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Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 28.07.1923
- Erscheinungsdatum
- 1923-07-28
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-192307286
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-19230728
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-19230728
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1923
-
Monat
1923-07
- Tag 1923-07-28
-
Monat
1923-07
-
Jahr
1923
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8om»Ldea6, üea 28. Jul! ^LKesderirlrt Der Scheck am Fahrkartenschalter Die unerhörte Geldentwertung der letzten Feit hat es mit sich gebracht, daß die Reisenden an den Fahrkartenschaltern mit ganzen Bündeln von Scheinen bezahlen. Wenn auch die großen Summen oft in den Original-Reichsbankpackungen eingeliefert werden, so muß doch der Beamte, da es sich um Geld handelt, für da» er mit seinem eigenen Vermögen haftet, diese Packen aufreißen und nachzählen. Da durch entsteht allenthalben eine außerordentliche Verzögerung der Abfertigung, die in vielen Fällen die Versäumnis de» Zuge» nach sich zieht, ganz ab gesehen von der großen Mehrbelastung der Beamten. Demgegenüber hat nun die Reichsbank in folgender Weise eine Abwehrmaßnahme getroffen. Schon seit längerer Zeit beschäftigt sich die „Deutsche Verkehrs-Kredit-Bank" mit der Frachten stundung: große Firmen, die regelmäßig Frachten aufgeben, brauchen diese nicht sofort zu bezahlen, sondern besitzen auf der Bank ein Konto, von dem die für Frachten verausgabten Summen abgezogen werden. Mit dieser Bank ist eine Vereinbarung ab geschlossen worden, dahingehend, daß das Stundung», system auch auf den Personenverkehr und die Ge päckbeförderung ausgedehnt wird. Der Geschäfts reisende also und überhaupt jeder Reisende braucht in Zukunft am Schalter nicht mehr seine großen Geldpacken abzu- geben und darauf zu warten, bis sie durchgezählt sind, sondern er läßt sich auf der genannten Bank ein Konto einrichten. Daraufhin bekommt er ein Scheckheft ausgehändigt und kann nun mehr im ganzen deutschen Reichsbahngebiet sämt liche Billetts mit Scheck bezahlen, die er am Schalter ausschreibt. Die Scheckhefte werden auf dem Titel blatt die Höhe des Guthabens enthalten. Auf einem weiteren Blatt wird dann von jedem Schalterbeamten verzeichnet, wieviel von dem Guthaben entnommen und wieviel übriggeblieben ist. Da Leute, die häufig reisen, einen großen Teil der Reichebahnkundschaft ausmachen, dürfte die neue Einführung eine außerordentliche Erleichterung de» Verkehrs mit sich bringen. Selbstverständlich gilt die Berechtigung, mit den Scheck» zu zahlen, auch für alle Reisebureaus und sonstige Stellen, von denen Fahrkarten bezogen werden. Auch dir Gepäck gebühren können auf diese Weise bargeldlos beglichen werden. Das neue System wird aller Voraussicht nach vom 1. September ab im ganzen Reichsbahngebiet eingeführt werden Erhöhter Teuerungszuschlag zu den Fern sprech- gebühren. Nach der „Verordnung zur Aenderung der gesetzlichen Post-, Telegraphen- und Fernsprech gebühren" vom 12. Juli 1923 erhöht sich der Teue rungszuschlag zu den Fernsprechgebühren vom 1. August 1923 ab von 14 900 v. H. auf 49 900 v. H. mit der Maßgabe, d. ß die Erhöhung für die viertel- jährlich im voraus fälligen laufenden Fernsprech gebühren erst am 1. Oktober 1923 in Kraft tritt. Jeder Fernsprechteilnehmer ist berechtigt, seinen Anschluß auf den 31. Juli 1923 oder auf den 30. September 1923 zu kündigen. Das gleiche Recht haben die Inhaber von Nebentelegraphcn und besonderen Telegraphen. * Münzausprägungeu. Die Ausvrägung von Zweihundertmarkstücken aus Aluminium betrug im Juni 9,732 Milliarden Vlurk, wodurch sich di« Le- samtausprägung in diesen Münzen au' L3,8I9 Mil- liarden Mark erhöht. Ferner wird zum ersten Male die Ausprägung von Fünfhundert Markstücken au» Aluminium ausgewiesen. 