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Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 05.07.1923
- Erscheinungsdatum
- 1923-07-05
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-192307055
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-19230705
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-19230705
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1923
-
Monat
1923-07
- Tag 1923-07-05
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Monat
1923-07
-
Jahr
1923
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6«« s. Elementarereignisse Italienische Zeitungen, zumindest solche, di« Mussolini nahestehen und verichmockt genug sind, schildern mit homerischer Plastik, wie der. .äucv* bei Ltnguagloffa den Lavasirom ces Aetna bändigte. Blitzenden Auge», ein Ritter St. Georg, trat er dem feurigen Lindwurm engegen: Bi» hierher und nicht weiter! Und da» entfesselte Element ge horchte dem durchbohrenden Blick des großen Mannes und stand still. Da» war der Sieg Mussolini» an der Laoafront. »Der Aetna aber schüttelt sich in seinem innersten Feuereingeweide vor Lachen: .Kinderchen, wenn 'ch bloß wollte . . . Da» sind ja nur klein« Späße, die ich euch vorfiihre, Feuerproben, aber nicht der Ernst fall, Vorübungen . . . Ganz andere Dinge habe ich im Rhythmus der Jahrtausende erlebt: Tropischer Fruchtgarten und Gletschersturz der Eiszeit; Mam mut und Eisbär; alle zwanzigtausend Jahr« eine neue Welt-Katastrophe. Allerdings fand sich damals kein Mussolini auf dem Schauplatz der Ereignisse ein, um sie, im Kreuzfeuer der Kameras, mit seinem durchboh renden Blick an»ublitzen ... Ich bin gesvanns. wie sich die Menschheit benehmen wird, bis die nächste Eiszeit — und sie wird kommen, verlaßt euch darauf — eure Täler und Fabriken zndrcken wird . . .* So anmaßend, um nicht zu sagen: unverschämt ist der Mensch, daß er die Gutmütigkeit der Elemente »u einer Herrenpose für sich ausnutzt, anstatt ganz still, ganz bescheiden, ganz kleinlaut zu werden. Dem Menschen, zumal dem politisch - faschistischen, gilt Großmut als Schwäche, und wo einer schwach ist oder scheint, ist der andere der starke, überlegene Mann. Mussolini hat Vorläufer. Schon der König Darius, der sicherlich auch ein Faschist war, benahm sich ähnlich töricht, als er das Meer mit Ruten peitschen ließ, weil e» bei der Einschiffung seiner Truppen nicht stillstand, wie sichs gehört, wenn die Soldaten seiner Majestät sich für das größere Per sien totschießen lassen sollen. Das Meer dachte sich sein Teil und ließ sich in aller Seelenruhe peitschen. Solchen Großmächten genügt es zu wissen, was sie sind und können. Sie haben den Humor einer in fernalischen Ironie und tun, als ob sie den Men schen gehorchten. Von Herodot bis heute, von Darius bis Musso lini: der Mensch will auf die Herrschergebärde der Ueberlegenheit nicht verzichten. Dabei batte er, ein Stümper, der nicht einmal Politik und Wirtschaft zu meistern versteht, allen Grund, froh zu sein, daß von der Erschaffung der Welt bis heute alle tellurischen Katastrophen noch so glimpflich abgelaufen sind. Potz Element, mit den Elementen ist nicht zu spaßen! Trete lieber einer vor mit dem gewissen blitzenden Herrenblick und gehiete den rasenden Fluten der Papiermark und ihrem Tiefsturz Einhalt! (Frei willige vor — wie wär'», Hugo Stinne»?) Oder ist die Not en presse gewaltiger alp der Aetna (unermüdlicher speit sie aus jeden Fall) und die Spekulation ä l» daiqse der Mark verheerender al» die Lava des Vulkans?!? I—ndarl «schäft»»- de* «ei»e» Lotto» t» Oesterreich. Die Regierung hat in der heutigen Nationalrats