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Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 22.07.1923
- Erscheinungsdatum
- 1923-07-22
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-192307229
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-19230722
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-19230722
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1923
-
Monat
1923-07
- Tag 1923-07-22
-
Monat
1923-07
-
Jahr
1923
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8eVw L Xr 5« Lelprig« «»6 LLo6eI»reltuag Sormtsg, ckra 22. JuU vom sächsischen Haushalt ver Beitrag zur Leipziger Mess« Dresden, 21. Juli. (Eig. Tel.) Die Nach richtenstelle der sächsischen Staatskanzlei teilt mit: In einer kürzlich veröffentlichten Slotiz sind über den sächsischen Haushaltplan für 1S24 Angaben ent halten, di« nicht unwidersprochen bleiben können. Von den Ausführungen ist nur richtig, daß bereit» Anfang Juni mit Verhandlungen über die Auf- stellung de» Haushaltplanes begonnen worden ist, um diesen rechtzeitig an den Landtag bringen zu können. Als Grundlage sind hierbei aber nicht, wie in der Notiz behauptet wird, die jetzigen Ver hältnisse genommen, vielmehr wird zunächst nur über di« einzelnen Einstellungen dem Gegenstand nach mit den einzelnen Ressorts verhandelt, während die Beträge erst im Herbst eingefügt werden sollen, um den Staatshaushaltplan möglichst den in dem Zeitpunkt seiner Vorlegung bestehenden Verhältnissen anzupaflen. Endgültige Entschließungen über den Haushaltplan für 1824 sind naturgemäß überhaupt noch nicht gefaßt wor den. Die Angabe der erwähnten Notiz über ein- zelne Einstellungen sind daher unzutreffend. Auch die bisher zur Förderung des Klein- Handels und Kleingewerbes eingestellten Derfügungssummen können schon deshalb nicht, wie behauptet wird, künftig ganz in Wegfall kommen, weil auch bisher schon nur ganz allgemein eine Der- fügungssumme zur Förderung des Gewerbes vor- gesehen war, deren Streichung nicht beabsichtigt ist. Vor allem aber bedarf die Angabe der Richtig, stellung, daß die Regierung für die Leipziger weltmeffe einen Zuschuß von 18 Millionen Mark für aus reichend gehalten hat, während die Iahresschau in Dresden 6 Millionen Staatszuschuß empfing. Ab» gesehen davon, daß es sich bei dieser Summe um Einstellungen in den Staatshaushaltplan für 1923 und nicht für 1924 handelt, ist zu berücksichtigen, daß der Staatsbeitrag für das Meßamt für die Mustermesse in Leipzig bei Aufstellung des Haus haltplanes für 1923 im Sommer vorigen Jahres be messen worden ist, während die Einstellung von S Millionen Mark für die Dresdner Iahresschau in den Nachtragsplan für 1923 vom Landtag erst kürz lich, also unter gänzlich veränderten Gcldverhält- nissen beschlossen wurde. Dagegen steht die Höhe des Staatszuschusses für das Leipziger Meßamt nicht nur für 1924, sondern auch für 1923 überhaupt noch nicht endgültig fest. Jedenfalls kann damit gerechnet werden, daß auch der Staatszuschuß für 1923 wesentlich erhöht werden wird, in welchem Ausmaße, wird allerdings letzten Endes davon abhängen, was die Stobt Leipzig für ihre eigene Messe aufzuwenden gewillt ist. Die Leistungen de» Staate« für die Leipziger Messen sind übrigens mit dem Beitrag für das Meßamt keineswegs eo schöpft, insbesondere hat der Staat im HerüG vorigen Jahre» unter günstigen Bedingungen ei« Darlehen von SO Millionen Mark an die Grassi- Textilmeßhau»-A.