2>e beträgt Milliar den Mark. — Man liest die Zahler., aber man sieht niemals die Münzen. Wo ble'brn sie? uaä HLoäel82e11uLg »g 12ff Seite S Fliegende Gerichtskommiffionen l-e!pr!ger lageblatt Sine 103jährige. Im Alter von 103 Jahren starb in Naumburg die Witwe Mathilde Sch Wend ler geb. Fleischmann. Die alte Dame war bi» in das letzte Jahr hinein noch verhältnismäßig rüstig. Etue historisch« Ausstellung. Zur Erinnerung an die vor 7L Jahren begonnene Umwandlung Preußen, in einen Verfass ungs st aat will der Berliner Magistrat eine Ausstellung ver- anstalten, die in zwei Sälen des Märkischen Museums Platz finden und am 11. August eröffnet werden soll. Die Ausstellung soll einen geschichtlichen Ueberblick über die wichtigsten Ereignisse de» Jahre» 1848 bieten. In der Hauptsache werden das Märkische Museum, das Stadtarchiv, die Stadt bibliothek und andere öffentliche Sammlungen Aus- stellungsmaterial zur Verfügung stellen. Eine Ztrahenbahnfahrt 7000 Mark Ab Sonntag e r h ö h t sich der Fahrpreis für die Leipziger Straßenbahn von 4000 auf 7000 ^t. Drahtloses Fernsprechen über üen Gzean Die Versuche zum drahtlosen Fernsprecher, über den Atlantischen Ozean, die zwischen den Vereinig ten Staaten und England stattgefunden haben, sind insofern von besonderer Bedeutung, al» dabei zum erstenmal die für eine spätere allgemeine Verkehrs aufnahme unerläßlichen Bedingungen durchaus er- füllt waren. Nach Mitteilungen englischer Fach männer kamen die Sachverständigen zu dem über einstimmenden Urteil, daß die Möglichkeit einer all gemeinen Einführung der drahtlosen Ozeantelephonie nunmehr zweifellos gegeben sei. Während der vierzehntägigen Versuchszeit konnte im allgemeinen während 14 von 24 Stunden mit ausreichender Deutlichkeit telephoniert werden. Danach erscheint ein Zufallserfolg, wie er im Funk verkehr infolge plötzlicher Zunahme der Reichweite bisweilen vorkommt, hier ausgeschlossen. Die zu übermittelnden Worte wurden von New Pork au» der Großfunkstelle Rocky Point (Lang Island) durch ein gewöhnliches Fernsprech kabel von 112 Kilometer Länge zugesiihrt. In Rocky Point wurde die aus einem Drehstromumformer gewonnene Sendeenergie durch wassergekühlte Kathvdenröhren verstärkt. Die zwei Kilometer lange Sendeantenne, die von 140 Meter hohen Türmen getragen wird, strahlte 200 Kilowatt Sendeenergie aus. Die Empfangs st eile befand sich bei New Southgate (England), wo die ankommenden Wellen von einer im Empfangsraum untergebrachten Rahmenantenne aufgefangen wurden. Diese bildete ein Geviert von 1H Meter Seitenlange und war mit Empfangshörern in der üblichen Weise durch Katbodenröhrenverstärker verbunden. Die zu über brückende Entfernung betrug etwa 4800 Kilometer über Wasser und Land, wozu noch das erwähnte Fernsprechkabel von 112 Kilometer Läng« kam. In Deutschland haben in jüngster Zeit von Nauen und Königswusterhausen aus wiederholt ähnliche Versuche auf beträchtliche Ent fernungen stattqefundrn, die durchweg guten Erfolg hatten. Auch die deutsche Funktechnik ist daher zur Aufnahme eines internationalen