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Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 28.07.1923
- Erscheinungsdatum
- 1923-07-28
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-192307286
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-19230728
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-19230728
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1923
-
Monat
1923-07
- Tag 1923-07-28
-
Monat
1923-07
-
Jahr
1923
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Sette 2 Ur. 177 I.e!pÄlg«r iLgedlstt uyÄ Bsaäelsrellung Englands wirtschastssorgen Sine Rede Bald»!»» t» Slargo» London, 27. Juli. (Eig. T e l.) Der Premier minister hat gestern in einer wirtschastspolft.schen Red« in Glasgow die Schwierigkeiten hervorgchoben, die die englische Regierung bei ihrem Versuch zu be kämpfen hat, der englischen Bevölkerung und dem Handel im kommenden Winter ausreichende Arbeit», gelegenheit zu verschaffen. Innerpolitisch müsse hierfür der Wohnungsbau gefördert werden, mit dem durch ihn bedingten Arbeitsgelegenheit« sowie die planmäßige Auswanderung junger und gesunder Arbeiter und Arbeiterfamilien nach den Kolonien. Am England» auswärtige Märkte wieder herzustellen, sei e» notwendig« die Regelung des Neparationsproblems mit Deutschland zu treffen. „Die Bcsetzungsmcthode, die jetzt im Ruhrgebiet angcwendet wird/ so führte Baldwin aus, „hat auf den Welthandel dieselbe ver hängnisvolle Wirkung gehabt, wie wenn man mit einem Taschenmesser in das Gangwerk einer Taschen uhr hineinstößt. Der Welthandel ist ein Mechani»- mus von beispielloser Feinheit, der vor dem Kriege so reibungslos gearbeitet hat, daß nur wenige unter richtet, Persönlichkeiten überhaupt von seinem Vor handensein Kenntnis hatten. Die Völker sind jetzt im Begriff, di, Grund'ehren der Nationalökonomie und die Regelung der Wechselkurse um einen un geheuren Preis zu lernen. In Mitteleuropa be findet sich die Währung in einem Zustand, der in kurzer Zeit Schwierigkeiten verursachen wird, Ab kommen über Zahlungen an das Ausland zu treffen und am Welthandel teilzunehmcn. Bisher haben wir unter den Wirren in Mitteleuropa noch nicht so sehr zu leiden gehabt« aber der Zeit punkt wird kommen, wo unsere Leiden fühlbar werden, weil Mitteleuropa nicht mehr in der Lage ist, die Einfuhr der benötigten Rohstoffe zu be zahlen. Dann bricht der ganze Mechanismus des Welthandels zusammen. Wenn wir etwas weiter in di« Zukunft sehen, so glaube ich, daß Rußland und einige andere wirtschaftlich junge Länder das Absatzgebiet für den Welthandel sein und diejenige Ausfuhr aufnehmen müssen, die durch die Leistung der Reparationen hecvorgerufen wird. Nur wenn Liese Ausfuhr in solchen neu zu erschließenden Wirt schaftsgebieten Aufnahme finden kann, wird es Deutschland möglich sein, Reparationen zu zahlen, ohne England dem schwersten Wett bewerb auszusctzen, den es je in seiner Geschichte erfahren hat/ Vie Lrmüdungspolitik begrünt zu wirken London, 27. Juli. (E i g. Te I.) Der seit gestern in hiesigen amtlichen Kreisen hecvorgeruscne Pessi- mismus bezüglich der Aussichten einer Eini gung mit Frankreich ist von Baldwin in seiner Glasgower Rede in folgende Worte gekleidet worden: „Was das Ergebnis unserer Persuche sein wird, die Reparationsfragc zu lösen, vermag ich picht zu sagen. Ich kann hier nur wiederholen, d.iß die Regierung nichts unterlassen wird, um eine Lösung