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« . DurchLte Post tnDeuttchUrnv mo»tl-M-1öO06 "» UNdÄesiellgcbüdre«; LuSland M. 82060 «U UigNch morsens, außer Montags. Höhere Gewalt an». «HrNUett.. GeschattSft., Drna«et: Le«v»tg. ?AernY>r«-er Ortsgespräche Sammel-Nr.: 76811, Mr dte««ka»t» <«tad«. u. Voss ) Auf- Etnsp .'4 mm vr. oim-Zetle M 1.60 au»w. Inserent. M. 3000. Gonverprc tse: ffanUltenauz. v. Priv. ww-ZeucM. k0ü,01«le«cnhettSan;.(prtv.Rarur) u.Steüenanged.o>w^ Zette M. 800. Stellenaes mm Zeile M. üOv.amrl. Bekannlm. Toppcl- »n,Uaa«s-« OetSaelprLLe «auNnel-«r : 76811, W V V -v -M- —- mm-ZetleM.Ns06.s.auSw.M 6066 Rett 72mmbr .mm Zl.M.IIOOV.s.auew. u tn^?n r^ualen «^eiaen- nl M.l5oooAu»land«an<.m.valutaauttchl. Bet A-trderh.Rachtab. Plav- eemem-Annahme; auch nimmt tede» Postamt Bestellungen an. u.Dalriworsch.unvcrbtndl.ErsUll.-Ort Leipzig. PosUchcekk. Lcipz. 3004. Lall »alilglLrrTkaeMirtt enthstlt ««<««»< «e»a»»»1»»ach»»t»««« »es Mates »er »ladt L«ip»ig, da« WolizeivrSstdi««» Leivsi«. de» «mtdeerichtS Leipzig, sowie verschiedener anderer Behörden . I7tz DNLSlNUMMvr 2000 krettng, 6en 27. 7«u 1923 I^SfN-^USASdS 117. Isdrg. Einberufung -es Reichstags 1» S Leipzig, SS. IuÜ. Als der Reichstag -« Begin» des Monats In die Ferien ging, ohne nochvmls die dringend- sten Fragen unserer inneren und äußeren Poli tik zur Erörterung zu stellen, wurde hier kein Hehl daraus gemacht, daß uns solches Dechalten der Regierung und Volksvertretung als eine, sagen wir es gründe, unvollkommene Art der Pflichterfüllung erschien. Und auch seitdem haben wir wiederholt auf die bedauerliche Tatsache hingewiesen, daß in einer Zeit wie der gegen- wSrtigen, die von jedem Deutschen als unge heuer kritisch für die Wcchlfahrt, ja für den Be stand des Reiches erkannt werden muß, unsere Volksvertreter sich der Sorglosigkeit des Urlaubs glauben hingeben zu dürfen. Zugleich konnten wir es nur als höchst bedauerlich empfinden, wenn wir mit solcher Beschwerde ziemlich einsam in der deutschen Presse blieben, deren gewich tigste Organe es ganz in Ordnung zu finden schienen, daß dem Crholungsbedürfnis der Ab geordneten, der Gemütsruhe der Minister sozu sagen der Vortritt vor der nach schleunigen Be ratungen, raschen Entschlüssen förmlich schreien de« Not des Vaterlandes zugestanden wurde. Mit um so größerem Rechte darf man es hier -»grüßen, wenn sich, wie aus der Besprechung des Reichstagspräsidenten mit dem Reichskanzler offensichtlich hervorgcht, den Maßgebenden Stellen nun doch die Notwendig keit aufqedränqt hat, den öffentlichen Angelegen heiten in so schweren und gefahrvollen Z^ten ha« verfassungsmäßige Forum zur Verfügung P» stellen. Für jeden, der die Augen aufmacht ßwd sich von der Entwicklung der Dinge irgend eine vernünftige Vorstellung zu machen sucht, ist « klar, daß die Einberufung des Reichstags ynter den heutigen Umständen bei weitem mehr bedeutet als nur die Möglichkeit gesetzgeberischer Angriffe in einen Lauf der Dinge, den die Bleichung 1 Dollar --- 760 000 Mark schauerlich kennzeichnet. Man wirb sich sogar hüten, über- kriebene Hoffnungen in die Arzneien zu setzen, die der Reichstag gegen die Krankheit der deut- fchen Finanzwirtschaft zu