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Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 25.07.1923
- Erscheinungsdatum
- 1923-07-25
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-192307257
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-19230725
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-19230725
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1923
-
Monat
1923-07
- Tag 1923-07-25
-
Monat
1923-07
-
Jahr
1923
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Leite L «r. 17« Lelprigee 7»s«dl»tt «ick Seockelsreltuay LLittvord, ckea 2§. 7uU urkunde und einen Paß auk dm Namen »Hugo uon Eschwege" gezeigt und gesagt: .Ehrhardt ist jetzt tot, ich bin von nun an Efchwegel" Dl« Prin zessin behauptet, sie habe sich für vallkomHy» be rechtigt gehalten, di« Aussage, wie sie sie aemncht habe, abzugeben und zu verneinen, daß sie Ehrhardt kenne und wisse, wo er sich aufhalte. Diese Verteidigung ist so unendlich töricht, daß es schwer ist, sie »u widerlegen. E» gibt Dinge, di« so dumm sind, daß man sie kaum mit Erfolg be- kämpfen kann. Es gibt doch keinen vernünftigen Menschen auf der Welt, der auf diesen Unsinn h c r e in f a l l e n wird. So unklug ist niemand, daß er nicht wüßte, daß er, wenn er sich einen anderen Namen zulcgt, damit nicht aufhört, der- j-nige zu sein, der er früher war. Es kann keine Rede davon sein, daß die Prinzessin Hohenlohe diesen Unsinn geglaubt hat. Man hat sich gestern bemüht, sic als eine durchaus weltfremde Dame darzustellcn. Nach ihrem persönlichen Eindruck, den sie hier gemacht, halte ich nichts davon. Auch ibre Vergangenheit spricht nicht dafür. Wir haben cs bei ihr nicht mit einem I7i'äbrigen Gäns chen zu tun. Die Prinzessin ist 29 Jahre alt. Sie hat eine gute Erziehung genossen, war fünf Jahre Krankenschwester während des Krieges, hat in Mün chen Handelsunterrickt genossen. Meine Herren, solche Personen sind nicht so dumm, daß man ihnen einen derartigen Unsinn glauben kann. Wäre di« Prin zessin von der Richtigkeit dessen überzeugt gewesen, was sie dem Untersuchungsrichter zu Protokoll gab, dann hätte sie glatt schwören können, sie hatte aber offenbar selbst die Empfindung, daß die Sache höchst bedenklich ist. Das war der Grund, daß sie den Eid zunächst verweigerte mit dem unwahren Porgeben, sie wolle sich bei ihrem Beichtvater erkundigen. In Wirklichkeit wollte sie noch einmal mit Ehrhardt sprechen. Ich möchte deshalb den Einwand der Prinzessin, s? habe nicht gewußt, daß ihre Aussage unwahr sei, als unwahrscheinlich bezeichnen. Das Gesetz ersaht auch den indirekten Vorsatz zum ckolus eventusiis, es ist nicht notwendig, daß der Schwörende von der Unwahrheit dessen, was er sagt, nicht vollkommen überzeugt ist, es genügt schon, wenn er mit der Möglichkeit der Unwahrheit rechnet. Wir brauchen aber diese Brücke gar nicht. Sie, meine Herren, werden auch so die Ueberzeugung erlangen, daß die Prinzessin gewußt hat, daß sie sich de« Mein eide» schuldig gemacht hat. Der Meineid hat dadurch eine gewiße Ab schwächung erfahren, daß die Prinzessin am nächsten Tage ihre Aussage widerrufen hat. Dieser Wider ruf war allerdings kein durchaus freiwil liger; aber da» ist nach dem Gesetz gleichgültig und darum kommen der Prinzessin die Milderungs gründe des Z 157 zugute. Der Angeklagten wird weiter zur Last gelegt, daß sie sich der Begünstigung der Flucht des Kor» vettenkapitäns schuldig gemacht hat, einmal dadurch, daß sie ihn unter dem falschen Namen von Eschwcge in ihrer Wohnung längere