herbeizuführcn. Aber wir wissen alle, daß wir nicht die Macht haben, um diese Frage allein von uns aus in Angriff zu nehmen und zu lösen/ Der Unwille, der in englischen Regicrungskreisen über die französisch-belgische Verschlcppungspolitik herrscht, kommt heute in der Times in folgenden Sätzen zum Ausdruck: „Die kümmerlichen und lang- wierigen Ströme diplomatischer Gerüchte sind der einzige Beitrag, den die abgrlaufene Woche ?ur Lösung der Reparationsfrage geliefert hat. Dir Mehrzahl unserer Leser wird mit einem Gefühl der Ungeduld und der Ermüdung all die Nachrichten über das diplomatische Hin und Her ge lesen haben, ob ein Botschafter irgendein Aus- wärtige» Amt besucht hat oder irgendeine Note von 3 oder 12 Ministern geprüft wurde oder ob aus getauschte Schriftstücke länger oder kürzer gehalten waren. Das scheint in den Tagen ernster Krisen so nebensächlich wie möglich, doch wir ver- zeichnen solche Dinge, weil sie einen Teil der tröst- losen Lage darstellen, weil sie trotz ihrer Bedeutungs losigkeit einen Faktor bedeuten in dem eigenartigen Gemisch von verschwommener Hoffnung, ernster An strengung und Nichtigkeiten, die heute in der Lage sind, das Schicksal der Völker zu bestimmen/ Zu den Vorwürfen der profranzösischen Organe, die englische Politik sei nur geeignet, Deutschland wieder konkurrenzfähig zu machen, schreibt das Blatt: „Die englische Politik geht jetzt von dem Ge danken au», daß niemand, weder Frankreich noch Irgendein anderes Land, von einer Katastrophe in Deutschland Nutzen haben würde. Cs handelt sich hier nicht mehr um die Frage, diesen oder jenen Zweig der englischen Industrie gegen den Wett bewerb zu schützen, sondern um den Verfall Deutschlands infolge schwerer innerer Wirren. Der Einfluß diese» Lande» gemeinsam mit Rußland und China in einem breiten kontinentalen Gürtel sozialer und wirtschaftlicher Auflösung, würde eine schwere Bedrohung de» wirtschaft lichen Gleichgewicht» der ganzen Welt bedeuten/ Curzon fährt nach Parks? London, 27. Juli. (L i g. Te l.) Der amerikanische Staat»sekretär Mellon wird da» Ende der folgen den Woche mit Baldwin in Lhequer» verbringen, um offiziell die Fühlungnahme der amerikanischen Regierung zu dem englischen Reparationsschriststück mit dem Premierminister zu erörtern. Eine Nach richten-Agentur meldet ferner au» Pari», daß Lord Curzon wahrscheinlich in der nächsten Woche mit Poinearß und Theunt» in Pari» zu Be sprechungen in der Reparation»frage zusammen- Irrsten wird. Der meist von Lord Cecil informierte diplo- matisch« Berichterstatter der Daily New» meldet, daß im englischen Kabinett nach wie vor «ine Mehrheit vorhanden ist, die «in» baldige Aufnahme Deutsch lands in den Völkerbund für erforderlich hält, und di, «ünscht, daß die deutsche Regierung bereit» jetzt derartige Anträge stellt. Zn englischen Regierungs kreisen hegt man dir Absicht, daß nach wie vor, wenn eine Einigung mit Frankreich nicht erzielt werden könne, Ruhrkonflikt und Reparationsfrage auf Grund de» A 11 der Bölkerbundssatzungea de» Völkerbunds- rat zur weiteren Behandlung unterbreitet werde«. poinearH stellt Gegenfragen Park«, 27. Juli. Eine Havasnote teilt mit: Die französische und die belgische Negierung beende- ten ihren Meinungsaustausch über dir britische Reparatiorwnote. Beide Regierungen sind vollkommen einig, die Verhandlungen mit Deutsch land nur nach Einstellung des passiven Widerstande» aufzunehmen und