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Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 11.07.1923
- Erscheinungsdatum
- 1923-07-11
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-192307119
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-19230711
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-19230711
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1923
-
Monat
1923-07
- Tag 1923-07-11
-
Monat
1923-07
-
Jahr
1923
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l^lprlger ^«gedintt nnä Hanäeisreltung AUttvock, <i«i N. /uU Annahwe des Amnestiegesetzes für Abtreibungsdelikte Dresden, 10. Jul'. (Eig. Te l.) Bor Eintritt in d»e Tagesordnung der heutigen Landtagssitzung be- zweifelt Abg. Dr. Reinhold (Dem.) die gestrige Beschlußfähigkeit de» Hauses. Er habe gestern bei der Beratung de« Bcamtcnzescdes di: Beschlußfähigkeit des Hauses angezwcifelt. Diesem Antrag sei vom Vizepräsidenten Bünger nicht stattaegeben worden, obwohl der Antrag zulässig sei. Die Beschlußunfähigkeit des Hause» hab« aber unzweifelhaft vorgelegen. Es hätten sich höchsten» 48 Abgeordnete im Saale be- sunden. Die Abstimmungen seien verfassungs- und geschästsordnungswidrig zustande gekommen. Er protestiere deshalb gegen die Zurückweisung des Antrages und gegen die vorgenommenen Ab stimmungen. Präsident Winkler erklärt hierzu, daß der Bor- stand im Einvernehmen mit dem Aeltestenrat die An gelegenheit untersuchen werde. E» folgte die Fortsetzung der gestern unter brochenen Beratung über das Amnestregesetz. Abg. Kretschmar (DBp.l: Durch da» neue Ge- setz wurden sich die Abtreibungsdelikte nur noch mehren. In der Begründung des Regierungs vertreter» vermisse man den außerordentlichen Ernst de» Gesetze». E» habe das Aussehen eines bei der Regierungsbildung ausgestellten Wechsele, der heute fällig geworden sei. Durch die Amnestie werde die Be völkerungspolitik untergraben und die Volksgesundheit auf» schwerste gefährdet. 60 Prozent der wegen Abtreibungen behandelten Frauen erkrankten schwer und gingen schließlich zugrunde. Die meisten solcher Frauen würden für immer unfruchtbar. Mit jeder Zunahme des freien Geschlechtsverkehrs sei auch eine prozentuale Verbreitung der Geschlechtskrankheiten verbunden. Abg. Renner (Komm.): Die Kommunisten wür den die Minderheitsanträge, die da« Gesetz unwirk- sam machen wollten, ab lehn en. Die Amnestie für Notverbrechen müsse auch auf die Erwerbslosen ausgedehnt werden. Abg. Siegert (Dtschntl.) verteidigt den von der Linken angegriffenen Landesbischof G. Ihmels, der seine warnende Stimme erhoben habe gegen das Gesetz, das einen Verstoß gegen die sittlichen Grund sätze de» Volkslebens darstelle. Abg. Seyfert (Dem.) führt aus, daß das De- setz lediglich politischer Art sei. Die Sozialdemokraten hätten ihren früheren wohl be gründeten Standpunkt zugunsten der Kommunisten aufgegeben. Ls würden unter dieser Amnestie zahl' reiche Vergehen Unterschlupf finden, die den Namen der Menschlichkeit nicht verdienten. Die deutsche Aerzteschaft habe sich im Kriege so außerordentlich be- währt, daß man sie vor jedem Dorwurf in Schutz nehmen müsse. Ministerialrat Dr. Wulfsen wendet sich gegen Dr. Kretschmar und behauptet, die meisten Abtrei bungen verliefen im Gegenteil gefahrlos (Ge lächter), es gäbe eben moderne und nicht moderne Aerzte. Wenn die Aerzte mit den Abtreibungen Ge- schäfte machen würden, dann würde wahrscheinlich auch Dr. Kretschmar dafür sein. (Erregte Zurufe: Unerhörte Unverschämtheit.) Redner schließt seine