Zeit verborgen hielt, und zweitens dadurch, daß sie rhn durch den Meineid der Strafverfolgung zu entziehen suchte. Um sic dieser Begünstigung zu zeihen, muß der Prin zessin nachgewiesen werden, daß Ehrhardt ein ftrif- bare» Verbrechen begangen hat. Der Oberreichsanwalt geht sehr ausführlich aus d«n hinlänglich bekannten Kapp-Putsch ein und be- LKL lUe Schuld Ehrhardt». Er kommt dann zu dem Schluß, die Prinzessin sei des Meineids schuldig und de» Vergehen» der Begünsti gung nach Z 267 St. G. B. Das Strafmaß Für da» Strafmaß und die Straftat, so führt der Anklagevertreter mit erhobener Stimme fort, ist da» Verhältnis Ehrhardt» zur Prinzessin von aller- größter Bedeutung. Ich verkenne nicht, daß Ehr hardt sich im Kriege und danach durch seine hervor» agcnde Tapferkeit und seinen persönlichen Mut und seine Opferwilligkeit bedeutende Verdienste erworben hat. Man könnte vielleicht sagen, es ist bedauer lich, daß Personen seiner Qualität und Tatkraft, die wir im richtigen Gleise so gut brauchen könnten, auf ein falsche» und verbreche risches Gleis kommen. Ehrhardt war ein her vorragender militärischer Führer, der seine Trup- pen fest in der Hand hatte. Es ist Lin Heroenkultur den man jetzt mit ihm treibt. Wir sehen die» deut- lich aus den Schmäh brtefen, die wir täglich bekommen, nur deshalb, weil wir vom Staats gerichtshof unsere Pflicht tun und Ehrhardt ver- folgen. Die Beteiligung Ehrhardt» am Kapp-Putsch hat ihm in den Augen seiner Anhänger nicht» geschadet. Die Schwärmeret für ihn ist bi» heute di, gleich« geblieben, denn gerade die Anhänger Ehr hardts werden bi» heute noch nicht be griffen haben, daß der Kapp-Putsch ein, der größten Dummheiten und Verbrechen war und dem Deutschen Reich viel geschadet hat. Ehrhardt hat sich nur au» politischer lleber- -eugung am Putsch beteiligt; materiell« Beweggründe hatte er nicht. Derartige politische Verirrungen schaden der Persönlichkeit nicht». Hatte sich Ehr hardt auf den Kapp-Putsch beschränkt, wäre sein» persönliche Ehre unbefleckt geblieben. Do, licht« Bild Ehrhardts hat aber einen dunklen Fleck be- kommen in dem Augenblick, al» Ehrhardt einen Meineid vor dem Untersuchungsrichter leistet«. Der Meineid ist ein gemein«, Verbrechen und ver» dient guchthau». Da», woraus ihm noch ein schwerer Vorwurf gemacht werden muß, ist sein Verhalten gegenüber der Prinzessin. Sie stand voll kommen unter dem Einfluß der kraftvollen und machtvollen Persönlichkeit de» Korvetten- Kapitän». Deshalb war es unverantwortlich, daß er ihr vorschwindclte, der alte Ehrhardt sei tot, nur Herr von Eschwege existiere nvch^ Aber er hat sich nicht darauf beschränkt. Al« die Prinzessin am LS. November ihre falsche Aussage vor dem Unter suchungsrichter gemacht hatte, hätte Ehrhardt sagen müssen: .Um Gotte» willen, Prinzesiin, wena Sie schwören, kommen Sie in» Zuchthaus/ Daß er diese Folgen nicht gewußt hat, kann nn» kein Mensch ein- reden. Statt dessen führte Ehrhardt der Prinzessin i di« Komödie mit der Rechtsauskunft auf und ließ sie schwören. Es liegt in diesem Verholten Ehrhardt« ein« derartige Frivolität, ein« solche G«- wissenslostgkeit, wie sie größer und stärker gar nicht gedacht werden kann, und di« noch über- ! boten wird, daß Ehrhardt sich nicht scheut, zehn Tage , vor der Verhandlung zu fliehen und die Prinzesiin ihrem Schicksal zu überlassen. Selbst die intimsten Anhänger Ehrhardt» müßten sich darüber kl« sein, daß dies,» Verhalten de» Kapitän» auf da» aller- schärfste -u mißbilligen ist. Ich hoffe, daß selbst Oberst