Radiofernivrech- verkehrs jederzeit in der Lage. Leipziger Mehausstellung -er Sowjet-Republiken Der Bund der sozialistischen Sowjet-Republiken (Rußland, Ukraine, Transkaukasien und Weiß-Ruß land) wird sich auch an der Leipziger Herbstmesse (28. August bis 1. September) wieder als Aussteller, und zwar in noch weiterem Um fange wie zur Frühjahrsmesse, beteiligen. Wie bereits auf der letzten Messe werden in der Wandel halle des Alten Rathauses Rohftoffmuster, wie Heilkrauter, Torsten, Flachs und Hanf, Rohfelle und Häute, Rauchwaren, Därme, Rohtabak u. a. zur Ausstellung gelangen. Im Grassi-Museum werden außerdem die Erzeugnisse russischer Volkskunst ge zeigt werden, also in erster Linie Handarbeiten, Spitzen, Stickereien, Spielwaren, Holzschnitzereien, Gewebe, Teppiche, Halbedelsteine u. a. An beiden Ausstellungen sind verschiedene staatliche und wirt schaftliche Institutionen der sozialistischen Sowjet- Republiken beteiligt. Von der sächsischen Staatskanzl«! wird uns mit geteilt: Im Juni ist in einigen sächsischen Städten auf den Markten aller Slrt zum ersten Male zur Bekämpfung der Preistreiberei, des un erlaubten Handel» und anderer damit zusammen hängender Straftaten da» beschleunigte Straf befehlsverfahren durchgesührt worden, für Ka der Bolksmund den Namen „Marktstand gerichte" geprägt hat. In Wirklichkeit handelt e» sich dabet nicht um Standgerichte, also nicht um Gerichte, die auf Grund von Ausnahmevor schriften in einem besonderen Verfahren ur teilen, da» der üblichen Rechtsgarantien mehr oder weniger entbehrt. Vielmehr beruht die Tätigkeit dieser fliegenden Gerichtskommiffionen lediglich auf praktischer Ausnutzung der unver änderten Vorschriften der Reichsstraf prozeßordnung und hält sich vollkommen im Rahmen des geltenden ReichSstrafprozeßrechteS- Der besondere Erfolg bei der Tätigkeit dieser Kommissionen ist abhängig von der engen Zu sammenarbeit der Strafverfolgung-- und der Verwaltungsbehörden, und es darf mit Befrie digung sestgestellt werden, daß al-bald nach Ein führung dieses Verfahren- sich Formen der Zusammenarbeit aller beteiligten Behörden herausgebildet haben, die die volle Ausnutzung der in diesem Verfahren gegebenen Möglichkeiten gewährleisten und bereits sehr gute Erfolge her- beigesührt haben. Wie in Sachsen hat sich dieses Verfahren auch anderwärts bewährt, so daß es im Laufe der letzten beiden Monate fast in allen größeren Städten des Reichs eingeführt worden ist. In Sachsen haben die fliegenden Gerichts kommissionen im Juni 73 Strafbefehle erlassen, von denen 50 rechtskräftig geworden sind. Durch diese rechtskräftigen Strafbefehle sind insgesamt 11,7 Millionen Mark Geldstrafe oder ersatzweise 529 Tage Gefängnis verhängt und an Wucher gewinn und Erlös aus beschlagnahmten Gegen ständen 25 Millionen Mark etngezogen worden. Durch die noch nicht rechtskräftigen 23 Straf befehle sind weitere 11,4 Millionen Mark Geld strafe oder ersatzweise 472 Tage Gefängnis aus geworfen und die Einziehung von 0,1 Millionen Mark verfügt worden. Unter den beschlagnahmten Gegenständen befanden sich 20 Schweine, vier Kälber sowie außer Gemüse und Obst 77 Eimer Marmelade, die bei Abschluß dieser Fest stellungen noch nicht veräußert waren und deren Erlös daher in den obigen Zahlen noch nicht enthalten ist. Fast alle diese Bestrafungen be treffen Fälle, die nur durch die fliegenden Gerichts kommissionen zu erfassen waren, ohne diese Ein richtung nicht nachweisbar gewesen und der strafrechtlichen