Erklärung unter großem Lärm de» Hauses. Abg. Bünger (D. Dp.) erklärt in seinem Schlußwort, die Verteidigung Wulfsens für die Frei heit der Abtreibungsdelikte werde das Reichsgericht wahrscheinlich nicht teilen. Es sei dabei nicht an gängig, daß Reichsgesetzr systematisch durch Landes gesetze' sabotiert würden, wie das in Sachsen der Fall sei. Es folgt hierauf die Abstimmung. Die gründ- legenden Paragraphen werden in namentlicher Ab stimmung mir den 47 Stimmen der Sozialisten und Kommunisten gegen die 39 Stimmen der Bürgerlichen angenommen. (Die Sitzung dauert fort.) * Im weiteren Verlauf der Montag-Sitzung des Landtags ergriff bei der Etatsberatung über das Kapitel »Kriminalpolizei, Polizei- ämter usw." auch der Minister des Innern Lieb mann das Wort. Die Regierung werde alles tun, so führte er aus, was notwendig ist, um die Polizei zu einem brauchbaren Instrument zur Erhaltung der Republik zu machen. Uebcr die Leipziger Verhält nisse werde eine objektive Untersuchung stattfinden. Das könne aber nicht geschehen, bis die Kommunisten das verlangte Material der Regierung zugcstcllt hätten. Auf die Angriffe des deutschnationalen Ab geordneten Ziller antwortete der Minister: Wenn Sie einen Mann kritisieren, so soll das ein Finger zeig sein, daß dieser brauchbar ist und gefördert wer den muß. Die beiden Polizcioffiziere sind wegen grober Disziplinlosigkeit suspendiert worden. (Abg. Ziller: Sie scheinen die Sache nicht ernst zu neh men.) So viel Ehre werde ich Ihnen allerdings nicht antun. Eie ernst zu nehmen. Im übrigen können Sie mir . . . (Große Unruhe.) Die Vorlage über Bewilligung von Mitteln zur Anschaffung von Lebensmitteln zwecks Fortführung der Schulkinderspeisungen fand Annahme. Bei dem Kapitel Finanzministerium verlangte Abg. Lieberasch (Komm.) die Einsetzung eines parla mentarischen Untcrsuchungsausschus- s e s unter Umgehung der bürgerlichen Parteien für die Staatsbetriebe. Die Einrichtung wurde bewilligt. Gegen das Gehalt des Finanz ministers stimmten die bürgerlichen Parteien. Die Aussprache über das Kapitel staatliche Elektrizitäts unternehmen, Hochbauverwaltung und Bauverwal- tereicn wurden ohne Aussprache erledigt. Zur weiteren Beratung stand der Entwurf eines Gesetzes übe» die Pflichten der Beamten und Lehrer und über die Abänderungen de» Dienststrafverkehrs. Ls lagen hierzu eine Reihe Ab änderungsanträge der Demokraten, der Deutschen Bolkspartei und der Deutschnationalen vor. Abg. Gündel (Dnat.) begründet die Ab änderungsanträge seiner Partei und sprach sich unter dem Beifall der bürgerlichen Abgeordneten scharf gegen die im »Le Peuple* veröffentlichten Aus lassungen de» Minister» Liebmann au». Nach längerer Aussprache, an der sich di« Abga. Bünger (Dt. Dpt.), Nenner (Komm.), Dehn« (Dem.), Arzt (Soz.) und Minister Liebmann beteiligten, wurden sämtlich« Minderheitsanträae abgelehnt, die Mehrheitmmträge angenommen. — Abg. Dr. Kaiser (Dt. Dpt.) stellte zur Geschäftsordnung fest, daß die erforderlichen 49 Abgeordneten bei der Abstimmung nicht zugegen gewesen sind. Nach kurzer Aussprache liker di« neue Amnestievorlage für Rot« und Ab« treibungsdcltkte wurde die Sitzung wegen der fortgeschrittenen Zeit für beendet erklärt. Neue Vorlagen Dresden, 10. Juli. (E i g. Te l.) Im Hausbaltaus- schuß des Landtag» wurde ein demokratischer An- trag auf Erlaß von einheitlichen Richtlinien für die Festsetzung der Größe der selbständigen Aecker gemäß dem Reichssiedlungsgesetz gegen die Stimmen der Demokraten abgelehnt, soweit er nicht das Pachtschutzamt