-G. in Leipzig ge währt und ebenso hat der Landtag ein weiteres Darlehen von 200 Millionen Mark an dieselbe Gesellschaft bew 9'gt. Außerdem schweben zurzeit Verhandlungen über die besondere Förde rung der Technischen Messe durch den Staat, die kur- vor dem Abschluß stehen. Aus alledem ergibt sich, daß die sächsische Regie rung die Bedeutung der Leipziger Messe in vollstem Maß« würdigt und ihr jede nur mögliche Förderung zuteil werden läßt. Vie Zeier des II. Augustr Dresden, 21. Juli. (Gig. Tel.) Der Reichstag Hat bekanntlich den in der Kommission fertiggestell ten Gesetzentwurf über die Feier de» Ver- fassuna»tage» vor seinen Ferien nicht mehr erledigt, so daß eine gesetzliche Regelung für dieses Jahr nicht mehr in Kraft treten kann, da das Reichs- t Parlament vor dem 11. August nicht wieder zu- sammcntritt. Di« Reichsvegierung hat aber bereits vor einiger Zeit bekonntgegeben, daß der 11. August auch in diesem Jahre ge- feiert werden soll. Die sächsisch« Regierung hat sich dem angeschloffea und für die Fei«r folgen des bestimmt: Es sollen am 11. August die öffentlichen Gebäude beflaggt werden, in den Schulen und Hock- schulen soll de» Tage» durch ein« Feier gedacht werden, die am Tage des Wiederbeginns des Unter richt» abzuhalten ist, wenn der 11. August in die Ferien fällt. In Dresden soll am Vormittag de ll. August im Rathaus eine amtliche Feier statt finden- zu der die Staat»- und städtischen Behörden, der Landtag, Vertreter der Gewerkschaften und von Kunst und Wissenschaft, Handel und Gewerbe sowie der Reichswehr eingeladen werden sollen. Die Stadt- und Gemeindebehörden wurden aufgefordert, Der- sassung»feiern odzuhalden. Die näheren Anordnungen werden von der Regierung in den nächsten Tagen veröffentlicht, Ausnahmen zur Vevisen-Gr-nung Berlin, 21. Juli. (Gig. Tel.) Der Reichswirt, schaftsminister gibt in einem Schreiben an di« Spit- »enverbände des Handels und der Industrie zur Be- lebung der gegenwärtig eingetretenen S.ockuna im Waren- und Zahlungsverkehr eine Ausnahme von Paragraph 2 der Dalutaspekula- tionsverordnung bekannt, wonach vorüber- gehend, vorläufig bi« zu» IS. August, Devisen in Zahlung genommen und gegeben werden dürfen und zwar für Einfuhrwaren und Waren, die überwiegend au» eingefllkrtem Material hergestellt sind und die schon jetzt üblicherweise auf Dalutabasi» berechnet wurden. Bedingung ist, daß der Abnehmer der Devisen entweder selbst eine Handelskammerbescheini- gung besitzt, oder dem Geber die Erklärung gibt, daß er die Devisen binnen zwei Wochen an di« Reichs bank weitergibt. Die Verpflichtung zur Abgabe von Exportdevifen wird durch dies« Ausnahme nicht be rührt, ebensowenig ist der Lieferant berechtigt, Devi- senzahlungen zu fordern oder der Abnehmer befugt, sich Devisen zum Ankauf zu beschaffen. «üuche», 21. Juli. (Eig. Tel.) lieber di« Wirkung der Davtseuverorduuug erklärt der bagrische Handel»mtnister von Mejurl auf Anfrage t» Landtage, daß di« Deviseuverord- nung die Einführung von lebenswichtige« Rohstoffen und Lebensmitteln unterbinde und die Bereit stellung ausländischer Kredite störe. E» sei nicht zu verkennen, daß diese gesetzgeberischen Maßnahmen die gesamte deutsch« Wirtschaft, insbesondere die von der Berliner Zentrale abliegenden Wirtschaft»- gebiete auf das schwerste schädigen. Das Staats ministerium habe schon im Mai 1S23 g«g«n ein« beabsichtigte Zentralisierung de» Deoisenhandel« Stellung genommen. Die Vorstellungen beim Reichs- wirtschatfsministerium hätten jedoch keinen Erfolg gehabt. Mit den Vertretern der bayrischen Wirt- schäft habe kürzlich eine