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Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 27.07.1923
- Erscheinungsdatum
- 1923-07-27
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-192307274
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-19230727
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-19230727
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1923
-
Monat
1923-07
- Tag 1923-07-27
-
Monat
1923-07
-
Jahr
1923
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Lette 4 V». 17» l-slpLlger HgedliM imä ttLlläelsreHuog krellsg, 6ea 27. JuU Unsere Diplomaten Für die nach dem Kriege noch gesteigerte Findig keit der deutschen Diplomatie bietet folgender Fall ein besonder» krasses Beispiel. Der Musketier Ro bert Hake aus Thallebcn am Kyffhäuser vom In- santerierrcgimcnt 167 wurde im November 1914 von den Russen gefangen und ist bi» -um heutigen Tage noch nicht in die Heimat zurück gelehrt. Wohl aber steht Hake mit seinen Ange hörigen in Deutschland in steter Korrespondenz. Nachrichten aus Deutschland erreichten ihn bi» zu seiner letzten Nachricht aus Rußland überraschend schnell und H. teilte in jedem Schreiben mit, daß er, obwohl cs ihm gut gehe und er bet einem ihm wohlgesinnten Bauern im Dienste stände, außer ordentlich große Sehnsucht habe, nach Deutschland -urllckzukehren, da er keinen Pfennig Geld habe und auch sein Herr nicht soviel aufbringen könne, um ihn in die Heimat zurückzusenden. Die Mutter Hakes wandte sich darauf an das Auswärtige Amt mit der Bitte, dieses möge veranlassen, daß ihr Sohn, der in dem Dorfe Sunegcnboda bei Tschern im Gouvernement Tula weile, möglichst bald nach Deutschland zurückkehren könne. Darauf ging vom Berliner Auswärtigen Amt die Abschrift eines Schreibens der deutschen Botschaft in Moskau ein, in dem mitgeteilt wurde, daß der Ort, in dem Hake weilen solle, für die deutsche Botschaft unauffindbar sei! Außer dem sei das Gouvernement Tula bereits 1918 von allen sich meldenden Kriegsgefangenen restlos ver lassen worden. Auch die 1919 nach dem Tulaschen Gouvernement verschickten Zivil- und Kriegs gefangenen seien im Jahre 1920 restlos auf Reichs- kosten in die Heimat abbefördert worden. Außer dem habe bis zum Herbst vorigen Jahres die Mög lichkeit bestanden, sich einer Heimkehrergruppe kostenlos anzuschließen. Ehe eine Heimschaffung auf Reichskosten erfolgen könne, wäre daher weisungs gemäß noch festzustellen, ob Hake, der noch gar nicht ermittelt worden ist, schuldlos zurückgeblieben sei. Obwohl die angeforderten Unterlagen darauf nach Berlin umgehend (Mitte April) abgesvndt worden sind, ist bisher noch nichts wieder erfolgt. E» dürfte so ziemlich den Gipfelpunkt diplo matischen Scharfsinnes darstellen, daß ein Kriegs gefangener fortgesetzt Nachrichten von sich sendet, daß Briefe an seine Adresse ihn anstandslos erreichen und daß trotzdem die deutsche Botschaft erklärt, der Ort und der Kriegsgefangene seien nicht aufzufinden. Wenn Hake darauf warten soll, durch die Findig keit der Diplomatie aufgespürt und dann auf Nrlchskosten in die Heimat befördert zu werden, so hat er Aussichten, noch geraume Zeit nach seinem zehnjährigen Gefangenfchastsjubiläum in dem für die deutsche Diplomatie nicht vorhandenen Dorfe des Gouvernements Tula als nicht auffindbarer und daher nicht existierender Kriegsgefangener zu wrklcn. X—I. Prof. Uollmann verunglückt Am Mittwoch nachmittag erlitt der bekannte Leipziger Arzt Pro. Dr. Kollmann einen be dauerlichen Unfall. Degen )42 Uhr wurde er auf dem Weg nach seiner Klinik in der Gohliser