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Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 14.07.1923
- Erscheinungsdatum
- 1923-07-14
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-192307146
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-19230714
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-19230714
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1923
-
Monat
1923-07
- Tag 1923-07-14
-
Monat
1923-07
-
Jahr
1923
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Meffefein-e Leipzig darf sich mit Stolz rühmen, die größte und bemerkenswerteste Messe sein eigen zu nennen. Unter Leipzigs Bewohnern gibt es kaum einen, dr absichtlich »seiner' Messe nicht den Ihr gebührenden Rang einräumen wird. Man braucht nur die all jährlichen Ziffern der Meßaussteller und Metzeln- käufer zusammenzuzählen und sich zu vergegen wärtigen, was deutscher Fleiß und deutsche Energie auf dem Wirtschaftsgebiete zuwege bringn und als Verkünder auf der Leipziger Messe ausstrahlen dann hat man ungefähr ein kleine» Bild der Be deutung der Leipziger Messe. Um die Erfolge der Leipziger Messegibt es ringsum in deutschen Landen etliche Neider. Kein Wunder. Warum soll auch nicht irgendeine Stadt, ob sie nun an der Spree, am Rhein, an der Elbe oder mn Main liegt, nicht auch etwas für ihr Auf blühen tun? Das scheint ganz verständlich. Etwas anderes ist es aber, wenn die eigenen Orts angehörigen ihrer Messe nicht das zugestehcn, was ihr billigerwrise gehört. Wir Leipziger sind leider wieder einmal in der traurigen Lage, da konstatieren zu müssen. Bekannt ist, daß die Leipziger Messe seit Jahren an chronischem Platzmangel leidet. Abhilfe sollten verschiedene unzulängliche Mittel, zu denen auch der unerfreuliche Aufbau der Meßbaracken, im Dolksmnnde als Güterschuppen bezeichnet, dienen. Leider war durch die enorm vorwärts schreitende Teuerung ein Bau von privaten Meßhäukern nicht möglich. Auch Leipzig bei feiner Finanznot ist außer- stände, einen Bau mit größeren Mitteln zu finan zieren. Da kam aus dew^Kreisen der Industrie der Vorschlag, auf dem Gelände der Technischen Messe eine Riesenhnlle zu errichten. Die Einzelheiten darüber haben wir »n einem fachmännischen Artikel mitgetcilt. Manch eine Stadt würde freudig das An erbieten angenommen Halen, so billig ihre Messe fördern zu können. Anders Leipzig. Einer Vor lage, die der Rat den Stadtverordneten unterbreitete, stieß auf den erbittertsten Widerstand der Sozialdemokraten und der Kommunisten. Zweimal verhinderten sie eine Beratung. Sie führen als Grund an, die Beteiligung der Stadt an diesem Unternehmen sei schädlich für dieInteressen der Stadt. Daß das der einzige und der wahre Grund ist. glauben wir nicht. Es scheint vielmehr, daß die Linksparteien hier ihrem Haß gegen den Leipziger Oberbürgermeister, als dem eifrigsten För derer des Projekts, die Zügel schießen lassen', si> fühlen sich schon, da die Gemeindeordnung im Kom men ist, als die Herren. Wir selbst sind ehrliche An hänger des demokratischen Gedankens und der Mei nung, daß in der Republik jeder Beamte nach Treue und Glauben der Republik und der. Gemeinde zu dienen hat, andernfalls er eben die Konsequenzen zu ziehen hat. Es geht aber nicht an, daß, solange ein nicht auf dem Boden Sines Parteiprinzips stehendes Gemeindeoberhaupt noch im Amte ist, auf die Weise gestürzt werden soll, wie jetzt in Leipzig. Dadurch würben nicht, wie vorgeschützt, die Interessen der Stadt gerettet, sondern geschädigt. Betrachten wir rein zahlenmäßig und nüchtern das Projekt, springt sofort der eminente Er