betrifft. Der Ankauf der Dr. Pil- lingschen Heilanstalt in Aue durch den Staat ohne Rücksicht auf den Verwendungszweck wurde mit den Stimmen der Bürgerlichen und eine» Teile« der So zialdemokraten abgelehnt. Der Rechtsausschuß nahm nach kurzer Aussprache die Vorlage über die Gewerbe st «uernoveHr in zweiter Lesung unter Ablehnung der bürgerlichen Anträge im großen und ganzen nach den Beschlüssen der ersten Lesung an. Am Donnerstag soll die Vor lage im Landtag selber verabschiedet werden. Dem Landtag ist der Entwurf eines Reise kostengesetze» für Staatsbeamte zugeganaen, sowie ein Entwurf zur Angleichung de» Gesetze» Über die Altersrentenbank an die Geldentwertung Die Deutsche Volkspartei stellte an den Landtag eine kurze Anfrage wegen des Terror» linksge- richteter Personen in Sachsen gegen Versammlungen. Es wird auf eine Auflösung einer Versammlung yln- gewiesen, die am 27. Juni eine Rotte auf Grund des 8 19 des Faschistengesetzes vornahm. ver Vermlttlungrvorschlag im Metallarbeiterftreik Berlin, 10. Juli. (Gig. Tel.) Heute abend werden sowohl Arbeitnehmer wie Arbeitgeber der Berliner Metallindustrie zu dem gestern ergangenen Permittelungsvorschlag de» Reichs- arbeitsministeriums Stellung nehmen. Wie un» vrm Metallarbeiterverband mitaeteilt wird, hat der Reichsarbeitsminister vorgeschlagen, den Arbeitern für di« erste Iuliwoche 9800 -4t pro Stunde und für die zweite Iuliwoche 12 600 «4t pro Stunde zu geben. Die Frauenzulage soll für die Stunde 250 4t und di« Kinderzulage 500 «4t betragen. Ein bereite gezahlter Vorschuß von 40 000 «4t soll nicht abgezogen werden. Die Verhandlungen für Vie nächste Lohnwoche sollen bereit» auf Grund der wertbeständigen Löhne geführt werden. Ob dieser Dernrittlungsvorschlag von Arbett- nehmerseite angenommen wird, erscheint bei der fort schreitenden Teuerung zweifelhaft. Ganz be sonders laufen die Kommunisten, di« innerhalb der Berliner Metallindustrie einen recht großen Anhang haben, gegen die Beendigung des Streike» Sturm. So ist es den Kommunisten gestern abend und heute früh gelungen, weitere Betriebe entgegen dem Willen der Streikleitung sti l l z u l e g en. So haben in den AED.-Werken Hennigsdorf 10 000 Ar beiter die Betriebe verlassen. Ebenso ist es heute früh bei Bergmann, Osram und in der Schöntngschcn Eisengießerei zu Teilstreik» gekommen. Die Funktionäre der Berliner Metallindustrie treten heute abend um 7 Uhr in der Brauerei Fried richshain zu einer Sitzung zusammen. Um dieselbe Zeit werden auch die Arbeitgeber tagen, um ihrerseits zu dem Vermittlung-Vorschlag Stellung zu nehmen. Höhere Nohlenpreise Berlin, 10. Juli. (E i g. Te l.) In einer gemein schaftlichen Sitzung der Mitgliederversammlung de» Reichskohlenverband«» und des Ausschusses de« Reichskohlenrate» wurden mit Wirkung ab 9. Juli die Kohlen preis« für die besetzten Bergbaureviere um 58,12 Proz., für alle übrigen Bergbaureviere um 50 Proz. erhöht. Außerdem wurde beschlossen, den Betrag für den Bau von Dergarbeiterwohnungen in allen Revieren um 50 Proz. zu erhöhen. Aus diesem Beschluß ergibt sich für Ruhrfettfördcrkohle ein Ver kaufspreis von 335 000 Mark. Vie verfehlte Markstützungsaktion Berlin, 10. Juli. Zn der gestrigen öffentlichen Sitzung des Reichstagsausschufles für die Unter suchung der Ursachen, die zum Zusammen bruch der Markstützungsaktion geführt haben, machte der Vorsitzende Lange-Hege r- mann Angaben über den Devisenbedarf der Reichs bahn für ihre Kohlenankäufe im Auslande und er klärte hierzu, bei dieser ganzen Transaktion sei zwischen