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Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 01.07.1923
- Erscheinungsdatum
- 1923-07-01
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-192307017
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-19230701
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-19230701
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1923
-
Monat
1923-07
- Tag 1923-07-01
-
Monat
1923-07
-
Jahr
1923
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kitutionen weniger besitzender Masten, wenn nicht das Etudentcntnm in freier Selbsthilfe die Werkarbeit geschaffen hatte. Aber auch die Hilfe des ganzen Vollst st dazu nötig, weiter- zubauen. Je mehr Stellen den schon recht gut funk tionierenden Arbeitsämtern der Universitäten ange boren werden (besonders für die Ferien), um so mehr kann bei der Vergebung auf die spezielle Anlage der Studierenden Rücksicht genommen werden. Zum Schluß: Unterschätzen wir auch die im Werk- studcntentum liegenden Mittel der sozialen Verständigung nicht. Wenn auch der Arbeiter mit Recht sagt, daß Mastcnklüste nicht durch vier oder acht Wochen gemeinsamer Arbeit, nach der der Student wieder in seine bürgerliche Sphäre zurück kehrt, gänzlich beseitigt werden können, so ist es doch nicht unwesentlich, daß der spätere Lehrer, der Jurist oder Arzt mit den arbeitenden Massen in Berührung gekommen ist und Verständnis für ihre besondere Stellung im Staats- und Wirtschaftsleben gewonnen hat. Paul Sozsvr Zalomon Hirzel als Goethesamrnler Eine Aus st eil ung der Leipziger Universitäts-Bibliothek. Bon Seiten der Universitätsbibliothek wird berichtet: Am 30. Juni wurde in der Universitäts-Bibliothek eine Ausstellung von Handschriften- und Bücher» schätzen der Goethe-Sammlung Salomon Hirzcls er öffnet, die als Vermächtnis nach des Sammlers Tode im Jahre 1877 in den Besitz der Bibliothek kam. Be- sonders das Handschriftliche war und ist eine der er giebigsten Fundgruben für die Goetheforschung, da von zeugen eine große Anzahl kleinerer und fast alle größeren Veröffentlichungen, unter denen nur die von Hirzel selbst und Mich. Dernays hcrausgegebcne Sammlung »Der junge Goethe", die Weimarer Aus gabe von Goethes Werken uno die von Köster heraus- gegebenen Briese der Frau Rat erwähnt seien. Einem weiteren Kreise wird jetzt zum ersten Male der Zu tritt zu diesen Schätzen gewährt, den besonderen An laß dazu bot das siebzigjährige Bestehen des Derlagshauseo Hirzel. Die Ausstellung ist vom 1. Juli Sonntags 11—1, wochentags 3—6 unentgelt lich geöffnet. Außer einer Menge kleinerer, in Sammclbändern vereinter Schriften und Zeitungs ausschnitte enthält die Sammlung 918 Druckwerke und 33 Handschriften, darunter 29 von Goethe selbst oder nach Goethes Diktat geschriebene Briefe und 54 Dichtungen und Dichtungsbruchstücke, für eine Privat sammlung ein» ganz erstaunliche Anzahl-, dazu kom men noch mehrer» Zeichnungen und Radierungen und ein Aquarell. Dir Ausstellung bietet eine Auswahl für di« Zeit bis zu Goethes Tode. Unter den Druck schriften sind di« Werk« Goethes fast ausnahmslos in ihren Erstausgaben vertreten. Zahlreiche Liederheftr zeigen, wie früh dir Gangbarkeit der Goetheschen Ge dichte erkannt wurde; 10 von Beruh. Tl>eodor Breit kopf komponiert« Lieder ließ «r abschreiben und wid mete sie Friad«rik« O « s « r; der Titel und die Tempi- bezeichnungen sind von Goethes eigener Hand. Die DlanzAistkr der nicht von Goethe herrührcnden Briefe bilden dl« von Frau Rat an Lavater nnd an Uvzel- mann, auch der Herr Rat, Tornelie, Susanne von Klcttenberg, Friederike Oeser, Charlotte K.'stner, Bäbe Schultheß, Herzogin Anna Aamalia, Charlotte v. Stein, Luise v. Eöchhausen. Johanna Schopen hauer, Ulrike o. Levetzow, Karl August, Behrisch, — sUdsnns