Besprechung stattgefunden; auf Grund deren habe das Handelsministerium die Aufhebung der Verordnung oder mindestens die Be seitigung ihrer verhängnisvollen Folgen auf den lebenswichtigen Wirtschaftsgebieten beim Neichswirt- schaftsministerium dringend beantragt. Mit den Regierungen der süddeutschen Länder sei gleichzeitig in Verbindung getreten worden. Bringt Opfer! Berlin, 21. Juli. (Eig. Tel.) Der Reichs- Minister des Innern, Oeser, hielt gestern auf einer vom Republikanischen Reichs- bund veranstalteten Gedächtnisfeier für Ludwig Bamberger die Festrede, in der er zur gegen wärtigen politischen Lage u. a. ausführte: „Vielleicht stehen wir heute an einem Scheidewege unserer Politik. Wir sehen, wie unser Volk leidet unter Dingen, die von uns unabhängig sind. Wir sehen mit Schrecken die Entwicklung unserer Valuta und fragen uns bang, ob es keine Mittel gibt, dieser Entwicklung entgegcnzutreten. Ich glaube, daß diese Mittel nur gefunden werden, wenn wir die For derung Ludwig Bambergers erfüllen, daß Politik und Wirtschaft in einem einheitlichen Geiste geführt werden müssen. Er vertrat auch mit allem Nachdruck die Forderung der Einheit und Ge schlossenheit des Deutschen Reiches. Wir kämpfen heute um diese Einheit und Geschlossenheit, di« an den verschiedensten Grenzen offen und geheim be- droht wird. Auf deutschem Boden steht der Feind, der sich als Kerkermeister des deutschen Volkes fühlt. In dieser Zeit müssen wir alles versuchen, um eme gesunde Wirtschaft und Währung wieder herzustellen. Mehr als in jeder anderen Zeit muß heute der ein zelne sich bewußt und willig den Staatsnotwendiq- keiten unterordnen. Eine Partei, die nicht bereit ist, dem leidenden deutschen Volke das zu geben, was es braucht, eine solche - Partei hat keine Existenz berechtigung mehr. Mehr denn je erfordert die heutige Zeit von allen Volksgenossen Opfer aller schwerster Art. Der Zustand, in dem wir jetzt leben, in dem die Opfer unsichtbar gebracht und jedem ein zelnen entzogen werden durch die fortdauernde Ent wertung der Valuta, ist der allerschlimmste. Lieber rasch, schnell und groß opfern, um aus den Fähr nissen der Zeit herauszukommen.* Die Unrr hen in Breslau Bei den Unruhen sind, wie die Pressestelle de« preußischen Staatsministeriums erfahren Hot, im ganzen 0 Personen getötet worden. Ein nicht geringes Verschulden an dem Umfange der Unruhen und an der Behinderung der Polizei beim Eingreifen trägt das Publikum, das in großen Mengen um die geplünderten Gekäste Herumstand, um seine Schaulust zu befriedigen. Die Schutz. Polizei konnte stellenweise durch den dichten Kordon der Gaffer nur mit Anwendung von Gewalt zu den Plünderungen gelangen. Ein anderer Umstand, der zur Verschärfung der Lage in Breslau beigetragen hat, ist die Tatsache, daß drei große Arbeiter kategorien zurzeit in Breslau im Streik stehen: Transport-, Holz- und Metallarbeiter, die auf den Straßen herumlungern. Zur Erhöhung der Er- regung unter der Arbeiterschaft hat auch beigetragen, daß die Linke-Hofmann-Werke bei der letzten Lohn zahlung sämtliche gewährten Vorschüsse auf einmal in Abzug brachten, so daß die Arbeiter nur Teile ihres Lohnes erhielten. Argentinischer Besuch Hamburg, 21. Juli. (Eig. Tel.) Da» argen- tinische Schulschiff „Presidente Sarmiento* ist heute um 10 Uhr in Hamburg cingetroffen. Es wurde auf der Fahrt an der ganzen Wasserkante mit freudigen Zurufen begrüßt. Das Schiff ist neben dem kleinen Kreuzer „Berlin* vor Anker gegangen. Der Kommandant des Schiffes, Korvettenkapitän