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Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 26.07.1923
- Erscheinungsdatum
- 1923-07-26
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-192307265
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- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-19230726
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- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-19230726
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1923
-
Monat
1923-07
- Tag 1923-07-26
-
Monat
1923-07
-
Jahr
1923
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8e!te 2 1^6 I-elpr^ger uoü VsaAelsreNuag Dvaoerstsg, Aeo 26. Der Grientfrieden Der feierliche Schlußakt t» Lausamu Lausanne. 24. Juli. (Eig. Tel.) Heute fand die Lausanner Friedenskonferenz mit der Unter zeichnung de» ffrledensvertrage» ihren endgültigen Abschluß. Die Aula der Universität war mit Blatt pflanzen geschmückt. Kurz nach 3 Uhr betrat der schweizerische Bundespräsident Scheurer in Be gleitung der Bundesräte Schultheß und Ehuard den Raum. Um die große rote Tafel, auf der der Friedensvcrtrag und die anderen 17 zu unter zeichnenden Dokumente lagen, hatten die Delegationen Platz genommen. Sofort nach der Eröffnung der Sitzung begann der Unterzclchnungsakt, der eine halbe Stunde dauerte. Zunächst unterschrieben die türkischen Delegierten Ismet Pascha, Hassan Bei und Nisa Nuri Bei mit einer von Mustapha Kemal Pascha eigens zu diesem Zweck gesandten Feder. Dann unterzeichneten die Delegierten Eng lands, Frankreichs, Italiens, Japans, Griechenlands, Rumäniens und Bulgariens. Der belgische und der portugiesische Vertreter unterschrieben nur die ihre Länder betreffenden Abkommen. Nachdem die Protokolle unterzeichnet waren, hielt Bundespräsident Scheurer die Schlußrede, in der er u. a. ausführte: Nach Monaten beträchtl cher Arbeit hat die Konferenz ihr Ziel erreicht. Der Schweiz war es vergönnt, sie von Anfang an bis zu ihrem nunmehrigen glücklichen Abschluß zu beher bergen und so ihren Namen mit einem Werke des Friedens und der Versöhnung zu verknüpfen. Die Hindernisse, die von der Konferenz zu überwinden waren, sind ganz besonders groß gewesen, aber dank dem guten Willen der Teilnehmer ist die Einigung möglich geworden. Die Geschichte lehrt uns, welche Schuld der Dankbarkeit wir gegenüber den Völkern des vorderen Orients für den ungeheuren Anteil haben, den sic an der Entwicklung unserer Zivilisation gehabt haben. Wir wünschen, daß sie nunmehr, wenn sie ihre Wunden geheilt und ihre friedliche Tätigkeit wieder ausgenommen haben, an all den Wohlfahrten teilnchmen können, die sie ehedem so reichlich über die ganze Welt verbreitet haben. Möge dieser Tag den Völkern als ein Anfang von Glück und Segen erscheinen. Händeklatschen wie im Theater folgte nach einer kleinen Anstandspause, und der historische Akt war zu Ei, de. pariser Lindr^e über den Zriedensschlutz Paris, 25. Juli. (Eig. Tel.) Die Unterzeich nung des Friedens von Lausanne hat in Frankreich auffallend wenig Aufmerksamkeit erregt und wird in weiten Kreisen nicht als großes Er eignis geschätzt, Figaro bezeichnet diese Gleichgültig keit des französischen Publikum» als bedauert ch und hebt dabei hervor, daß das Ende der europä ischen Vorrechte außerhalb von Europa eine neue Phase in der Weltgeschichte einleiten werde. Die nationalistische Presse kritisiert den Friedens- vertrag in schärfste r F orm. Das Echo de Paris bezeichnet ihn als Erfüllung der türkischen Revanche und äußert die Befürchtung, daß in Mittel- und Osteuropa gefährliche Bestrebungen dadurch geweckt