mehr verloren. Der Artikel schließt mit einer Betrachtung, worin wohl die deutsche Empfin dungslosigkeit in völkischen Dingen ihren Ursprung haben könnte. Der immer haltlos werdende Verfall der Mark kst eins der Hauptprobleme, die den politischen Schwierigkeiten nicht nur in Deutschland, sondern in der ganzen Welt zugrunde liegen. Man muß daher jede Abhandlung begrüßen, die sich mit dieser Frage beschäftigt. In der neuesten Nummer de» Tage- buch es bringt nun Leopold Schwarzschild eine neue Währung in Vorschlag, eine sogenannte private Währung, die lediglich durch Aktien garantiert und mit dem Staat nicht ander» ver- knüpft sein soll, al« daß auch er, wenn er vollwertige Gegenwerte bietet, entsprechende Summen für seine Zahlungen erwerben kann, lieber diese private Währung schreibt der Verfasser: „Eine solche Währung, die den Vorteil hätte, mit keiner Politik und keinen Reparationen verkoppelt zu sein, müßt« ausgehen von einer privaten Wäbrung»- bank. Diese Bank, die am besten die Aktienform hätte, müßte mit einem gewissen Kapital begründet werden, da» in Devisen oder Bargold etnzuzahlen wäre. Wer würde sich an der Finanzierung be teiligen? Unter ausreichenden Bürgschaften dafür, daß keinerlei Markgeschäfte betrieben »»erden, daß die Bank vielmehr lediglich der Emission der neuen, absolut gesunden Währung dienen wird, wakrichtin- lich nicht nur inländische», sondern auch ausländisches Kapital; denn da» ÄSHrungsgeschLft, dessen Dewin» vorzugsweise im Wechseldiskont liegt, »rar zu alle« Zeiten ebenso sicher wie rentabel. Nimmt man an, daß al« Kapital etwa 990 Millionen Goldmark auf gebracht werden könnten, so würde da» Verfahren so sein, daß mit der Zeit für 2,7 Milliarden Goldnote», gelt» gedruckt werden könnte, do» gegen erstklassig«, mehrfach girierte Gold wechsel in dv» Verkehr kam». Wechseldiskont und Kapitalsummea der Wechsel- rückzahluna müßte« entweder in de« neuen Geld« selbst oder in Devisen oder in Gold entrichtet werben, «» müßte der Dank streng verboten sein, Papiermark in irgendwelcher Form anzunehmen. Schatzwechsel auf irgendwelchem Umweg zu honorieren, sich über haupt, sei es wie auch immer, in die fortbestchende Papierwährung oder in da» staatliche Defizit hinein schleifen zu lassen." Nach Erörterung verschiedener Einzelheiten, namentlich von Schutzmaßnahmen für diese neue Währung, heißt e» recht optimistisch weiter: „Wir hätten dann zunächst zwei Währungen nebeneinander: die Reick»mark und die neue Gold einheit. Aber der Prozeß, der sich daraus entwickeln wüdre, wäre sicher ähnlich dem, durch den einst die Assignaten von der neuen französiscken Goldwährung verdrängt wurden: die Mark stürbe binnen kurzer Frist vollkommen ab und an ihre Stelle träte auto- matisch das neue Geld, das in demselben Maße an Raum gewänne, in dem das alte Geld verfiele." * Zum gleichen Thema sei eine Veröffentlichung erwähnt, die da» Iulihes der „Preußischen Jahrbücher" aus dem in Borbreitung befind- lichen Buch Anna Louise Strongs Über tzowjet- rußland enthält. Unter dem Titel Industriebilder au» Sowjetrußland" schreibt die Verfasserin über die Geschäftstätigkeit der russischen Staatsbank, die vor einem Jahre mit Papierrubel im Werte von 10 Millionen Rubel zu arbeiten begann und heute 20 Millionen Dollar in Gold in ihren Stahlkam mern liegen hat. Uns Deutsche interessiert, wie die Staatsbank dieses Kunststück fertiggebracht hat. Wie aus dem Artikel hervorgeht, hat vor allem die In- dustrie herhalten müssen. Der Präsident ver Staatsbank äußerte hierüber zu der Verfasserin