Carle Adrana, wird heute abend vom Hamburger Senat im Rathause empfangen. Auch der Reichskanzler wird von seinem Sommersitz in Aumühle nach Ham burg kommen, um an dem Empfang teilzunehmen. Vie Nohlenlieferurrgen für Italien fraglich Essen, 21. Juli. (Eig. Tel.) Die Lieferung von Reparationskohle an Italien mußte infolge Be schlagnahme der aus dem Zentrum des Ruhrgebiete» nach Süden führenden Strecken durch die Franzosen eingestellt werden. Es schweben gegenwärtig Ver handlungen mit dem italienischen Delegierten, die eine Wiederaufnahme der Lieferungen bezwecken. Die Franzosen sind mit der Wiederaufnahme der Kohlenlieferungen an Italien nicht einverstanden. Man hofft aber, den französischen Widerstand zu brechen. Voraussetzung für die Wiederaufnahme der Lieferungen ist, daß «ine Bahnstrecke für den Ver sand der Kohlen von den Franzosen freigegeben wird. In Vohwinkel ist gestern morgen ein für die Eng länder bestimmter Kohlenzug von den Franzosen be schlagnahmt worden. Heber die Freigabe schweben zur Zeit zwischen Engländern und Franzosen Ver handlungen. Iugoslau>lsch,polnllcherHandelrvertrag Belgrad, 21. Juli. (Eig. Tc l.) In der heutigen Sitzung der Ekupschtina unterbreitete der Handel»- Minister zur Ratifizierung die im Oktober 1922 in Warschau -wischen Jugoslawien und Polen abgeschlossen« Handelskonvention. Dir Handelskonvention enthält 17 Paragraphen und eine Beilage über den Eisenbahnverkehr. In der Kon- vention wird der Wunsch ««»gedrückt, ehesten» eine allgemeine Eisenbahnkonv«ntion mit allen Eisenbahn- Verwaltungen in den Gebieten der früheren öfter- retchisch-ungarischen Monarchie abzuschließeu. ver Eid der Prinzessin Hohenlohe Am Montag sollte vor de» Staat»gericht»hof i« Leipzig der Prozeß gegen den inzrotschen entflohenen Kapitänleutnant Ehrhardt beginnen. Wenn auch da» Hauptverfahren gegen Ehrhardt infolge seiner Flucht »richt stattsinden kann, so wird sich der Ltaatsgerichts- hof doch mit Ehrhardts Helfern, der Prinzessin Margarethe von Hohenlohe-Oehringen und dem ehe maligen Leutnant zur See Liedig, beschäftigen. Von den insgesamt 87 Zeugen, die für den Erhardtprozeß von der Reichsanwaltschaft benannt worden sind, sind für die Verhandlung am Montag 12 geladen worden, unter ihnen der ehemalige Reichswehrmini ster Rosk« und der Generalleutuant a. D. Bernhard von Hülsen. Die Prinzessin Hohenlohe ist des Meineides und der Beihilfe, der ehemalige Leutnant Liedig der Beihilfe angeklagt. Der Anklage liegt folgender Tatbestand zugrunde: Am 28. November vorigen Jahre« war die Prin zessin Hohenlohe, die in M ünchen-Pasing wohnt, vor den Untersuchungsrichter geladen worden, um über ihre Beziehungen zu dem Kapitänleutnant Ehrhardt Auskunft zu geben. Damals hatte im Hause der Prinzessin ein Herr von Eschwege ge- wohnt, der im Verdacht stand, am Kapp-Putsch be teiligt zu sein. Auch Eschwege war vom Unter suchungsrichter vernommen worden und bei dieser Vernehmung war damals seine Identität mit Ehr hardt durch zwei Zeugen festgestellt und er war ver haftet worden. Die Prinzessin sollte nun auf die Frage des Untersuchungsrichter« Auskunft geben, ob sie mit Ehrhardt überhaupt bekannt sei. Die Prin zessin gab an, daß sie Ehrhardt oberflächlich kenne. Sie habe ihn eines Tage» in einer Gesellschaft kennen gelernt und ihn dann später einmal getroffen, eine Begegnung, die zur Folge gehabt habe, daß Ehrhardt sich bemühen wollte, für die Prinzessin, die stG gerne betätigen wollte, eine kaufmännische Beschäftigung zu finden. In dieser