vsrslld^rls — srrks QNLlikr-ksn, r.sos Nuslsi- I pst-r-rtr-vs 7 blsriONs! Saltzman», Lavater, Schiller, Wieland, Zelter u. a. sind vertreten. Einblick in Goeths« Entwicklung und in die wach- sende Klarheit, mit der er sich ihrer bewußt wird, ge währen besonders die Briefe an Lavater; darin heißt cs z. B.: „Ich binn nicht laß, so lang ich auf der Erde binn erobr ich wenigstens gewiß meinen Schritt lande täglich." „Ich bin nun ganz eingeschifft auf der Woge der Welt — voll entschlossen, zu entdecken, gewinnen, streiten, scheitern, oder mich mit aller Ladung in d'.r Lufft zu sprengen." „Ich denke auch aus der Wahrheit zu seyn, aber aus der Wahrheit der fünf Sinne, und Gott habe Geduld mit mir wie bisher." „Diese Begierde, die Pyramide meines Daseyns. deren Basis mir angegeben und gegründet ist, so hoch als möglich in die Lufft zu spizzen, überwiegt alles andre." Unter den Zeichnungen Goethes ist am bekannte sten das Blatt für die physiognomischen Fragmente. Aus der Leipziger Zeit stammen einige Ra dierungen nach Thäelschen Bildern, nach Italien weisen die meisten Sepiazeichnungen. Zum Schluß sei auf eine ePrle Lhodcwieckischer Kunst hingewiescn, die Zeichnung zu Werthers Leiden: Lotte übergibt Werthers Bedienten die Pistolen. Mit derselben Liebe und kenntnisreichen Sorgfalt, mit der Salomon Hirzel seine Goethe-Bibliothek sam melte, hat er sie durch eine zuerst 1848, dann er weitert 1862 und 1874 erschienenes Verzeichnis nutz bar gemacht. Es steht mit anderen dem Verständnis der Sammlung dienenden Werken zur Einsicht bereit. Frost auf dem Brocken. Auf dem Brocken hat es in den letzten Nächten F r o st gegeben. Es ent standen dadurch herrliche Rauhreiflandschaften, bei denen der Rauhreif 1 Zentimeter Stärke erreichte. Lin neuer Lavastrom. Römische Blätter berichten ans Catania, daß aus dem auf Linguaglossa ge richteten Lavastrom, der schon fast verkrustet war, ein neuer, 15 Meter breiter Strom hervorgebrochen ist, der mit 20 Meter Stundengeschwindigkeit auf die Stadt fließt, aber noch 7 Kilometer von ihr entfernt ist. Die Krater des Monte Nero sind weiter in Tätigkeit. Erdbeben st öße werden neuerdings aus Bologna, Modena und Reggio Emilia gemeldet. Die Heuschreckenplage in Italien und Ungarn. Wie amtlich mitgeteilt wird, sind weite Strecken von Italien von einer furchtbaren Heuschreckenplage bedroht. Dis zum 24. Juni hat die Heuschreckenplage 84 Städte und Gemeinden befallen. Auch in Ungarn, wo schon seit mehr als einem Monat große Heu schreckenschwärme die Felder bedrohen, nimmt die Plage zusehens überhand. Eine einstürzende Kirche. Infolge bedeutender Bodensenkungen ist die Marienkirche in Eickel so schadhaft geworden, daß mit einer völligen Zer störung des Gebäudes gerechnet werden muß. Die Kirche wird trotzdem vorläufig weiter benutzt. Zum Schutze der Andächtigen wurden unterhalb der Decke Drahtnetze gespannt, in denen die herunterstürzcnden Steine aufgefangen werden müssen. Auch der Nachfolger Geh. Scheibes gestorben. Kurz nachdem aus Columbien die Nachricht eingelau fen ist, daß dort der von der columbischen Regierung angestellte Geh. Bergrat Scheibe, ein bedeutender deutscher Gelehrter, gestorben ist, wird von Columbien auch der Tod seines Nachfolgers, des Geologen, Dr. Fritz Berheider aus Köln, gemeldet. Er ist auf einer Expedition in Comlubien beim Ucber- schreiten eines Flusses ertrunken. Der Tagelohn der Hafenarbeiter in Hamburg 100 000 Mark. Nach den Verhandlungen vor dem Echlichtungsausschuß wurde eine Einigung zwischen den Parteien dahin erzielt, daß die Hafenarbeiter von Groß-Hamburg ab ersten Juli eine tägliche Zulage von 46 000 Mark erhalten. Durch diesen Spruch, der von den im Transportarbeiterverband organisierten Vertrauensleuten angenommen wurde, erhöht sich der Lohn für die