folgende«: „Wir haben als Gegenleistung für jedes Darlehn an die Staatssyndikate nicht nur Prozente, sondern auch Anteil am Gewinn, manchmal die Hälfte, vielleicht auch einmal mehr oder weniger, verlangt. Unsere Holz- und Pelzausfuhr war sehr gewinnbringend und wurde in London mit engli- schen Pfunden bezahlt . . .Wir hatten die größten Schwierigkeiten. Jede Dankorganisation war ver- nichtet, denn alle Danken wurden zunächst nationa lisiert und später zu einer Bank vereinigt, die lang- sam durch Kriegsaforderungen und auch durch solche von feiten des Staates ausgerieben wurde. Es fehlte uns an Selbstvertrauen, zumal der Staat nur Papier als Zahlungsmittel besaß. Das schwierigste Problem für uns war jedoch die schnell fallende Valuta, die unser Kapital in jedem Monat auf die Hälfte von dem entwertete, was es im vorhergehen- den gewesen war." Und weiter erzählt die Verfasserin: „Nicht nur hätte die Dank einen bedeutenden Anteil am Ge winn aus dem Bauholz- und Pelzexport für sich be ansprucht, wobei sie diesen beiden Industriezweigen Papierrubel vorstreckte, jedoch Einnahmen in eng- lischen Pfunden in London erzielte, sondern den ganzen Sommer über, während die Industrie sich aufzurichten bemühte, Daumwollenwaren unter den Herstellungskosten gehandelt wurden und eine Fabrik nach der andern aus Mangel an Geldmitteln schließen mußt«, hätten die Staatsbank 10 Prozent pro Monat für ihre Darlehn verlangt. Wohl deck ten 10 Prozent pro Monat nicht die Verluste, welche der Sturz de» Papierrubels verursachte, aber die Dank bezahlte selber nur 1 Prozent pro Monat auf Einlagen. Ein Reingewinn von 9 Prozent im Monat erschiene wie Räuberei." Daß diese Methoden der russischen Staatsbank auch sehr große Schattenseiten hat, liegt auf der Hand. Aber der Sowjetregierung kommt es einst- weisen nur darauf an, sich Goldreserven zu schaffen» und dieses ist ihr bisher ja auch gelungen. Welche Schäden dafür der Industrie erleidet, daran zeigt die Sowjetregierung vorläufig kein Interfle. * Im Prozeß gegen die Prinzessin Hohenlohe, der am Dienstag vor dem Staatsgerichtshof zu Ende ging, wurde verschiedentlich auch der Name des „Rechtssachverständigen" Liedig erwähnt, auf dessen „Gutachten" hin die Prinzessin mit zum Mein- eid verseilet wurde. Ferner wird im Zusammenhang mit der Flucht Ehrhardts der Student Massow von Prince gesucht, der einer seiner Haupthelfer gewesen ist. Da ist nun folgende Tatsache von Inter esse, an di« in einem Artikel: „Der Consul und sem Reich" in der neuesten Nummer der sozialdemokra tischen Wochenschrift „Die Glocke" erinnert wird: „Bei dem ersten gegen O.L.'Leute geführten Pro- zeß, dem Verfahren gegen v. Killinger wegen de» Erzbcrger-Mordes, bei dem die Schuld von Schultz und Tillessen festgestellt wurde, wurden u. a. als Zeugen vernommen: Karl Tillessen, Franz Liedig, Eberhard Kautter und Massow von Prince- Don diesen hat Kar! Tillessen, der Bruder de» Erzberger-Mürders, im Scheidemann-Prozeß. im Rathenau-Prozeß und bei der Befreiung de» Dtarine- offizier» v. Dithmar au» dem Gefängnis in Raum- bürg mitgewirkt. ... Liedig war mit Ehrhardt In deu^ Verfahren wegen Hochverrats und Meineid» angeklagt- Er sollte jetzt nach der Flucht Ehrhardrs verhaftet werden, war jedoch nicht aufzufinde». Liedig hat auch al» Vertreter Ehrhardt» bei der Gründung der Deutsch-Ungarischen Bank, einem ziem lich dunklen Kapitel der Ehrhardtschen Betätigung, eine Rolle geszielt. Massow von Prince «ar seinerzeit in der Angelegenheit der Hamburger Gprengattentate in Haft und ist vor kurzem