Straße von einem Motorrad überfahren. Dabei trug er eine Gehirnerschütterung sowie mehrere Knüchelbrüche davon. Prof. Kollmann, der im 65. Lebensjahr steht, mußte mit einem Krankenauto in seine Wohnung gebracht werden. Da sich in der Nacht zum Donnerstag sein Zustand verschlimmert«, wurde er in die Privatklinik von Dr. Göbel in der Funkenburgstraße übergeführt. * Siu« vergebliche Haussuchung. Mittwoch gegen 5 Uhr nachmittags erschienen in den Räumen des Leipziger Dürgerbunde» in der Leffing- straße fünf Kriminalbeamte, um eine Haussuchung vorzunehmen. Nach einundeinhalbstündiger Durch suchung sämtlicher Dureaumöbel nach ihrem Inhalt, zogen die Beamten wieder unverrichtetersache ab. Im V-Zug Leipzig—Dresden bestohlen. Vermut- lich durch internationale v-gugdiebe bestohlen wurde während der Fahrt im O-Zug von Leipzig nach Dres den ein Reisender. Der Schaden beträgt sechzehn Millionen Mark. Bet der Schwarzfahrt getötet. Im Auto eine« Chemnitzer Fabrikanten, der sich zurzeit im Bade befindet, unternahm ein Chauffeur eine schwarze Fahrt von Chemnitz nach Waldheim. Auf der Rückfahrt stürzte da» in einer Kurve bei Alt- geringswalde scharf gebremste Auto über einen Sandhaufen in den Straßengraben. Die Insassen wurden sämtlich verletzt. Einer davon, der Naturheilkundige En dl er au» Chemnitz, erlitt so schwere innere Verletzungen, daß er alsbald starb. Bier Knaben in der Sandgrube verschüttet. In Goßaga in Thüringen wurden seit Diens tag abend vier Knaben vermißt. Man suchte die ganze Nacht, ohne eine Spur von ihnen zu entdecken. Am Mittwoch erfuhr man durch einen Gutsbesitzer, daß ein kleiner Wagen, deu die Knaben mit sich geführt geführt hatten, in einer Sandgrube vor dem Ort stünde. Man eilte dorthin und fand neben dem Wagen Sandmassen. Die Sandmafsen wurden sofort beseitigt, und e» wurden die vier Leichen der Knaben gefunden. Sie hatten sich in der Wand eine Höhle geschaufelt, die zusammen gebrochen war. Mit Weib und Kind in den Tod. Kinder vom Blankeneser Pflegeheim fanden im Walde des Falkenstein» drei Personen in schwerverletztem Zustande. E« handelt sich um den Kaufmann Elias Haddach, Türke oder Grieche, aus Beirut, dessen Frau und einjährige Tochter. Die Familie wohnte zuletzt in Hamburg. Bei Haddach fand sich ein Zettel folgenden Inhalts: .Durch Familien verhältnisse gezwungen, begehen wir Selbstmord, wir ziehen den Tod einem bitteren Leben vor." Andenken au München. Das Münchener Hof- bräuhau» hat durch die Fremdeninvasion einen — schaden von 72 Millionen Mark dadurch erlitten, daß viele Fremde sich einen Maßkrug -um .An denken" Mitnahmen. Bisher wurden nicht weniger 5000 Originalmaßkrüge gestohlen, wo von da» Stück jetzt etwa 15 000 Mark kostet. Ferner verschwanden 480 Paar Eßbestecke und etwa 1000 Dessertteller al» Andenken. Da» Hofbrauhau» scheint jedoch für diese .Anhänglichkeit" kein — Verständnis zu haben, denn es sind dort jetzt Plakate angeschlagen, Vie vor Mitnahme von Maßkrügen warnen und strafrechtliche Verfolgung androhen. Zwei uette Brüder. Am 24. Juli wurden ein ITjähriger Lagerist und ein 20jährig«r Zahntechniker, beide« Brüder und ohne Wohnung, im Hauptbahn hofe wegen verdächtigen Umhertreibens durch einen Kriminal-Deamten nach der Kriminalstelle geführt und dort durchsucht. Zn den Taschen der beiden Brüder wurden silberne Besteck», insgesamt 29 Teile, vorgefunden, die sie einem ihrer Onkel ge stohlen hatten. Im Laufe der Untersuchung stellte es sich herau», daß sie dem Onkel bereit» einig« Tage vorher 6 Besteck» und S Becher au» Silber gestohlen und für 3 600 000 