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Selle 2 Ur. 169 Ehrhardt» Helfershelfer Ermittelungen der Leipziger Polizei Leipzig 17. Juli. Di» Polizei teilt un» mit: Die Nachforschungen nach de« Helferohelfern d« Korvettenkapitäns a. D. Ehrhardt bet seinem Entweichen au» der Gefangenanstalt II au« Leipzig am Nachmittage de« 18. Juli 1923 haben folgende» ergeben: Der Führer de, zur Flucht benutzten Kraft wagen« ist der Kaufmann Fritz Hermann Götz, ge boren am 8. Marz 1899 in Plauen im Vogtland, zuletzt in Leipzig-Stötteritz, Störmthaler Straße 1, part., bei Friedrich wohnhaft. Götz ist etwa IHö Meter groß, hat blonde«, hintergetämmte» Haar, vielleicht mit kleinem Scheitel, an der Seite etwas gewellt, frisches, längliches Gesicht, ohne jeden Part. Bekleidet war Götz am Tage der Flucht mit Hellem Sommerjackctt, hellgrauer Sporthose, grün lichem Sporthemd und braunen Ledergamasche«. Als weiterter Helfershelfer kommt der Student Hans Massow von Prince, geboren am k. Juni 1900 in Berlin, in Betracht. Massow von Prinee muß sich längere Zeit vor der Flucht Ehrhardts in Leipzig aufgehalten haben, ohne poli zeilich angcmeldet gewesen zu sein. Er kann ver mutlich nur in Wohnungen seiner Gesinnungsgenossen Unterschlupf gefunden haben. Im Gegensatz zu Götz, der nach dem Entweichen Ehrhardts in Leipzig nicht mehr beobachtet worden ist, ist Massow von Prine« noch zwei Tage danach, am Sonntag, den 1k. Juli 1923, hier gesehen worden. Massow von Prince wird wie folgt beschrieben: Er ist kleiner als Götz, schlank, hat dunkle» Haar, dunkle Gesichtsfarbe und scharf hervortretende Backenknochen. Beide sind bei der Polizei nicht unbekannt. Lötz gehört der Deutschnationalen Volkspartei und dem Deutschen Herold an, auch war er Mitglied der Orgesch in Plauen. Massow von Prince hat im Jahre 1921 zur Zeit der Ermordung Erzbergrr» in der Ober leitung der „O. E.* in München gearbeitet und hat hernach sein Tätigkeitsfeld nach Hamburg verlegt. Don Interesse für die Ausführung der Flucht Ehrhardts ist die Feststellung, daß Götz in das Flucht auto zwei Koffer mit Schußwaffen mit genommen hat, was zur Charakterisierung der Tater beitragen dürfte. Da mit der Möglichkeit zu rechnen ist, daß sich Massow von Prince noch in Leipzig in einem Versteck aufhält, wird die Bevölkerung aufgefordert, sach dienliche Wahrnehmungen sofort an das Polizei präsidium, Abteilung IV», mitzuteilen. Erwünscht sind insbesondere Angaben darüber, wo Prinee sich bi»lang unangemeldet aufgehalten hat. Im Laufe des heutigen Tages sind seitens de» Affigen Polizeipräsidiums eine weitere An zahl von Personen festgenommen norden, gegen die der Verdacht der Begünstigung besteht. Stinnes und die Reichsregierung Berlin, 18. Juli. Amtlich wird durch W. T. B. verbreitet: Ueber die Beziehungen zwischen ver Reichsregierung und Herrn Hugo Sttnne» laufen namentlich im Auslände immer neu« Legen- den um. So hat sich kürzlich ein englische« Blatt mit der absurden Behauptung, Herr Sttnne» sei einer der schlimmsten Devisenhamsterer, aus Berlin berichten lassen, der Reichskanzler habe jede Geduld mit den Manipulationen de» Herrn Stinne» ver loren: vor einigen Tagen sei e» in einer Sitzung mit der Reichsregierung zu stürmischen Szenen gekommen und Herr Stinnes sei schließlich ersucht worden, da» Zimmer zu verlassen. Wir bedauern, daß eine ernste Zeitung so töricht« Geschichten bringt, und «rollen ausdrücklich feststellen, daß an den Behaup tungen des Blattes kein wahrer Wort ist. Ohne Anruf wird geschossen ' Berit», 18. Juli. Nach Meldungen au» dem Ruhrgebiet wird die auf zehn Tag« verlängerte Derkehrssperre auf» schärfste durch, geführt. Auf