folg des Baues in die Augen. Leipzigs Messe, vor allem die Technische Messe, würde an Zugkraft und Bedeutung gewaltig gewinnen. Aber noch mehr. Ehe das neue Haus in Betrieb genommen werden kann, muß es errichtet werden. Dazu gehören Tausende Arbeitskräfte. Die beste produktive Erwerbslosenfürsorqe wäre hier gegeben. Jedoch alle diese Gründe verfangen nicht bei den Ab- lchnern. Ist das positive Politik? Nein, das ist kurzsichtige Parteipolittk, die, auf die Spitze getrieben, Leipzig und seine Messe schädigen wird. In der Zeit der gesteigerten Wirtschaftstätigkeit muß eine moderne Messestadt vom Range Leipzigs den erforderlichen Verhältnissen Rechnung tragen. Wir sind überzeugt, es wird trotz des Widerstandes der Linken geschehen. Blicken wir kurz rückwärts, finden wir seit Jahrhunderten Gegner Her Leipziger Messe und sie hat sich doch durchgesetzt, trotz Ans- ränberung der zur Messe ziehende» Arissteller und Kus der Mildheit Don 1^ Tolstoi AuS dem Band«: Kindheit / Knabenalter / Jüngltngsiahre. Roman von L. N. Tolstoi. d«r al» 82. Band der .Bibliothek der Romane' und gleichzeitig al» 8. Band die Ausgabe von Tolstoi» Romanen zu einer Sesamausgabe ab rundend soeben im Insel-Verlag, Leipzig, er schienen ist. O die glückliche, glückliche, unwiederbringliche Kinderzeiti Wie sollte man die Erinnerungen an sie nicht kleben, sie nicht hegen und pflegen? Dies« Er- innerungen erfrischen rmd erheben meine Seele und bilden für mich eine Quelle des schönsten Genusses. . Da bin ich denn als Kind manchmal müde ge worden vom Umherlaufen und sitze auf meinem hohen Stühlchen am Teetisch; es ist schon spät; ich haoe schon längst meine Taffe Milch mit Zucker aus getrunken; die Augen fallen mir vor Müdigkeit zu; aber ich rühre mich nicht von meinem Platze; ich sitze und höre zu. Und wie sollte ich auch nicht zu hören? Mama spricht mit jemand, und der Klang ihrer Stimme ist so süß» und freundlich^ Schon dieser bloße Klang sagt einem Herzen so viele»! Mir meinen von Schläfrigkeit umnebelten Augen blicke ich starr nach ihrem Gesichte, und aus einmal ist sie ganz klein geworden, ganz klein, ihr Gesicht ist nicht größer al» ein Knopf; aber e» ist mir trotzdem ebenso deut lich sichtbar: ich sehe, wie sie mich anfieht, und wie sie dabei lächelt. Es macht mir Vergnügen, sie in so winziger Größe zu sehen. Ich kneif, die Augen noch mehr zusammen, und sie wird so klein wie di« Bild chen in den Pupillen; aber ich bewege mich — und der Zauber ist zerstört; ich verengere die Augen, drehe mich hin und her und versuche auf jede Art und Wette, ibn zu erneuern, aber vergeben». Ich stehe auf, klettere aus einen Lehnstuhl und lege mich auf ihm bequem zurecht. »Du wirst wieder einschlaken, Rikolenka!' sagt Mama zu mir. »Du solltest Neber nach oben gehen.' »Ich will nicht schlafen, Mamachen,' antworte ich ihr, und unklare, aber süße Träumereien erfüllen meine Phantasie; ein gesunder Kinderschlaf schließt meine Lider, und eine Minute darauf ist mir da» Bewußtsein geschwunden, und ich schlaf«, bi» ich auf geweckt werde. Manchmal fühle ich im Halbschlaf, daß eine Örtlich« -and mich berührt; schon allein Einkäufer, trotz Pestilenz- und Kriegsjahren. All da» hat die Messe glücklich überstanden. Sie ist heute unbestritten die bedeutendste Reichsmesse und wird cs auch bleiben — so viei die kleinen Kläffer auch bellen. R. v. * Schließung sämtlicher Zigarreugeschäfte am 2. August? Der Deutsche Aigarrenhändlerbund, der Verband Deutscher Zigarrenladeninhabcr und der Verband Bayrischer Tabakgeschäfte beschlossen, am 2. August sämtliche Zigarren- und