Lylander, der Ehrhardt zu seiner Befreiung b«glückwünschte und zu neuen Taten auf forderte, nunmehr einsehea wird, daß Ehrhardt nicht der Her», ist, für de» er ihn »nsah, und daß «a Ehrhardt vieles ist, wo» nur allzumeaschlich ist. Ich «ar gezwungen, diese Ausführungen zu machen, denn sie sind entscheidend für die Strafart und das Strafmaß. Gerade mit Rücksicht auf das unqualtfizicrbare Verhalten Ehrhardts der Prin zesiin gegenüber, die ein Opfer Ehrhardt» geworden ist, glaube ich, sie verdient nicht, ins Zuchthaus geschickt zu werden. Eine Gefängnisstrafe ist angemessen. G» kann die Straf« bis auf ein Viertel ermäßigt »erden. Setzen Sie also eine Zuchthausstrafe von 1^ Jahren an, so wäre am Platze, auf acht Monate guchchau« zu erkennen und an deren Stelle eine Gefängnis strafe von einem Jahr zu setzen. Diese Strafe halte ich für eine ausreichende Sühne. Gleich- zeitig bitte ich, der Angeklagten die Kosten auf- -verlegen. Vie Plädoyers der Verteidiger Al, erster Verteidiger nimmt R.-A. Echlee- lein- München das Wort. Er erinnert daran, daß Frauen nicht mit dem Verstand, sondern gefühls- mäßig urteilen. Eie wägen nicht scharf und den- kcn nicht an die letzte Konsequenz. Von diesem Ge sichtspunkt aus betrachtet, könne man annehmen, daß die Prinzessin von der Wahrheit ihrer Aus sagen vor dem Untersuchungsrichter überzeugt ge wesen sei. Sie stand völlig unter dem Ecnfluß Ehrhardts und nahm da» für wahr an, was er ihr sagte. Für sie war e« ein Nationalheld, ein Halbgott. .Mir hat es in der Seele weh getan/ so be kennt der Verteidiger leidenschaftlich, .al, der Oberreichmrnwalt von Ehrhardt al« dem Beichtvater der Prinzessin sprach und diese sarkastische Kenn zeichnung im Publikum belacht wurde. Dar Tra gische in dem Schicksal der Prinzessin liegt darin, daß — al, sie Bedenken trug, den Eid zu leisten — Ehrhardt ihr mit einem falschen Gutachten die innere Beruhigung wicderzugcben versuchte/ Der Verteidiger kommt zu dem Ergebnis, daß höchstens fahrlässiger Falscheid vorliege, der aber widerrufen und deshalb straffrei sei. Auch von der weiteren Anklage der Begünstigung sei die Prinzessin freizusprechen. Für ihn, als Verteidiger, sei der Kapitän nicht des Hochverrat» schuldig. Ein derartiger Nachweis könne niemals ohne Ehr- Hardt selbst geführt werden. Weshalb soll die Prin zessin gewußt haben, al» sie Ehrhardt aufnahm, daß er sich eine» Verbrechen» schuldig gemacht habe, das nicht unter dir Amnestie falle? Den Tatbestand de» 8 267 hält der Verteidiger nicht für gegeben. Er bittet für den Fall, daß doch auf eine Strafe erkannt werden sollte, um da» Mindestmaß und um Aufhebung der Haft, eventuell gegen Stellung einer Kaution. R.-A. Dr. Krake-Leipzig, der zweite Der- leidiger der Angeklagten, führt u. a. aus: Die An klage stehe und falle damit, daß der Gerichtshof fcststelle, ob wissentlich ein Falscheid geleistet wor den sei oder nicht. Die Verhandlung habe für die erstere Annahme nichts ergeben; es komme höchsten» Fahrlässigkeit in Betracht, die durch den Widerruf straffrei geworden sei. Der Verteidiger bittet um Freispruch seiner Klientin. Erwiderung des Gberreichsanwalts Oberreichsanwalt Dr. Lbermayer erinnert kurz daran, daß Ehrhardt bet der Gegenüberstellung der Zeugen der Prinzessin zuaerufen habe: .Da» Spiel ist verloren/ Diese Aeußerung zeige deutlich, daß Ehrhardt sowohl wie die Prinzessin genau gewußt haben, daß sie mit ihren Lügen nicht mehr weiter- kommen. Die Leidtragende sei die Prinzessin. Der Hasardeur, Ehrhardt, habe sich in Sicherheit