Zeit sei sie dann mit Ehrhardt und anderen Herren mehrfach zusammengetroffen, sonst habe sie aber keine Berührung mit ihm gehabt. — Der Untersuchungsrichter verlangte von der Prinzessin, daß sie diese Aussage beschwöre. Sie bat sich Bedenkzeit au« und beeidete dann am 30. No- vember ihre am 28. gemachte Aussage. Aber bereits nach zwei Stunden meldete sie sich freiwillig und widerrief ihre Aussage, um sie dahingehend zu be- richtigen, daß sie Ehrhardt genau kenne und ihn auch beherbergt habe. Wenn sie die vorherige falsche Aussage gemacht habe, so sei das deshalb ge- schehen, weil Kapitänleutnant Ehrhardt ihr gesagt habe, daß „Ehrhardt* nicht mehr existiere, sondern nur noch „Herr von Eschwege*, und daß die Der- gangenheit vergessen und begraben sei. Ehrhardt habe ihr auch gesagt, daß sie mit gutem Gewissen be- eiben könne, daß sie den Kapitänleutnant Ehrhardt nicht näher kenne. Die Prinzessin habe angenommen, daß Herr von Eschwege-Ehrhardt sich ja der Ver antwortung wohl bewußt gewesen sein müsse, di« sie auf sich nahm, und daß er ihr au» diesem Grunde keinen schlechten Rat geben konnte. Bei dem zwei- ien Angeklagten, dem Leutnant a. D. Liedig, liegen die Dinge ähnlich Auch ihm gegenüber hatte Ehr hardt geäußert, daß nur Herr von Eschwege existiere und Ehrhardt mit der Vergangenheit untergegangen sei, so doch er seine Aussage dementsprechend machen könne. Allerdings ist Liedig nicht vereidigt worden. Erschwerend für die Prinzessin Hohenlohe fällt in» Gewicht, daß sie ihre beeidete Aussage erst dann widerrief, nachdem sie Kenntni» davon hatte, daß die zwei Zeugen, die Ehrhardt entlarvt hatten, vor dem Untersuchungsrichter auch gegen sie ausgesagt batten. Die Prinzessin, di« im 29. Lebensjahre steht und am Freitag im Untersuchungsgefängnis ihren Geburtstag beging, dürste sich also vor dem Staatsgerichtshof hauptsächlich darüber zu äußern haben, ob sie wissentlich einen Meineid leistet«, oder ob es ein in gutem Glauben geleisteter Falscheid war, den sie korrigierte, nachdem sie die Unrichtig keit ihrer Aussage erfahren hatte. Außerdem hat sie sich der Beihilfe schuldig gemacht, da sie Ehrhardt unter falschem Namen bei sich ausgenommen hat, und es wird für sie die Frage aufgeworfen werden, ob sie ihm wissentlich Beistand zur Flucht leisten wollte, oder ob sie, den Worten Ehrhardt» glaubend, nur dem »Herrn von Eschwege* ein Obdach geben wollte. Die Verhandlung dürfte nicht ohne gewisse Spannungsmomente bleiben, da die Verteidigung der Angeklagten geltend machen wird, daß der Haupt zeuge für diese Verhandlung, der Kapitänleutnant Ehrhardt, fehle, und sich die eigentlichen Anklage- punkt« im wesentlichen erst au» der Entscheidung im Ehrhardtprozeß selbst ergeben könnten, ins- besondere was da» Strafmoment der Beihilfe an betrifft. Bekanntlich sei gegen Ehrhardt die An klage wegen Hochverrat« erhoben worden. Solange aber nicht entschieden sei, ob sich Ehrhardt de» Hoch- verrat» schuldig gemacht habe, könne auch nicht über die Prinzessin Hohenlohe und dem Leutnant Liedig wegen Beihilfe geurteilt werden. Di« Verteidigung der beiden Angeklagten liegt in den Händen des Münchener Rechtsanwalts Schneelein und des Leip- ziger Rechtsanwalt« Dr. Moritz Krake. Wie in eingeweihten Kreisen verlautet, soll sich der Präsident de» Staatsgerichtshose« Dr. Schmidt schon seit längerer Zeit mit Rücktrittsgedanken tragen. Auf dem Relchsgertchtsplatz find vvm Montag, den 23. Juli, an alle Ansammlungen verboten. Zuwiderhandlungen werden bestraft mit Geld