Zigarettrnläden in ganz Deutschland zum Zeichen des Protestes zu schließen. Dieser Bewegung haben sich fast alle De- taillistcn angeschloffen. Vor einer Wochen haben übrigens, wie in Leipzig, auch in Hamburg die Hand- ler für die Dauer von drei Tagen geschlossen. Die Verbände haben an das Reichssinanzministerium zahllose Eingaben gerichtet und um Herabsetzung der Zigarettcnstcuer gebeten. Obwohl die Handels kammern die Eingaben der ffachverbändc unterstützt haben, fanden diese bisher keine Berücksichtigung. Sollten daher die zuständigen Stellen bis zum 2. August kein Entgegenkommen zeigen, so wollen die Inhaber ihre Betriebe einfach stillcgen. * 2d. Deutscher Philatelistentag. Die diesjährige Tagung des Bundes deutscher und österreichischer Philatelistenvcreine — der 2S. Deutsche Phila telistentag — findet vom 26. bis 29. Juli in Drcs- den statt. Da» arme Hamburg. Der Hamburger Senat stellt eine Riesenforderuug in einem dringlichen An trag an die Bürgerschaft für Mittel zur Aufhöhung de» Industrieaeländes zwischen Billbrook und Tide kanal. Die Baudeputation teilt mit, daß die bisher überwiesenen Mittel erschöpft seien, während noch etwa 1 Million Kubikmeter Boden aufzuhöhen sind. Für die Vollendung der Arbeiten wird eine weitere Nachbewilligung von 17)4 Milliarden nach dem Staude der Preise und Löhne vom 15. Jun» d. I. erforderlich. Der Mau«, der die Schaukasten bemalte. Mit einem Malerkittel und einem Farbentopf ging der Maler Herzig aus Friedenau durch Berlin. Dann und wann blieb er vor einem Schaukasten, in dem sich meist wertvolle Konfektionsstücke befanden, stehen und begann ihn »nit Farbe zu bestreichen. Niemals schöpften d e Passanten Verdacht, obgleich der Maler mit ungewohnter Schnelligkeit pinselte. Das hatte seinen guten Grund. Er räumte nämlich auch den Schaukasten ans, trug aber die Sachen nicht in das Geschäft, sondern in einen Hausflur, in dem er sie znsammcnpackte. Dann verschwand er damit. Auf diese Weise hat der unbestellte Maler zahlreiche Kon fektionsgeschäfte »»m viele Millionen geschädigt. Dieser Tage wurde er in der Rosenthaler Straße von einem Geschäftsmann bei seiner Arbeit »gestört'. Der In haber ließ ihn festnehmen. Man fand bei ihn» außer dem Malergerät noch Einbruchswerkzeug bester Art. Herzig ist wegen Einbruchs bereits dreizehumal, darunter auch mit Zuchthaus, vorbestraft. Die ge stohlenen Sachen hat er stets sofort in der Neuen Schönhauser Straße verkauft. Sisenkahnunfall. Infolge falscher Weichenstellung ereignete sich bei Lindau ein Eisenbahnunglück. Ein aus Llndau-Stadt ausfahrender Leerzug stieß »nit einem von Lindau-Reutingen einfahrenden Glltrrzng zusammen. Zwei Wagen des Leerzuges wurden zer trümmert; die Lokomotive und zwei Wagen des Güterzugcs entgleisten. Ein Eisenbahnbcamter wurde getötet; dr>ü im Leerzüge sich befindende, aus dem Ruhrgebiet vertriebene Eisenbahner wurden schwer verletzt. - , Ein verläßlicher Gemeindevorsteher. Der Ge- meindevorstehcr von Beyer-Naumburg, der Kom munist Otto Gedecke, früher Arbeiter in der Sanger- Häuser Maschinenfabrik, hat jetzt lein Amt niederge- legt, da er beschuldigt wird, Sozialrentner, Krieger witwen usw. um ansehnliche Beträge ihrer Renten geschädigt zu haben. Mord. Bei Walkenried im Harz fand man mit Würgemalen am Halse, die Hände fest verschnürt, einen Mann als Leiche auf. Er trug noch eine große Summe Geldes bei sich, auch fehlten weder Ilhr noch sonstige Wertgegenstände. Der Tote ist noch nicht re kognosziert. Zweifellos liegt Mord vor. Die Sitzwelle. In London starben an einem Tage 60 Personen an Hitzschlag. an