ge bracht. Wa» di« Haftfrage anlangt, so hält e, der Ober- rcichsanwalt für notwendig, die Hast bestehen zu lassen. Gerade die Vorgänge in letzter Zeit be stimmten ihn zu dieser Stellungnahme. Die Prin zessin möge sich dafür bei denen bedanken, die zu dem Konzern gehören, die um jeden Preis die Täter der Strafverfolgung entziehen wollen. Die weite Oeffentltchkeit würde e» nicht ver- steh e'n, wenn man die Prinzessin jetzt laufen ließ«, um es darauf ankommen zu lassen, wieweit es den Anhängern Ehrhardt» pass«, die Prinzessin wieder der Justiz zurückzuliefern. Ihre Persönlichkeit al» solch« möge die Haftentlassung rechtfertigen, aber die gegenwärtigen Verhältnisse, durch Ehrhardt und seine Verehrer geschaffen, sprachen dagegen. R.-A. Schleelein tritt dieser Argumentation entgegen und meint, daß gerade die brüte Oeffent- lichkett es nie verstehen würde, wenn die Prin zessin in Hast bliebe. Kurz vor Schluß der Beweisaufnahme ruft Präsident Dr. Schmidt di« Angeklagte zu sich heran und redet auf sie in väterlich wohlwollendem Tone ein. Die Angeklagte gesteht mit leiser Stimme, daß sie da» Opfer Ehrhardt» geworden sei und ihr Unrecht einsake. Ihre Tat reue sie. Um II Uhr zieht sich der Gerichtshof zur De- ratung zurück. Obwohl seinen Richtern durch die Flucht ent zogen, war Ehrhardt dennoch der eigentliche An- geklagte des mit der Verurteilung von Mar garethe Hohenlohe zu Ende gegangenen Pro- zesses. Nur daß der Abwesende nicht als Poli tiker, sondern als Mensch gerichtet wurde. 2» gewissen Kreisen, wo die Unterscheidung -wischen Ehre und Unehre rein formalen Erwägungen folgt, auch di» Seele ihre obligatorische Bügel falte hat und der höchste Adel der Gesinnung nicht so viel wie ein Schmiß auf der Wange gilt, in solchen, dem Denken des Volke» immer mehr entfremdeten Kreisen mag Ehrhardt, der feine junge Freundin in den Meineid treibt, vielleicht noch al» .Kavalier" aus dem Prozeß hervorgehen, der eben dies» Freundin ins Ge fängnis schickt. Das Volk, da» in seinem Urteil geradliniger ist, wird ander» denken. Es wird di» sittliche Größe jenes Manne», den die Reak tion dem deutschen Volk al» eine Art von Na tionalhelden auflträngen möchte, bedenklich schrumpfen und di» Maße eine» Gewissenlosen annehmen sehen, der seine Freundin in» Un- glück stößt, um di» eigene Haut zu retten. Denn selbst die Gewissenlosigkeit dieses Herrn hat nichts > von der Großartigkeit manch« Abenteurer, denen die Geschichte einen Ruhmeskranz gefloch ten hat. Nicht um irgendwelchen höheren Zweckes willen treibt »r das Mädchen, das dem Flüch- tigen Freundschaft und Unterkunft gewährt, ins Unglück. Er hatte nur die eigene Sicherheit im Auge, als er die Prinzessin zu dem Verbrechen des Meineids beschwatzte. Und man meint die Stimme irgendeine» ertappten Hochstaplers zu hören, wenn Herr v. Eschwege, alias Konsul Eich- mann, alias Ehrhardt — so viele falsch« Namen für einen Nationalhelden! — endlich aufruft: Prinzessin, das Spiel ist aus! Wird nach dem Prozeß der Margarethe Hohenlohe auch da» Heroenspiel aus sein, das ein Teil der deutschen Jugend mit jenem Manne trieb? Die Begriffs- Verwirrung, die heute noch von den Nutznießern des alten Regimes in jenen Kreisen erhalten werden kann, ist so groß, daß wir so heilsame Wirkung von der Affäre Ehrhardt—Hohenlohe kaum zu erhoffen wagen. Akademischer Chauvinismus Ausschreitungen in Göttingen Göttingen, 24. Juli. (Eia. Tel.) Zwei Pariser Studenten der Theologie, die als Angehörige de» Christlichen Versöhnungsbundes einen Vortrag