im Hamburger Hafen beschäftigten Ar beiter auf täglich 100 000 Mark. Selbstmord eines Innsbrucker Professor». Der Direktor der Frauenklinik der Universität Innsbruck, Prof. Dr. Paul Ma thes, ist im Alter von 52 Jah ren freiwillig aus dem Leben geschieden. Der Ge lehrte, ein bekannter Gynäkologe, war seit einiger Zeit nervenleidend und erst vor kurzem aus einem Sanatorium zurückgekehrt. Goldbergbau in Waldeck In Waldeck soll demnächst der Goldbergbau wiederum in Betrieb gesetzt werden. In der Dossischen Zeitung äußert sich der frühere Präsident der Geologischen Landesanstalt Geh. Oberbergrat Dr. Bey sch lag über die Ausbeutungsmöglich keiten dieser deutschen Goldlagerstätten. Ihr Be trieb ruht seit 1585, obwohl das Gold reichlich vorhanden ist. Der Grund hierfür liegt darin, daß das Gold in einem roten Ton verteilt ist und die Ausbeutung nach den früheren Methoden durch Aus waschen« enorme, bis zu 70 Prozent große Verluste verursachte, die den Betrieb unrentabel machten. Heute ist auf chemischem Wege die restlose Gewinnung spielend leicht und einfach zu er- zielen. Durch Chlor und ähnliche Lösungen kann das Gold aus dem Ton leicht, schnell und völlig herausgezogcn werden. Eine Untersuchung des Tones und der Umstand, daß der Edcrfluß und seine Nebenbäche von Eisen berg bisCorbach, dem Sitz des alten Bergbaues, auf eine Strecke bis 25 Kilometer goldführend sind, lassen auf umfangreiche Lagerstätten schließen. In der Geologischen Landcsanstalt ausgeführte Analysen und Proben haben in dem roten Ton er heblichen Goldgehalt festgestellt, in ver einzelten Fäen bis zu 40 Gramm die Tonne. Diplom ingenieur Hcußeler der Geologischen Anstalt hat di« Methode der chemischen Extinktion des Goldes aus den tonigen Erden ausgrarbeitet, wobei 90 Prozent Ausbeutung im Großbetriebe zu er warten ist. Die Beisetzung Fritz Mauthners findet Montag nachmittag in Meersburg am Bodensee, seinem Wohnsitz, statt. Die Galenschc Sonnenmonstranz gestohlen? Seit dem 22. Juni wird, wie die Kölnische Volkszeitung meldet, aus dem weltbekannten Domschatz zu Münster die sogenannte Galcnsche Sonnenmonstranz vermißt, die eine der wertvollsten Reliquien mit einem Wert von Milliarden Mark darstellt. Sie ist aus reinem Golde hcrgestcllt und mit echten Edel steinen geschmückt, von denen besonders ein großer kostbarer Rubin hcrvorzuheben ist. Die Monstranz wurde zuletzt am 11. Juni gezeigt und dann weg gestellt. Als sie am 22. Juni wieder gebraucht wer- den sollte, war das Etui, in dem sie aufbewahrt wurde, leer. Die Monstranz war etwa 66 Zenti meter hoch und war schon im Frieden mit einigen Millionen Mark versichert. Auf die Wieder erlangung des gestohlenen Kunstwerkes ist eine De- lohnung von drei Millionen Mark ausgesetzt worden. Die Verbrecherbraut in der Autodroschke. Ein gefährliches Abenteuer hatte in Berlin ein Fabrikant zu bestehen, der aus der Provinz gekommen war. Als er in der Nacht eine Autodroschke besteigen wollte, um nach einem Hotel am Zoo zu fahren, stieg zugleich ein junges Mädchen mit ihm in den Wagen und ersuchte ihn in aufdringlicher Form, es mitzunehmen. Don dieser Ueberrvschung hatte sich der Fabrikant noch nicht erholt, als die Tür des schon in Fahrt befindlichen Wagens auf der anderen Seite aufgerissen wurde und zwei Männer ebenfalls in dem Auto Platz nahmen. Eie warfeü dem Fabrikanten vor, daß er ihre „Braut" entführt habe und bearbeiteten ihn mit Fäusten. Im Tiergarten stießen sie ihn einfach aus der Autodroschke hinaus und fuhren weiter. Dem Ileberfallenen war die Brieftasche mit mehreren Millionen Mark geraubt worden. Eine schnell herbeigeholte Polizeipatrouille nahm die ungebetenen Begleiter des Fabrikanten und den Chauffeur in einem Verbrccherkeller fest. Die Brieftasche des Beraubten war leer. Bei der