der Art der Berührung erkenne ich sie, und nock im Schlafe ergreife ich unwillkürlich diese Hand und drücke sie fest, ganz fest an meine Lippen. Alle sind bereits wegzegangen; ein einzige Kerze brennt im Salon. Mama hat gesagt, sie selbst werde mich wecken; sie hat sich mit auf den Lehnstuhl ge setzt, auf dem ich schlafe, fährt mit ihrer wundervoll zarten Hand über mein Haar, und dicht an meinem Ohr ertönt «ine liebe, wohlbekannte Stimme: »Steh auf, ein Herzchen; es ist Zeit zum Schlafen gehen.' Wenn Fremde zugegen sind, läßt sie sich durch deren gleichgültige Plicke nicht stören: sie scheut sich nicht, ihre ganze Zärtlichkeit und Liebe Über mich auszugicßen. Ich rühre mich nicht, sondern küsse ihre Hand noch wärmer. »Steh doch auf, mein Engel!' Sie s<Ht mich mit der andern Hand am Halse, und ihre Finger bewegen sich schnell und kitzeln mich. Im Zimmer ist es still, Halbdunkel: meine Nerven sind durch da» Kitzeln und Aufwxcken erregt; Mama sitzt dicht neben mir; sie berührt mich; ich rieche ihren Dust und höre ihre Stimme. All die» bringt mich dazu, aufzuspringen, mit den Armen ihren Hal» zu umschlingen und atemlos zu sagen: »Ach, liebe, liebe Mama, wie lieb habe ich dich!' Sie lächelt in ihrer traurigen, bezaubernden Art, faßt mit beiden Händen meinen Kopf, küßt «ich aus di« Stirn und nimmt mich auf ihren Schoß. »Du hast mich also sehr lieb?' Sie schweigt ein Weilchen, dann sagt sie: »Hörst du wohl, habe mich immer lieb; vergiß mich nie! Du wirst deine Mama nicht vergessen, auch wenn sie yjcht mehr leben wird? Du wirst mich nicht vergessen, Rikolenka?' Sie küßt mich noch zärtlicher. »Hör auf! Sprich nicht so etwa», mein Täubchen, mein Seelchen!' rüst ich, indem ich ihre Knie küsse, und die Tränen stießen stromweise au» meinen Auaen, Tränen der Liebe und de» Entzücken». Venn ich dann nach oben gegangen bin und in meinem wattierten Schlafröckchen vor den Heiligen bildern stehe, wa» für ein wunderbare» Gefühl empfinde ich manchmal, während ich sage: »Lieber Gott, beschütze meinen Papa und Mein« Mama!' In den Augenblicken, wo ich die Gebete spreche, die meine Kinderlippen »um erstenmal der geliebten Mutter nachaestommelt haben, stießt die Liebe »u ihr und die Liebe zu Gott in eigentümlicher Weist zu einem einzigen Gefühl zusammen. Beim Bau des Mittellandkanals Don B«ek»r-Braunschweig - Im Jahre 1945 wird man in den Zeitungen lesen, daß der Güterumschlag in den Mittellandkanalhäfen bei Braunschweig, Magdeburg oder Hannover inner- halb eines Jahre» x-tausrnd Tonnen betragen hat, und daß soundso viele Schiffe die Häfen auf der Reite von West nach Ost und von Ost nach West durch fuhren. Kajaks, Achter, Vierer, Zweier, Einer werden an fichten Tagen durch das Gewässer flitzen, Motoren werden in Booten brummen, bewimpelte Tribünen werden in der Sonne glänzen und tags darauf wird der Bürger lesen, daß bei der großen Regatta die zweite Mannschaft der ersten um Sekundenbruchteile voraus durchs Ziel ging. Bilder, die in Archiven vergilben, zeigen, wie 20 Jahre vorher -beim Kanalbau die Erdkruste von Baggern zerwühlt wurde, wie Erdwagen über holprige Schmalspuren poltern, wie aus Dreck, Dampf, Gerüsten, Schweiß und Geld die von grün- leuchtenden Rasenbreiten belegte drei Meter tiefe 34 Meter breite Fahrrinne wuchs, die Rhein und Elve verbindet. Wer diesen für Deutschlands Wirtschafts- und Dcrkehrsentwicklung bedeutsamen Schiff fahrtsweg in seinem Bau betrachten will (noch bevor im nächsten Jahre sich in Peine Hängekrane und Schiffswinden drehen), muß am Erzbahndamm unweit des Peiner Bahnhofos auf die Draisine