alle Personen, die versuchen, die Grenz« vom besetzten ins unbesetzte Gebiet zu über schreiten, wird ohne jegliche« Anruf von den gewaltig verstärkten Grenzposten geschossen. An den Grenzstationen von Scharnhorst und Drakel hörte man in der vergangenen Nacht wild« Schießereien. Die Grenzkontrolle wird in rigorosester Weise gehandhabt. Viele, die den Versuch machen, die Kontrollstellen zu passieren, wurden von den französischen Posten mißhandelt; auch wurden ihnen die Pässe abgenommen. Die Lebensmittelversorgung de» Ruhr- gebiet» steht infolge der Absperrung vor einer Katastrophe. In vielen Orten sind die Leben»- «tttrllager auf ein Nicht» -usammengeschrumpst; di« Preise haben eine beängstigend« Höhe erreicht. * Oestltch vom Bahnhof Rottberg, auf der Strecke nach Delbert, ist ein Deutscher aus Gelsenkirchen beim Ueberschreiten der Sperre von eine« fraazösi- schen Posten erschossen worden. Di« Personalien de« Erschossenen konnten noch nicht festgestellt werden. verschärfte verkehrrsperre Berit», 18. Juli. Rach Meldung«« au» dem Ruhrgebiet wird die auf zehn Tage verlängert« Ver kehrssperre auf» schärfste durchgeführt. Auf «ü« Personen, die versuchen, die Grenze vom besetzten in» unbesetzt« Gebiet z» überschreit«, wird ohne jeglichen Anruf von den gewaltig verstärkten Grenz posten geschossen. An den Grenzstationen von Scharnhorst und Brakel hörte man in der ver- gangenen Nacht wild« Schießereien. Di« Grenz' kontrolle wird in rigorosester Weise durchgeführt. Biete Hunderte von Person««, di« de» versuch l-EfpültSAe «6 »ttuäElsreilllog vEnuerslug, 19. »»achten, die Kontrollstellen zu passieren, wurden von d« Posta« mißhandelt, fer»«r wurden ihnen di« Pässe abgenommen. Di» Lebeusmtttelversorgung de» Ruhrgebiet» steht infolge der Absperrung vor einer Katastrophe. In vielen Orten find die Leben»- mittellager auf ein Richt» zusammengeschrumpft; dir Preise haben eine beängstigende Höhe erreicht. Die Lebensmittelknappheit wird »och dadurch verschärft, daß die Besatzungtruppen ungeheure Mengen von Lebensmittel» im Ruhrgebiet auftaufen wachsender Druck im Ruhrgebiet Asse», 1«. Juli. (E i g. L e l.) «» ist sicherlich kein Zufall, daß gerade zu der Zeit, in der die ganze Welt mit größter Spannung die englische Ant wortnote an Deutschland erwartet, der fran- zösifche Druck im Ruhrgebiet von Tag zuTagstärkerwird. Da» Vorgehen der Fran zosen und di« völlig« Verkehrsabschnürung, die immer stärker werdende Unterdrückung nicht nur de« Bergbaues, sondern auch der Eisenindustrie und die vollständige Lahmlegung de» gesamten wirtschaft lichen Lebens an der Ruhr machen es klar, daß die Franzosen eine Entscheidung an Ort und Stelle herbeiführen wollen. Einen deutlichen Aufschluß über die wirklichen Ziele Frankreich» gibt eine anscheinend offizielle Er klärung de» französischen Rachrichtenblatte» vom 17. dieses Monat«, in der zunächst behauptet wird, di« Gerechtigkeit erfordere, daß Frankreich für die heilige Sach« der Wiedergutmachung ein produttve» Pfand, nämlich da» Ruhrgebiet, in den Han- den habe, und e» sei eine historische Tatsache, daß Frankreich in da» Ruhrgebiet eingerückt sei, um diese» produktive Pfand zu erlangen. Der deutsche Widerstand wolle nicht zugeben, daß da» Pfand für Frankreich zu einem produktiven werde. In diese» Zusammenhang wird auch auf eine Erklärung de» Vertreters de» Auswärtigen Amte», Legattonsrat» Dr. Zechlin, hingewiesen, in der gesagt war, daß mit der Aufgabe de» passiven Widerstande» die Ruhrbesetzung produktiv werde. Verlange Frankreich also Aufgabe de» passiven Widerstande», so wolle e» nicht mehr als die Gerechtigkeit, nämlich Produktivi tät