das Ruhrgebiet nur nach ge nügender Zahlungsleistung durch Deutschland zu räumen. Der endgültige Wortlaut der Note wird wahrscheinlich am Sonnabend abend fertiggestellt und am Moatag in London überreicht werden. Poincars hat den Antwortentwurf für Frankreich, Iaspar den für Belgien aufgesetzt. Di» beiden Minister haben ihre Text« ausgetauscht und ebenso die Bemerkungen, die sie glauben formulieren zu müssen. Poincarö begibt sich heute für drei Tage zur Erholung auf seinen Landsitz. Der Matin macht über den Inhalt der französisch-belgischen Antwort an London die Angabe, es handele sich nicht nur um den Gegencntwurf einer Antwort an Deutsch- land, sondern die Note umfasse auch einig« Bemer- kungen zu dem englischen Text und zu Frankreichs Antwort auf das englische Memorandum, das den englischen Text begleitete. Die Rollen scheinen diesmal etwas vertauscht, da Poinearä sich diesmal nicht damit begnügt, zu antworten, sondern auch Fragen stelle. Das englische Memorandum habe nämlich sowohl über die augenblickliche Lage im Ruhrgebiet, als auch über die Frage der deutschen Schuld und der Zahlungsgarantien gewisse Ge danken ausgesprochen, über die man nähere An- gaben und Erläuterungen wünscht. Minkfterwechsek kn Brüssel Par?», 26. Juli. (Eig. Tel.) Eine halbamt liche Brüsseler Meldung bestätigt, daß der liberale Abgeordnete Devöze vom Kriegsministerposten zurücktritt und im Kabinett voraussichtlich durch den liberalen Abgeordneten Forthomme ersetzt wird. Der Rücktritt de» Kriegsministers war bereits bei der Neubildung des Kabinett» Theunis ange kündigt worden. An Stelle von Dcmelmans ist der bisherige Kabinettschef des Ministerpräsidenten Theunis, Ca m i l l o Gütt, zum zweiten Delegierten Belgiens in der Reparationskommifsion ernannt worden. * In Pariser parlamentarischen Kreisen wird ver sichert, daß die wiederholt angekündigte Umbil dung des Kabinett» PoincarL für den Wiederbeginn der parlamentarischen Verhandlungen nach den Sommerferien mit Bestimmtheit zu erwar- ten ist. Der Iustizminister Colrat wird als Nach folger Ionnarts Botschafter beim Vatikan. An seine Stelle tritt Mannoury, der wieder durch den Kriegsministcr Magi not, ein markanter Ver treter der Wahlpolitik des sogenannten „natio nalen Blocks", im Innenministerium ersetzt wird. Al, Kriegsminister ist, wie wir hören, der elsässische Senator General a. D. Bourgeois in Aussicht genommen. Amerika, das Beispiel für Europa London, 27. Juli. Harding erklärte in einer Rede, die er in Vancouver hielt: Wenn die Europäer die Lehre, die ihnen Kanada und die Vereinigten Staaten gaben, beachteten, dann würden sie auf ihre ständigen Meinungsverschiedenheiten verzichten. In Nord- amerika lebt man seit mehr al» einem Jahrhundert unter verschiedenen Fahnen; da» ist ein Beispiel, daß der Frieden ohne Rücksicht auf irgendwelche Meinungsverschiedenheiten immer gewahrt werden kann, wenn die Menschen ihn zu wahren wünschen. New Park, 26. Juli. (Eig. Funkspruch.) „Die wirtschaftliche Rettung Amerika» hängt von der Stabilisierung der Lage in Europa ab/ So er klärte Senator Underwood in einer Rede, die er gestern in einem Klub nach seiner Rückkehr aus Europa hielt. Er wies aus das Sinken der Weizcn- und Baumwollpreise hin und erklärte u. a.: Um ab setzen zu können, was wir produzieren, muß di» Hälfte der Weizen und ein Drittel der Baumwoll produktion nach Europa exportiert werden können. Man kann