verordnen vermag. Zur Bekämpfung der Weltpest, als deren Teil- Sscheinung das deutsche Siechtum sich darstellt, ist mehr nötig als nur einige Beschlüsse deutscher Parlamentarier. Was aber die Volksvertretung auf jeden Fall für das Vaterland leisten kann und daher zu leisten verpflichtet ist, das ist: der fiebernden Unruhe, die den deutschen Volkskör- oer plagt und sich in der letzten Zett bald da, bald dort in beklagenswerten Ausbrüchen kund- gab, als heilsames Ventil zu dienen. Es gehört ja wesentlich mit zum Zweck und Sinn des par- lamentarischen Systems, daß es imstande ist, stürmische Wallungen der Volksseele in die ge regelten Dahnen einer, wenn auch leidenschaft lichen, so doch gezügelten Auseinandersetzung zu lenken. Wenn man einmal die Geschichte der Parlamente mit der gleichen Neigung zum Lobe schreiben wird, mit der in Deutschland bisher die Geschichte der Könige und Feldherren geschrieben wurde, so wird man die Fiille der Verdienste be- wundern, die sich, die Volksvertretungen mit der Erlösung und Dämpfung entfesselter Leiden- schäft erworben haben. In Frankreich, in Eng- land, in Italien, wo der Anerkennung parla mentarische Leistungen keine Hemmungen mehr km Wege stehen, hat man längst die ungemeinen Verdienste der Volksvertretungen gewürdigt, die in höchster Kriegsnot die Regungen der Straße auffingen und verarbeiteten. Und auch dem deutschen Bürgertum ist doch wohl nicht aus dem Gedächtnis entschwunden, was der beruhigende und mäßigende Einfluß parlamentarischer Kör- perfchaften in jenen tragischen Tagen geleistet hat, als die Verzweiflung und Wut der Menge ave Bande der Ordnung zu sprengen drohten. Die Zwischenfälle der letzten Wochen, gewisse dreiste Ankündigungen für die nächsten lassen Zeiten voraussehen, in denen die öffentliche Un- rast mehr als je jenes notwendigen Ventils be- dürfen wird, das ihr die Volksvertretung, so fern sie ihre Aufgabe richtig versteht, zu liefern permag. L» ist gut, daß der Reichstag endlich wieder zusammentreten soll. Hoffen wir, daß er sich hinlänglich beeilen wird, um sich nicht zu späten Entschlusses anklagen zu müssen. , Vrirltrr, 2«. Anli. (Eia. Lei.) Reichst« aspritfident Laebe hat gestern tu einer Rücksprache mit dem Reichskanzler die Einberufung des Reichstages an geregt. Der Reichstag wird zur Behänd lung der schwebenden Finanz- und aussen politischer» Tragen schon im Larrse der nächste« Wochen etnberufen. 760000! Die Regierung hat mit ihren Devisenmaß» nahmen kein Glück. Seit langem weisen wir dar- auf hin, daß die Devisenfrage in Deutschland nur gelöst werden könne, wenn man ohne Rücksicht aus eine etwaige Verletzung „berechtigter"' Interessen und nur das Ziel im Auge an sie herangeht. Der Weg ist klar. Möglichst hinter dem Schutzwall einer Devisenzentrale müssen die Staatsfinanzen in Ord nung gebracht werden, damit der Staat wieder von den Steuereinnahmen leben kann. Die hemmungs lose Papiergeldausgabe muß unterbunden werden. , Ist man soweit, daß die Aufgabe als gelöst bezeichnet I werden kann, dann ist die Devisenzentrale sofort wieder aufzuheben. Jedenfalls darf sie keinen Tag länger, als es unbedingt notwendig ist, bestehen, bleiben. Durch solche Maßnahmen werden