bi, zu ISO 000 Mark oder Hast bis zu 14 Tagen. Entspannung In Polen Kral«, 21. Juli. (Eig. Tel.) Rach den gestern und vorgestern verbreiteten Alarmnachrichten üb« die wachsenden Unruhen und di« drohende Prokla- mierung des Generalstreiks in ganz Polen wird heute amtlich festgestellt, daß alle diese Nachrichten stark übertrieben find. In den Textilindustrie- gebieten von Lodz und Ezen stocha» kehrt die Ruh« allmählich wieder zurück. Heute vormittag find die Vertreter der Arbeitgeber und -nehm« zu- sammrng «kommen, und es ist eine Regelung der Löhne durch einen Teuerung»ind«x vereinbart worden. Die Verhandlungen über die einzelnen Vereinbarungen werden weitergeführt. Man hofft jedoch, daß sie bereit» heute ihre« Abschluß finden werden, so daß bereit» morgen oder übermorgen di« Arbeiten in der Textilindustrie wieder ausgenommen werden können. Auch in anderen Textilindustrie gebieten, wie BiÄitz, Bialla und Bialtstok »erden Verhandlungen in demselben Sinne geführt. Me aus Warschau gemeldet wird, herrscht im ganzen Laude Ruhe und Ordnung. Die gestern und vorgestern vorgekommenen Zwischenfälle find auf die propagandistische Tätigkeit unverant wortlicher kommunistischer Elemente zurückzuführen. Der besonnenere Teil der Arbeiterschaft und die Sozialdemokraten drängen auf Beendigung de» Streik» und fordern eine Regelung der Löhne. Don der Metallindustrie in Warschau ist nur ein Teil der Arbeiter in den Streik getreten. Zwischen den Industriellen und den streikenden Metallarbeitern »»erden ebenfalls Verhandlungen geführt. Man hofft, daß auch dieser teilweise Streik bald beendet sein wird. Bei den gestrigen Zusammenstößen in Lodz ist ein Arbeiter getötet worden, einige andere Arbeiter und Polizisten wurden schwer verwundet. Der Arbeitsminister und der Minister des Innern sind in Lodz eingetroffen, um zwischen den Arbeitern und Arbeitgebern zu vermitteln. Italienisch-österreichischer Konflikt (Don unserem Wiener Mitarbeiter.) 6r. Wien, 18. Juli. Zwischen Italien und Oesterreich war kürzlich ein Eüdbahnüberein- kommen abgeschlossen worden. Es war vor- gesehen, daß die Ratifikation noch vor dem 1. Sep tember zu erfolgen habe. Das Uebereinkommcn stand in organischer Verbindung mit Verträgen über die Erleichterung de« Verkehrs und über Be- günstigung in tarifarischer Natur. Aber plötzlich er- schien der Generalkommiffär des Völkerbundes in Oesterreich, Dr. Zimmermann, auf der Bild- fläche und legte sein Veto gegen die parlamentarische Beratung des Abkommens ein. Der österreichischen Regierung blieb nichts weiter übrig, al» sich vor- läufig zu fügen. Anderer Ansicht aber scheint Herr Mussolini zu sein. Denn wie die Wiener Blätter berichten, hat der italienische Regierungschef eine sehr scharfe Note nach Wien gerichtet und Oesterreich mit Repressalien bedroht, so- fern das Südbahnabkommen nicht bi« zu dem fest- gesetzten Termin, d. h. bi» Mm 1. September rati- fiziert sei. Herr Mussolini droht, wie verlautet, daß Italien u. a. weder die Kotierung der österreichischen Dölkerbundsanleihe an den italienischen Börsen, noch die Ausbezahlung der auf Italien noch ent- fallenden Anleihebetrage zulassen werde, sofern die österreichische Regierung ihre Verpflichtung hinsicht lich des Beitritts zur Südbahnkonvention nicht ein- halten werde. Mussolini erklärt aber weiter, daß auch Frankreich (!) ein analoge» Vorgehen aus die sem Anlaß einzuhalten gesonnen sei. Endlich weist er darauf hin, daß die Verschleppung des Südbahn problems auch in England sehr verstimmt