sitzung einen Gesetzentwurf eingebracht, der die Abschaffung de» kleinen Zahlenlotto» vorsieht Nach diesem Entwürfe soll da» Lotto bi» zum 3l. Dezember 1928 eingestellt werden, wobei jedoch dem Ftnanzminister da» Recht eingeräumt wird, die Dauer de» Lotto» eventuell di» Ende 1923 zu verlängern. Bi» dahin muß aber da» Lotto aufgehoben sein. Di« erhöhten Postgebühren. Der Ausschuß des Derkehrobeirats de« Reichspostministerium», der zur Beratung der Vorlage über die Erhöhung der Post-, Telegraphen- und Fernsprechgebühren vom 1. August dieses Jahre» ab zusammengetreten war, hat sich mit den vorn Reichspostminister vorgeschlagenen Ge bührensätzen einverstanden erklärt. Der Entwurf der neuen Gebührenordnung geht nunmehr dem Reichs- rat zu. Der Blitzfunkc-»telegrauimvertehr. Der vor Jahresfrist »Angeführte Blitzfunktelegrammverkehr, der sich ständig in aussteigender Richtung entwickelte, hat besonders in der letzten Zeit sehr stark zu genommen. Die durchschnittttche Lausze t eine» Butz- sunktelegramms von der Auflieferung bi» zur Ucder- mittlung an den Empfänger betrug im Monat Mal nur rund elf Minuten. Kulturland an der Havel in Gefahr Die Zustände in den ländlichen Gegenden an der Havel haben die Mitglieder der Deutschen Volk-Partei im Preußischen Landtage veranlaßt, einen Antrag einzubringen. In diesem heißt e»: Die Wasserverhältnisse an der Havel von der mecklenburgischen Grenze bi» Oranienburg haben sich im Laufe der letzten Jahre zu einer unge heueren Gefahr entwickelt, ohne daß bisher von der StaatSregierung etwa» zu ihrer Abhilfe getan wurde. Achttausend Morgen Wiesen und Aecker stehen fast ständig unter Wasser, weitere drei tausend Morgen leiden zeitweise darunter. Die Heuernte ist auch in diesem Jahre wieder ver loren, außerdem die bereit» zweimal erfolgte Aussaat von Getreide und Kartoffeln, da da» Wasser jetzt auch über die Ackerflächen geht. In Zehdenick und anderen Orten liegen die Gärten im Wasser, so daß die Erträge verloren sind und viele davon betroffene kleine Leute nicht wissen, wovon sie den Winter über leben sollen. Die Obstbäume gehen ein, die Keller, zum Teil sogar die Häuser stehen seit langer Zett voll Wasser, so daß KrankhettSepidemten zu erwarten sind Die Landwirte haben infolge Futtermangel» ihr Milchvieh vielfach bi» auf ein Viertel de» früheren Bestände» reduzieren müssen, wodurch die Mtlchdersorgung Berlin» um etwa 200000 Liter geschädigt wird, und da die Wiesen — allein bei der staatlichen Domäne Zehdenick handelt e» sich um mehr al» 400 Morgen — inzwischen immer mehr verderben, wird der Schaden täglich immer größer Diele Milliaden Mark sind für die Kultivierung von Moor und Oedland bewilligt worden. Hier handelt e» sich darum, alte» erstklassige», für die BolkSernährung wichtige» Kulturland vor der Vernichtung zu bewahren. Schwimmender Palast. Ende dieses Monats wird ein neuer Tunarder, die .Franeonia*, in den Ver kehrsdienst zwischen Amerika und Europa gestellt werden. Die .Franconia* (Wasserverdrängung 20 000 Tonnen) übertrifft an Pracht der Ausstattung und an Bequemlichkeit die Schiffe der Vorkriegszeit, ist aber auch für die Frachtenbeförderuna vorzüglich ein gerichtet. Die erste und zweite Klasse unterscheiden sich nur im Punkte des Mobiliars. Ueberraschend ist die Sorgfalt, die der räumlichen Zumessung der Kabinen der dritten Klasse zugewendet wurde. Auch in bezug auf Bequemlichkeit und Sauberkeit der Ausstattung steht die dritte Passagierklaffe diese» Dampfers über dem bisherigen Niveau der dritten Schiffsklasse. Das Schiff ist mit einer Sport- arena im Ausmaß von 5000 Quadratfuß