gewiß auch die berechtigten Interessen am besten gewahrt. Aber das wollten die Interessenten bisher nicht zu- geben. Und vielleicht nicht unbeeinflußt dadurch hat die Regierung die Devisenfrage bisher sozusagen mit Handschuhen angefaßt, um ja niemand wehe zu tun. Aber gerade dieses Zufassen mit Hand schuhen hat großen Schaden gestiftet und sei es nur dadurch, daß sie dazu beitrug, die Ueberzeugung zu verbreiten, daß es für die Mark keine Rettung mehr geb«. Auch die letzt« Maßnahme der Regie- »nag, die Devisenkurse nur i« Einheit»kur» in Berlin feststellen zu lassen, hat sich als Mißgriff herausgestellt. Jedenfalls hat es sich gezeigt, daß sie nicht imstande ist, den Sturz der Mark aufzuhalten. Und da» wollte man doch damit! Aber sie war nicht nur nicht imstande, den Sturz der Mark aufzu halten, sie hat diesen Sturz sogar noch ver stärkt. Denn mit dem Momente, als allgemein erkennbar wmHe, daß die Regierung wieder eine „Niederlage"' in ihrer Devisenpolitik erleben sollte, mit dem Momente erst setzte der katastrophale Zu sammenbruch der Markvaluta ein. Von Stunde zu Stunde entwertet sich das Geld. Am Montag war der Dollar 380000, am Dienstag 415 000, am Mitt woch über Rew Park 666 000 und am Donnerstag 760 000. In drei Tagen eine Verdoppelung! Wird nun ernstlich etwas geschehen? Die Maßnahmen, die „berechtigte" Interessen verletzen, dürften er schöpft sein. Nun heißt es wohl, entweder den Dingen freien Lauf lassen und warten bis das selige Ende kommt, oder ernstlich zugreifen. Hoffen wir . da» letztere. ,, Vie „Snti-Zafchisten" Berlin, 26. Juli. (Gig. Tel.) Aus leitenden Kreisen der Kommunistischen Partei wird mttgetetlt, daß man versuchen werde, di« kommu- nistische Demonstration am Sonntag, wenn nicht in Berlin, so doch in Potsdam mit Hilfe des „Selbst- schütze«' durchzuführen. Sollte diese Absicht daran scheitern, daß die Eisenbahn nicht geügend Züge ein stellt, so werden im Laufe der Woche in den einzelnen Betrieben Kundgebungen gegen den Faschismus ver- anstaltet werden. Bremen, 26. Juli. (Eig. Te l.) Der Senat der Freien und Hansestadt Bremen verbot auf Grund des Artikels 123, Abs. 2, der Reichsverfassung für das bremische Staatsgebiet bis auf weiteres Versamm lungen unter freiem Himmel einschließlich Umzügen. Hamburg, 26. Juli. (L i g. Te l.) Der „Anti fa sch i sten t a g' ist nunmehr auch in Hamburg verboten worden. Trotz dieses Verbotes, von dem natürlich auch die von rechtsradikaler Seite geplanten Kundgebungen betroffen werden, erhält sich das Ge fühl der Unsicherheit speziell unter den Geschäfts- leuten, weil befürchtet wird, daß cs doch zu Aus- schreitungen kommen könnte, denen bei der Aus dehnung der Stadt die grüne Polizei nicht gewachsen sein könnte. Da« bayrische Ministerium de« Innern verbot anläßlich der kommunistischen Vorbereitungen für die Abhaltung eine» „Anti faschistentages' am kommenden Sonntag alle kommunistischen Kundgebungen an diesem Tage. Lebensmittelnot in Hamburg Hamburg, 26. Juli. (Eig. Tel.) Auf dem Hamburger Lebensmittrlmarkt ist große Beunruhi- gung durch die Tatsache hervorgerufen worden, daß die Lier sämtlich vom Markte zurückgezogen wurden. Die Polizei hatte verlangt, daß die Händler