den einzelnen Ressorts der Reichsregierung nicht in dem wünschenswerten Maße zusammen- aearbeitet worden: die maßgebenden Ressorts hätten sich nicht darum gekümmert, in welcher Höhe die Ver träge abgeschlossen worden seien und wieviel Devisen man benötigte. Hierzu nahm im weiteren Verlauf der Verhandlungen der Vertreter des Reichsfinanz ministeriums Stellung. Er hielt die Acußerungen des Vorsitzenden nicht für gerechtfertigt und ersuchte, vor der Presse festzustellen, daß ein endgültiges Urteil darüber erst abgegeben werden könne, wenn der Ausschuß seinen Bericht fertig habe. Es scheine, als ob nicht alle Unterlagen und Protokolle bisher dem Ausschuß zur Würdigung Vorgelegen hätten. Hierzu machte der Vorsitzende weitere rechtfertigende Aeußerungen. Var verbot ber Nationalsozialistischen Partei Hamburg, 10. Juli. (Eig. Tel.) Die national sozialistische deutsche Arbeiterpartei, die ihren Haupt- sitz in München hat, wurde in Preußen und Hamburg verboten. Die eingeleitete Beschwerde hat der Staat»- gericht.hof zurückgewiesen, unter der Fest- stellung, daß die Bereinigung staatsfeindlich und verfassungswidrig sei. Zur Umgehung des Verbote» waren dann von verschiedenen Vereins- gungen Zusammenkünfte veranstaltet worden, auf denen der frühere Leiter der Hamburger Ortsgruppe der nationalistischen Arbeiterpatei, Josef Klont, Doträge gehalten hat. Bei einer Durchsuchung der Arbettsräume des Klant wurde zahlreiche» Material vorgefunden, welche» beweist, daß die verbotene nationalsozialistisch, Arbeiterpartei bi» in die neueste Zeit fortgeführt worden ist. Klant wurde des- halb festgenommen und dem Hamburger Amts gericht zugeführt. Der Haftbefehl wurde gegen ihn wegen Verstoße» gegen da» Gesetz -um Schutz, der Republik erlassen. - Wie der Frankfurter Zeitung au» Rom gedrahtet wird, hat der Italienische Ministerrat, um den Zusammenhalt der Familien zu kräftigen, beschlossen, di« Erbschaftssteuer für die nächsten An verwandte« eine» Erblasser» auHtr Krafk zu setzen. ver Preetz Walter Severmg al» Zeuge Berlin, 10. Juli. (Lig. Tel.) Bor dem Peru- fungegericht begann gestern die Beleidigungsklage des früheren Generals der Reichswehr, Generalleut nants v. Walter gegen den verantwortlichen Redak teur des Vorwärts. In erster Instanz war der Re dakteur, der Matter einen Rechtsbolschewisten ge- nannt hatte und ihm Teilnahme am Kapp-Putsch vorwarf, zu einer Geldstrafe verurteilt worden. Zur gestrigen Berufungsverhandlung war ein riesiger Aeugenapparat aufgeboten worden, darunter sich auch der preußische Inenminister Severing befand. Don der Verteidigung des Vorwärtsredakteur» wurden Severing mehrer Fragen über die Beziehungen des Generals zu den Geheimorganisationen, die zur Zeit in Münster ihr Unwesen treiben, vorgelegt. Minister Severing erklärte, daß nach den Informationen des preußischen Innenministeriums Matter bis in die letzte Zeit Geld gesammelt hat, und zwar für die Geheimorganisationen. Er erklärte weiter, daß General Walter dem Geheimbund der Niederdeut' schcn angehöre und dort die ganz radikale Richtung führt, die selbst, wenn die Reichswekr für die Regie rung eintreten würde. Dieser Geheimbund hat in Hamburg und in Schleswig Verbreitung. Es spielt in ihm auch General Hellfritz eine Rolle, der unlängst durch Mitteilungen der die rechtsradikalen Umtriebe in Hamburg bloßgestellt wurde. In der heutigen Verhandlung scheiterte ein Der- gleich daran, daß der angeklagte Redakteur die Er klärung abgab, er halte den General von Matter für einen der aktivsten und