springen, sich von dem an der Sitzlehne montierten Motor stundenlang die Ohren schmeicheln lassen und dann zehn Kilometer am Kanal entlana nach Westen rutschen. Die Fahrt geht durch ein wüstes Gewirr von Gleisen, über primitive Stellwerke, Dämme, hinauf und hinab, an Brückengerüsten vorbei, mühsam in unbeständiges Erdreich gekeilt, vorüber an fauchen den Wasserpumpen, dre sich Tag und Nacht quälen, ein durch Dücker gebrochenes Danaidengewässer quirlend hinauf in das Land zu drücken. Das Prinzip der kommunizierenden Röhren soll sich hier in der Praxis erproben. Wer es nicht weiß, dem wird es an dieser Stelle in das Gehirn gehämmert, daß die Technik eine beim Kanalbau mit der Geologie verbundene Wissenschaft ist, von tausend Möglichkeiten umlauert, die nicht vorausgcsehen und nicht einkalkuliert werden können, die aber Geld kosten und Material verzehren. * lieber bohlenbelegtes Grundgewässer, über Mer gel, Ton, Steine, Holz, Eisen flitzt die Draisine zum Löffelbagger. Ein gefräßiges Ungeheuer, das mit jedem Hub 1H Kubikmeter Erde schluckt, in Wagen schüttet und wieder wühlt und wühlt und kratzt und die Behendigkeit übertrifft, mit der ein sechsjähriger Bnbe seiner Mutter den Zucker aus der Schale stiehlt. Man weiß nicht, was man an dieser Maschine mehr bcwunderr» soll: die Brutalität, mit der dieser zähne besetzte eiserne Kiefer das dicke Erdfcll zerfleischt, oder die im Gehirn de» Ingenieurs ausgeklügelte Seele, die hier dem Eisen Leben gegeben hat. Eine Viertelstunde spater stehen wir auf schaukeln- dem Gebäude, aus dem ein Eimerkettenbagger in die Tiefe greift. Aus dem Gewirr von Zahnrädern, Kolben, Hebeln, Ketten, aus Feuer und Qualm dringt ein wahnsinniger Lärm, der nach leichtem Hebeldruck des Maschinisten erstickt und von neuem wie ein Hexensabbat durch den öligen Raum bricht. Aus einem Fenster blicken wir 30 Meter in die Tiefe und beobachten das Gleichmaß, mit der diese Maschine an der Böschung kratzt und zerrt, Erd massen in die Höhe führt und durch ein klug kon struiertes System in Wagen poltern läßt. * Was wir weiter sahen, müssen wir in trockene Zahlen fassen: 10 Millionen Kubikmeter Erdmasse werden auf der Kanalstrecke von Hanndver bis Peine ihre beschauliche Ruhe verlieren. Auf der Kanalstrecke von Haimar bi» zur Lrzbahn bei Peine (9^ Kilometer) sind 3 270 000 Kubik meter» Boden zu bewegen, von denen 2 250 000 Kubikmeter schon zerwühlt find. Zwei Eimer kettenbagger, vier Löffelbagger, 20 Lokomotiven und 500 Rollwagen, 7 Lokomotiven der Bau verwaltung und Gerät, dessen Umfang sich nicht zahlenmäßig begrenzen läßt, steht hier in Arbeit und Lärm. Auf der 9Z Kilometer längen Strecke müssen neun Brücken gebaut werden, davon zwei für die Eisenbahn und sieben für die Straßen; außerdem drei kleinere Brücken, zwei Dücker zur Untcrdückerung von Bächen und zwei größere Durchlässe. Fertig- gestellt find zwei Kanalbrücken, zwei kleine Brücken, ein Dücker und ein Durchlaß. Im Bau befinden sich sechs Kanalbrücken und ein Dücker. Bei den Erdarbeiten sind beschäftigt: 1500 Arbeiter, bei den Kunstbauten: 150 Arbeiter. Im Jahre 1919 wurde zunächst die Teilstrecke des Kanals von Han nover bis Peine nebst Stichkanal nach Hildesheim als Notstandsarbeit in Angriff genommen. Die obere Bauleitung für dieses Kanalstück hat die Wasserstraßendirektion beim Oberpräsidium in Han nover. Als örtliche Kanalbauinftanzen sind drei Kanalbauämter in Hannover, Peine und Hildesheim eingerichtet. * »Und der Kanalbau bis Braunschweig—Magde burg?' Mein Begleiter zilckte mit den Achseln. Später standen wir mit einigen Ingenieuren