über die »erhörten Gebiete Frankreich» halten wollten, sind hier von rechtsradikalen Studenten al» Spione verdächtigt worden. Der Privatdozent an der Göttinger Universität Piper ist unter der Anschuldi gung verhaftet worden, er habe felndlicke Evione beherbergt. Die beiden Pariser Studenten, deren Pässe mit dem deutschen Visum versehen waren, batten bereits in Marburg in einer öffentlichen Ver sammlung der Akademischen Vereinigung einen Vor- trag gehalten und auch in einer von dem bekannten demokratischen Professor Rade veranstalteten Zu sammenkunft mehrere Marburger Persönlichkeiten gesprochen. Da die beiden Franzosen ausgesprochene Gegner der herrschenden französischen Politik sind, suchen sie für eine zwischenstaatliche Verständigung zu wirken. Während sie in Marburg sich 4 Tage ungestört aufhalten konnten, drang in Göttingen ein Haufen Studenten in die Wohnung des Privatdozenten Piper und verlangte die sofortige Abreise der Fran zosen. Piper gab nach, als tue Studenten ehren wörtlich den Franzosen freien Abzug versicherten. Auf Befehl der Studenten mußten aber die Fran zosen entblößten Hauptes ihr Gepäck selbst auf den Bahnhof tragen wobei sie von einer johlenden Menge umringt wurden. Sie mußten Fahrkarten 2. Klasse lösen, und nur das Fahrpersonal ver- bindertc, daß sie von der Menge gezwungen wurden, im Gepäckwagen Platz zu nehmen. Erst in Kassel befreite die Schutzpolizei die beiden französischen Studenten von ihren unangenehmen Begleitern. Studenten gegen die Lehrfreiheit München, 24. Juli. (Gig- Tel.) Wegen Ein spruchs gegen die Berufung des jüdischen Professor« Spiegel berg nach München durch den Listenführrr der -eutschvölkischen Finken schaft, Kersken, wurde, wie seinerzeit gemeldet, vom Rektor der Münchner Universität ein Disziplinarver- fahren gegen diesen eingeleitet, da» mit einem schweren Derwei» Kersken» endete. Wegen dieser Stellungnahme de» Rektor« hat sich, rote der Mün chener Zeitung aus Hochschulkreisen geschrieben wird, der Studentenschaft eine Erregung bemächtigt, die ihren Ausdruck in der Rede des Vorsitzenden de» Münchner Quaffenringes beim A. D. B.-Kommer» am Donnerstag fand. Dort hat dieser in Anwesen» heit de» Rektor« geäußert, daß di« Studentenschaft ihr Ziel durchsetzen werde, trotz der Widerstände der Hochschulen. E» wurde nun auch «gen diesen jungen Herrn ein Disziplinarverfahren eröffnet. Die bayrischen Eisenbahner gegen die Sonöerbestrebungen München, 24. Juli. (E i g. Tel.) Gegenüber der Aktton der Bayrischen Dolkspartri und besonder« de» Abgeordneten Rothmeier auf Rückgabe der bayrischen Eisenbahnen haben die Bezirke Nord- und Südbayern sowie der Pfalz de» Deutschen Eisenbahnervsrbande» Stellung genommen. Da» Er gebnis der Konferenz war, wie die Münchner Zeitung meldet, eine Entschließung, daß weder vom oolk»- reirtschaftlichen noch vom politischen und noch weniger vom Standpunkte de» Personal» au» «ine Rück- führung der Bahnen notwendig oder vertretbar sei. Die Abtretung der bayrischen Bahnen würde in jeder Hinsicht schädlich wirken. Weiter betonte di« Konferenz, daß sie einmütig auf dem Boden der republikanischen Reichs einheit stehe, und au» diesem Grunde jedem versuch, die Reichseinheit zu stören, mit aller Ent schiedenheit entgegentreten werb«. Da» Personal werde in seinem ureigensten Interesse dem geplanten Versuch mit den schärfsten Mitteln entgegentreten. Vie Despoten Esse», 24. Juli. Gestern vormittag wurde Land- gerichtsdirektor Verend» von französischen Krimi nalbeamten in seinem Dienstzimmer