verkauft hatten. Auch einem anderen Verwandten hatten sie 2 silberne Becher ent wendet und für 400 000 verkauft. Den Erlös, insgesamt 4 Mill, ^t, hatten sie bereit» verbraucht. Ls gelang jedoch, sämtlich« Gegenstände von den Käufern wiederzuerlangen. Da gestohlene Gegen stände nicht käuflich find, werden jene Aufläufer den Schaden haben. .Die schwarze Hand." In Essen find vier Mit. g lieber einer Verbrecherband«, die au» etwa zwanzig Mann bestand und die besonder» den Stadtteil Segeroth unsicher gemacht hatte, verhaftet worden. Die Mitglieder dieser Derbrecherbande, die sich .Schwarze Hand" bezeichneten, waren mit Waffen versehen und Haden zahlreiche Ueberfälle auf Passau- ten verübt. Sie bildeten den Schrecken de« ganzen Stadtteil». Wie sich jetzt herausgestellt hat, bezogen die Mitglieder dieser Bande Lrwerbslosenunter- stützung. — In der vergangenen Nacht durchbrochen Einbrecher in Frankfurt a. M. die Mauer zu einem Goldwarengeschäft und entwendeten Schmucksacheu im Werte von 8 Milliarden Mark. Aufgeklärter Schlotzeiubruch. Der Breslauer Kriminalpolizei gelang die Aufdeckung eine» großen Einbruch» auf einem Schloß im Kreise Grottkau, bei dem Gold- und Silberschätze im Werte von 800 Mil lionen Mark gestohlen wurden. Rach zehn Tagen erst wandte sich der Besitzer an die Breslauer Krimi- nalpoltzei, die zwei Beamte an den Tatort entsandte. Die Beamten stellten alsbald fest, daß. entgegen der früheren Annahme, von der Ausführung de» Lin- bruch» durch einen bekannten Besitzer am Orte, auf den ein Polizeihund die Spur hingelenkt hatte, nur ein Angestellter in Frage kommen könnte. Mittel» eines anonymen Briefe» an den Schloßbesitzer, der ihn aufforderte, den Täter weiter in der vom Polizei hund angezcigten Spur zu suchen, gelang es, den Inspektor als Täter festzu st eilen. Nach anfänglichem Leugnen gab dieser die Tat endlich zu, verschwieg aber den Verbleib de« Diebesgutes. Erst, als er die Beamten an vier verschiedenen Stellen hatte suchen und teilweise in hartem Erdreich mühsam nachgraben lassen, gab er die Richtung des Verstecks an. Die leeren Etui» fand man in einem zwei Kilometer vom Tatort entfernten Haferfeld, den Goldschatz aber noch 1)j Kilometer weiter in einer im hohen Korn verborgenen Milchkanne. Un weit davon hatte der Dieb die geraubten Silber- fachen vergraben. Li« Kleeblatt gepflückt. Bei einem Riesen einbruch in Berlin wurden zwei Galizier und ein Kutscher ertappt und festgenommen. Die edlen Drei hatten zur Nachtzeit in dem Geschäft von Lischmann in der Dircksenstraße 47 gründlich aufgeräumt und für 500 Millionen Mark Stoffe wohl verpackt. Al» sie dabei waren, ihre große Beute auf ein bereitgehaltene» Fuhrwerk zu laden, wurden sie überrascht und ergriffen. Großer Hoteldiebstahl in Berlin. Ein Hoteldirb- stahl beschäftigt wieder die Berliner Kriminalpolizei. In einem Hotel in der Gegend de» Pots damer Platzes schlich sich in Abwesenheit de» Gaste» am Hellen Tage ein Dieb ein und schloß die Tür hinter sich ab. Der Dieb hat Damen kostüme und Wäsche, ein schwarzes Crdpekleid, einen rotseidenen japanischen Kimono, einen CrLpc- de-Chine-Schal, einen Seidenmantel, einen Zobel pelz, ein gelbledernes, mit schottischer Seide ge- fütterte» Necessaire mit Einrichtung, viele seidene Damenwäsche usw. gestohlen, alle» in allem für 80 Millionen Mark. Die Bestohlene setzt auf die Wiederherbeischaffung eine Belohnung von 5 Mil lionen Mark au». Gespannte Lohnverhaubluugeu in Essen. Line von 7000 Angestellten der Essener Eisenindustrie be suchte Versammlung richtete nach dem Scheitern der