und Brücken bauleitern zusammen und führten Bleistifte über Zeichnungen. Man spricht davon, daß der Knalbau bis Peine im Herbst 1924 vollendet sein wird. -Was die Folgezeit bringt, läßt sich heute nicht Voraus sagen; aber die Gewißheit besteht, daß der nur bis Peine geführte Kanal seiner Zweckbestimmung (die Wasserstraße zwischen West und Ost zu verbinden) nicht zugeführt werden kann. Und dann: man weiß, daß die Pläne für die Teilstrecken Peine—Braun schweig und Braunschweig—Magdeburg fertig in den Schubfächern der Kanalbauämter liegen, und daß es nur der Ausschreibung von Arbeiten bedarf, um mit dem Pau als Notstandsmaßnahmen für die produk tive Erwerbslosenfürsorge (das ist für den Bau die Voraussetzung) zu beginnen. Zehn, fünfzehn, vielleicht auch zwanzig Jahre können bis zur Vollendung des Wasserweges ins Land gehen. Immerhin: Leipzig, Magdeburg und di« mitteldeutschen Städte, die indirekt von den Vor teilen dieser neuen Wasserstraße berührt werden, sollen den Glauben und die Hoffnung nicht verlieren. Schwere Bluttat in Beelitz Eine schwere Bluttat ist auf dem Bauerngut Nüber» bei Beelitz verübt worden. Dort wurde die Land wirtsfrau Thiele, die sich zum Besuch bei ihrem Schwiegersohn aufhielt, ermordet. Als Täter kommt wahrscheinlich ein ehemaliger Knecht namens Hecker in Betracht. Die Verfolgung des Verbrechers ist von der Potsdamer Staatsanwaltschaft und dem Amts gericht Beelitz eingeleitet. Frau Thiele, die im 60. Lebensjahre stand, war zu ihrem Schwiegcrscchn, dem Landwirt Dinlitz, in Rüben bei Beelitz ge kommen, um während der Ernte bei den Kindern zu bleiben und im Hause zu helfen. Während die Familie Dinlitz auf dem Felde und nur ein paar Leute auf dem Gutshofe zurückgeblieben waren, kam ein Mann, der an die Wohnungstür klopfte und die Frau Thiele, die allein zu Hause war, um ein Almosen bat. Frau Thiele, die den Mann anscheinend kannte, ließ ihn ein und gab ihm etwas Geld und auch zu essen. Dann sah man den Mann wieder sortgchen. Etwa eine Stunde später — die Kinder waren noch in der Schule — wurde Frau Thiele von Gutslcuten in einer großen Blutlache ermordet auf dem Fuß boden gefunden. Dem Mörder scheint nicht besonders viel Geld in die Hände gefallen zu sein. Als Täter kann wahrscheinlich nur der Mann in Frage kommen, der in der Maske eines Bettlers bei Frau Thiele vorgesprochen hatte. Dieser Mann wurde angeblich als ein ehemaliger Knecht auf Rüben namens Hecker wiedererkannt. Streik i« Loudon. Der Dockarbeiterstreik hat sich auf weitere Kategorien erstreckt. Die Schlachthaus- und Kohlenarbeitcr streiken, so daß die Lebensmittel versorgung der Stadt gefährdet ist. Nach dem Gebete wickle ich mich in meine Bett decke; mir ist so leicht und licht und fröhlich um» Herz; «in phantastischer Gedanke jagt den andern — aber wovon handeln sie? Sie sind ungreifbar, aber erfüllt von reiner Liebe und von der Hoffnung auf ein ungetrübte» Glück. Manchmal erinnere ick mich auch an Karl Iwanowitsch (der Hauslehrer) und sein bitteres Los — den einzigen Menschen, von dem ich weiß, daß er unglücklich ist, und er tut mir so leid, ich liebe ihn so, daß mir die Tränen aus dem Augen fließen und ich denke: »Lieber Gott, gib ihm Glück, gib mir die Möglichkeit, ihm zu helfen, seinen Kummer zu erleichtern; ich bin bereit, alles für ihn »um Opfer zu bringen.' Dann stopfe ich mein Lieb lingsspielzeug, ein porzellanenes Häschen oder Hünd chen, in einen Winkel des Federkissens und betrachte mit Vergnügen, wie schön warm und behaglich das Tierchen da liegt. Ich bete noch, daß Gott allen Menschen Glück geben