wieder wegen Beteiligung in der Parchimer Mordsach« ver haftet worden. (Anmerkung der Redaktion: Massow von Prince ist spater wieder auf freien Fuß gesetzt worden, hat dann aber anscheinend bei der Flucht Ehrhardts eine hervorragende Rolle mit gespielt uno wird seitdem von den Gerichten erneut gesucht.) Kautter hat vor kurzem im Fuchs-Machhau»- Prozeß al» Kronzeuge der vaterländischen Verbände ein« Roll« gespielt. So sehen wir, daß dieser Stab»- offizier Ehrhardt» vom Kapp-Putsch und Erzberger- Mord bi» in di« jüngsten Tage all« der .Militär' politischen" Betätigung im Sinn« ihre» Führers, de» Konsul», treugeblieben sind Aehnllch liegen die Ding« brim Rathenau-Prozeß, bei dem «in großer Teil der Angeklagten schon bei den Hamburger Sprengstoffattentaten ein« Rolle gespielt hatten. Trotz der Prozesse, die bisher gegen Mitglieder der O E. geführt worden find — Erzberger-Mord, Rathenau-Mord, Sckeidemann-Attentat, Hamburger Attentat« »sw. —, ist von Gericht« wegen über di« O. E. bis heute wenig Bestimmte» fepgestellt worden." Vie weltfremde Reichsbank Die Deutsche Neichsbank hat nach dem Eiertanz um die Bewertung der Devisen neuerlich ihr un zureichendes Verständnis für die Bedürfnisse der deutschen Wirtschaft bewiesen, indem sie im gegen- wärtigcn kritischen Augenblick mit der Notenaus- lieferung vollkommen versagt. Leipzig wird von ihr besonder» schlimm behandelt. Vorgestern er- hielten die Leipziger Banken fast ausschließlich Ein- tausendmarkscheine (auch diese kaum zur Hälfte de» angcfordcrten Gesamtbetrages), gestern schickte die Reichsbank so gut wie gar kein Geld nach Leipzig und heute wartete sie den Leipziger Danken (und damit der Industrie sowie dem Handel Leipzigs) ausschließlich mit Fünfmillionen. Mark aus. Infolgedessen entstanden bei den Lohn- und Gehaltszahlungen arge Schwierigkeiten, und die Fest besoldeten, die gerade jetzt möglichst rasch bares Geld in die Hand bekommen sollten, sind dank der weltfremden Neichsbank wieder einmal in ärgste Verlegenheit gebracht worden. Es wäre langsam Zeit, die Banknotenauslieferung in die Hand eines mittelmäßig begabten Kaufmanns zu legen. Richterinnen Beachtet den Sprachgeist: das Recht, das Gesetz ist ein seelenloses Neutrum; die Gerechtigkeit ist, wie die schönbusigen Statuen auf und in Iustizpalästen verraten, weiblichen Geschlechts; aber auf dem Rich- tcrstuhl sitzt überall der Richter: der Mann. (Hier und da, jüngster Tage, eine Schöffin — Schwalbe, die noch keinen Sommer macht!) Im Amazonenstaat war cs anders. Dort besorgten die Frauen alle Kriegs- und Friedensgeschäfte allein — mit einziger Ausnahme der Fortpflanzung. Dieser Staat liegt freilich im Lande der Sage, in das neuer- dings, dank den Bemühungen der Ziegrlsteinhistorikcr, auch die reizende Semiramis eingezogen ist. jene Köniain, die bekanntlich sehr kurzen Przoeß zu machen pflegt, aber samt ihren Gärten niemals gewesen sein soll. Regentinnen, die das „Recht" über Leben und Tod ihrer Untertanen hatten, kennt die Weltgeschichte übrigens genug. Die Ausnahmestellung gekrönter Frauen hat aber der sozialen und rechtlichen Stellung des weiblichen Geschlecht» nicht» genützt. In der gesellschaftlichen Justiz, die man Moral nennt, liegen die Verhältnisse ähnlich. Ls gibt unabhängige und starke Frauen, die ihre Persönlichkeit srei ausleben, sich über die landläufigen Konventionen Hinwegsetzen, und denen doch die Welt zu Füßen liegt. Um so enger schließt sich das Netz der Konventionen und Vorurteile über den Köpfen der ungezählten andern, die nicht Macht und