werden. Tardieu macht im Echo National die fran zösische Regierung für diese neue „Siegesdemobili- sieruny" verantwortlich und schließt mit einem Aus fall gegen die „armen Leute", die jetzt die Welt regieren. Er sagt wörtlich: Passiver Widerstand der Deutschen, passive Okkupatiön der Franzosen, pas sive Mitwirkung der Engländer, passive Selbstaus- Schließung der Amerikaner, überall die gleiche De- dankcnarmut. Die gemäßigten Blätter begrüßen den Friedens- schluß. Der Gaulois meint, trotz aller Bedenken gegen den Vertrag von Lausanne, dessen größte Ge fahr darin zu erblicken sei, daß er die Rivalität unter den Großmächten bestehen lasse, müsse man diesen langersehnten „Gottesfrieden" willkommen heißen. Hervö vertritt in der Victoirc die Ansicht, daß der Friede von Lausanne, den die Türkei ihrer militärischen Niacht verdanke, weder für Frankreich noch für England vorteilhaft sei. Er freut sich aber darüber, daß die Orientfrage gelöst ist und knüpft daran die Hoffnung, daß der wahre Friede mit Deutschland vielleicht näher ist, al» man gestern noch vermutete. Eine tiefergehende Würdigung der weltpolitischen Bedeutung des Friedens von Lausanne wird nur von der Libre Parole versucht. Der bekannte außenpoli tische Mitarbeiter des Plattes führt aus, der Friede von Lausanne kennzeichne eine wichtige Etappe im Kampf der Großmächte um die Vorherrschaft im Orient. Er käme einem Triumph Eng lands gleich, weil er die Ausschaltung Rußlands bedeute. Aber die Zukunft des Orientfricden« sei durch die Unsicherheit der russischen Zukunft in Frage gestellt. Früher oder später werde sich der Bolsche wismus einen neuen Einfluß in der Orientfrage sichern. Unter diesen Umständen müsse man sich fragen, ob der Friede von Lausanne längere Dauer haben werde, als der Friede von Ouchy. Zustimmung in Lngland ' London, 25. Juli. (Eig. Tel.) Die gesamte englische Presse kommentiert heute über den Frieden mit der Türkei im Sinne eines Erfolge» der englischen Politik de« gesunden Men schenverstandes. Enaland habe durch diesen Friedensvertrog bewiesen, daß man die Türkei nicht länger als minderwertiges Volk behandeln könne, dem man entwürdigende Bedingungen zum Schutze der europäischen Interessen aufzwingen könne. Die eng lische Politik sei vielmehr davon überzeugt, daß die Türkei durch die finanziellen Bedürfnisse ihrer Wie deraufbaupolitik dazu genötigt sein werde, ohne jeden Zwang auf die Interessen der europäischen Länder erforderliche Rücksicht zu nehmen, wenn die türkische Regierung Aussicht haben solle, diejenigen Mittel in Europa zu erhalten, die sie zur Entwicklung der wirt schaftlichen Hilfsquellen ihre» Lande» brauch«. Nur die Darin Ehronicl«, da» Organ von Lloyd George, bezeichnet den Friedensvertrag al» eine Niederlage englischer Staatskunst. Vie Untersuchung über die Zluchl Lhrharbtr Zur Meldung der Dessauer Zeitung über die Ver haftung des Freiherrn von dem Bu»sche-Loha und seiner Gattin in Gernrode am Harz Im Zu- sammenhang mit der Flucht Ehrhardt» — e» sollten nach dem Blatt der vollständig« Fluchtplan und andere» wertvolles Material gefunden worden sein — erfahren wir au» zuverlässiger Quelle, daß weder in Gernrode noch in Dessau Verkostungen vorgenommen worden find. Dagegen wnroen in anderen Orten, namentlich in Leipzig und Berlin, mehrer« Personen festgenommen, di« mit den» Be freier Ehrhardt», Prine«, in Verbindung stehen sollen. I» Interesse der weiteren Untersuchung können die Namen der Verhafteten jedoch noch nicht mitgeftilt werden. Demokratie und Frieden Dom 4. bi» 10- August tagt in Freiburg i. B der Hl. Internationale Demokratische