das Ei pro Stück mit 5000 Mark verkaufen sollten. Darauf verschwanden die Bauern; sie wollen Ham burg vorläufig mit Eiern nicht mehr beliefern. Aehnlich sicht es auf dem Buttcrmarkt au». Die Bauern und Meiereien halten offenbar die Butter zurück, weil sie mit neuen Preiserhöhungen rechnen. Vor der nächsten Butterpreiesteigerung wird deshalb nichts mehr nach Hamburg geliefert. Ueberhaupt sieht es mit Lebensmitteln äußerst schlimm aus. Die Erregung in der Hamburger Bevölkerung wächst von Tag zu Tag. Vor allem fürchtet man die ein tretende Lebensmittelknappheit. London und die Mark Mesensurnmerr für das Pfund Sterling London, 26. Juli. (Eig. Tel.) Als einziges gro ßes englisches Blatt beschäftigt sich heute die Times in ihrem Handelstcil mit den sensationellen Vor gängen an der Londoner Börse, die zu dem neuesten Tiefstand der Mark geführt haben. Das Blatt meldet, daß gestern große Mengen Mark, lieferbar in drei Monaten, also Ultimo Oktober, mit 6 Millionen für das Pfund, lieferbar für Ultimo September mit 5 200 000 und lieferbar per Ultimo August mit 4 Millionen verkauft worden sind. Londoner Bankiers erklären, daß diese Markverkäufe seitens hiesiger kleinerer Makler im Auftrage Amsterdamer Agenten und deut- scher Kohlenimporteure vorgcnommen worden sind, um komme, was wolle, sich jetzt bereits mit Pfunden einzudecken, die zur Bezahlung der im Herbst erfor- derlichen Kohleneinfuhr aus England dienen sollen. Während diese Vorgänge auf dem Londoner Dem- senmarkt in deutschfeindlichen Kreisen damit kommen- tiert werden, e» handle sich um einen wohlüber- legten Versuch der unter dem Einfluß der Industrie stehenden Reichsregierung, Deutschland durch künst liche Verschlechterung des Markkurscs bis auf sechs Millionen im Herbste für Reparationsleistungen noch zahlungsunfähiger zu machen, ist die Times so ehrlich, die tieferen Ursachen disscr fieberhaften Vorgänge darzustellen, indem sie schreibt: „Anscheinend hat di« Reichsregierung ihre Politik der Markstützung aufgegeben. Die Heranziehung der Goldreserven Hot den Sturz der Mark zweifellos aufaehalten, aber es war nur ein vorübergehendes Hilfsmittel. Lin wirksamer Plan für die Stabili sierung der Mark kann nur im Rahmen eines um- fassenden Planes für die Reform der gesamten deut schen Finanzwirtschaft durchgesührt werden.' Nachdem das Blatt dann auseinandergesetzt hat, daß die neue innere Goldanleihe Deutschlands wegen der Geringfügigkeit ihres Betrages nicht ausreiche, nm die Währung wirksam zu stützen, fährt cs fort: „Deutschlands Finanzen haben einen Zustand er reicht, bei dem keine deutsche Regierung in der Lage sein dürfte, die Maßnahmen durchzuführen, die not wendig sind, nm Aenderungen zu schaffen. Während die Ruhr von einer fremden Macht besetzt ist, ist dies auch tatsächlich unmöglich; aber sobald die Re parationsfrage geregelt ist. wird die Reform der deutschen Finanzen unter ausländischer Aufsicht durchgesührt werden müssen. Dies wird übrigens in Deutschland von allen Seiten zugegeben. Alles was zu diesem Zwecke geschieht, bestätigt die Ansicht füh render Geschäftsleute, daß, wenn Europa vor den Folgen eines schweren finanziellen Zusammenbruches bewahrt bleiben soll, die