das Gesetz von Angebot und Nachfrage nicht ausschalten, wenn man das Gleichgewicht in der Wirtchaftslage Herstellen will. Senator Under wood, der einer der bekanntesten Kandidaten für die kommende Präsidentschaftswahl ist und der demo kratischen Partei angehört, schloß mit den Worten: Auf den Schlachtfeldern von Frankreich hat die amerikanische Jugend das Ihrige getan, deshalb darf in dieser für die ganze Welt so kritischen Zeit die amerikanische Industrie und Handelswelt nicht ver sagen. Meine politische Nachrichten Der kleinste Zeichnungsantetl der wert- beständigen Reichsanleihe wird voraussichtlich nicht auf den Gegenwert von 2 Dollar» -- 8,4 Gold mark, sondern auf 4/L Doldmark festgesetzt werden. * Die Steuervorlagen, die dem Reichskabi- nctt nunmehr zugegangen find, setzen sich zusammen au» einer Erhöhung der Vermögens- und Erbschafts steuer, einer Erhöhung der Vorauszahlung auf die Einkommen- und Körperschaftssteuer, sowie einer Er höhung der Ausfuhrabgab». * Nach der Agenc« Hava» beläuft sich in Frank reich d«r Ertrag der indirekten Steuern und Staatsmonopole für Juni auf 13VS 2S0 006 Franken. Die Mehreinnahm« gegenüber den Schatzungs ziffern de» Budget» betragt SS 241560 Franken, die Erhöhung gegen den Ertrag de» Juni 1921 174 718 060 Franken. * Di« neuen Frachttarif, der ungarischen Staat»' bahnen, deren lOOprvzentige Erhöhung am Mitt woch in Kraft getreten ist, hatten eine außer- ordentliche Stetgeruna sämtlicher Leben»mrttrlpretse in Ungarn im Ge folge. Massen von ungarischen Lebensmitteln werden numnehr noch Oesterreich ausgesützr^ wo jeder verlangte Preis gezahlt »trd. Der letzt» Sproß aus dem Hause Kos- suth, der verstorben« Lisenbahn-Direktor Ludwig Theodor Kossuth, wurde in Budapest unter Teil nahme einer vieltausendköpfigen Menge und im Bei sein von Vertretern der Regierung und der Behörden im Koffstttz-Mausoleüm beigesetzt. He Wie aus Belgrad gemeldet wird, beschloß die Skupschtina, doch noch einige Abgeordnete, unter ihnen auch Raditsch, wegen Pressevergchens den Gerichten auszulicfern. Die Skupschtina vrrtagre sich darauf bis zum 20. September. Vie Vevisennot im Lebensmittelhandel Dresden, 26. Juli. (Eig. Tel.) Die Nach' richtcnstelle der Staatskanzlei schreibt u. a.: Die Fest- setzung eines amtlichen Zwangskurscs für Devisen, der weit unter dem wirtlichen Auslandskurs steht, kann nicht länger aufrecht erhalten werden. In Sachsen wirken sich die Folgen dieser Devisen verordnung am s ch l (yr m st c g auf dem Lebcnsmittelmarkte aus, so daß die Gefahr besteht, daß ein Lebensmittelmangcl schwerster Art eintretcn kann, wenn nicht dem Lebensmittelhandel mehr Devisen als bisher zur Verfügung gestellt werden können. Aus diesem Grunde hat der sächsische Wirt schuftsminister Fellisch am vorigen Diens tag sowohl mit dem RcichLwirtschaftLminister Dr. Decker, als auch mit dem Präsidenten der Reichsbank v. Havenstein in Berlin verhandelt. Als Resultat der Besprechung kann festgestcllt werden, daß sich die maßgebenden Stellen in Berlin der Berechtigung der Vorstellungen des sächsischen Wirtschaftsministcrs nicht entzogen haben, sondern in Aussicht stell- ten, auf rascheste Weise den Bedürfnissen des Handels und der Güterproduktion Rechnung zu tragen, so weit cs unter den gegebenen Umstände» überhaupt möglich ist. Eine wesentliche Lockerung der bisher geltenden Bestimmungen ist inzwischen bereits erfolgt. Es darf angenommen