Kongreß. E» handelt sich dabei um die au» der „Ehristlichen Demokratie" (früher Sillov) unter Sangnier» Leitung hervorgegangene Organisation, di« sich heute als „Komitee für internationale demo kratische Aktion" bezeichnet und sich vor allem der Arbeit für den Frieden durch die Versöhnung der Völker widmet. Ihr Programm steht damit in bewußtem Gegensatz zu den bloßen Bemühungen der Regierungen, die den wirklichen Frieden bis jetzt nicht wiederherzustellen vermochten, wenn sie nicht geradezu in entgegengesetztem Sinne gewirkt haben. Zur Erreichung ihres Zieles will die Demokratische Aktion besonder« auch da» in der katholischen Kirche und ihrer übernationalen Anlage ent haltene pazifistische Element nutzbar machen, ohne Dleichstrebende aus anderen Lagern auszuschließcn. Auf der Tagesordnung des diesjährigen Kon gresses stehen in der Hauptsache die Beziehungen de» Nationalismus zur Religion, zur sozialen Bewegung, zum demokratischen Fortschritt, sowie die Frage der materiellen und moralischen Ab rüstung. Auf jeden Fall ist man sicher, auf den Kongressen der Demokratischen Aktton einigen der aufrichtigsten und tatkräftigsten Friedensfreunde zu begegnen, an deren Spitze Marc Sangnier selber zu nennen ist. In allen seinen Reden und Schriften, namentlich aber auch in der französischen Kammer, der er al» Abgeordneter von Pari» angehört, ist er gegen das Versailler Diktat und für den Gedanken eines wahren Friedens mit einem unerschrockenen Eise: eingetreten, der ihm durch den wütenden, bis zur rohen Tätlichkeit gehenden Laß der PoincarS-Leute bescheinigt wurde. Im Kreise dieses Erprobten, dem die freundlichste Aufnahme in Deutschland zu wün schen ist, einige tröstliche Tage zu verbringen, ist allein schon genug, um die Teilnahme an der Frei burger Tagung zu lohnen. Anschrift de« Kongreß ausschusses: Schwarzwaldstvaße 31, Freiburg i. B Sachsen und die Reichseinheit Di« sozialistische Wochenschrift Die Glocke, in der vor kurzem Dr. Zechlin gegen den sächsischen Ministerpräsidenten Dr. Zeigner die Anklage er hoben hatte, er bringe die Reichseinheit in Gefahr, veröffentlicht in ihrem neuesten Heft eine Der- teidigung Dr. Zeigner« aus der Feder des neuen Pressechefs der sächsischen Staatskanzlci, Oberregie rungsrat Hans Block. Der Streit dreht sich haupt sächlich um die viel erörterte Niederplanitzcr Rede Dr. Zeigner». Den verfassungsrechtlichen Bedenken, die Zechlin gegen den Angriff eine» einzelstaatlichen Ministerpräsidenten auf di« Regierung des Reiches geltend machte, hält Block die Gefahren entgegen, dir diesen Ministerpräsidenten zu seiner Rede gebracht haben. „Die Bedenken, die Zechlin erhebt," schreibt er, „wiegen gewiß schwer, aber für Dr. Zeigner weg die andere Schale schwerer. E» gibt gefährliche Situationen, wo alle anderen Bindungen vo* der Pflicht der Warnung -urücktreten. Sollte Genosse Zeigner schweigen, wenn er sich zu solcher Warnung verpflichtet fühlte, schweigen, weil er Ministerpräsident ist. Das hieße der Reaktion einen Freibrief geben, denn nur weil er Ministerpräsident ist, konnte Genosse Zeigner wahrscheinlich das er fahren, was ihn nach seiner Meinung zur Warnung verpflichtete." Indem Block so au» der staatsrrcht- lichen und politischen Frage eine Gewissensfrage für Dr. Zeigner macht, entzieht er sie, nicht ungeschickt, der Diskussion, ohne freilich den zu überzeugen, der den Vorrang des Gewissens in solchem Falle nicht anerkennt. In diesem Zusammenhang macht Block auch eine interessante Bemerkung über die Meinungen inner- halb der sächsischen Sozialdemokratie über da» Bünd- ni» mit den Kommunisten: „Es gibt unter den