Reparationsfrage sobald wie möglich gelöst werden muß.' Angesichts der unsicheren politischen Lage in Europa hat die Industrie-Gruppe des Unterhauses an den Ministerpräsidenten die Aufforderung ge richtet, rechtzeitig dafür zu sorgen, daß die im Winter zu erwartende Zunahme der Arbeitslosigkeit in Eng- land durch umfassende öffentliche Arbeiten wirksam bekämpft werde. Die Gruppe schlägt vor, daß die Regierung 50 Mill. Pfund jetzt bereitstellen solle, um den englischen Eisenbahnen die Durchführung der Elektrifizierung zu ermöglichen und den Londoner Untergrundbahnen die Finanzierung ausgedehnter Erweiterungsbauten zu erleichtern und die Hafen behörden in London und Grimsby in die Lage zu ver- setzen, ihre umfassenden Baupläne für neue Werften ausfiihren lassen zu können. Deutschlands Zahlungen London, 26. Juli. (Eig. Tel.) Der Finanz sekretär des Schatzamtes teilte im Unterhaus« mit, daß die auf Grund der deutschen Repara- tionseinziehungsakte von 1921 erngegange- nen Beträge am 30. Juni 1923 sich auf 13 264 000 Pfund belaufen haben. Die Unterhausdebatte über Reparation und Ruhr wird voraussichtlich schon am Dienstag stottfinden. Da« englisch« Kabinett glaubt bi» dahin im Besitze der französischen und englischen Antworten zu sein» Ursprünglich war die Debatte auf Donnerstag an- beraumt. * London, 26. Juli. Die Industriegruppe des Unterhauses richtete einen Brief an den Premier- Minister, in dem auf die ernste wirtschaftliche Lage Europa» infolge der Ruhraktion bin- gewiesen wird. Die Zchl der Arbeitslosen werde voraussichtlich bald auf iz§ Million gestiegen sein. Die Rcaiernng wird oufgesordert, durch Per- anstaltung umfangreicher Arbeiten. Elektrisierung der Eisenbahn usv., neue Arbcitsmögltchkciten zu schassen. Lin Volk - ein Staat Die neue Reichsverfassung, die Verfassung der deutschen Republik, hat uns endlich dem ein heitlichen Nationalstaat, wie ihn die meisten an deren Völker schon lange besitzen, ein Stück näher gebracht. Finanzwesen, Eisenbahnen und Mili tär, die früher von den Gliedstaaten verwaltet wurden, hat das Reich selbst in die Hand gr- nommen, auf anderen Gebieten, wie beim Post wesen und bei der diplomatischen Vertretung im Auslands, sind gliedstaatliche Sonderrechte zugunsten des Reiches beseitigt worden. In allerncucster Zeit zeigt sich lei- der, worauf wir schon hingewiesen hoben, eine — unbegreiflichcrweisc von dec Reichs regierung unterstützte — Bewegung, die Einheit in der Finanz- und Stcuerver- waltung wieder abzubauen. Davor zu war nen, erscheint um so dringender geboten, als unser Reich noch lange nicht innerlich so ge festigt ist, wie mir es im Interesse unserer na tionalen Selbstbehauptung wünschen müssen. Zwar ist das Reich kein Bundesstaat mehr, die ehemaligen Gliedstaaten sind zu „Ländern" geworden. Aber die Abgrenzung der Länoer gegen einander ist, von kleinen Ausnahmen ab gesehen, dieselbe geblieben wie die der Glied staaten; die Länder haben eine halbstaatliche Or ganisation behalten und erfreuen sich noch des kostspieligen L >rus eigener Landesregierungen mit durchschnittlich einem halben Dutzend Mi nistern. Damit nicht zufrieden, will man jetzt in Bayern auch noch einen Staatspräsi- senten