Ahndung entgangen wären, denn es hat sich gezeigt, daß in vielen Fällein allein das Zu fassen an Ort und Stelle ein ab sichtliches oder unabsichtliches Verdunkeln des Tatbestandes zu verhindern mag. Darin liegt die Notwendigkeit diese» Verfahrens begründet, und e» ist nur zu bedauern, daß die Verbraucher und die Klein Händler das vielfach nicht er kennen und die Tätigkeit der fliegenden Gerichts kommissionen zu wenig unterstützen. Insbesondere ist der von den Kleinhändlern erhobene Vorwurf, die Bestrafungen beträfen nur sie, der viel schlimmere Wucher der Großhändler und Erzeuger aber würde nicht getroffen, völlig unberechtigt, denn unter den Bestraften befinden sich eine ganze Anzahl Großhändler und Er zeuger, und e- würden deren viel mehr erfaßt werden können, wenn nicht gerade die Kleinhändler vielfach dadurch, daß sie jede Angabe über ihre Verkäufer verweigern, die Verfolgung des Wuchers bis zu seiner Wurzel verhinderten. Als völlige Verkennung ihrer eigenen Lage muß es bezeichnet werden, wenn — wie vor kurzem in der Dresdner Groß handelsmarkthalle — ausgerechnet Kleinhändler und Verbraucher die gegcn einen wucherischen Eiergroßhändler einschreitende Kommission tät- lick angegrifen haben. Offenbar handelten diese Leute, die sich durch ihr Tun schwerer Strafe auSgcsetzt haben, unter dem Eindruck der von manchen Kreisen geflissentlich verbreiteten Gerüchte, da» energische Einschreiten der fliegen den GerichtSkommtssionen bewirk lediglich ein Abwandern der Ware und damit eine Erschwer rung für die Deckung unsere» Bedarfes an den notwendigsten Lebensmitteln. Tatsächlich ist ein solches Abwandern nicht erfolgt und nicht zu erwarten, weil durch die gleichmäßige An wendung diese» beschleunigten Strafverfahren» an allen größeren Märkten Deutschlands die Möglichkeit einer Abwanderung stark eingeschränkt ist. Ueberdtes ist die Regierung beizeiten bei den zuständigen Reich-Ministerien vorstellig geworden, daß, soweit eine solche Abwanderung überhaupt ernstlich in Frage kommen könnte, von Reich wegen durch einheitliche Anweisung an die Länder dieser Gefahr vorgebeugt und eine gleichmäßige Versorgung de- ganzen Reichsgebiete» sichergestellt werden soll Die Bedeutung der Tätig kett der fliegen den Gerichtskommisstonen geht jedoch weit über die von ihr durchgeführten Strafverfahren hinaus. Die Möglichkeit, durch diese Kommissionen jeder zeit an Ort und Stelle zufassen, eine Straftat abschließend feststellen und sofort entsprechend in Strafe nehmen zu lassen, gibt den Markt- Überwachungsorganen für ihre Tätigkeit eine« bedeutsamen Rückhalt und hat vielfach, wenn auch teilweise erst nach heftigem Widerstand der Interessenten, ein übermäßiges Anziehen der Preise verhindert. Daraus erklärt sich wohl auch die Propaganda, die von manchen Seiten gegen die fliegenden GerichtSkommissionen betrieben wird. Diese Propaganda wird aber, auch wenn sie zu so bedauerlichen Verirrungen wie dem obenerwähnten tätlichen Angriff auf eine Kommission führt, die wettere Tätigkeit der „Marktstandgerichte" nicht hindern und wird ins besondere nicht zu verhindern vermögen, daß aus Grund der inzwischen gewonnenen Erfahrungen das Tätigkeitsgebiet der fliegenden Gerichts kommissionen erweitert wird. Dar verschenkte Haur Daß es unter den heutigen verworrenen Verhält nissen unter Umständen vorteilhafter ist, ein massives Haus zu verschenken, al, es abzubrechen und abzutransportteren, zeigt da» Beispiel einer Hausschenkung, die