au»- gestattet, besitzt ein große« Schwimmbad, eine Turn halle und Spielplätze für allerlei Ballspiele. Die .Franconia* hat acht Deck», fünf davon für den Gebrauch der Passagiere. Da» Schiff rbiich feine erste Fahrt Ende Juni von New Pörk nach Southampton unternehmen und bi» zum November den Dienst auf der Lmie New Park—England und zurück versehen. Dom November diese» Jahre» an- aefanaen, wird da» Schiff während der Dauer von fünf Monaten in ein .Millionärschiff* verwandeln, weil nur Dalutenmillionäre in der Lage sein werden, da» Fahrzeug während der Wintermonate etwa bi» zum Mai auf einer Reise um die Welt zu benützen. Das Schiff wird für diese Tour in besonderer Weise adaptiert und in den Kabinen erster Klasse in der luxuriösesten Weise ummöbliert werden. Eine erlesene Musikkapelle wird die Millionäre bei ihrer Reise um die Welt begleiten, und er wird auch an Bord des Schiffes nicht an theatralischen und kinematographischen Unterhaltungen, an drahtlosen Darbietungen aller Art und aus aller Welt fehlen. Di« Berkehrssperre t« besetzten Gebiet. Während der vierzehntägigen Derkehrssperre werden Geleit scheine der britischen Behörde vom besetzten nach dem unbesetzten Gebiet und umgekehrt nur ausnahm«, weise aus wichtigen Gründen (dringende Familien angelegenheiten, Lebensmittelfragen) ausgestellt. Bücherkrieg Leipzig Wien Mit der fortschreitenden Entwertung unserer Mark wuch» die Bücherau-fuhr. Da» Au»land bezog ballenweise deutsche Bücher und zahlte da für wahre Spottpreise. Gewisse Geschäftsleute — Buchhändler kann mau sie kaum nennen — versuchten aber bi» vor kurzem noch unter Um gehung der 1920 erlassenen Ausfuhrbestimmungen größere Büchersendungen in» Ausland zu ver schieben. Wenn derartige Machenschaften heute nicht mehr möglich sind, so ist da» dem energischen Eingreifen der Spitzenorganisation de» deutschen Buchhandel», dem Börsen-Berein, zu danken. E» ist ihm freilich erst nach vieler Mühe gelungen, den umfangreichen Bücherschmuggel nach der Schweiz und Oesterreich zu unterbinden. Deutschen Firmen war die Lieferung von Büchern nach der Schweiz nur zu den von der Außen- kandelSnebenstelle für da- Buchgewerbe festge setzten Preisen bzw. Bedingungen erlaubt. Änder war da- beim österreichischen Buchhandel! Er hatte die Möglichkeit, ohne jegliche Ausfuhr schwierigkeiten Büchersendungen jeden Umfange» nach der Schweiz zu senden. La eine Ueber- wachung der Rechnungsbeträge nicht stattfand, blieb e» den betreffenden Firmen unbenommen, sich an die von den Verlegern festgesetzten Preise zu halten oder nicht. ES bildete sich in Oester reich ein Zwischenbuchhandel, der deutsche Bücher von den Verlegern zu Markpreisen bezog und sie mit Ausschlag nach der Schweiz weiter verkaufte. Die Festsetzung der Preise erfolgte so, daß sie sich weit unter der Höhe der ordnungs mäßigen Valutapreise bewegten. Derartige Ge- schäst-methoden schädigten sowohl den deutschen Verlag al» auch da» Schweizer Sortiment. In der Schweiz dachte niemand mehr daran, Bücher direkt au» Deutschland zu beziehen. Man ließ sie sich über Oesterreich kommen. Da» war ja viel billiger. So nahm der Export von Deutschland nach der Schweiz be deutend ab und der von Deutschland nach Oesterreich stieg unaufhörlich. Der am meisten Benachteiligte war naturgemäß der Schweizer Sortimenter, weil er mit den niedrigen Preisen de» österreichischen Zwischenbuchhandel» nicht konkurrieren konnte. ' Rach wiederholten Verhandlungen der deut schen und österreichischen Fachverbände wandten sich die Verleger an die österreichische Regierung, die in einem Au»fuhrverbot für buchhänd lerische Erzeugnisse