Untersuchung der Autodroschkc fand man unter dem Bock des Führers noch 600 000 Mark, die dieser als Anteil an dem Raube erhalten hatte. Im Paradies der Tier«. Die zu Ecuador ge hörende, im Stillen Ozean gelegene Gruppe der Galapagos- oder Schrldkröteninseln war das Ziel einer englisch-amerikanischen Forschung», cxpedition, die daneben den Zweck verfolgte, den zoologischen Gärten von New York und London neue Tierarten zuzuführen. Diesem Sonderzweck bot kein anderes Land bessere Aussichten als diese Insel gruppe, die nur von wenigen Fischern bewohnt wird und aus der sich deshalb angesichts der Sicherheit vor Verfolgung eine tropische Fauna entwickelt hat, die an Mannigfaltigkeit und Reichtum der Arten ihres gleichen in der Welt nicht hat. Unter den gefangenen und lebendig mitgebrachten Tieren der Expedition, die kürzlich wieder in New York eintraf, befinden sich neben grauen Eidechsen von Riesengestalt, die zu sammen mit den Schildkröten eine Besonderheit der Tierwelt der Inseln bilden, auch einige schwarze Eidechsen einer bisher noch unbekannten Gattung. Der Expedition glückte es ferner, eine Riesenschild- kröte im Gewicht von rund 2 gentn« lcbendiq zu fangen, deren Alter auf etwa 350 Jahre zu schätzen iss. Leider ging dieses Tier unterwegs ein, da es standhaft jede Nahrungsaufnahme verweigerte. Langfingerübungen mit dem Klavier. Einbrecher drangen nachts in die Räume der Höheren Mädchen schule der Frau Professor Bremer in der Eisenacher Straße in Schöneberg bei Berlin ein und nahmen, als sie nichts vorfanden, ein Klavier mit. Sie schleppten ihre recht umfangreiche Beute in bisher noch nicht ermittelter Weise aus dem Hause, trans- portierten sie über die Straße bis zu einem Kraft wagen und fuhren mit dem Instrument, ohne daß ein Passant Verdacht schöpfte, davon. Das Berliner Polizeipräsidium hat die Verfolgung dieser neuen Abart fahrender Musikanten ausgenommen. Bisher sind sie nebst ihrem Klavier spurlos verschwunden. Das Ende der Seekrankheit. In den Werkstätten der englischen Elektrizitiitsgescllschaft Vickers hat man unter dem Namen Gyroskope einen Apparat hergestellt, der durch die Stabilisierung der Schiffe deren Schwankungen.auf hoher See vollständig be seitigen soll. Es handelt sich dabei um einen in Um drehungen versetzten Kreisel, also um eine Erfindung, die an sich nicht neu, aber für die Verwendung auf dem Schiffe neu ausgebaut worden ist. Wenn es ge lingt, die Schwankungen der Schiffe zu beseitigen, so würde damit auch die Seekrankheit verschwinden. Der Apparat ist zunächst einmal in einem Schiff der englischen Flotte eingebaut worden und soll hier aus- probiert werden. Abschied vom Bahn- und Posttarif Bei dem Worte „Abschied" taucht ein weh. mutiges Gefühl auf; man hört gleichsam die Klänge eines melanchloischen Horns. Nichts dergleichen ist aber beim Abschied von den Post, und Bahngebühren zu merken. Gerade das Gegenteil ist der Fall. Ein gewaltiger Eifer hat alle ergriffen. Eine ganz ungewöhnliche Schreibwut ist über die Stadt gekommen. Man schreibt einfach überall: in den Kanzleien, in den Kaffeehäusern, in den Wohnungen. Man schreibt Unerfreuliches und Erfreuliches: Rechnungen und Liebesbriefe. Gefllhlsinhalte, die in gewij)nlichcn Zeiten den Reservefonds für Monate gebildet hätten, werden nun an einem Tage vollkommen ausgeschöpft. Und alles macht eilig eGesichter. Der Mann vor dem Fahrkartenschalter, dem man ansieht, daß seine Beschäftigung darin besteht, einer Be- schäftigung auszuweichcn, hält es heute vor Eile einfach nicht aus. Risenhandwagen mit Paketen rasen zur Post und zur Bahn. Der Pflichteifer ist wirklich be. wundernswert. Die ganze Stadt scheint plötzlich zu der Er. kenntnis gekommen zu sein, daß unser Weh. klagen über die „teueren Zeiten" grundlos war, daß wir im Gegenteil bis heute sehr billig gelebt haben; und die Stadt vergißt, daß wir voraus- sichtlich im September die Billigkeit des Juls und des August entdecken werden. —r. weil',54 ^ie geistige Erneuerung der deutschen Hochschulen Bon Univ.