de» Ruhrgebiete». In dieser Erklärung liegt da» Eingeständnis der Franzosen, daß die Ruhrbesetzung bisher in keiner Hinsicht produktiv gewesen ist. Die fran- zösische Offenherzigkeit kommt aber weiter in diesem Augenblick sehr passend, um klar zu machen, was der passiv« Widerstand für ffrankresth und was er für Deutschland bedeutet. Für Frankreich bedeutet er nicht mehr und nicht weniger, als daß da» ver trag»- und völkerrrechtswidrige Eindringen in das Ruhrgebiet durch die rechtmäßige deutsch« Antwort auf diesen Ueberfall, den passiven Widerstand ohne den erhofften produktiven Erfolg geblieben ist. Vie Treue der Pfalz Kaiserslautern, 18. Juli. (Lig. Tel.) Die politischen und wirtschaftlichen Organisationen der Pfalz erlassen folgenden Aufruf: «Was wir seit dem Ruhreinbruch erleben, ertragen und er dulden müssen, übersteigt unsere schlimmsten Be fürchtungen. Deutsche« Recht und Gesetz find von Frankreich und Belgien vergewaltigt worden. Der deutsch« Bürger ist mitten im Frieden und in der engen eigenen Heimat vogelfrei, sein Leben und seine Ehre gelten nichts mehr. Man will uns zu Hand lungen zwingen, die in den Augen eines jeden gerecht empfindenden Menschen die vevabscheuuugswürdig- sten sind und offenen Daterlandsverkat bedeuten. Weil wir uns aber nicht beugen, weil wir nicht ehr los werden sollen, verhängt man über unsere De» amten, Bürger und Arbeiter jahrelange Gefängnis- und Zuchthausstrafen, sowie unerschwingliche Geld strafen. Zu Tausenden sind di« Pfalz« vom zarte sten Kind bi» zu» Greise au» der Heimat verjagt worden. Eure Führer find augenblicklich außerstande, in Bersamlungen offen und frei zu Euch zu reden. Eure Presse ist geknebelt, wir wählen daher diesen Weg, um zu Euch zu sprechen. Was wir Luch in dieser Stunde vor allem sagen wollen, ist die«: Was auch noch kommen möge, bleibt fest in Eurer Treue zu EuremBaterlande,zu Land und Reich, zu Euren Führern, die zum großen Teile au» ihrer Heimat vertrieben sind! DleM fest in Eurer Treue zu Luch selbst! Trotz allem haben wir die Gewißheit, daß unser« Pfälzer nie zu Verrätern an unseren eigenen Volksgenossen werden können.' Entscheidender Rabinettsral in London London, 18. Ault. (Eig. Tel.) Da» englische Kabinett wird heut« den Entwurf einer Antwort an Deutschland zugleich mit dem Text eine» Begleitschreiben» an di« Alliierten beraten. Fall» «» sich al» notwendig Herausstellen sollte, Aende- rungen im Text vorzunehmen, werden beide Schrift stücke in einer Sondersitzung nochmal» überarbeitet werde». Al»dann werden der endgültige Entwurf und da» Begleitschreiben dem Kabinett von neue« vorgelegt «erden, um sie einer letzten Prüfung zu unterziehen- Die Pariser Berichterstatter der Londoner Blätter und die »eisten diplomatische» Berichterstatter der Press« betonen heute, daß in Frankreich offenbar unter dem Einfluß Belgien» und der Erläuterung des englischen Standpunkte» durch Dr. Benesch ein ganz auffälliger Stimmung»»«' schwung vor sich gegangen sei. Wenn die fran« zösische Regierung wahrscheinlich auch an mancher ihrer Forderung festhalten werde, so sei jetzt doch «in« groß« Gewähr dafür gegeben, daß die englischen Vorschläge und Schriftstücke eine Ueberarbritung er' fahren werden. England seinerseit» müsse alle» tun, um dies« Stimmung zu erholte». Al» geeignet«» Mittel dazu wird empfohl« den Sv^h verständig««^ au» schuß, de« bis AablWG^SHhMt Deutschland, prüfen soll, al» Rotoewschuß her SWgaratioMkouuuis. ston einzusetzen, und den in Donar Law» Plan oor- gesehenen Ausschuß M« ^chi«^i>Ul, dch deutschen Reichsfinanzen sofort zu befiel«. Der diplomatische Berichterstatter de» Daily Telegraph betont gegen über diesen Vorschlägen, daß « vor allem darauf anko»m«, ein« Formet zu stNden, die geeignet wär«, di« Klippe de» passive» Widerstande» zu umschiffen. Al» ein« solche Formel schlägt er vor: 1. Di« ftanzösische-belgisch« Besatzung im Ruhrgebiet wird möglichst unsichtbar gemocht, sobald der passiv« Widerstand aufhört. 