einsetzcn, der nicht nur eine neue Stütze des ohnehin dort schon überstarken Par- tikularismus, sondern offenbar zugleich auch ein Platzhalter für den im Hintergründe wartenden Monarchen bilden würde. Und da für diesen gegen die Reichseinheit gerichteten Plan weder im Landtage noch in der Bevölkerung des Lan des Bayern eine Mehrheit zu haben ist. so scheut man nicht einmal davor zurück, die Landesver fassung zu ändern und die Bestimmungen über Volksbegehren und Volksentscheid so umzu- modeln, daß eine rührige Minderheit der träge ren Mehrheit einen Staatspräsidenten aufzwin gen kann. So will man von Bayern aus die in Weimar nur halb durchgeführte Entwicklung zum natio- nalen Einheitsstaat wieder rückgängig machen, nachdem man soeben erst durch den Prozeß Fuchs-Machhaus deutlich erfahren hat wie gerade die Unfertigkeit unseres Staatswesens von französischen Machthabern zu Ver suchet benutzt wird, die mühsam errungene deutsche Einheit zu zerreißen. Daß an diesen reichsfeiudlichen Machenschaften auch der ehe malige Kronprinz von Bayern aktiv beteiligt war, ist nach den Bekundungen in jenem Pro zeß als sicher anzunehmen. Wenn das Münch ner Volksgericht geglaubt hätte, daß sich Prinz Rupprecht von diesem Verdacht reinigen könne, würde es ihm sicher dazu Gelegenheit gegeben haben, zumal da ein Antrag, ihn als Zeugen zu laden, von der Verteidigung gestellt worden war. Wie dem auch sei, fest stellt, daß die deut- schen Länder in ihrer alten, geschichtlich gewor- denen Gestalt der Punkt sind, wo man von Frankreich her den Hebel ansetzt, um Deutsch land zu zerstückeln. Sollen wir das mit schick- salergebener Ruhe geschehen lassen oder haben wir nicht vielmehr gerade deshalb allen Anlaß, zu prüfen, ob die Gefahren und Nachteile des gegenwärtigen Zustandes nicht größer sind als seine Vorteile? Man sagt, die Stärke des deutsche,: Volkes und sein Vorzug vor anderen liege in der aus- geprägten Eigenart seiner Stämme, die durch die Beibehaltung der überkommenen politischen Gliederung des Reiches gewahrt und gepflegt werden müsse. Aber das ist ja gar nickt wahr! Ein solches Argument kann nur da an genommen und gläubig nachgesprochen werden, wo das Volk Uber seine eigene Geschichte ge flissentlich — im Interesse seiner vierund zwanzig Landesherren — so schlecht unterrichtet ist, wie das deutsche. Wo sind denn die ehe maligen Bundesstaaten und jetzigen Länder, die sich auch nur annähernd mit den Sitzen deut scher Stämme decken? Etwa in Bayern, dessen Staatsmänner und Publizisten am meisten die „Eigenart der deutschen Stämme" im Munde führen? Dos Land Bayern ist im Gegenteil, wie R. Burghauser in einer soeben im Andreas Hofer-Derlag in Innsbruck erschie- neuen, an Anregungen reichen Schrift „Kein Bayern, kein Preußen, nur Deutschland" klarstellt, ein Musterbeispiel eines Binnenimperialismus, bei dem eine Mehr heit von Bruderstämmen durch eine Minder- heit unterdrückt und entrechtet wird. Im Lande Bayern wohnen neben 2 80V 000 Bayern 3 200 000 Franken und Pfälzer und 800 00V Schwaben. Bayern hat diesen Stämmen sogar den Namen genommen und bezeichnet den Al- gäuer Schwaben als Südbayern, die Rliein- Pfalz als „linksrheinisches Bayern", den Fran-