gefährlichsten Feinde der deutschen Republik, mit dem ein Kompromiß nicht möglich sei. In der Fortsetzung der Beweisaufnahme wurden sodann al» Zeugen der Polizeioberst Erich Blankenhorn und der Polizetinspektor Becker aus Stuttgart vernommen, die über die Versamm lung in Stuttgart am 18. November 1921, in der General Matter zur Bildung verbotener Organisa tionen nicht aufgefordert habe, wohl aber sei der Gedanke ausgesprochen worden, daß Waffen vor- banden seien, wenn es losgehen sollte, und daß alle staatserhaltenden Elemente zur Bekämpfung der Roten Armee zusammenhalten müßten. Polizei inspektor Becker sagte aus, er habe sogar von dem Minister den Auftrag erhalten, General von Matter fest zunehmen, nachdem bekannt ge worden war, was in der Versammlung gesprochen wurde. Bevor «ber noch etwas unternommen werden konnte, sei General von Matter nach München gereist. Dann kam der Brief des Generals Stolzenberg an General Matter zur Sprache, in dem gesagt wird, daß, wenn die Reichswehr bei einem Putsch nach links wenden würde, mit blanker Waffe gegen die Reichswehr vorgcgangen werden müßte. Auch ein Protokoll über Besprechungen der Verbände Ehrhardt, Stahlhelm, Oberland usw. in München, das General von Matter zugesandt wurde und das diesr nach Kenntnisnahme vernichten sollte, kommt zur Verlesung. General v. Matter gab hierzu eine längere Erklärung ab, in der er dagegen Ein- spruch erhob, daß das, was er jetzt als freier Mann tue, mit diesem Prozeß in Bezug gebracht werde. Er gehöre keinem Verbände an. Was in dem Friese Stolzenberg» stehe, sei lediglich eine Darstellung der Ansichten, die sich in jenen Kreisen gebildet hätten, wo man mit einem Umsturz von recht» nicht mehr rechnete, sondern lediglich mit einem solchen von links. verstoß gegen das Schutzgesetz Hamburg, 10. Juli. (Lig. Tel.) Die National- sozialistische deutsche Arbeiterpartei, die ihren Haupt sitz in München hat, wurde in Preußen und Hamburg verboten. Die eingeleitete Beschwerde hat der Staatsgerichtshof zurückgewiesen nach der Feststellung, daß die Vereinigung staatsfeindlich und verfafsungs- widrig sei. Zur Umgehung de» Verbotes waren dann von verschiedenen Vereinigungen Zusammenkünfte veranstaltet worden, auf denen der frühere Leiter der Hamburger Ortsgruppe der Nationalsozialistischen Arbeiterpartei, Josef Klant, Vorträge gehalten hat. Bei einer Durchsuchung der Arbeitsräume bei Klant wurde zahlreiches Material vorgefunden, das beweist, daß die verbotene Partei bis in die neueste Zeit fort geführt worden ist. Klant wurde deshalb festge- nommen und dem Hamburger Amtsgericht zuge führt. Der Haftbefehl wurde gegen ihn wegen Ver stoßes gegen das Gesetz zum Schutze der Republik erlassen. Surn Urteil gegen Zuchs München, 10. Juli. (Eig. Tel.) Aus der Urteilsbegründung im Fuchs-Machhaus-Prozeß, deren Verlesung heute fortgesetzt wurde, ist noch zu er wähnen, daß sie die großen Verdienste anerkennt, die sich die vier Kronzeugen durch die Aufdeckung der Verschwörung erworben haben. Sie tadelt aber die unkorrekte Behandlung der Geld frage als einen häßlichen Flecken. Durch die Verwendung des französischen Iudasgeldcs für vaterländische Zwecke hotten sie dem Daterlande viel licht mehr geschadet, als sie ihm durch ihre Abwehr- tätigkeit nützten. Interessant ist die vom Gericht vertretene Auf fassung, daß zu jener Zeit tatsächlich di« Ge fahr der Bolschewtsierung Deutsch land» seit Jahr und Tag bestand, daß sie zur Zeit noch besteht und bestehen wird, solange die Souveränität de» Reiche» nicht