Geyaltsverhandlungen eine Kundgebung an den Reichskanzler, worin es u. a. heißt: Die Angestellten der nordwestdeutschen Gruppe der Metallindustrie mißbilligen die immer mehr ins Elend führende Politik der Reichsregierung, die den Arbeitgebern der Großindustrie Gelegenheit gibt, ihren Verpflichtungen den Angestellten gegenüber sich zu entziehen. — Die Gehaltsverhandlungen für die Angestellten de» Ruhrbergbaus find ebenfalls ge scheitert, so daß auch hier ein Schiedsspruch herbei geführt werden muß. Eine halbe Million Tagelahu im Hamburger Haft». Nach dem Schiedsspruch de« Schlicktungs- ausschusses wurden den im Hamburger Hafen be- schäftigten Arbeitern für die Zeit vom 29. Juli bis 4. August eine Lohnzulage von 150 000 Mark und für die Zeit vom 5. bis 11. August eine weitere Zu- läge von 125000 Mark für den Tag zugesprochen. Ai der jetzige Tageslohn der Hafenarbeiter 225 000 Mark beträgt, so wird für die Zeit vom 5. bi» 11. August der Tageslohn eine halbe Million betragen. Ein deutscher Dampfer tu Archarmel beschlag- nahmt. Der in Archangel eingelaufene deutsche Dampfer „Merkur", der früher der russischen staat lichen Nordischen Reederei unter dem Namen „Peter Berg" gekörte und von der Entente später an Deutschland verkauft wurde, ist aus Anordnung der Moskauer Zentralbehörden al» Eigentum Sowjet- rußlands erklärt und beschlagnahmt sowie der Nordischen Reederei übergeben worden. Ausgebrocheu« Irre. Der New York Herald meldet, daß aus einem Irrenhaus« in Illinois 26 Irrsinnige ausgebrochen sind. Sie töteten einen Wärter und verletzten eine Reihe von Personen schwer. Die Bevölkerung ist in außerordentlicher Erregung. Vie Relchsindexzifler Die Reichsindexziffer für die Lebenshaltungs kosten stellt sich nach den Berechnungen dr» Stattsti schen Reichsamt» für den 23. Juli 1923 auf 39 336 (1913/14 gleich 1). Die Steigerung gegenüber der Vorwoche (28 892) beträgt somit 36^ Prozent, Der Einbruch in bas Wilhelm-paleis Der zweimalige Diebstahl im Palais Kaiser Wil- Helms I. in Berlin ist aufgeklärt. Der Dieb wurde in der Person des 20jährigea Gelegen, heitsarbeiters Westhuse verhaftet. Westhuse hat die beiden Einbrüche eingestanden und erklärt, daß er nur durch seine Festnahme verhindert worden sei, einen für gestern abend geplanten dritten Einbruch zu verüben. Mit 1'/, Milliarden flüchtig Der 31 Jahre alte Münchener Bank beamte Josef Stubenrauch ist nach Unterschlagung von 1H Milliarden in Devisen flüchtig geworden. Er hatte sich vorher einen Reisepaß und eine Schiffs karte nach Cleveland besorgt und war hier erst kurze Zett bei einem Bankhause tätig. Massenerkraukungen. In Eschwege erkrank ten 18 Familien unter Vergiftungserschei nungen. Sie hatten sämtlich vorher Pferde fleisch gegessen. Di« Zarentochter al« Liedersäugeriu. In diesen Tagen wird di« Prinzessin Katharina Iur ie wska im Londoner Colosseum zum ersten Male als Polksliedcrsängerin auftreten. Die Prinzessin ist das jüngste Kind Alexanders H,, des russischen Zaren, der im Jahre 1881, kurz nach der Geburt dieser Tochter, ermordet wurde. Geschäft-Verkehr 4. Internationale Reichen Verger Mess«. Da« Stadt bild Retchenberg» ist noch unverändert, aber schon zahl reich« Unternehmungen sind in deu Dienst der Mess« ge treten. der ihr« Kräfte Von Tag zu Tag intensiver in Anspruch nimmt, um sich ihrer schltetzlich in den letzten Bormetztagen nahezu vollständig zu bemächtigen und sie so zu Hilfsstellen des Messeamtes zu machen. Da sind «Spediteure, Baumeisterstrmen, Druckereien. Versicherungs anstalten, Tischler, Schriftenmaler, Gastwirt« und «ine