möge, damit alle zufrieden seien, und daß morgen schöne» Wetter zum Spa- zierengehen sein möge; dann drehe ich mich auf die andere Seite, dir Gedanken und Phantasien ver wischen und verwirren sich, und ich schlafe mit noch tränenfeuchtem Gesichte sanft und ruhig ein. Werden sie jemals wiederkehren, jene Frische, jene Sorglosigkeit, jene» Liebesbedürfni» und jene Kraft de» Glauben», die man in der Kindheit besitzt? Welche Zeit kann besser sein als jene, in der die beiden besten Tugenden, ein« harmlose Fröhlichkeit und ein grenzenlose» Liebesbedürfni», die einzigen Triebfedern im Leben waren? Wo sind jene heißen Gebete? wo die beste Gabe: jene reinen Tränen der Rührung? Ein tröstender Engel kam geflogen, wischte lächelnd diese Tränen ab und sockelte der unverdorbenen kindlichen Phantasie süße Traume zu. Hat das Leben wirklich so schwere Spuren in meinem Herzen hinterlassen, daß diese Tränen und diese» Entzücken für immer von mir gewichen find? Sind mir wirklich nur dir Erinnerungen daran ge blieben? Prvsessvr Stet» 4. Der ordentlich« Honorar- Professor Dr. jur. Friedrich Stein, Professor de» Prozeß- und Strafrechts an der Universität Leip »ig, ist «n 1L d. M. im Alter von S3 Jahren verstorben. Prof. Stein habilitierte sich im Jahre 1887 an d« Leipzig« Universität N»d wurde IVO zum a. o. Professor ernannt. Von seinen Schriften seien genannt: Die akademische Gerichtsbarkeit in Deutschland. Das private Wissen des Richters. Die Kunst der Rechtsprechung. Ei» Plan für eine Deutsche Akademie. Friedrich Lienhard arbeitet an dem Plan zur Gründung einer Deutschen Akademie in W e im a r. Der An fang zu der Verwirklichung soll, Thüringer Blätter meldungen zufolge, in aller Stille bereits gemacht sein. Bei der nächsten Tagung der Goethe- gesell schäft in Weimar wird die Öffentlichkeit Näheres darüber erfahren. Die Akademie soll aus einer engeren Verbindung der Goethegesellschaft mit dem verwaisten Goethe- und Schillerarch'v heraus wachsen. Die Akademie plant, eine jährliche Fest woche edelgeistiger Art in Weimar zu veranstalten. Regierungsbaumeister »md -baurate al» Diplom ingenieure. Aus Dresden meldet unser -Vertreter: Das sächsische Kultusministerium hat den in Frage kommenden Abteilungen der Dresdner Technischen Hochschule die Ermächtigung erteilt, Regierung»- baumeistcrn und -bauratcn. sowie sic die Regierung»- baumeister-Staatvprüfung bestanden haben, den Grad eines Diplomingenieurs zu verleihen. Erzbischof Soederblom Ehrenbürger der Uni versität -alle. O. Soederblom - Upsala. Erzbischof der evangelisch-lutherischen Kirche Schwedens, wurde zum Ehrenbürger der Universität Halle - Wittenberg gewählt. Erzbischof Soederblom ist der geistige Urheber und Organisator der Samaritergabe, die das Schwedcnvolk unter persönlichen Opfern in Höhe von einer halben Million Kronen für Deutschland auf gebracht hat. Die Universität erklärt, es sei ein Ausdruck innerer Verbundenheit gegenüber diesem Führer des nordgermanischen Protestantismus, wenn ihn die Universität Martin Luthers in die Reihe ihrer Ehrenbürger ausgenommen habe. Rousseau» Briefwechsel und »Bekenntnisse'. Di« seit langem van der Rousseau-Gesellschaft geplante kritisch: fünkundzwanzigbändige Gesamtaus gabe von I. I. Rousseau» Briefwechsel und »Be kenntnisse' soll demnächst unter den Auspizien dieser Desessschaft in der Sammlung »Or»n«is Rcrivaias <ie France' beginnen. Dom Januar 1924 ab werden jede« Jahr zwei Bände erscheinen. Nicht weniger al» 2500 von Rousseau geschriebene Briefe wird dies« Sammlung umfass«.
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