gekräftigt sei. Eine Gefahr der Bolschewisierung aber habe für Fuch» nicht bestanden. Wegen de» Strafmaße» kämen ver schärfend ber Ehrgeiz, die Ruhmsucht, die ENelkeii und die Geldgier de» Angeklagten in Betracht. An sich gehörte jedem Hoch- und Landesverräter, ins besondere in Zeiten der Not, ber Tod durch den Strick. Innerhalb de» vom g 83 de» Strafgesetz- buche» vorgesehenen Strafrahmen» sei die Straft gegen Fuch» zu bemessen gewesen. Richert, Kühle» und Machhaus wären, wenn man sie hätte fassen können, zur Höchststrafe von 15 Jahren Zuchthaus verurteilt worden. Da Fuch» willesschwächer al» Kühle» und einfacher al» Machhau» aelebt habe, glaubt da» Gericht seine Strafe auf 18 Jahre Zucht haus bemessen zu müssen. Srvei Niesen«Prozesse Stuttgart. 10. Juli. (S i a. Tel.) Zwei Riesen prozesse werden in den nächsten Tagen da» Stutt garter Landgericht beschäftigen. Der erst« wird sich gegen 64 Metallarbeiter richten, die sich idegen Auvfchrritungen bet dem vorjährigen' Metall- arbriterstreik zu verantworten haben. Die Angeklag- I trn hatten die Niederschlagung de» Verfahrens bean tragt, ein Verlangen, dem da« württembergische Justizministerium nicht nachkommen zu können glaubte. Anschließend daran beginnt ein Prozeß gegen 80 Nationalsozialisten und 23 Kommunisten, die an den Döppinger Vorgängen beteiligt waren. Ein weitere» Verfahren richtet sich gegen eine Anzahl von Nationalsozialisten, die sich in Geislingen strafrechtlich vergangen hatten. Schließlich wird sich da» Gericht auch noch mit Len jüngsten Vorgängen auf der Solitude beschäftigen, wo die Nationalsozialisten eine nächtliche militärische Uebung abgehalten haben. Mainz im Seichen ver Militärdiktatur Frankfurt a. M., 10. Juli. (Eig. Tel.) In Mainz wird da» Geschäftsleben durch die Maßnahmen der Franzosen aufs schwerste gestört und geschädigt. Seit vielen Monaten ruht hier jeder Telephon- und sonstiger Postverkehr. Mamz tst all ein auf die Post in Wiesbaden angewiesen. An den Straßenbahn-Haltestellen stehen die Einwohner und bitten die Fahrgäste, die Post nach Wiesbaden mit- zunehmen. Durch die Besetzung der Reichsbank macht sich ein starker Mangel an Kleingeld bemerk bar. Bei den Lohnauszahlungen fehlen den Der- waltungen und Firmen jetzt die Mittel. Die Stadt hat zwar Notgeld gedruckt, doch haben die Franzosen die Ausgabe nicht genehmigt. Ein Beispiel des rücksichtslosen Militärregiments in Mainz bekamen die Reisenden, die vor ein paar Tagen mit dem Rheindampfer aus Koblenz dort ein- treffen wollten. Das Schiff hatte die übliche Der- spätung, und als es sich der Mainzer Brücke näherte, wurde es von dem französischen Brückenposten be schossen, da der Verkehr nach 9 Uhr abends auf dem Main verboten ist. Unter den Fahrgästen ent- stand eine Panik. Der Kapitän ließ sofort wenden und fuhr nach Biebrich zurück, wo die Passagiere die Nacht zubringen mußten. * Heute früh kurz vor 6 Uhr erschien in Buch schlag eine französische Radfahrerabteilung von eiwa 25 Mann und loste in der Station die Schienen, dann begab sie sich weiter nach dem Bahnhof Sprendlingen und machte auch dort den Der- kehr durch Lockerung der Schrauben unmöglich. Mit diesem Eingriff ist nun auch der Pendelverkehr von Frankfurt nach Buchschlag und von dort nach Ober- roden-Dreieichenhain zum Stillstand verurteilt. Viele Angestellte und Arbeiter, die nach Frankfurt wollten, mutzten zu Fuß nach Isenburg, um von dort aus die Waldbahn nach Frankfurt zu benutzen. Arbeiter-Zang Düsseldorf, 10. Juli. Angeblich im Auftrage von! Dorten werden