verhaftet und nach Bredeney abgeführt. Bor einigen Tagen waren im Landgerichtsgebäude Grundbuchs tten beschlag, nahmt worden. Die Besatzungsbehörde ordnete unter Androhung von Strafen und Beschlagnahmung an, daß die Er laubnisscheine für de» Verkehr mit Fahr zeugen bi» zum 21. ZuÜ dadurch vervollständigt werdea müssen, daß di« Besitzer auf den Schein ein tragen lassen, welch« Waren sie auf ihren Gefährte» befördern dürfen. Lebensmittelverkehrsschein« and Schein«, die bereit» ein« genau« Darenangabe enr- halten- genügrn auch vxiterhin. Esse», 24. Zoll. (Eig. Tel.) Da» Essener Zollamt wurde beute vormittag von den Fran- zosen besetzt. Welche Absicht sie damit verfolgen, ist vollkommen undurchsichtig. Dor dem Zollamt sind eia, Reihe Lastkraftwagen vorgefahren, i» die die Akte» gepackt werden. Die neugeschaffene Essener blau« Polizei wird heute abend um 10 Uhr ihren Dienst auf den Essener Straßen aufnchmen. Ihre Be waffnung besteht in Seitengewehr und Revolver. Ende der vorigen Doch« drang eine kleine Ab- t«Uung belgischer Soldaten über die Lippe vor und requirierte bei Landwirten S Zentner Kartoffeln, 300 Eier und 1 Huhn. Hierauf überreichten die Sol daten großzügig 6000 Mark als Entgelt. Infolge der Berkehresperr« verzögerte sich die Beschwerde beim belgischen Kommandanten. Gestern erschienen bei dem Geschädigten mehrere belgische Offizier« und überreichten ihm 000000 Mark al» .Wiedergut- machung für die ohne Wissen der Besetzungsbehörd« erfolgte unstattbafte Requisition". (Anm. d. Red.: Durch welch« statthafte Requisition werden sich die Eindringlinge demnächst wohl für diese Entschädigung für eine unstatthafte Requisition bezahlt machen?) Vie englische Note Beratungen in Paris Pari», 24. Juli. (Eig. Te l.) Wie der Petit Pa- risien berichtet, hat gestern früh im französischen Mi nisterium des Aeußeren eine Sitzung stattgefunden, an der außer PoincarL der Direktor der politischen Abteilung Perctti de la Rocca und der Direktor der wirtschaftlichen Abteilung Seydoux teilgenommeu haben und in der man sich mit dem Studium der englischen Dokumente befaßte. Diese« Studium wurde gestern nachmittag fortgesetzt, da Poincars so schnell wie möglich nach London antworten will. Es sei möglich, so berichtet Petit Parisiea, daß bereits hente Theunls und Jaspar Mitteilung über den franzö sischen Antworientwurf erhalten, der gestern abge faßt worden ist und den der französische Minister präsident voraussichtlich heute im Laufe de» Minister rat» seinen Kollegen mitteilen wird. Auch Theuni, und Jaspar ihrerseits, so berichtet der Petit Parisien weiter, haben eine lange Unter- Haltung über die Vorschläge gehabt und dem belgi schen Ministerrat in großen Linien ihre Auffassung mitgeteilt. Der Petit Parisien glaubt, daß vorläufig keine Zusammenkunft zwischen PoincarS und den bei- gischen Ministern stattfinden soll. Da» gleiche Blatt teilt mit, daß der belgische Delegierte in der Repa- rationskommission de la Eroix gestern in Brüssel ein getroffen »st und eine lange Unterredung mit Jaspar und Theuni» hat. Das Echo National stellt fest, daß Frankreich nach der amtlichen Follstatistik in den ersten fünf Monaten diese« Jahre» au» Deutschland II4I0V0 Tonnen Kohle und Kok» erhalten habe geger 3 597 000 Tonnen in den ersten fünf Monaten dec» Jahres 1922. Die Einfuhr an Kohle und Koks aus England betrug 1922 in den ersten fünf Monaten 5 183 000 Tonnen und 1923 in der entsprechenden Zett 7 700 000 Tonnen. Frondeur Lloyd George Lo»do», 24. Juli. (Eig. Tel.) A f Veranlas