der Stadt Ber- l i n zugefallen ist. Der Dolksheilstättenverein vom Roten Kreuz konnte seine Erholungsstätte nebst Baulichkeiten in der Wuhlheide nicht mehr aufrecht* erhalten und verkaufte die Baulichkeiten an die Firma Brest unter der Bedingung, daß die Gebäude abgebrochen und abtransportiert werden. Es wurde festgestellt, daß die Holzbaracken zwar transportabel sind, da» Hauptgebäude dagegen massiv in seinen Mauern aus Kalksandstein erbaut ist, so daß der Abbruch und die Abbeförderung nur mit außer ordentlich hohen Kosten vorgenommen werden könnte. Infolgedessen hat die Firma Brest da» Haupt gebäude der Stadt Berlin für die Forstverwaltung unter der Bezeichnung „Brest-Schenkung" unent geltlich überlassen. Der Magistrat will das Ge bäude zu einer Wohnung für einen in den Ruhe stand versetzten Forstbeamten einrichten, der in diesem dem Diebstahl stark ausgesetzten Forstbezirk noch zur llcberwachung hinzugezogen werden könnte. * Zurücknahme gelöster Fahrkarten. Die Ende Juli gelösten Reichseisenbahnfahrkarten werden von den Ausgabestellen innerhalb der Geltungsdauer (1. bis 3. August) nur zurückaenommen. wenn ein Rechtsanspruch (Nichterfüllung der Beförderung, einfache Verspätung oder Ausfall von Zügen) be- steht. In allen übrigen Fällen wird da» Fahrgeld nur durch die zuständigen Verkehrsämter, auf schriftlichen Antrag, bei Angabe der Gründe der Nichtbenutzung, unter Abzug der 10 Prozent Der- waltungskosten, erstattet. ver Mann mit dem vrett vor dem Kopf Ein Märchen Don N«im Es war einmal ein Mann, der lebte sehr einfach, er war kein Ratsherr und Bürgermeister, kein Opern- siinaer oder Professor, er war ein ganz einfacher, schlichter Mann, ging nicht au» und verkehrte nicht mit den Leuten, war vielleicht ein bißchen einfältig, wer sollte da» entscheiden? — und die Leute sagten von ihm: „Lr hat ein gewaltige» Brett vor dem Kopf.' O, wenn sie gewußt hätten, was für ein seines Brett da» war! Wenn der Mann in seiner Stube saß und fror, daß chm die Zähne klapperten, dann nahm er wohl da» Brett von seinem Kopf und zer spaltete es in lauter dicke Stücke, schlug sorglich die Knorren und Beste heraus, zerichnitzelt« die Stücke in feine Späne, nahm eine Handvoll davon her und legte Feuer an, warf ein um» andere Dündlein Holz hinzu, daß es knisternd und knallend verbrannte und zu Asche zerfiel und sah den gelben und blauen Flammen zu, die im Kamin verprassrlten. War dann eine Stund« um oder zwei und ver Abend zu End« und man mochte sich mit Fug in» Bett legen, es war Schlafenden, so nahm er di« Scheite und Späne wieder zusammen, und die Asche ward wieder Holz und da» Holz wieder zum Bret^ und er schlua sich'» wieder vor den Kopf und ging schlafen. Und die Leut« sagten: „Die vernagelt er tst: was für ein gewaltige» Brett muß er vor'« Kopf haben! Er arbeitet nicht und hat doch weder Kohle noch Holz, um ein Feuer im Ofen zu halten!" Oder er saß in seinem Sosa und la» in eine» alten Buche oder in der Zeitung, und e» hieß da „Die Kaiserkrönung in Indien". Ein«—zwei, nahm er da» Vrett von seiner Stirn herunter, streichelte es und bog e» zurecht, und e» ward ein stolze» Schiff, gewölbt wie ein Schwan, und di« Segel standen wie die weißen Flügel, — schnell trug «» ihn über da» Weltmeer dahin, tanzte «1t ihm über olosarünen Wogen, in die es sein« »olle Brust hinein- schmkegte, und nach tausend Wundern der Meersahrt legte es an der indischen Küste «M und ward zu» Kahn und trug ihn einen indischen Strom