au» Oesterreich da» beste Mittel sah für eine grundlegende Neuregelung de» Buchaustausches zwischen den beiden Ländern. Der Erlaß der Regierung vom 7. Mat d. I. schien tatsächlich geeignet, für «ne fernere reibungslose Abwickelung de» Buchverkehres zwischen Deutsch land und Oesterreich eine wertvolle Grundsage zu bilden. Aber man hatte nicht mit dem Wider stand, de» österreichischen Zwischenhan del» gerechnet. Die in ihm vereinigten Firmen arbeiteten mit schärfsten Mitteln gegen da» Aus fuhrverbot, so daß e» schließlich nicht in Kraft gesetzt werden konnte. An den Quertreibereien war auch ein führendes Wiener Kunstantiquariat beteiligt. Der Inhaber diese» Hauses veranlaßte sogar den französischen und englischen Gesandten in Wien, h«t der Regierung gegen da» Verbot Einspruch zu erheben. Erst im Mai d. I. wurde ein neuer Ausweg zur Regelung der Ausfuhr gefunden. Rach einem Beschluß der Außen handel-Nebenstelle für da» Buchgewerbe wurde nämlich den deutschen Buchhandel-firmen — ganz gleich, ob e» sich dabet um Sortimenter, Antiquare oder Verleger handelt — die Ver pflichtung auferlegt, die Preise für Lieferungen nach Oesterreich in Auslands währung festzusetzen. Al- Grundlage für diese Berechnung diente ursprünglich die Bast» 1 Schweizer Franken --- 9000 österreichische Kronen. Neuerding» ist die Herabsetzung der Kronenparität auf 800 erfolgt. Damit ist zunächst dem Bücher schmuggel nach der Schweiz (auf dem für den Käufer viel bwigeren Wege über Oesterreich ein Ende gemacht worden, und die Schweizer Sortiment-firmen sind von einer Konkurrenz be freit, die ihnen im Lause der letzten Zeit mancherlei zu schaffen machte. So war also den deutschen und schweizerischen Interessen gedient. Da zeigte sich aber eine neue unangenehme Hemmung. Die österreichischen Leser lehnten e» nämlich ab, Aus landspreise zu zahlen. Ein geradezu beängstigen der Rückgang de» Absatze» deutscher Bücher in Oesterreich ist die Folge diese» Proteste». Für die österreichischen Interessenten besteht keine Ge legenheit eines billigeren Bezuges, denn die deut schen Verleger und Sortimenter sind verpflichtet, direkte Lieferungen an Privatkunden ebenfalls auf der Basis für Auslandsverkäufe vorzunehmen. Die Möglichkeit einer gewissen Erleichterung, über deren Auswirkung auf den Buchabsatz man zu nächst noch nichts feststellen kann, bestellt allerdings in einem neueren Beschluß der Außenhandels nebenstelle. Er gestattet deutschen Verlegern die Lieferung ihrer Werke zum deutschen Preis, ver pflichtet sie aber, auf diesen Büchern einen Stempel „Nur für Oesterreich" anzubringen. Damit derartig signierte Werke nicht über Wien an das übrige Ausland gehen, sind die öster reichischen Zollbehörden angewiesen, die Ausfuhr aller Bücher zu verhindern, die diesen Stempel tragen. Wenn so auch eine gewisse Klärung der strittigen Fragen erreicht werden konnte, ist der deutsch-österreichische Büch er krieg freilich noch nicht beendet. Die Frage, wie die Rege lung der Ausfuhr in Zukunft am vorteihaftesten erfolgen kann, wird die Fachwelt nach wie vor beschäftigen. Nur ein österreichische» Aus fuhrverbot, wie es Deutschland schon seit drei Jahren besitzt, wstre geeignet, den reibivgslosen BuchauStausch zwischen Deutschland und Oester reich zu gewährleisten und Schädigungen de» schweizerischen SortimenteS zu unterbinden. Der deutsche Buchhandel hat nach wie vor das grötzte Interesse an einer lebhaften Gestaltung de» deutsch-österreichtschen Buchverkehres. Nichts liegt ihm ferner, al» der Versuch einer Uebervorteilung der österreichischen Buchfirmen und ihre» Publk kumS. Aber schließlich