sung des Premierminister» hat Lloyd George darauf verzichtet, den Antrag seiner Fraktion auf recht zu erhalten, wonach am Donnerstag im Unter hause eine Debatte über die Reparationspolitik und den Orientfrieden stattfinden soll. Die Negierung hat zu verstehen gegeben, daß es aussichtslos sei, vor Anfang der nächsten Woche einen Bescheid der frc«^ zöschcn und belgischen Regierung auf die englischen- Vorschläge zu erhalten. Ohne dresen Bescheid sei es aber dem Kabinett unmöglich, zu einer Inter pellation Stellung zu nehmen. Für die Enttäuschung, die ihm diese Erklärung bereiten mußte, hat Lloyd George gestern abend in seiner Fraktion eine Rede gehalten, worin er über Reparationspolitik und Regrerungspolittk sprach. Die Regierungskoalition, so führte er aus, sei seiner- zeit gestürzt worden, weil sie angeblich nach Ansicht der Konservativen nicht imstande gewesen sei, die Orientfragc zu lösen und herzliche Beziehungen in der Entente, besonder» zu Frankreich zu unterhalten. Darauf gebe es nur eine Antwort, daß der Orient friede der konservativen Regierung, der morgen in Lausanne unterzeichnet werde, nichts andere» sei, als ein würdelose» Nachgeben England« vor den Türken. Die Beziehungen zwischen Frank- reich und England seien unter dem konservativen Regime andauernd schlechter geworden, wäh. rend es dem Kabinett Lloyd George während der Regierungspräsidentschaft PoincarS mit Erfolg ge lungen sei, Frankreich an einem Einmarsch ins Ruhrgebiet zu verhindern. Jetzt werde England bei der Erörterung der Reparattonsfrage überhaupt nicht mehr zu Rate gezogen, sondern ausschließlich von den Besprechungen zwischen Poincarü und Theuni» unterichtet. ver Grientfrieden Anerkennung der Uonzessionen — Vie Zurücknahme der alliierten Truppen Laus««, 24. Juli. (Eig. Tel.) Au» dem Friedensvertraa waren di« Bestimmungen über die Vorkriegskonzessionen und die Bestimmungen über die Evakuierung von Konstantinopel, Galipoli und die Meerengen bisher noch nicht genau bekannt gegeben, weil der Kampf um diese Teil« de« ver trage» bi« zuletzt andauerte. Deus Protokoll über die Konzessionen bestimmt grundsätzlich, daß alle diese Konzessionen aufrecht erhalten werde». Ein« Ausnahme machen die Kon-esfioaen d«r Vicker» Armstrong-Gesellschaft und der alten Eisenbahnregie. Die Gesellschaften er halten nebenbei eine Kompensation, die von einer unparteiischen Kommission al» gleichwertig anerkannt wird, oder «ine Entschädigung für die von ihnen bereit» gehabten Auslagen. Bezugltch des anderen Punkte« verpflichten sich England, Frankreich und Italien, ihre Truppen und Kriegsschiffe au« Konstantinopel, G«ltpoli und von den Meerengen bi« S Wochen nach Ratifizierung de« ver trage« durch die türkische National versammlung zurückzuziehen. In einer beigefiigten Erklärung sichert die türkische Delegation zu, daß di« Freiheit der Durchfahrt durch die Meer engen für die Handel»- und Kriegsschiffe England», Frankreich« und Italien« bereit« vor Inkrafttreten der Meere naenkonvcntion gesichert ist, fern« daß diese drei Mächte je einen Kreuzer und 2 T»rv«d»- boot« bi» »um Ende diese« Jahre» i» den A«er- engen behalten dürfen. Die italienisch« Regierung gibt be kannt, daß der Senat erst im November zufammen- tretrn wird, um über da» neue Wahlgesetz» da» bereit» von der Kammer angenommen wurde, zu berate». Ma» betont, daß man t» diesem Jahre nicht mehr zu den Kammerwahlen schreiten werd^ Dies« werden vielmehr im kommende» Frühjahr stattfinden.
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