Geld und viäleicht auch nicht das sieghafte Temperament besitzen, die Gesellschaft zu unterwerfen, der man trotzt. Ls ist übrigens von eigentümlicher Tragik, daß die spürigsten, schonungs- losesten, rachsüchtigsten Parkwächter einer Geschlechts moral, die sich die Uebermacht der Männer zu eigenem Nutz und Frommen geschaffen hat, gerade Frauen sind. Wehe der ungewöhnlichen Frau, die nur dem folgt. Las für ihre Natur „das Gute" ist, und die dabei nicht Widerstandskraft genug hat, unter dem Haß und Neid gewisser Schwestern gesund »u bleiben! Nicht gleichartige, aber gleich hohe Werte kann das weibliche Geschlecht neben das männliche stellen. Es hat schon in früheren Jahrhunderten nicht ganz an Versuchen gefehlt, da und dort aus dem Männer- staat einen sozusagen geschlechtslosen Menschenstaat zu machen. So erzählt Georg Feewick in ferner eng lischen „Geschichte von Eonnecticut", daß die ersten Kolonisten diese» Landes sich eine puritanische Der- fassunA gaben, derzufolge die Frauen zu allen wissen- fchaftlrchen und staatlichen Geschäften, ganz wie die Männer, zugsiassen werden sollten. Dorr gab es denn auch die ersten Studentinnen in größerer Zahl. Aber diese Verfassung litt an zwei Grundübeln. Erstens war sie unnatürlich in ihrer Strenge. Sie belegte die Liebe mit dem Blei ihrer pietistischen Tugend und mit harten Strafen. Und zweitens wurde sie den Frauen aufgedrängt. Eine günstige Entwicklung kommt nie vom Zwang! An den Frauen sündigte die Willkür de» Gesetzes. Um ein lächerliches Beispiel zu zeigen: Einmal war es in Rom dem Ehemann erlaubt, seine Frau zu töten, wenn er st« — nicht etwa beim Ebe- bruch, nein — bei einem Glas Wein ertappte. Wenig- stens erzählt Plinus, daß ein gewisser Egnatiu» Mecennius, der seine Frau erschlagen hatte, frei gesprochen wurde, weil er den Nachweis erbringen konnte, daß er sie beim Weine getroffen habe. Don ähnlichen albernen und bestialischen Gesetz- lickkeiten, die von Frauen in Kraft gesetzt rcorden wären, ist nichts bekannt. Freilich hatten die Frauen sehr wenig Gelegenheit, Willkürakte ihres Geschlecht» zu legitimieren. Uebrigens ganz unbekannt ist der weibliche Richter nicht. In den Frauenbüchera von Seaur. William Alexander, Boccaccio, Sordonati, Paul d« Ribeira werden unter andern hervorragenden Frauen solche genannt, diedenRichtertalar trugen. Shakespeare mag die Anregung zu seiner hellgeistigen Porzia, mit der. das weibliche Rechts- gefühl über da» Paragraphenrecht triumphiert, au» einer ffrauenapologie der Renaissance geschöpft haben. Die (beschicht« überliefert einige bemerkenswerte völkerrechtliche Schiedssprüche, die von Frauen gefällt wurden. Die Herzogin Elisabeth von Bayern stand im Rufe solcher Rechtlichkeit, daß der Bischof von Freising vorschlug, sie zur Schiedsrichterin zu machen in seinem Streite mit ihrem Gatten. Und Elisabeth entfchied zuungunsten ihre» Mannes. Don zwei Wald eckern wurde die hessische Prinzessin Sophie, von zwei hessischen Landgrafen die thüringische Prinzessin Elisabeth »um Schiedsrichter gemacht. Doch derlei Kuriosa haben geringe prinzipielle Bedeutung. Außerdem weiß man ja nicht, welche ini men Motive bei der Wahl jener Richterinnen und bei ihren Sprüchen maßgebend waren. Aber «» gab eine von Lird und Sage umklunaene Institution, die in schöneren Jahrhunderten blühte und dem Weibe richterliche Hohertsrechte auf einem ihm von der Natur eingegebcnen Gebiete einräumte. Da» war die Lour d'Ämour, da» Minne- aericht, zur Zeit der Liebesbischöfe und oer Trou badoure. Die Frauen waren in diesen