mußte er doch gegen den Bücherschmuggel, wie er von Oesterreich aus be trieben wurde, durchgreifende Maßnahmen treffen- Aksitor StoknstsukZer. Medizin gegen Lügen Ein merkwürdiger Versuch wurde an drei Schwer verbrechern des San Quentin-Gefängnisse» in Kali fornien vorgenommen. In Gegenwart einer Anzahl von Kriminalisten verabreichte ein Arzt den Der- brechern ein von ihm hcrgestclltcs Medikament. Diese Medizin soll auf jeden, der sie einnimmt, die mär chenhafte Wirkung haben, daß cs ihm ganz unmöglich ist, eine Lüge auszusprechen, so lange er unter dem Einfluß des Mittel» steht. Der eine der Derbrech^,^ John F. Farrar, der des Mordes an einem LhincscN in Sacramento angeklagt war, erklärte daraufhin» daß der tödliche Schuß von einem anderen Manne abgefeuert worden sei. Eugene C. Leary, der wcgen eines Raubanfalls angeklagt war, gestand ein, daß er wirklich der gesuchte Mörder gewesen, und der dritte Verbrecher, ein Neger namens Johnson, be- kannte seine Schuld und gab auch noch freiwillig mehrere andere Verbrechen an, die er begangen. Vielleicht findet dieses Wundermedikament auch seinen Weg au» dem kalifornischen Gefängnis nach Europa, wo man es nicht nur zur Besserung ver stockter Kriminalverbrecher benutzen wird . . . Mord cm einem. siebenjährige» Mädchen. Auf dem Brauhausberge bei Potsdam fand man die Leiche eines kleinen Mädchens, das in entsetzlicher Weise zerstückelt war. Nachforschungen der Polizei ergaben, daß es sich um ein siebenjähriges Mädchen handelt, das oon einem Manne fortgelockt worden war. Die Polizei konnte den Täter in der Person eines 36jährigen Kutschers ermitteln und festnehmen. Er hat die Tat bereit« eingestande». Der Tod des Lmpedokles Don ovdlln Diese dramatische Dichtung Hölderlin» wird in einer Bearbeitung des Wilhelm von Schol» im Der- liner Etaatstkeater aufgcführt. Und zwischen den vierundzwanzrg Berliner Librettenoperettisten be wegt sich jetzt — für eine kleine Zeit — der sanfte hymnische Johann Christian Friedrich Hölderlin. Zweiunddreißig Jahre hat er, in der Blütezeit Schiller» und Goethes, bewußt in Deutschland gelebt. Darauf einunddreißig Jahre dämmernd bei der Mutter in Nürtingen und einem Tischlermeister in Tübingen. Er war »schön wie Apoll*. Er sollte Theologe werden, wurde nach dem Tübinger Stift ge schickt, wo Hegel und Schelling, seine Studienkollegen, waren. Draußen florierte der begeisternde Schiller, der Abgott der jungen Generation. Und ging auch ncch um das Gespenst de »tränenströmenden Werther, de» Selbstmörder» au» Gefühlsüberschwang. Hölder lin deroutierte sofort. Im Tübinger Stift war ihm wichtiger al» seine theologische Karriere die Synthese zwischen Kant und Plato. Da blieb nicht» weiter übrig al» Hauslehrer zu werden. Sein Hero» Schil ler nahm ihn selbst einige Zeit auf; der sehr propa gandaeifrige Nationalklassiker hielt ihn für einen tüchtigen Jünger, und kurioserweise hielt der sich auch dafür. Dann war ein Mann Sinclair da. Der kümmerte sich um den jungen Schillerianer, brachte ihn al» Hauslehrer unter, bei Susette Dontard. Sie wußten alle beide nicht, wa» daraus werden würde. Der Ehemann schon gar nicht. Iedenfall» waren Kinder »u mErziehen da. Sie war eine geboren« Bokenstrm, lebte in Frankfurt am Main; ihr Mann war daher Bankier. Höölderlin war dauernd in Geldnot, wie e» sich für einen Dichter gehört; r» war ihm lieb, diese Stelle zu haben. Aber .da» Unglück reitet schnell*, wie einer seiner Kollegen um diese Zeit be- merkte, oder .es stürzen die Menschengeschlechter von Stufe zu Stufe*, wie er bestätigt«. Susette wurde seine Flamm«; wer weiß ob platonisch oder — kmtisch. Der arm« Mann, nämlich Hölderlin, hatte «ine heftige Au»«inandersetzung mit dem Eheherrn. 