entlang. unter Palmen und Lianen dahin; Krokodile schossen durch die Flut, und Tiger brüllten im Bambus der Dschungeln. Fackeln flammten durch die Nächte, und heilige Feuer schwelten vor Pagoden und Tempeln. E» klangen Zimbeln und Hörner, Pauken und Posaunen, die Bajaderen tanzten, und der Soma- trank ging rauschend und berauschend um. „Wie dumm ist er," sagten die Nachbarn und wiesen mit Fingern auf ihn. „Hinter seinem Saus« fährt die Eisenbahn, und nicht weit liegt der Hafen mit Flößen und Schiffen. Er aber hockt zu Hause." Sie wußten nicht, daß er eben erst von Indien kam! Ein andermal wieder nahm er das Brett in seine Hände und bog daran, da ward es zu einem Paar neuer, schneeweißer Holzpantinen, und er klapperte lustig darin auf dem Markt einer holländischen Stadt daher. Wie sich die Mühlenflügel drehten, so wehten die großen Flügelhauben der niedlichen, sauberen Mädchen und die Halstücher und blauen Blusen der Manner, und rings brüllten von den Wiesen die Kühe. Noch in seinem Schlaf hinein hörte er die Holzschuhe klappern und die Wind mühlen schlagen. Denn er ganz lustig und ausgelassen war, nahm er wohl sein Brett unter n Arm, und wenn ihn die Leute fragten: „Wo gehst du hin?", so sagte er: „Bi» dahin, wo immer Kirmeß ist" — und da ging er hin. Da band er da» Brett an zwei Seile fest, und es war- eine Schaukel, jeder mochte sich darauf fetzen und lustig auf und nieder fliegen und schweben. Er stieg auch wohl selber hinauf und schwang sich über «ule Köpfe dahin, über Hüte und Mützen, Zylinder und Helme, Kappen und Hauben, ja, Häher, ab» die bunten Luftballon», sah die Ringkämpfer ringen und die Boxer baren, flog über da» bunt« Karussell mit Pferden und Löwen, über die Et»- und Waffelbuden, über da» grüne Aquarium und die Dame ohne Unterleib, und freute sich, daß er für alle» kein Eintrittsaeld »u zahlen brauchte. Oft dachte er an seme Kinderzeit, da ward da» Brett zur Wieg« und er hörte die süßen Wiegenlieder seiner Mutter, e» ward zum Schaukelpferd, auf dem er zum Krieg ausritt, oder zur Trommel, auf der «r Wirbel schlug, daß die Teller in den Schranken klirrten und die Bilder an den Wänden zitterten. Za, er »erschnitzeltr es zu einem Bündel Pfeil«, die tat er in seinen Köcher und ging hinaus vor die Stadt. Do legte er den Pfeil an die Sehne, und ek« er abflog, schwang er sich selbst hinaus und fuhr wie der Wind in die Höhe, an Schwalben und Papier drachen vorbei bis an den goldenen Kirchturmhahn, der sich im Winde drehte. Einmal baute er sich ein Haus aus dem Brett, er spaltete es einfach in sechs Bretter, so waren es vier Wände, der Boden und das Dach, er schnitt Fenster hinein und nahm die Abfälle zu Läden, die strich er grün, da sah es freundlich aus im Sonnen schein, und es reichte auch noch zu Tisch und Bett und Stühlen. Dann holte er sich eine Frau, deren aab es ja genug, und dann wurde es schön, ach, so schön, viel schöner, als in einer wirklichen Ehe, so daß er ganz froh ward, nicht verheiratet zu sein! Und wenn es Nacht ward und er nicht schlafen konnte, so nahm er die Bretter her, die er ;a noch hatte, und schlug sie zu einem Sarg zusammen, der war schwarz mit goldenen Nägeln und einem silber nen Kreuz. Er legte die Hände übrr vie Brust und legte sich in den Sarg hinein und ward begraben; die Schollen polterten über ihm, und er hörte ein dumpfe», fernes Murmeln und Singen, dann nichts mehr. Aber über eine Weile kamen die kleinen Tiere der Erde, die bohrten sich den Weg zu