sächsischen Genossen mancherlei verschiedene Schattierungen der Bejahung der sozialistisch-kommunistischen Koalition. Es gibt kaum Enthusiasten, aber e» gibt Genossen, die in dieser Koalition den ersten Schritt zum Einswer- den der deutschen Arbeiterbewegung sehen, und die glauben, daß er, wenn er auch jetzt noch nicht zum Ziele führen wird, doch wiederholt werden und Nachfolge finden wird. Andere, die vor der Entscheidung der Landesversammlung di« Koa lition für unmöglich hielten, sehen jetzt in ihr ein Experiment, da» im Interesse der Partei bis »ur Grenze de» möglichen ehrlich durchgeführt werden inuß, damit sie bei einem Bruche mit reinen Händen vor ihre Wähler treten können." Als Experiment haben auch wir das sozial demokratisch-kommunistische Bündnis von vornherein bezeichnet und gewertet, ab» wir haben bedauert, daß dieses Experunent auf Kosten des Lande» Sachsen und der Autorität der Landesregierung gemacht wird, und diese» Bedauern wird auch durch die Aus führungen Block» nicht entkräftet. vierfache Erhöhung der Verbungrkosten Berlin, 25. Juli. Der Steuerausschuß dr» Reichs tages ging bei Beratung der Abänderung des Ein kommensteuergesetze» über die Regierungsvorlage und die Beschlüsse de» Reichsrates hinaus, indem er nicht da» Dreifache, sondern das Vierfach« der bisherigen Abzüge festsetzt«. Fall» dies« Aenderung vom Retchorat angenommen wird, wür den die Abzüge betragen: für den Steuerpflichtigen und di« zur Haushaltung gehörig« Ehefrau j« 24 000 «A, für jede» zur Haushaltung de» Steuer pflichtigen zählend« minderjährige Kind IVO 000 «A und zur Abgeltung der Abzüge für Werbungskosten 200000 ^l im Monat. Vie Goldanleihe Berlin, SV. Juli. (Eig. Tel.) Di, Dor. besprechungen zur Auflegung einer wertbeständigen Reichsanleihe sind zum Abschluß gelangt. Die An- leihe wird zur Au»gab« gelangen, und zwar wird die Auflegung wahrscheinlich schon Anfang August erfolgen. Di« Laufzeit der Anleihe soll 12 Jahr« betragen. Di« Anleihe wird ans Ddll»r lauten. Die kleinsten Stücke werden 5 Dollar oder 21 Goldmark betragen. Di» Anleih« wird wahr scheinlich etwa» untre de« Tageskurs zur Ausgabe gnangen. AI» Zinssatz find S Prozent vorgesehen. Eine bestimmt« Sachwertdeckung, wie sie bei den bisherigen Roggen-, Kali- oder Kohlen, anleihen üblich war, ist nicht beabsichtigt. Insbesondere plant man nicht, wie bet d«r Dollar- schatzanleihe, das Reichsbankgold »ur Deckung heran' zuziehen. Man nimmt an, daß da» Reich auch an Gewährung von Sondergarantien noch Kredit genug besitzen wird, zumal da die gesamte Auflage der Anleihe sich in mäßigen Grenzen halten wird und nicht entfernt an dle Summe heranrcicht, die vor dem Kriege ausgenommen wurde. Vie Frankfurter Mordtat Frankfurt a. Di., 25. Juli. (Lig. Tel.) Die Zusammenhänge der bestialischen Hinmordung des 38jährigen Etaatsanwaltschaftsrates Dr. Fritz Haas, die den grausigen Höhepunkt der Ereignisse bildete, die die sozialistisch-kommunistische Massen demonstration vom Montag im Gefolge hatte, Hellen sich auf, und zwar deckt sich das bisherige Ergebnis der behördlichen Erhebungen in allen wesentlichen Zügen mit der ursprünglichen Feststellung, die dahin ging, daß Haas auch nicht die geringste Provokation begangen habe, vielmehr völlig schuldlos ums Leben gebracht worden sei. Für die von der Dolksstimme aus kurzsichtigen Gründen gestützte Behauptung, daß aus dem Haasschen Hause auf die Menge geschossen worden sei, fehlt jede sachliche Unterlage; cs kann im Gegenteil bereits als erwiesen gelten, daß einer au« dem Demonstration»- trupp mit bewußter Vorausberechnung der Wir kung, die unter den gegebenen