habe. Die Motivs, die den Generalkommiflar de» Völkerbundes zu seinem Veto veranlaßt haben, dürften darin zu suchen sein, daß Oesterreich in dem Südbahnübereinkommen tatsächlich übervorteilt wurde. Die Leistungen, die Oesterreich aus dem Ver^ trage zu vollziehen hat, machen mehr als Zehn Millionen Goldfranken jährlich aus, eine Summe, die sich mit 94 Milliarden Papierkronen beziffert, wozu noch da« Defizit der Südbahn hinzukommt, das bisher mit 42 Milliarden bemessen wurde. Bedauer lich ist allerdings, daß der Generalkommissar von seinem Einspruchsrecht so spät Gebrauch gemacht hat, daß hierdurch die Einhaltung der Ratifikationsfrist fast unmöglich geworden ist. Dadurch ist sowohl der Generalkommissar selbst al« auch die österreichische Regierung in eine höchst peinliche politische und diplomatische Situation gekommen. Italien be trachtet die Nichteinhaltung des Ratifikationstermins als einen Affront, zumal da die österreichische Regierung selbst die Genehmigung des Nationalrates für völlig sicher gehalten hat, und auch die im Ver- trage vorgesehene Zustimmung der Reparations kommission und der Kontrollkommission, an die der Generalkommissar die Sache jetzt verwiesen hat, für bloße Formalitäten gehalten wurden. Auf jeden Fall, so meint man hier, hätte der Generalkommiflar, wenn er schon so spät einschritt, die Ratifikation durch den österreichischen Nationalrat nicht hindern sollen. Wenn dann später die Kontrollkommission ihre Zustimmung zu dem Vertrage verweigert hätte, so hätte Italien unmöglich die österreichische Regie rung dafür verantwortlich machen können. Auf alle Fälle wird die Beurteilung der Inter vention de« Generalkommiflar« davon abhängen, ob er in der Lage ist, auf dem Wege des Völkerbund rate» eine Verbesserung des Südbahn- abkommen» zugunsten Oesterreichs durchzusetzen oder nicht. In Wirklichkeit kann sich ja Italien nicht an die österreichische Regierung halten, da diese ja nicht Herrin ihrer Entscheidungen ist, wie der Fall deutlich zeigt. Und übrigens: Italien gehört selbst zu den Mächten, die als Voraussetzung der Sanierungs ektion da» Selbst bestimm ungerecht Oesterreichs ein geschränkt haben. Schlußakt in Lausanne Lausanne, 20. Juli. (Eig. Tel.) Die Unter- zeichnung des Friedensvertrage» von Lausanne zwischen den Alliierten und Drrechenland einerseits und der Türkei anderseits ist nunmehr auf Diens tag nachmittag 3 Uhr festgesetzt worden und wird in der Aula der hiesigen Universität, dem so- genannten Palais Rumine, stattfinden. Am Montag wird der Text de» Vertrages veröffentlicht werden, der indessen au» den Verhandlungen in allen Einzel heiten, mit Ausnahme de» neuen Wortlaute» der Regelung der Kupon- und der Konzessionsfrage, be reit» bekannt ist. Die Wirtschaft»- und Handels- vertrage zwischen der Türkei und den Vereinigten Staaten sowie zwischen der Türkei und Polen dürften bi» Montag kaum beendet sein. In diesem Fall werden die türkische Delegation sowie ein Teil der amerikanischen Delegatton und der polnischen Unterhändler noch einige Tage bi» -um Abschluß dieser Verhandlungen in Lausanne verbleiben. Am Montag abend gibt der schweizerisch« Bundesrat zu Ehren der Delegationen der Friedens konferenz ein große» Diner. Der Hau»haltou»s«Euß de» Reichstag» er teilte die Ermächtigung zur ^Auszahlung der neuen Teuerungszulagen zu den Bezügen der Staat»ar beiter und -beamten. Der Teuerung»- zuschlag wird hiernach auf K74 Proz. ab 17. Juli erhöht. . :
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