werden, daß man sich auch beim Reiche davon überzeugt hat, daß die Zwangs maßnahmen, die die letzte Dcvisenverordnung ge bracht hat, keine geeigneten Mittel sind, die Schäden, denen man entgegcnw.rken wollte, zu beseitigen oder zu mildern. Es besteht im Gegenteil die Gefahr, daß durch eine allzu geringe Zuteilung von Devisen, besonders auf dem Lebcnsmittelmarkte, eine Waren- knappheit eintreten kann, die so groß wird, daß sie zu einer Verteuerung der wichtigsten Lebensmittel und Bedarfsgegenstände führt, weil die Nachfrage das Angebot außerordentlich übersteigt. Will man den vielen Schäden unserer Wirtschastsorganismen wirksam beikommen, so wird man andere Mittel wählen und andere Wege beschreiten müssen. Wrrtzuwachssteuer und Geldentwertung Dresden, 27. Juli. (Eig. Te l.) Ls war bisher zweifelhaft, ob bei der Berechnung der Wertzuwachs- steuer der Geldentwertung Rechnung zu tragen sei. Nunmehr hat das Gesetz zur Aendcrung des Landes st euergesetzes die Frage geklärt. Werden von den Löudcrn und Gemeinden Steuern vom Wertzuwachs beim llebcrgang des E gcntumo an Grundstücken erhoben, so bildet zur Feststellung des steuerbaren Wertzuwachses bei den Erwerbs- und Verkaufspreisen die innere Kaufkraft der Mark an beiden Zeitpunkten die Grundlage der Wert bemessung. Die Geldentwertung ist also gebührend zu berücksichtigen. Erhöhung -er VergarbeiterlShne Berlin, 26. Juli. (Eig. Tel.) Die gestrigen Verhandlungen im Neichsarbcitsministerium führten in freier Vereinbarung zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern zu folgender Lohnregelung für die Stein- und Draunkohlenreviere der Ruhr, Ober- schlcsiens, Aachens, Sachsens, Niederschlcsiene, Jbbenbührens, Niedersachsens, Mitteldeutschlands, Kölns, Dürens und Bayerns: Die bis zum 22. Juli vereinbarten Schicht- löhne werden für die Woche vom 2?,. Juli bis 1. August um 70 Prozent (an Stelle der am 16. Juli vereinbarten 30 Prozent) erhöht. Als Aus baulöhne für die Lohnregelung ab 2. August gelten die um 40 Prozent erhöhten Löhne, wie sie nach der Vereinbarung vom 1. Juli ab 23. Juli in Kraft treten sollten. Die Soziallöhne werden entsprechend erhöht. Mit dieser Neuregelung der Dergurbeiterlöhne dürfte auch der Streik, der inzwischen im Zwickauer und Oelsnitz-Lugauer Re vier ausgebrochen ist, seine baldige Beendi gung finden, um so mehr, al» für Sachsen in An betracht der dort herrschenden außerordentlichen Teuerung bereits vor der eigentlichen Lohnverhand lung eine besondere Abgeltnngszulage bewilligt war- den war. Die streikenden Bergarbeiter hatten die Auszahlung einer einmaligen Wirtschaftsbeihilfe von 500 000 .tt verlangt. Die Verhandlungen über die wertbeständi gen Dergarbeit er löhne sind bis zur nächsten Woche vertagt worden. Verhaftungen in der Mordsache Haas Frankfurt a. M., 27. Juli. (Eig. Tel.) Die Polizei in Friedberg hat im Zusammenhang mit der Untersuchung der Ermordung des Staatsanwalt- schaftsrats Dr. Haas einen Mann verhaftet, an dessen Kleidern sich Blutspuren befanden. Di« Polizei glaubt damit einen der Haupttöter des Morde« sestgenommen zu haben. L» handelt sich nm einen Arbeiter namen» Veith, der sich seiner Heldentaten gerühmt und dadurch verraten hatte. Er wurde nach Frankfurt gebracht. Auch in Frank furt selbst wurden mehrere nene Verhaftungen vor genommen. Weiter wurde ein ehemaliger Hilfspolizist verhaftet, der zugab, die zwei Schüsse ebgefeuert zu haben, welche die