-Prof. 0r. ck. IVI. V«rv,v?sn (Bonn) K U. Nicht aus feudalem, sondern aus sozialem Geist quillt Geuesuug unse rer kranken Zeit. Feudale Rcstbeständc (soziale, besser: antisoziale Atavismen) werden an mehr als einer Stelle innerhalb der Livitas acadcmia sichtbar. Sie zu beseitigen ist nicht zum wenigsten der soziale Beruf der Sondcrgruppcu, die den Namen Korpo - rationen tragen. Verrät cs sozialen Sinn, wenn ganze Häuser mit mehreren Stockwerken in diesen Jahren größter Wohnungsnot für gesellige Zwecke solchen Gruppen reserviert bleiben? Zeugt es von einem Organ für die Seele des arbeitenden Volkes, wenn solche Gruppen in den Morgenstunden an belebten Plätzen ihre Mitglieder zu einem werk tägigen Schoppen versammeln, indes das werktätige Volk- sich bei harter Arbeit befindet? Ueber asoziale, vollends antisoziale Bierphilister, die sich in dumpfer Kneipatmosphäre wohl fühlten, wird der eherne Gang der Zeit hinwegschreitcn. Ans dem Grunde veralteter Formen des Stu dentenlebens reifen schwerlich solche Führer gestalten, nach denen die soziale Not unserer Tage ruft. Rechtvcrstandener „Korpsgeist" mit der Pflege guter Formen, edler, nicht ins Unnatürliche verzerr ter „Manieren" in Ehren. Aber er muß das ganze Corpus academicum umfassen und durchdringen, wenn der Gemeinschaftsgeist triumphieren soll. Bildung verpflichtet. Akademische verdoppelt dos Maß der Verpflichtung. Auch die Aristokratie des Geistes ohne soziales Vor zeichen hat, gemessen an der idealen Forderung, dem Kulturgewifsen unserer Zeit, keine Existenzberechti- gung. So gilt e» die Erneuerung der Hochschulen durch die lebendige Kraft der allsettig auvgedeutctcn Ge- meinschaftsidec. * Welche Rolle aber darf der republikanische Geist beanspruchen bei diesem Werke der Reform? Die deutschen Hochschulen stehen bei einem großen Teile unserer Volksgenossen, und darüber hinaus, in dem Ruf«, Stätten der „Reaktion", des Nationalis» w ... f..-- ^„4, wie drüben nicht die Kundgebung der 93 deutschen Hochschullehrer aus der Kriegszeit vergessen. Nur ein paar deutsche Professoren gaben ihre Unter- schriftcn zu den Manifesten der „DeutschenLiga für Menschenrechte", des Bundes „Neues Vaterland". Der Gegensatz Monarchie und Republik spaltet unleugbar die Dozenten wie Stu- dentenschaft unserer Hochschulen. Es sind darin ent- halten die Gegensätze zwischen dem alten nnd neuen Deutschland, zwischen Potsdam und Weimar, zwischen Autokratie und Demokratie, um nicht zu sagen, zwischen Herrentum und Menschentum. Die theore- tische Frage der besten Staatsform ist es kaum, welche die Schärfe des Gegensatzes zwischen mon archistischen und republikanischen Studenten hervor ruft. Hier wie auch sonst scheint vielmehr jene stimmungsmäßige Schätzung abzuwalten, welche das Alte preist, weil es alt, das Neue bemängelt, weil es neu ist. Republikaner sein, heißt im gegebenen Augenblick deutscher Geschichte: die Grundrechte jedes, der Men- schcnantlitz trägt, respektieren, das aktive und passive Wahlrecht jedes Staatsbürgers anerkennen, seine Glaubens- und Gewissensfreiheit, die Freiheit der Rede, der Forschung, der Lehre und des Lernens, jeder Volksgruppe freie Bewegung sichern, soweit sie mit den Rechten der übrigen im Einklang, jedem Mißbrauch der Macht die Fehde ansagen. Auch die Republik ist kein Allheilmittel gegen menschliche Un- zulänglichkcit, des Ausbaues ebenso fähig wie be- dürftig. Republik und Demokratie gehören zu- sammen: aber den Weg zu ebnen von dem demokra tischen Prinzip der Methode zu einer neuen sozialen Aristokratie als