grotze Anzahl anderer Gewerbetreibender und Hilfs arbeiter. Auch in den Aeantern und bei den Behörden wächst di« Metzaaenda erstaunlich. Post und Eisenbahn. Zoll» und AubenhaitdelSamt, Polizei und Finanzdehörde müssen geradezu einen eigenen Messedtenst einrtchten. Di« ersten Metzgüter rollen bereits an. Für den um fangreichen Mrtzgüterdienst wird wiederum ein eigenes MessespedttionSbureau aufgestellt. Im Interesse d«r Lin- und Ausfuhr ausländischer Messegüter wurde das Zoll- vormettverfahren bewilligt. So baut sich der gewaltige Apparat der in drei Wochen Messeverkehr und Metzhandel regeln und fördern soll, systematisch auS. Wettervoraussage für Freitag, de» 27. Ami: Zunächst etwas Besserung-, zeitweise aufheiternd, etwas Lärmer, ohne nennenswerte Niederschlage. Das postabonnement für August 1923 sofort erneuern, damit in der Zustellung der Zeitung keine Unterbrechung eintritt. Vas letzte Erlebnis Don Sotttzvln Vielleicht ist es eine Indiskretion, zu schildern, wie die letzten Tag« meines Lebens sich erfüllten — viel leicht erscheint es unmännlich für einen Mann, das sentimentale Bekenntnis seiner letzten Cefiihle auf- zuzeichnen. Doch war alles so absonderlich, was mir geschah, daß ich e» dennoch niederschreiben will. Ich gestehe, ich habe immer eine leise, neidisch« Bewunderung vor jenen Menschen gefühlt, die dr« scheinbar Gefühllosen sind, die ihr Schicksal meistern und über alle Nöte der Zeit als Herrscher trium phieren. Ich sehe Menschen, die angenehm gesättigt scheinen, die gut gekleidet, ohne übertriebene Hast ihre Autos besteigen und d-e sympathische Erinne rung an eine echte Vornehmheit erwecken. Man ver stehe mich nicht falsch: Ich liebe den Komfort wie eine unständige Gesinnung. Ich liebe den Luxus wie eine erhöhte Moral. Dies sind Randbemerkungen im Hin blick auf mein letztes Erlebnis. Ich beschloß, mit einer Lebensbejabung zu schei- den: ich wollte die gesicherte Existenz einmal an mir l'lbst empfinden, ich wollte mein Leben auf wenige Wochen konzentrieren und in dieser kurzen Spanne Zeit den Reichen, den Genießer, den Lebensbezwinger mimen. Zu diesem Zweck« prüfte ich mein bescheidene» Vermögen, setzte es in bare Summe um, verkaufte die wenigen wertvollen Dinge, die ick besaß und ließ mich vom ersten Schneider ausstaffieren. Ich bezog -as erste Hotel der Stadt und spielte vor mir selbst den Fremden. Ich begann bei der Pose. Ich lehnte iw Klub sesseln, ich, der Gestrandete, markierte den Gelandeten. Ich sah viel, Menschen an mir vorübermehen: > chte Reiche, Poseure de» Reichtum« und solche, die mit ihrem Reichtum noch nickt identisch waren. Ick batte Zeit — fünf lauge Wochen der Erfüllung! Ich lebte, al» gehöre mir diese verschwenderische Gegen: wart, während ich keine Zukunft mehr besaß. Mein Zustand barg eine große Spannung und einen ungeheuren Retz. Plötzlich war da» Leben neu, c» öffnete bereitwillig seine Psotten, selbst der Por- tier verneigte sich vor mir in diensteifriger Hoch achtung. Allmählich beschlich mich der Verdacht, daß ich vielleicht dennoch zur Erfüllung geboren sei und mit f der nötigen Energie und Rücksichtslosigkeit heute wirklich der RenschHett» könnt«, de» ich nur mimt«, j Jedoch ich trug mein Todesurteil in der Tasche. Noch wenige Tage, und dies alle» war aus: die Sonne, die hastenden Menschen, die brausenden Straßen, der lärmende Strom der Zeit, den ich so ost verflucht hatte und den ich heute bereits als ein Rückblickender liebte. Kann sein, daß andere, wenn sie den Tod nahen fühlen, sich noch mit jedem Genuß anhäufen wollen wie mit einer üppigen