Gerichtshöfen höchste Richterinnen, und die edelsten Rtänner suchten mit ihnen Rat und Recht. Di« Minnegerichte ver schwanden erst zu Beginn de» fünfzehnten Jahrhun dert». Daß ihre Tätigkeit — in aller Romantik und Grazie — nicht al» bloß« Tändelei aufzufassen ist, beweib gerade da» Ende ihrer Wirksamkeit. Deno Trew sie wurden von der vordringenden allgemeinen Justiz- pfleg« verdrängt. Baron Aretin Kat in einem gelehrten Buche viele hundert wohlgeprüfte Richtsprüche der Minnerichter gesammelt. Die abaehandelten Liebesfragen bilden zusammen einen wahren Irrgarten der Erotik. Sie streifen aber nicht bloß, nein, treffen mitunter im Innersten die sexuellen Fragen. Leiden zrrar auch diese Urteile nicht selten an dem Uebrl aller menscy- lichen Gesetze: daß sie, was im Einzelfall billig ist, zur Gemeingültigkctt machen wollen, so spricht doch schon au» der Fülle und der Mannigfaltigkeit der aufgeworfenen psychologischen Probleme die Absicht, zu individualisieren. Ls feien hier einige von den Fragen und Sprüchen wiedergegeben: Darf die Geliebte den Geliebten verstoßen, der von ihr die Erlaubnis begehrt hatte, ein anderes Mäd- chen zu betreuen, wenn er von der ihm erteilten Er- laubni» keinen Gebrauch machte (denn er wollte seine Liebste bloß versuchen)? — Jene Geliebte, die zwar ihrem Galan die Erlaubnis erteilt, aber dann die Sache vor das Minnegericht gebracht hatte, sprach für die Trennung, denn es sei der Strafe wert, eine solche Erlaubnis auch nur zu verlangen. Die Königin jedoch entschied: „Der Buhle solle wieder zu Gnaden angenommen werden." Ist es einer Liebsten ziemlich, einen neuen Buhlen zu nehmen, wenn der alte verreist ist und sie in zwei Jahren weder Brief noch Botschaft von ihm erhalten hat? — Die Antwort lautete: „Nein; denn daß er weder Boten noch Brief sandte, das mag ihm zu großer Weisheit geschätzt werden. Briefe können ver. loren gehen, und Boten sind Fremde: wäre also immer das Geheimnis der Minne in Gefahr." Was hat der Treulose verdient, der keine Liebe verläßt ohne Ursache? — Antwort: „Er soll von jeder Minne und Liebe beraubt sein und nie wieder einer ehrbaren Frau Liebe noch Minne gewinnen. Die Verlassene soll einen andern nehmen, um dem losen recht weh zu tun." Dieses drakonische Urteil und das nicht ganz logische Verhältnis des zweiten Satzes zum ersten läßt das komioinum ein wenig stark — weiblich erscheinen. Wer aber gerecht ist, muß anerkennen, daß die beiden früher mitaeteilten Sprüche dem Manne viel Nachsicht und Milde erweisen. Sehr frei war der Beschluß einer Lour d'Amour auf die Frag', ob die Liebe zwischen Eheleuten oder die zwischen Buhlen größer sei. Die Antwort lautete dahin, dost „zwischen Eheleuten keine rechte inbrünstige Liebe nicht sein noch werden mag, weil in der Minne man alles einander zu Willen tue von freiem Mut und nicht nach Gebot". Von pedantischer Juristerei waren die schönen Richterinnen wahrhaftig nicht berührt. Wir lächeln zu dem Spiel ihrer freundlichen Bemühungen um das Glück. Wir lächeln . . . Und ahnen wir nicht auch, daß es irgendwie ein Ziel geben müßte, einen Ausgleich zwischen der schmiegsamen Empfindungs welt der Frau und den starren Geboten der Männ lichkeit, und daß dieser Ausgleich uns ein besseres Recht brächte? Kein ckus wLSvnIinum; kein ckus komiviuum; ein <lus buwanum! . . . N. NIsnrI. " Freibleibende Ieiturrgspreise. De.