Umständen Detona tionen haben mußten, sich auf den Sockel der Gartenmauer eines Nachbarhauses geschwungen, und von dort aus Schüsse abgegeben hat. Da Dr. Haas gerade dabei war, nach dem Beispiel anderer Be- wohner der Schwindstraße, die Vorgartentüre ab' zuschlicßen, wurde er aus der Menge heraus als der Schütze verdächtigt. Seine ehrenwörtliche Ver sicherung, daß er nicht geschossen habe, wenn er auch als Iustizbeamter im Besitze einer Schußwaffe und eine» Waffenscheines sei, machte auf die Besser gearteten unter der Menge Eindruck, doch konnten diese das Unheil nicht abwenden. Als ein Hetzer die Menge zu Tätlichkeiten gegen Haas aufreizte, gewannen die rohen Instinkte, die sich bei der Horde schon vor ihrem Einbruch in die Schwindstraße offenbart hatten, die Oberhand. Während ein Teil der Menge zerstörend und — zum Teil mit unverkennbarer Ortskenntnis — raufend in den Haasschen Wohnräumen wüteten, richteten die übrigen den schwächlichen Dr. Haas auf eine Art und Weise, die ganz merkwürdig an die historischen Frankfurter Bluttaten vom 18. September 1848 er- innert, dermaßen zu, daß er nur noch für wenige Atemzüge Lebenskraft für sich hatte, al» der ent menschte Pöbel beiderlei Geschlechts endlich von ihm abließ. Daß das Haassche Haus von vornherein das Ziel der Menge gewesen sei, erscheint nach dem ganzen Verlauf der Ereignisse nicht sehr wahrschein, lich; wohl aber wäre möglich, daß Haas an Ort und Stelle von Personen, die mit eben diesem Staats- anwalt bereit« zu tun gehabt hatten (sein Dezernat umfaßte das neuerdings zu umfangreich« Gebiet der Mllnzverbrcchcn) erkannt worden ist, so daß also persönliche Rachgier das Verhängnis ausgelöst oder zumindest gefördert hätte. Die Teuerungsdemonstration als solche trug inso fern noch ein besonderes Kennzeichen, als aus der Mitte der Teilnehmer heraus immer wieder juden feindliche Aeußerungen laut wurden. Immer deutlicher zeigt sich, daß der Atisemitismu» einen Teil der Plattform bildet, auf der sich der Rechts, und der Linksradikalismus zum Unheil des deutschen Volkes und seines Staates zusammenfanden. virher 17 Verhaftungen Frankfurt, 25. Juli. (Eig. Tel.) Zu der Er mordung des Staatsanwalts Dr. Haas wird noch berichtet, daß sich an einer ganzen Anzahl Gegen stände im Zimmer Fingerspuren und Handabdrücke vorfanden. Es wurden im ganzen 17 Personen ver haftet. Frankfurt, 25. Juli. (Eig. Tel.) Partei vorstand und Stadtverordnetenfraltion der Deut schen Volkspartei in Frankfurt a. M. ver- langen in einer Erklärung die strengste Untersuchung wegen der Ausschreitungen am Montag. Sie machen in erster Linie den Polizeipräsidenten ver antwortlich und fordern energische Maßnahmen, damit eine Wiederholung solcher Unfälle unmöglich gemacht wird. Für den ermordeten Staatsanwalt Dr. Haas wird eine öffentliche Trauer kundgebung verlangt. Nachträglich wird bekannt, daß die Demon stranten auch in den Palmengarten eingedrungen waren, dort einem Herrn den Siegelring gewalt sam vom Finger gezogen und anderen Personen Brieftaschen und bare» Geld geraubt haben. Im Zuge soll ein Schild mit der Aufschrift getragen worden sein: „Blut geht vor Recht!" An der Hauptwache hielten die Demon- stranten ein« Droschke an, in der ein Herr nach dem Bahnhof fahren wollte. Dem Fahrgast wurde die Brieftasche geraubt. Wir brachten kürzlich «ine Melduna au» Kehl a. Rh., in der berichtet wurde, wie «inHerrFladt »wei französischen Soldaten da» Leben rettete und im Zusammenhang damit Gelegenheit hatte, ein De- gnadtguna»gesuch zugunsten der sieben, von einem französischen Kriegsgericht zum Tod« verurteilten Deutschen «inreichen zu können. Dazu wird uns au« Kehl geschrieben, daß außer Herrn Fladt auch D>err Otto Anstett, Oberleutnant im früheren Kehler Pionierbataillon Nr. 14, sich um die Rettung der Franzosen verdient aemacht und daher da» Gnadengesuch mit unt«rz«ichnet Hatz * Die drei früheren Echutzpolizeibeamten, die zur Vernehmung al» Zeugen m dem wegen der Er schießung dr» belgischen Leutnant» Graff gegen andere Schutzpoltzeibeamte vor dem belgischen Militärgericht schwebenden Verfahr«» nach Aachen übergefiihrt waren, machten ihre Aussagen vor der belgischen Behörde. Sie wurden darauf in da» un besetzte Gebiet zurückgebracht. .. Abänderung des Gewerbesteuergesetzes vor Sertendegln» Hai der sächsische Landtag ein Gesetz »ur «bitnderung des Se- werbesteuergesrtze» verabschiedet. Ueber die neuen Bestimmungen versende« da« Gtuan»- Ministerium eine ErUtuterun», au» der wir Um sorgenden da» Wesentliche entnehmen. Der Landtag hat ein Gesetz »ur Abänderung de» Gewerbesteuergesetzes verabschiedet. Bei den Be steuerungsmerkmalen ist der bisherige Zuschlag vom Mietwerte der gewerblichen Räume weg gefallen. Gleichzeitig ist der Zuschlag von der Zahl der gewerblichen Hilfspersonen durch einen solchen vom Betrage der im Gewerbebetriebe gezahlten Ge hälter und Löhne (>§ vom Tausend) ersetzt worden. Als Gehalt oder Lohn gelten auch Tantiemen, Grati fikationen, Provisionen, Naturalbezüge sowie alle sonstigen mit Rücksicht auf ein Arbeitsverhaltnis ge währten Vergütungen und Gegenleistungen. Die De- Wertung der Naturalbezüge hat unter Zugrunde legung der jeweils von den Landesfinanzämtern für den Steuerabzug festgesetzten Beträge zu erfolgen. Für die Ermittelung des Betrags der Gehälter und Löhne ist derselbe Zeitraum maßgebend wie für die Ermittelung des Betrags. Da hiernach der Veranlagung für das Steuerjahr 1923 (1. April 1923 bis 31. März 1924) der Ertrag sowie die Gehälter und Löhne im Kalenderjahr 1922 oder in dem in diesem Kalenderjahr endenden be sonderen Betriebsjahre zugrunde zu legen sind, der Geldwert seitdem aber wesentlich gesunken ist, ist das Finanzministerium ermächtigt worden, die nach den Vorschriften des Gewerbesteuergesetzes zu leistenden Zahlungen den Veränderungen des Geld- wertes in der Weise anzupassen, daß für das Steuerjahr 1923 das Doppelte des mittleren Gold- ankaufspreises im Kalenderjahr 1922 dem mittleren Goldankaufspreis in den letzten drei Kalende - monatcn vor Fälligkeit der jeweiligen Zahlung gcgenübcrgcstellt und die zu leistende Zahlung in d m entsprechenden Verhältnis erhöht oder ermäßigt wird. Für die folgenden Steuerjahre soll al« Aus gangspunkt nicht das Doppelte des mittleren Gold- ankaufspreises, sondern der mittlere Goldankaufs- preis im letzten Kalenderjahr vor der Veranlagung genommen werden. Die sich hiernach ergebende Der- hältniszahl wird vom Finanzministerium jc^esmal in den ersten Tagen des Zahlungsmonats für die einzelnen Teilzahlungen bekanntgegeben werden. Wird eine in einem späteren Zeitpunkte fällige Te'l- zahlung an dem für eine frühere Teilzahlung maß- gebenden Zeitpunkt voraus geleistet, so ist für die gesamte Zahlung die für den früheren Termin fest gesetzte Derhältniszahl maßgebend. Ebenfalls als eine Folge der Geldentwertung sind die Freigrenzen für die Gewerbesteuer beim Ertrag auf 200 000 Mark und beim Anlage- und Betriebskapital auf 400 000 Mark erhöht wor den. Gleichzeitig ist dem Finanzministerium für die späteren Steuerjahre die Möglichkeit einer weiteren Aenderung der Freigrenzen vorbehalten worden. Die freien Berufe sind grundsätzlich von der Gewerbe steuer freigestellt worden. Nur soweit