Henkersmahlzett. Ich selbst sehe in dem krankhaften Willen zum Genuß, den unsere Epoche so deutlich verrät, einen Ausdruck des Verfall»; es scheint wie ein Derzweiflungszustand, bei dem jeder bereit ist, den möglichst größten Profit für sich au» dem Kadaver der Zeit noch heraurzuschlagen. Aber ich weiche vom Thema ab: Kaum daß ich da» Hotel betrat und mit ihm den neuen Boden meiner neuen Existenz, fühlte ich, daß da» Leben, dem ich früher vergeben« nachrannte, mich nun umwarb. Ick weiß, daß ich jetzt, da ich niemand beachtete, lebhaft beachtet wurde. Cs waren viele Frauen in diesen Wochen an mir vorübergegangen; sie hatten mich teil» auffällig durch die Lorgnette geprüft, teil« unauffällig mit ihren Blicken gestreift. Eine Dame aber, mit gelben Hand schuhen, sah mich weder dreist noch heimlich an; sie blickt« auf mich zögernd, fragend, staunend: sie hatte etwas Schicksalhaftes. Ich jedoch wollte sie nicht beachten. Der Mann, der ich heute war, schien gewillt, sich an allen Frauen für den Verzicht vieler Jahr« zu rächen. Sie ging nahe an mir vorbei, und ich konstatierte, daß sie hübsch und gut gewachsen, erlesen gekleidet, von sicherer Haltung und in mittleren Jahren war. Sie nahm am Nebenttsche Platz und streifte mit schmalen Fingern die gelben Lederhandschuhe von ihren Händen. Ich fühlte, daß sie mich immer ansah, während ich kein einzige» Mal den Kopf nach ihr wandte. Denn mit ihrem Interesse wuchs meine Opposition. Unsere Planung war nicht im Hotel, sondern in einem j-ner kostspieligen „fashionablen" Restaurant» erfolgt, in dem ich jetzt mit Vorliebe speiste. Zn dem Moment, al» ich mein Hotel betrat, be merkte ich ein Auto, da» auf der anderen Seit« der Straße, schräg gegenüber dem Portal, kielt. Auf dem Fenster de» Wagenschlage« ruhte eine schmale Hand in gelbem Lederhandschuh. — Ich konstatierte diese Tatsache und ignorierte sie. Immerhin beschäftigte mich da» Lrlebni». — Darum eigentlich lehnte ich diese» letzte Abenteuer ab! ? — Noch fünf Tage! — Mein Vermögen aller- dings würde mir vielleicht gestatten, noch wettere fünf Wochen dieses Spiel fortzusetzen — doch wozu! — Sollte ich darum weiterleben, um irgendeiner Frau, die das Pendant zu dem Manne schien, den ich mimte, eine ihrer Kapricen zu erfüllen? — Nein! Ich strich das Erlebnis au« mernem Erinnern. Doch sollte am nächsten Abend da« gleich« Auto mich wiederum geheimnisvoll erwarten. Während ich kühl an dem Wagen vorüberschritt und mein Blick die reglose Hand in dem gelben Lederhandschuh streifte, wußte ich: drei Abende würde die» Auto warten — drei war die Ziffer, genau wie im Märchen. Am dritten Abend regte sich die gelbe Hand, der Wagcnschlag öffnete sich leicht — aber ich hatte mein Leben bereits mit kalter Regie bl» zum Ende ge- lenkt und glaubte nicht mehr an einen Beginn. Die kommende Nacht sah mich schlaflos und nervös. Ich sehnte den nächsten Abend herbei. — Jedoch meine Vermutung war richtig gewesen — da» Auto blieb verschwunden. Jetzt, nachdem das Erlebnis unwiderruflich ver- loren schien, bekam es plötzlich Gestalt, wuchs stünd lich, verfolgte mich, so daß der Ton jeder Autohupe mir quälend in die Ohren schrie und der Anblick jeder gelben Farbe mich höhnend narrte. Ich weiß, daß ich durch die Straßen lief, Hotel» absuchte, vergeblich in dem Restaurant nachforschte, wo mir die Fremde zum ersten Male begegnete. Der Oberkellner glaubte sich jener Dame zu entsinnen. Er lächelte wissend. Aber er wußte nichts Nähere«. — „Scheinbar etwa» Besseres", meinte er diskret vertraulich. Ich bin dann abgereist. Ich vertrug