2. Die Besetzung hört auto matisch auf, nachdem Deutschland mindesten» drei Jahresraten derjenigen Zahlungen geleistet hat, die vom internattonalen Sachverständigen'Ansscknß fest- gefetzt werden. * Da» Petit Journal schreibt, der belgische Minister präsident beabsichtige, sofort nach Eintreffen de« englischen Antwortentwurfe», sich nach Pari» zu begeben, um eine Aussprache mit Potnoar- herbei- zuführen. Da» Blatt kündigt diese Reis« Theunt»' für Beginn der kommenden Woche an. veneschr Reise nach Brüssel Pari», 18. Juli. (Eig. Tel.) Der tschecko- flowattsche Minister de» Aeußeren, Benesch, wird heute gegen abend in Brüssel eintreffen und wahrscheinlich den morgigen Tag in der belgischen Hauptstadt verleben. Die Pariser Presse veröffent licht Erklärungen, di« Benesch dem Vertreter der Havasagentur gemacht hat. Benesch äußerte u. «u, er habe die Reise hauptsächlich unternommen, um sich in Pari» und London über die Auffassung der westeuropäischen Verbündeten in der Repara tionsfrage zu unterrichte». E« sei ihm möglich gewesen, sich so zu informiere« wie er e« wünschte. Nach dem Bericht de» Figaro erklärte Benesch: er habe in Lodon besonder» betont, daß ein Bruch zwischen Frankreich und England be denkliche Rückwirkungen anf den Frie den in Mitteleuropa haben könnte, « beurteilte di« Lage nach seinen Londoner und Pariser Unterredungen optimistisch, da di« Möglichkeit einer Verständigung zweifellos vorhanden sei. Hier wird versichert die Frage, ob jetzt eine ge meinsame Antwort auf die deutsche Rote zustande kommt, hab« Benesch weniger interessiert. Der tschechische Minister habe vor alle» Gewißheit dar über Hoven wolle», daß ein Bruch zwischen Frank reich und England nicht zu fürchten ist, selbst, wen» England sich veranlaßt sehen sollte, eine Sonder- antwort an Deutschland zu richten. Die optimistischen Aeuherungen Benesch»' müssen dahin verstauben wer den, daß nach seiner Ansicht die französisch englische Entente auch t» Falle der englische» Sonderantwort, di« man hier für sicher hält, fort bestehe» wird. Die Republik Frompaise ver öffentlicht eine lange Zuschrift, die «in Engländer namen» Dougla» Atn » l 1 d, der sich al« früherer Militärattache der englischen Botschaft ft, Bertt» be zeichnet. an da» Blatt gerichtet hat. Der Verfasser de» Briefe» versichert, daß di« große Mehrheit des englischen Volke» die Haltung Frankreichs billig«. Der Brief enthärt scharf« persönliche Angriffe gegen den englischen Botschafter iu Berlin Lor- D'Abernoa. 12 Monate MMtLröknft in vElgien Brüssel, 18. Juli. (Eig. Tel.) Di» belgffche Kammer hat gestern do» Militärgesetz »tt 88 gegen 7V Stimmen bet mehrer« Stimmenthaltungen angenommen, das die ILmonatiae Dienstzeit für Infanterie und die 18monatige Dienstzeit für alle übrig« Waffengattungen vorsieht. Z» einer Er gänzung zu dieser Gesetzesvorlage wiH» die Regie rung ermächtigt, unter besonder« Verhältnisse» die Beurlaubung« und Truppeneutlassung« zu ver tagen oder auch Jahrgänge und auch Teile von Jahr gängen wieder unter die Fahne zurückzuberufe«. Ei» sozialistischer Abänderungsantrag, der die Rück berufung nur zulasten wollte, wenn äußerste Gefahr da» Land bedroht, wurde abg*lehut. Anderseits beschäftigte sich gestern -er belgische Senat mit der Beratung über den Entwurf für die Flamisierung der Universität Gent. Der Minister