ihm und trugen sein Wesen und seine Kräfte zu Wurzeln und Quellen und wieder ans Licht, umgeschaffen und zu neuer Freude ausgeruht und wieder du'-stig nach Sonnenschein. Unter all den Leuten aber, die um ihn herum wohnten, da war einer, der verstand etwa» davon, der sagte: „Er ist so wunderlich, ich muß ihn aus horchen und dem armen Manne helfen, der ein so dicke» Brett vor dem Kopfe hat", ging also hin zu ihm und svrach zu ihm, daß er für die Menschheit zu gar nicht» nutze sei und sich ändern müsse. Da erzählte ihm der Mann alle» von sich, wie ihm da» Brett zum Schiffe würde und zur Schaukel, zum Haus und zum Sarg, und der andere schlug die Hände über'm Kopf zusammen und sagt«: „Du zer splitterst dich viel zu sehr, es ist nicht aut, daß man olles habe, man muß sich auf ein Ding bescheiden lernen und da» um so besser machen. Was wählst du da?" „Das Schiff," sagte der Mann mit dem Brett vor dem Kopf, „denn damit kann ich überall hin fahren." „Gut," sagte der andere, „gib mir da« Brett her, du sollst sehen, wie fein es wird!" Da nahmen sie da» Brett, und jeder fing an einem End, an, daran zu basteln und zu basteln, zu biegen, ^u schnitzeln, bi» der Schiffsrumpf fertig war, sie ver- goldeten und bemalten es, setzten Masten und Segel werk darauf, Takelage und Rahen, Spieren und Stufen, Anker und Winden und Ketten, es kamen Kajüten und Kojen hinein, e» wurde kalfatert und geteert, und endlich war es fertig. „So," sagte der andere, „nun setzen wir uns hinein und fahren los," und sie stiegen hinein und warteten, daß es fahren sollte. „Nach Amerika," sagte der Mann. „Nach Arabien," sagte der andere, „das ist feiner." Aber es fuhr nicht. Da stiegen sie wieder au» und kratzten sich hinterm Ohr und sahen sich an — und sie kratzen sich heute noch und sehen sich an, und wer weiß, ob sie es je wieder flott kriegen, dar schöne Schiff? Habilitation de» Reich-Minister« a. V. Dr. David, Der Rektor der Technischen Hochschule zu Darm stadt bat dem Reichsminister a. D. Dr. phil. Eduard David die Venia legendi für die Wissenschaft der Politik erteilt. Der auf dem Gebiete der So ziologie und Agrarökonomie schriftstellerisch tätig« Parlamentarier, langjährige» Mitglied de» Reichs tages, später 1. Präsident der Nationalversammlung, war bis 1894 als Gymnasiallehrer in Gießen tätig. 18W—98 war David Redakteur der Mainzer Volk»- zettung. Don seinen Schriften nennen wir u. a.: „Sozialismus und Landwirtschaft" und „Die Sozial demokratie im Weltkrieg." Di« Aufnah«« der frauzöstsche» Geueralsiabs- karte «ft de« Flugzeug. Seit dem Jahre 1889 trägt man sich in Frankreich mtt dem Gedanken, eine neu« kartographisch« Aufnahme de» Lande» zu unter nehmen. Die Akademie der Wissenschaften faßte in diesem Jahr« eine neue Entschließung tu dieser Hin- ficht und fand besondere Unterstützung bei dem Kriegsministrr. Diefer behaawtet nämlich, daß eine neue Generalstabskarte im Interesse der Landes verteidigung unbedingt aotwendig sei; der Krieg habe gezeigt, daß di« alte Kart« im Verhältnis von 1:80000 nicht genügt« und daß eine neue Kart« im Verhältnis von 1 : 20 000 unbedingt nötig ist. Für die neue Aufnahme, di« jetzt in Angriff genommen wird, soll da» Flugzeug in umfassender Weise verwendet werden. Besonder» im Norden Frankreich«, um die für die Vermessung früher benutzten Kirchtürme zmn großen Teil zer stört find, werden di« Aufnah»« vollkommen von der Luft au» gemacht werd«,
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