17-8 war er Privatlehrer ohne Stellung. Er saß noch einige Zeit in Homburg. Seine Freund« wuß ten nicht, wa» mit ihm anfangen. Er irrt« umher, war Erzieher in Stuttgart, in der Schweiz. Ex schrieb flehentlich an den Normalklassikrr Schiller. Aber wie Goethe, den Kleist nicht hörte, so er nicht den Hölder lin. Das Dämonische paßte ihnen beiden nicht, wie das begreiflich ist bei feinen Leuten, die mit Groß- Herzögen umgehen. Außerdem dichtet man nur über das Dämonische. Er fand sich 1801/wie er ein- undreißig Jahre alt war, einer, der ihm eine Stelle nach Bordeaux vermittelte. Bordeaux liegt nach zu- verläsigen Karten in Frankreich, sozusagen in West frankreich, an der Mundung der Garonne, wo der Medocwein kostenlos wächst. Die Entfernung von Deutschland ist nicht unbeträchtlich. Hölderlin, der in Schiller geschrieben hatte: .So eisern mein Hirn- mel ist, so steinern bin ich*, wanderte zu Fuß dahin. Und dann verging keine lange Zeit, da kam er bei der Mutter in Nürtingen an, zurück von Bordeaux, ver- wildert, mit den deutlichen gcicben des Irrsinns. Er war in einer urckrezähmbaren Unruhe von Bordeaux aufgebrochen, traf im Juni bei seiner Mutter «in: am 22. Mai war seine Susette gestorben, nach SOtägiger Krankheit. - * Wer war dieser Hölderlin? Seit einigen Jahren bemühen sich kluge Literaten, ihn zum .Deutschesten der Deutschen* zu machen. Man gibt ihm viel enthusiastische Superlative und.gedruckte Ehren. Mit Recht trennt man ihn, den wirklichen Lyriker und einzigen Hymniker, von dem Reflexionspotten Schiller. Hölderlin hat sich aber über seine Deutschen sehr klar «»»gedrückt: »Barbaren von alter»her, durch Fleiß und Wissenschaft und selbst durch Reli gion barbarischer geworden, — in jedem Grad der Ucbertreibung und der Aermlichkeit beleidigend für jede gut geartete Seele * Er wollte «in antiker Hellene sein. E» war ein Irrtum von ihm, bedingt durch das Fehlen einer wirklichen deutschen Nation und durch die Anomalie seiner Konstitution. Seine Unfähigkeit mit dem Konkreten fertig zu werden, — und tausend einzelne in Deutschland wurden und werden mit dem Konkreten nicht fertig, «eil keine Gesamtheit sie führt, — diese Unfähigkeit zwang ihn zu dem Wunschbild der Antilc hin. Damit verbrannte er die Brücken zur Realität hinter sich. Dor ihm lag der psychische Tod und vor feinem Volk der Sumpf der antiken Bildung. Er schrieb den Tod des Empedokle» in Homburg nach' dem Verlust Susette«. Vier Basteleien, Frag mente liegen vor; ein Szenarium in fünf Akten, ein« Tragödie »Empedokle«', die den Kamps feindlicher Brüder geben sollte, Szenen »Lmpedokles auf dem Aetna*, zuletzt der .Tod de» Empedoklcs*. Er wollte in diesem Stück .seinen Wert preisen*. Es war in der Tat eine Bemühung, sich aus sich her- auszureißen; aber eine vergebliche; das unvollendete Bastesn zeigt, sein Seclenzerfall war nicht auszu- halten. Sein Thema war der alte Weise und Arzt von Agrigent auf Sizilien, der sich in den Aetna wirst. Hölderlin fundamentiert mit seinen Motiven da« alte Material. Man sah in der schonenden Scholzschen Fassung im Staatstheater Empedoklcs, den Bolksbeglücker, den Heiligen, der sich sogar den Göttern gleich gestellt hat. Jetzt zerfällt er in sich; ein Priester Agrigents, Verkünder des ewig Gestri gen, verflucht ihn (der Eheherr Gontard aus Frank- furt, vielleicht auch Schiller). Er flieht auf den Aetana (nach Homburg). Der zweite, letzte Akt bringt d'e Wiedcraufrichtung, die Apotheose des irrenden Manne». Er glorifizert sich, wird vom Volk rehabi