für Kunst und Wissenschaften Rolf erklärt«, e» sei zwar wünschenswert, daß diejenigen Kreise, die auf der Genter Universität Formung ihre» Intellekt» erhalten, die flämische Sprache kennt«, aber auch die Kenntnis der französisch« Sprache sei ihn« unentbehrlich. Die Einheit der Flam« und Walon« würde geschwächt, wenn die flämische Ober klasse die französische Sprach« verlernte. Der Minister erklärt« schließlich, man müsse dem flämischen Volk die Universität geben, -le seine Sprache und sei» Genie kultivieren. —'M—EM» l Rrrrdehrmng -er englischen VockarbeiterstreiVr L«d«, 18. Juli. (Eig. Tel.) Der Dockarbeiter streik ist heut« in «ine neu« und gefährliche Phase getreten. Der wild« Streik, der trotz aller Warnung« der Gewerkschaftsführer zu keinem Ende geführt werden konnte, hat die Arbeihzeber veranlaß! zu erklären, daß sie von morgen ab unorganisierte Arbeiter einstrll« würden. Da die Dockarbeiter zu den Radau- und Kampflustig« der Arbeiterschaft gehören, befürchtet man, -aß «ine derartige Maß nahme heftig« Krawall« und Zwischenfälle mit -er zum Schutz -er Arbeitswilligen herangezogenen Polizei herbetführ« wird. Bezeichnend für di« Stimmung unter den Aus ständischen ist «ine Rede, die gestern Abend i» Unter haus gehalten wurde und in -er ein schottischer radikaler Arbeiter die englisch« Fahne einen -Fetzen Zeug* nannte. Er mußte seine Red« minutenlang unterbrechen und wurde dann aezwun- gen, den Satz ohne den übliche» Bu»drmk de» Be dauern» zurückzunehmen. Fast all« Zeitung« kom mentiere» dies« Vorfall, der al» bedauerllcher Vor fall der Arbettsrgewerkschast« betrachtet wird. Ein mysteriöser Voderfa« Pari», 18. Juli. Der Militärattache bei drr tschechoslowakischen Gesandtschaft inBerlin, Oberst Emil Hondl, der sich zurzeit in Pari» aufhält, ist gestern nachmittag in seine» Hotelzimmer tot auf gefunden worden. Di« Morg«nblätt«r sprech« von einem To- unter mysteriösen Umstände». Vie Staatranwaltschaft in der Republik al» wirken! ist, ein Republik bedarf » -die -egierung gewesen: sie besetzt» alle Verwaltungs stellen, ohne auf di« Übrig« Volksschicht« di« mindest« Rücksicht zu Nehme», »tt in der Wolle ge färbten Konservative». Auch die S-aatzeanwalt- schaften — nicht -um Dorteil «tu« unparteiisch« Rechtspflege — wurde» anvfchökeßtkch mtt Konservativen besetzt. G» war«» uicht immer aeistia bervorraaende Individualität«, nicht finaler starke Charaktere, die auf diese Weise in die wichtig' Stellung de» Staatsanwälte» kamen. Di« Etaat»a»wült» fühlt« sich in erster Linie »ur herbei- Hoovern —» wo» wohl setz» dürfte auch wirksam durch» Dies« Frag» fit glatt zq vernein«, «ch es muß -en Hüter» de» Staate» zuaerufeu werden: Sorgt Keine Institution im modern« Staate ist so »xnrg volk»tümlich wie die Staatsanwaltschaft. «Das Deutsche Reich ist ein« Republik. Die Staats gewalt geht vom Volke au».* So lautet der erste Artikel der Verfassung de» Deutschen Reiches. Hier- ergeb« sich zwei unabweisbare Folgerungen und Forderungen: Erstens: di« Justizverwaltung« sollt« Und dürft« nur Männer in die Staatsanwaltschaften — da» ailt in erhöhtem Maße für die Reichs- anwattschaft — berufen, die überzeugte Republi- kan«r- kein« Mußrepublikaner sind. Zweitens: für die Männer, die bisher das Amt des Reichs- oder Staatsanwalt» innvhatten, die aber kein« Republikaner, sondern Monarchisten stno, ist die Niederlegung ihre» Amte» Pflicht. Man wende nicht ein, die Forderung sei zu schroff und grausam. Es soll ohne weiteres zu- gegeben werden, daß die Durchführung der Forve- rung für den einzelnen eine Härte bedeuten kann. L» soll weiter keineswegs verkannt werden, daß es eine Charakterlosigkeit