diese Stadt nicht mehr. Ich vertrug keinen Kalender mehr und keine Zahl. Schon war mein Lebenstermin ab gelaufen — ich aber war von der Idee befallen, jene geheimnisvolle Frau wär« meine Rettung gewesen. Ich suchte sie sinnlos in fremden Städten, in fremden Gestalten, ich dachte daran, einen Aufruf durch alle Zeitungen geben zu lassen, ich dachte an ein gelbe» leuchtende» Plakat. E» war gut, daß meine Geldmittel bald erschöpft waren — ich weiß selbst kaum, wie ick in »eine arm selige kleine Wohnung zurückgekehrt bin, die schmutzig und verlassen aussah, al« wär« ich bereit» seit Wochen tot und al« hätten die Erben die wenigen Wert gegenstände daraus entfernt. Im Briefkasten karrten meiner verstaubte Briefe, Einen, von großem Format, mit ausländischer Brief- marke, griff ich heraus. Lr war mir von jenem Hotel nachgesandt, in dem ich meine erfolgreiche Rolle gespielt hatte. Der Brief, den ich mechanisch öffnete, hatte folgenden Inhalt: „Mein Herr! Diese Zellen schreibt die Unbekannte, die Ihnen während drei Abenden begegnet ist. Ich schreibe Ihnen, wie wenn ich in die Leere spräche, denn ich weiß, ich finde kein Echo in Ihnen. Sonst wären Sie nicht die letzte Gestalt, an der ich »erbreche. Wundern Sie sich nicht. Irgendwer wird oer letzte Repräsentant von unserem Schicksal. Und warum sollte cs nicht ein gänzlich Unbeteiligter sein? Um es zu gestehen: ich war nicht die Frau, die Sie in mir vermuteten, die ein Abenteuer suchte. Als wir uns begegneten, stand ich vor dem Ende. Da« Leben, da» ich äußerlich führte, war nur die Verschleierung meiner innersten Not. Ich hatte vielleicht geglaubt, es könne mir irgendwo in der Welt noch jemand be gegnen, der mich in ein neues Leben hinüberrettcn würde. So fuhr ich in» Ziellose, auf daß der Zufall mir Ziel sei. Ich weiß nicht, warum ich vor Ihrem Bilde halt machte. Als ich Ihre kühle Ablehnung erkannte, die nur sich selbst zu bejahen schien, da begriff ich endlich: daß wir alle, die wir, die wir uns mit vollem Glauben dem Leben hingeben, immer wieder bezwungen sind von den Ungläubigen, Unlebendigen, die darum so sieghaft das Leben beherrschen, weil sie so wenig darin enthalten sind. So sende ich Ihnen diese letzten Zeilen aus dem Schatten und bleibe für Sie eine Ziffer, «in Aben teuer mehr, das Sie in Ihrem Dasein buchen und über da» Sie seiner Kuriosität halber vielleicht einen Augenblick nachsinnen." den Theaterbureau». Mene» Theater.) Die Lurechtlltuhaber werde« nochmal» darauf dirtgewiesen. datz «tue Kachzahluug entsprechend den erhöhten Tagespreisen zu leisten ist und im eigenen Interesse gebeten, di« Nachzahlung »mgehend an der Theaterhaupttaffe von 10 bt» 1 Uhr »u bewirten. Un gestempelt« Karten habe« leine Gültigkeit. — (Kleine» Theater.) Während der Fetten de» Kleinen Theater« (28. Ault bi» 12. UuansO gastiert di« Jüdisch« Operette unter Leitung de« bekannte« David Setdermann. Da» Repertotee mnfatzt jüdisch« bist arische und Farce-Operetten, außerdem Dramen und Kombdien. «m 28. Juli S^> Uhr wird att Sröstnuna». Vorstellung .Die Zerstörung J«r«salem47» historisch» Operette von Joses Lateiner, »egeheu. . Vie, sparte» dieser L hat ma Spring Meister Schrotn. gruppe Hans Munt Dessaue ist nam gc-tretcr Reichsh Wassers und A> die deu der bek Nolle b Will Reihe Spring müssen, andere Will Tatsache lung i Jahren bas Wc verfloss gründe! cs ist k von d< Turner Spring Jahren Stuti befände gebilde rrertun Schwie wie Gl sitzende! mern) Hoff, und K Schroin Schn« ler (2 mann lottenb thal Frankfi viele a. 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