litiert, stürzt sich in den Vulkan. Seine Anhängerin Ponchea verkündet seine Göttlichkeit. — Szenisch ist di« Scholzsche Fassung, von Legal» Regie unterstützt, vor großer Einfachkeit. Die Dramatik der Jüngsten hat die Art der Darstellung und die Wiederkehr diese» Stücke» ermöglicht. In sich ruhende Gespräche, S-cncnreihen, abgegrenzt durch Derdunklungspausen, d'e Abkehrung von der ordinären Konfliktsdramatik und Spannung. Auf der Bühne festliche Landschrf- trn, von Rochus Gslirse angestiftet. Man hörte die zarte und feine Eingangsmusik, dann das Gespräch der Panthea-Diotima. Die» war Lucie Manheim, da» Käthchen, die Hannel« Ießner». Sie war diese Gestalt Hölderlin», konnte menschlich diese reine Lyrik von sich geben. Al« aber Empedokle« erschien, war es nicht gut. Herr Ebert hat. wie sein Regisseur, den .Faust* gelesen. Kein Faust ist Empedokle« und Hölderlin. Diese Liebhaber der Pflanzen und Quellen sind gelegentliche Gedankensünder; sie bür- d:n sich dafür ein Schicksal auf, das aber gar ni-^t aus ihrer Sünde kommt. Etwas unrein daher, dazu langgczoqen, war diel Aufführung. Aber voller Schönheiten de» Gefühl«, der Gedanken und beson- der» der einfachen Sprache. Leipziger Oper. (Josef Vogls Abschied.) Al» Canto im .Bajazzo* nahm Herr Josef Vogl Abschied von den Leipzigern. Daß st« ihn nicht gern ziehen lassen, schienen die überau» herzlichen Hul- di-^ngen diese, Abend» darzutu». Blumen und Beifall gab es in Fülle. Das Klatschen und Hervor- rufen nahm sogar nach der geschickten, da» Los des Wandermimen hcroorhebendcn, warmherzigen und taktvollen Ansprache des Künstlers kein Ende. Herr Vogl hat etwa acht Jahre lang der Leipziger Oper treu gedient und sich manchen schönen Erfolg er rungen. Nicht alle Rollen, die matt ihm übertrug, waren seiner Eigenart angemessen. Stimmliche Der- anlagung und Spielart verwiesen ihn auf ein be grenztes Gebiet. Wenn er ein Wiedersehen an- deutete, so wird man ihn etwa als Loge im .Rhein- gold*, Eleazar in der .Judin*, Hcrodes in .Salome* und besondere al» Teufel in .Höllisch Gold* gern begrüßen. In diesen und ähnlichen Stücken ver schwand — vom lyrischen und Hrldentenor her gc- fchen — die Kehrseite der Medaille. Al» moderner Charaktertenor ist Vogl in seiner Art eine Au», nahmeerscheinung, die sich unauslöschlich einprägt. Die unter Kapellmeister Szendrei frisch und flott verlaufene Abschiedsvorstellung war mit bekannten einheimischen Kräften, Frau Hansen - Schultbeß, Herrn Poflony und Voigt besetzt. Als Silvio hals Herr Sonnen vom Höllischen Stadttheater, «in Daritonist mit mehr starker als schöner Stimme, verdienstlich aus. G Schlüffelzahl 12 000. Mit Wirkung von heut« Donnerstag wurde die Schlüsselzahl für den deut schen Buchhandel von 9000 auf 12 000 erhöht. — Unter allen TeuerungsmuStivlikatoren unseres Wirtschaftslebens ist die Teucrungszahl de» deut schen Buchhandel« noch am weitesten zurück. Sie beträgt etwa die Hälfte der Goldmarkparität. Klengel« Erkrankung. In dem Befinden der Cellomeister» Prof. Iuliu» Klengel, der seil voriger Woche schwer erkrankt war, ist eine erfreu- liche Besserung eingelreten. Ehrung ei»«» Bcrlagvbuchhändler«. Dem Der lagebuchhändler Eduard Urban, Berlin, Inhaber des Verlages Urban ä Schwarzenberg Berlin und Dien, wurde anläßlich de« 25jährige, Bestehen» de» von ihm geleiteten Berliner Hause» in Anerkennung seiner Verdienste um die Medi« »inische Forschung und den medizinische» Unterricht von der Medizinischen Fakultät der Uni, versität -a ll «-WitkenderU einstimmig di( Würde eine» Ehrendoktor» der Medizi» verliehen.
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