wütend« Volksmenge zum Vor gehen gegen Dr. Haas aufreizte. SwSlf Milliarden Kaution Berlin, 27. Juli. (Eig. Tel.) Aus Antrag seine» Verteidiger», Rechtsanwalt Dr. Alsberg, ist Kommerzienrat Litwln von der Eoaporatorgesell- schäft, der wegen eine« Verstoße» gegen die Devisen- ordnung feftgenommen worden war, heute gegen Stellung einer Kaution von 12 Milliarden Mark au» der Haft entlassen vordem Rach den di»hertaen Ermittelungen liegt ein Fluchtverdacht gegen Kommerzienrat Litwin nicht vor. Bouuslreua, Üeu 28. Jull Line Hochburg * der EhrhardtaLsute Dr« Verhaftungen !r» Gernrod« lieber die Verhaftung de» Ehepaare» von dem Bus,ch*-Loha in dem Hartzftudtchen G e r n r o d e hatten wir außer einer kurzen Meldung weiter keine Notiz gegeben, weil sonst, wie uns von zu ständiger Stelle bedeutet wurde, der Gang der Untersuchung gestört worden wäre. Inzwischen sind aber die neuen Untersuchungen zu einem gewiss.'» Stillstand gekommen, so daß wir nunmehr folgende Einzelheiten zu der Aufdeckung des Verschwörernestes in Gernrode mitteilen können: Am Sonntag abend kehrten Leipziger Kriminal beamte, die sich in München auf der Suche »ach einer Spur des flüchtigen Ehrhardt aufgchalten hatten, nach Leipzig zurück. Das Ergebnis der Reise war, daß die Kriminalpolizei Kenntnis von der Adresse eines Freiherrn von dem Bussche in Gernrode erhielt. In welchem Zusammenhang dieser Freiherr mit der Ehrhardt-Asfare stand, war freilich noch unbekannt. Das enthüllte erst die Festnahme des Frciherrn, d'e am Montag durch Leipziger Krim.nalpolizisttn er folgte. Von dem Bussche und seine Fran wurden noch am gleichen Tage unter polizeilicher Bewachung nach Aschersleben gebracht. Dort wurden sie in (in.n Kraftwagen, der aus Leipzig herübergefchictt war, «mtranvportiert und «och in der Stacht in da» Leipziger Untersuchungsgefängnis übergeführt. Di« Haussuchung in der Lernroder Villa des Freiherrn von dem Bussche war äußerst er folgreich. Sie förderte einen vollständigen Plan für Ehrhardts Flucht zutage. Auf fünf Papier» brgen war eine Skizze der Gefangenanstalt mit allen Einzelheiten niederaelegt. Jede noch so kleine Raum länge, jedes Schlüsselloch waren aufs genaueste an. gegeben, was darauf schließen läßt, daß Ehrhardt seit Beginn seines Aufenthalts im Gefängnis s i ch intensiv mit den O e r t l i ch k e i t e n be faßte, scharf beobachtete und von diesen Beobach tungen seine Besucher in Kenntnis setzte, die ja nur schwach von den Aufsichtsbeamten kontrolliert wur de,'. Außer dem Fluchtplan kamen noch zahlreiche Nctizen zum Vorschein, die in der Hauptsache Adressen von M i t v e r s ch w o r e n e n ent hielten. Die Verhaftung des Ehepaares von dem Bussche selbst vollzog sich in dramatischer Weise. Bei der Durchsuchung der Villa des Freiherr« durch einen Berliner Kriminalbeamten wurden im Schlafzimmer unter dem Kopfkissen des Bettes eine ganze Anzahl von Altenstücken und Papieren gefunden, dec bei flüchtig'-. Durchsicht sofort einen Zusammenhang mit dem Fall Ehrbardt ergaben. Von dem Bussche leistete bei der Festnahme heftigen Widerstand, in dessen Ber- laus die Freifrau dem Beamten eines der beschlag nahmten Schriftstücke aus der Hand riß. es blitzschnell »usammenknülltc und, ehe der überraschte Beamte cs bindern konnte, hinunterschlucktc. Auf die Hilferufe des Kriminalbeamten eilte nun der Polizeiwache meister herbei, mit dessen Unterstützung das Ehepaar zunächst