- Verein Deutscher Aeitungs-Derleger in Berlin veröffentlicht folgende Erklärung: „Die weiter fortschreitende und jedes Maß verlierende Vernichtung unserer Währung, verbunden mit der sich überstürzenden Steigerung aller Preise und Unkosten, wozu nach dir Ein führung wertbeständiger Löhne in den nächsten Wochen wahrscheinlich als weiteres erschwerendes Moment hinzutritt, hat jede Preiskalkulation in der gesamten Wirtschaft, besonders aber in den Zeitungs betrieben, geradezu unmöglich gemacht. Die Zeitungen sind außerstande, angesichts dieser ganz außerordent lichen Verhältnisse ihren Bezugspreis für die Zu kunft für einen Monat festzuhalten und sehen sich daher gezwungen, die Bezugspreise künftig hin freibleibend zu gestalten, um die Möglichkeit zu gewinnen, den enormen Pceissteige. rungen zu folgen und ihre Betriebe aufrcchtzuerhal- ten. Der Gesamtvorstand des Vereins Deutscher Zeitungs-Verleger hat in gemeinsamen Be ratungen mit den Vertretern der ihm angcschlossencn Unterorganisationen am 25. Juli in Eisenach diese Frage eingehend erörtert und ist zu dem ein mütigen Beschluß gekommen, daß, wie olle anderen Industrie- und Handclozweige, so auch die Zeitungen, von jetzt ab grundsätzlich sowohl für die Ortsbezicher als auch für die Postabonnenten aus- schließlich freibleibende Bezugspreise fest setzen werden. Er hat diesen schwerwiegenden Be- schluß in der Erkenntnis gefaßt, daß sonst die deutsche Presse, deren Erhaltung als politischer, wirtschaft, sicher und kultureller Faktor in der Gegenwart mehr als je Lebensnotwendigkcit des deutschen Voltes ist, über die Stürme der Zeit hinweg nicht lebensfähig erhalten werden kann. Die R c i äi s p o st v e r - waltung hat dieser Notwendigkeit dadurch Rech nung getragen, daß sie die Postbezugsprcise von nun an als freibleibend bezeichnet, mit der Maß gabe, daß die Postbezieher verpflichtet sind, bei einer Erhöhung der Bezugspreise während der Dczugszeit den Mehrbetrag an den Verleger zu entrichten, und im Falle der Weigerung der Ver lag das Recht hat, vom 18. eines jeden Monats an die Weiterlieferuns der Zeitung einzu stellen. Diese Einführung der freibleibenden Be zugspreise durch die Post ist um so bedeutungsvoller, als die Eigenart des Postbetriebs es notwendig macht, daß die Verleger die Bezugspreise ihrer Zeitung bereits vier Wochen vor Monatsanfang der Post bekanntgeben müssen, so daß die Verleger sich also in Wirklichkeit bisher auf acht Wochen mit ihren Bezugspreisen festlcgen mußten, ein Zustand, der natürlich in dieser Zeit des Davonlaufens der Preise ganz unhaltbar ist. Der Verein Deutscher Zeitungs-Verleger ist der Ueberzeugung, daß die deutsche Zeitunasleserschaft sich der aus den außer ordentlichen Zeitverhöltnissen geborenen Notwendig- keit der Einführung der freibleibenden Bezugspreise nicht verschließen und den unter Umständen fällig «erdenden Mehrbetrag an den Verleger abführen wird." " Sonderzüge de» Leipziger Verkehrsverein». In folge des Ferienschlusses im Monat August und des Beginnes der Messe am 28. August muß der Der- kehrsverein Leipzig in seinem Sonderzugsprogramm für den Monat August eine Aenderung ein treten lassen. Lo verkehren im August folgende Sonderzüg«: Am 5. August nach Schandau (Sachs. Schweiz), 12. August je ein Sonderzug nach dem Kyffhauser und nach Wunsiedel im Fichtelgebirge. Die Vorbestellungen sind etwa 10 Tage vorher aufzugeben, die Fahrkarten für die einzelnen Züge etwa 3 Tage vorher im Verkehrs- verein Naschmarkt «bzuholen. W«ttrr»orau,fag« fär Sosntag, d«» 29. Inlt: Nach vorübergehendem Aufklaren Bewölkung»- »»nahmen und zeitweise Regen. Schwache bi» mäßige südliche, nach Westen drehende Wind«.
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