mit der Be- rufsausübung der Betrieb besonderer Anstalten odgr .. Unternehmungen verknüpft ist, wie zum Beispiel dcL. Betrieb von Architekten- und Zngenieurbureaus, deren Inhaber gleichzeitig die Bauleitung oder Dau- ausführung übernehmen, ferner der Betrieb von Unterrichts, und Erziehungsanstalten, Zeitungs- und Derlagsunternehmen, Sanatorien und Erholungs- Heimen, sind die Derufsinhaber nach wie vor, und zwar mit dem gesamten Ertrag 'ihres Berufs, gewerbcsteuerpflichtig. Don den Vor schriften über die Ermittelung der einzelnen Ve- steuerungsmerkmale haben die für das gewerbliche Anlage- und Betriebskapital eine nicht unwesentliche Aenderung insofern erfahren, als sie den entsprechen den Vorschriften in 8 15 des Dermögenssteuergesetzes angepaßt worden sind. Verblieben ist es bei dem Grundsätze der Reichsabgabenordnung, daß jedes Unternehmen als wirtschaftliche Einheit für sich zu bewerten und sein Wert im ganzen festzustellen ist, hierbei aber die einzelnen Bestandteile des Anlage- und Betriebskapitals zu berücksichtigen sind. Neu ist die Vorschrift, daß diese Bestandteile unter Berück- sichtigung der jeweiligen allgemeinen Wirtschaft-Ver hältnisse zu bewerten sind. Aus der Berücksichtigung der jeweiligen allge meinen Wirtschaft-Verhältnisse folgt, daß bei den dauernd dem Betriebe gewidmeten Gegenständen in Zeiten eines schwanknden Geldwertes nicht ohne weiteres der an sich maßgebende Anschaffungs- oder Herstellungspreis der Bewertung zugrunde gelegt werden kann. Vielmehr sind je nach den allgemeinen Wirtschaftsverhältnissen an dem für die Bewertung maßgebenden Stichtag im Vergleiche zu den allge meinen Wirtschafteverhältnissen zur Zeit der An- schaffung oder Herstellung des Gegenstandes bei sinkendem Geldwert entsprechende Zuschläge zum An schaffung»- ober Herstellungspreise (höherer dauern- der Wert), bei steigendem Geldwert aber ent sprechende Abschläge vom Anschaffungs- oder Her- stellungspreise zrl bewirken. Bei den übrigen Gegenständen, die nicht dauernd dem Betriebe gc- widmet sind, drückt sich der sinkende oder steigende Geldwert bereit» in dem für die Bewertung insoweit maßgebenden gemeinen Werte aus. Denn der ge meine Wert wird durch den Preis bestimmt, der im gewöhnlichen Geschäftsverkehre nach der Beschaffen- heit des Gegenstandes unter Berücksichtigung oller den Prei» beeinflussender Umstände bet einer Ver äußerung zu bezahlen wäre. Für die Ermittelung de» steuerpflichtigen Er- träges sind die Vorschriften des Geldentwertung»- gesetze» über die Ermittelung de» Betriebsgewinna bei der Einkommensteuer 1922 nicht mit übernommen worden; vielmehr hat e« insoweit bei den jetzt gel- tenden Dorschristen de» Gewerbestvuergesetze« zu be wenden. Eine weitere sachliche Neuerung bedeutet di« Aenderung der Form der Beteiligung der Gemeinden und Vezirksverbände, an der Gewerbesteuer. Während diese Beteiligung bisher in der Weise geregelt war, daß den Gemeinden und Be-irk-verbänden di« Hälft« de» örtlichen Aufkom- men» an Gewerbesteuer zufiel und sie außerdem zum vollen örtlichen Steueraufkommen einen Zuschlag bi» zu 25 v. H. erheben durften, wird di« Gewerbe- steuer künftig in voller Höhe für den Staat erhoben und di« Gemeinten und Bezirk»verbänd« erheben daneben eine eigene Zuschlagsstvuer. Dies« Zu- schlagssteuer ist nach oben und unten begrenzt und darf nicht weniger al« 100 und nicht mehr al» 800 v. H. der Staatssteuer betragen. Der Sozialdemokratisch« Parteivor stand ist wegen der bedrängten wirtschaftlich« und politischen Lage anf Montag, d« SL Juli »trwerufr, worden. » ,
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