nach dem Rathaus Gernrode gebracht und dort festgesetzt wurde. Die bisherigen Ergebnisse lassen keinen Zweifel darüber, daß die Villa des Frecheren von dem Bussche eine Hochburg der Ehrhavdt- Bewegung in Mitteldeutschland ist, die nur des halb bis jetzt unentdcckt bleiben konnte, weil sie in dem stillen, vom großen Verkehr kaum berührten Harzstädtchen yele->'n ist. Unter Führung eines bekannten „Spezialist:,/ der Abteilung lä. des Ber liner Polizeipräsidiums sind setzt eine Reihe von Kriminalbeamten damit beschäftigt, die seit der Ver haftung des Ehepaares polizeilich geschlossenen Wohn- räume gründlichst zu durchsuchen, da inan noch mit weiteren, interessanten Funden rechnet, die Aufschlüsse über die Tätigkeit der Anhänger Ehrhardts geben können. Von dem Bussche hat in dem einen Jahre, das er fetzt in der von ihm nur gemieteten Villa des Rentiers Deidemann in Gernrode zugebracht hat, in der dortigen Bürgerschaft keinerlei Verkehr gepflogen und sich von allen geselligen Deranstaltun- aen der kleinen Stadt ziemlich zurückgehalten. Dosü-- hat er aber außerordentlich oft Besuch von auswärts empfangen, öfters mehrere Herren zugleich, die mit- unter mehrere Tage in der Villa wohnten, ohne sich auf der Polizei anzumclden. Da es sich immer nur um vorübergehende Besuche handelte, fiel ihr Kommen und Gehen nicht weiter auf. Besonders oft sollen H-rren aus dem besetzten Rheinland bei Bussch" "r- schienen st in. Man nimmt an, daß es sich bei diesen Besuchen um verabredete Zusammenkünfte der Ehr hardt-Anhänger gehandelt hat. Dar Urteil gegen puttkamer München, 27. Juli. (Eig. Tel.) Der Prozeß des Volksgerichts fand gestern seinen Abschluß. In der Verhandlung gab der Angeklagte dcn Tatbestand im wesentlichen als richtig zu, erklärte aber, es sei ihm darum zu tun gewesen, das Attentat auf Scheidemann zu verhindern. Der Staatsanwalt beantragte acht Monate Gefängnis, der Verteidiger Freisprechung. Das einstimmig gefaßte Urteil geht dahin, den Angeklagten des Vergehens der Aufforderung zum Mord in Tateinheit mit dem Vergehen der Aufforde rung zur Gewalttätigkeit gegenüber einem Regie- rnngsmitglied schuldig»» fprechen. Er wurde zu einer Gefängnis st rase von acht Monaten und einer Geldstrafe von 500 000 sowie zur Tra gung der Kosten verurteilt. Au» der Urteilsbegrün- düng ist hervorzubebcn, daß da» Gericht anrummt, Puttkamer habe die Dinge auf die Spitze getrieben und dadurch das Leben Scheidemann« gefährdet. Er hätte die Münchner Polizei verständigen müssen, die »weifellov durchgegriffen hätte. Weiter unterstreicht das Gericht, daß auch der Staatskommiffar in Berlin es unterlassen habe, die Polizeibehörden in München und Aug»burg, wo Scheidemann sich in der kritischen Zeit aushielt, zu verständigen. Vie Beschwerden der Dresdner Erwerbslosen Dresden, 27. Juli. (Eig. Te I.) Da» Presseamt de» Polizeipräsidium» teilt folgende» mit: Ain 26. Juli nahm eine Vertretung der revolutivnä- ren und radikalen Erwerbslosen in einer Beschwerde beim Polizeipräsi dium gegen da» vom Polizeipräsidium mitgeteilte gewaltsame Borgehen durch fie Stellung, verwahrte sich nachdrücklich dagegen und erklärte, daß fie mit solchen Bestrebungen nicht» gemein habe. Sie würde» gegen solch« Verleumdungen vorgehen. Al» Nachfolger Worowski» wurde Jordan- skiker zum Vertreter de» Sowjetbundc» ia Rom ernannt. Er ist nach Rom abgereiL "
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