im unbesetzten Gebiet deutsche Tage-I arbeiter, insbesondere Schlosser und Heizer der Eisen-I und Maschinenindustric, für das besetzte Gebiet ge-i sucht. In Wirklichkeit werden sie jedoch für die De-I triebe der belgisch-französischen Lisenbahnverwaltungl angeworben unter Arbeitsbedingungen, die einem! deutschen Arbeiter vollkommen unmögliche sind. Siel werden unter falschen Vorspiegelungen-'str das be I setzte Gebiet gelockt und zur Arbeit gezwun-l gen. Di« deutschen Arbeiter können nicht dringend! genug davor gewarnt werden, das besetzte Gebiet zur! Aufnahme von Arbeit aufzusuchen. Iudet freigesprochen Paris, 10. Juli. (Eig. Tel.) Zuber ist freigesprochen worden. Das Urteil wurde gestern nachmittag .verkündet, nachdem die Ec- schworenen mit großer Stimmenmehrheit die Schuld- frage nach einer Beratung von nur wenigen Mi- nuten verneint hatten. Die Schulüfrage lautete wörtlich: „Ist Iudet schuldig, im Laufe der Jahre 1914 bis 1918 durch eine Gesamtheit von untrenn baren Tatsachen in Paris und in der Schweiz Ver ständnis mit den Agenten der feindlichen Macht (Deutschland) unterhalten zu haben, mit dem Zweck, die Unternehmungen dieser Macht gegen Frankreich zu begünstigen?* Der Freispruch war fast allgemein erwartet worden. Lebhaft erörtert wurde, daß der Staatsanwalt bei der Urteilsverkündung nicht zu gegen war. Die Verkündung des Freispruches wurde vom Publikum mit Beifallskundgebungen aufgenom- men. Bevor die Geschworenen sich zur Beratung zurückzogen, hatte Iudet folgende Erklärung ab gegeben: „Meine Herren Geschworenen, ich möchte Sie an ein Wovt erinnern, das ich zu Beginn de.I Verhandlungen fallengelassen habe: Ich bin nicht nach Frankreich zurückgekommen, um hier meine I Interessen zu wahren, ich bin gekommen, um meine! Ehre zu verteidigen, die mir über alles geht. Diese! Ehre liegt jetzt in Ihren Händen. Ich habe Ver-I trauen zu den Geschworenen des Seiue-Deparle-I ment».* Iudet ist sofort nach dem Freispruch in! Freiheit gesetzt worden. Um Ziume Wien, 10. Juli. (Eig. Tel.) Einem Bericht der Tribüne aus Saschay zufolge, befinden sich die ita lienischen Besatzungstruvpen in Fiume seit aestern in voller Bereitschaft und Kriegsausrüstung. Die Wachtposten an den jugoslawischen Grenzen sind verdreifacht worden, Militärpatrouillen durchkreuzen alle Gaffen von Fiume und an allen öffentlichen Gebäuden sind italienische Staatswachen ausgestellt. In faszistischen Kreisen werden ^errichte verbreitet, daß General Diaz beabsichtigt, mit Hilfe italie nischer Mikitarkreise die Annexion der Stadt Fiume an Italien zu proklamieren, um einerseits den langwierigen Verhandlungen ita lienischer und jugoslawischer Politiker über die Re gelung ber Fiume-Frage ein Ende zu machen und anderseits die italienische und die jugoslawische Regie- runa vor eine vollzogene Tatsache zu stellen. In Su> schah und Fiume herrscht wegen dieser Gerüchte große Aufregung. In maßgebenden politischen Kreisen in Belgrad ist darüber nicht» bekannt. Ein irrsinniger Gesandter »«sch«, 10. Juli. (Eig. Tel.) Gestern ist aus Marschau der tschechoslowakische Gesandte Dr Mara cbaereist. In der letzten Zeit wurden bei Dr. Moxa Aeiche« von großer Nervosität beobachtet So trat er beispielsweise vor einigen Tagen mit dem Del» bekleidet und einem Hut auf dem Kops« in den Zusmauerraum eines Theater» und stellte die Füßc auf die Barriere. In gut informierten Kreisen ih man davon überzSMt,-: daß Dx. Map» Vicht mehr aui seinen Posten zurückkehren wird.
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