schlimmster Art wäre, wenn ein Staatsanwalt, der überzeugter Monarchist war, auf einmal seine republikanische Gesinnung enr- -eck« und kundtun würde. S» wird Wert auf die Feststellung gelegt, daß Charakterlosigkeit, in welcher Lage immer st« angetroffen wird, di« allerschärfste Verurteilung findet. Zn einem demokratischen Staatswesen müssen alle Fragen der Rechtspflege und -er Rechts- Verfassung freimütig und oh« falsche Eenttmen- talttät gestellt und erörtert werden. Wir haben ein Gesetz zum Schutze der Republik au» der Not der Zett heraus oäboren. Würde es nicht ein Wider sinn ohne gl eich« sein, wenn der -le Anklage ver- tretende Retchsanwalt, well « Monarchist ist, innerlich -en Standpunkt de» Angeklagten teilt? Heut« steht die gesamt« politische Welt unter -em Eindruck« der Flucht Ehrhardt». Unter den Partei« -er Recht« herrscht unverhohlene Schadenfreuld« fi» still«; di« Freude öffentlich « äußern, ist jetzt nicht ganz un gefährlich. All« den«, die ftlr den Bestand und die Kräfti gung -er Republik an» Ueberzengung «dttret« und kämpf«, dckingt sich dis Frage anf: Ist die Organi- Stellung de» Staatsanwaltes! Der Staatsanwalt muß eia Dolkmvaun iu des Wortes bester Bedeutung sei«, ein Charakter durch und durch, unabhängig nach ob« und noch unten, ein Schirm für den Unschuloigen. Wie bedeutungs voll ist sein Verhalt« im Ermittlungsverfahren, wie segensreich kann er hier unter Umständen Schab« der Staatvonwoll udeve auch fit Sa einer Reform. Ihr kleb« i der Reaktion* noch an. Länder» Das deutsche Volk ist ein armes Volk geworden. Diele unserer Volksgenossen können sich kein« Ver teidiger nehmen: sie können die Kosten nicht er schwingen. Der Staatsanwalt soll »ach dem Gesetze auch die zugunsten des Beschuldigten sprechen- den Tatsachen ermitteln und für Erhebung wichtiger Beweis« sorgen. Daraus folgt — und dies« Folge rung ist für die große Anzahl von Volksgenossen, die ohne Verteidiger stad, von allergrößter Bedeu tung: der Staatsanwalt, der ein unparteiischer Hüter de» Reckte» sein soll, ist verpflichtet, ft, der Haupt- Verhandlung auch di» dem Angeklagten günstigen Argumente vorzubringen und unter Umständen dessen Freisprechung zu beantragen. Was soll man dazu sagen, daß bi« frühere König!, sächsische Justizverwaltung «s fertiggebracht hatte, in einer besonder« Verordnung d« Amts anwälte» die Stellung de» Antrages auf Frei sprechung zu verbieten? Die Amtsanwälte sollten eventuell erklären, sie stellten die Entscheidung in da» Ermessen de» Gerichtes. Dies« Verordnung, erlassen in Verletzung des Reichsrechtes, war null und nichtig. Eie ist aber viele Jahre, mehrere Jahrzehnte, von den Amt»anwälten und wohl auch von den Staats anwälten befolgt worden, obwohl es für den Denkenden klar sein mußte, daß sie, weil sie dem Reichsrechte widersprach, nichtig ist. Aber anch jetzt noch — in Verkennung ihrer Stellung — richten sich viele Amtsanwälte nach dieser Verordnung und stell« grundsätzlich nie den Antrag auf Freisprechung, selbst wenn die Un schuld bewiesen oder die Schuld nicht erwiesen ist. Wie sehr unter einer solchen Praxi, die Siel- luNg der Staatsanwaltschaft leidet, welcher Schaden dadurch dem Staate selbst mittelbar zugefüat wirb, braucht des näheren nicht weiter dargelegt zu ««den. E» wird deshalb hohe Zeit, daß ba» gegen- wärtige Justizministerium die gesetzwidrige und geradezu sinnlose Verordnung der früheren reak tionären Justizverwaltung in aller Form für null und nichtig erklärt. Da» thürinattcke Staatsministerium hat den Re- gierungsrat Müller-Brandenburg unter Beilegung der Diensibezeichnung Polizetoberst zu« Letter der thüringisch« Land«»pollze1 ernannt.