dem Ziel, zu einem Fllhrertum der Sachkundigen und „Besten", der „Geistigen", bleibt das hohe Ziel, die „ewige" Aufgabe republikanischer Staatsform. Mit solcher Zielsetzung ist monarchische« Gebaren unvereinbar: die grundsätzliche Ueberspan- nung der Autorität und Macht, jedwedes „persönlich« Regiment", vollends ein Byzantinismus mark- und rückgradloser Liebediener de« Monarchen. Nicht monarchistisches, autokratische», sondern demokratisch republikanisches, sozial-aristokratische» Wesen dünkt uns eine Quelle der Erneuerung an unseren deutschen Hochschulen. Wahrhei.tsdi.en st, Gemetnschafts- dienst, Staatsdienst also deuten auf drei Quellen geistiger Neubelebunq unserer Hochschulen.— Wissenschaft und WilIenschaft sind zweier- ' ' -nd Neigungen fragt. Aber in anderer Hinsicht ist Willenschaft, verstanden als Kultur der Persönlich keit, als Ganzheit und Geschlossenheit des Wesens, eine Gewähr erfolgreicher Pflege auch der Wissen schaft, der Hineinbeziehung ihrer Werte in das Ganze des Lebens. Der wissenschaftliche Mensch bleibt cin Fragment, der über sich hinausweist auf die Zdec der seelisch-leiblichen Vollendung, auf die Totalität der Kultur, die „Körperkultur" einbegriffen. Nur eine so gerichtete neue Generation verbürgt uns die Regeneration deutscher Hochschulen. Der Landtag beschließt ... Aus Kreisen der preußischen Privatdozcnten wird uns geschrieben: Seit mehr als zwei Jahren beschließt der Preußische Landtag, den wissenschaftlichen Nachwuchs der Universitäten, die Privatdozenten, und damit die Entwickelungsmöglichkeiten der deutschen Wissenschaft sicherzustcllen. Noch nie aber ist seinen von der Privatdozentenschaft als.befreiende Tat begrüßten Willenskundgebungen dis entsprechende Verwirk lichung gefolgt. Der erste im Winter 1920'21 gefaßte kühne Beschluß, den Privatdozenten nach einer ge wissen Bewährungsfrist wenigstens die Besoldung der durchschnittlich weit jüngeren Studienassessoren zu gewähren, blieb ohne praktische Folge. Im November 1922 beschloß dann der Landtag, die Mchrauftrags- Vergütungen der hauptberuflich im akademischen Lehramt tätigen Privatdozenten möchten bis zu 80 Prozent der Anfangsstufe der Besoldimgsklasse X bemessen werden. Wiederum hat die Regierung diesen Beschluß nicht ausgeführt. Sic hat sich vielmehr, wie Berechnungen ergeben, eine Höchstgrenze von etwa 65 Prozent gesetzt, und auch diese wird nicht einmal von allen Lehrbeauftragten erreicht. Aber der Land tag hat neuerdings — abermals etwas beschlossen: Nämlich die von ihm im vergangenen Winter ge- zogene, praktisch nicht einmal erreichte 80-Prozent- Grenze, die ihm angesichts der wachsenden Notlage zu gering ersechint, auf SO Prozent einschließlich aller Sozialzulagen zu erhöhen. Ausdrücklich wurde dabei darauf hingewiesen, daß eine Vergütung von SO Prozent als Norm gedacht sei. — Der Landtag be schließt seit zwei Jahren ohne Erfolg, wiewohl die finanzielle Belastung des Staate« bei der geringen Zahl von höchstens 200 für die Besoldung in Betracht wäre. Inzwischen reiben sich zweihundert deutsche Gelehrte in den besten Jahren ihrer Schaffenskraft zum Scha den der Wissenschaft mit ihren Familien im Kampfe um die heute unsagbar kümmerlichen freien Erwerbs. Möglichkeiten des Geistesarbeiters auf. Wird die preußische Volksvertretung diesmal endlich ihren De- schlüssen die entsprechend- Verwirklichung zu ver schaffen wissen, bevor es mit der Spannkraft der Privatdozenten am Ende ist? Eine Strindberg-Uraufführung. Aus Frank furt a. M. wird uns geschrieben: Vielleicht wollte die künstlerische Leitung des Schauspielhauses nur wieder einmal an den nordischen Vater des Ex pressionismus erinnern, als sie daran ging, die deutsche Uraufführung non Strindbergs Drama „Die große Landstraße" zu veranstalten. Denn über den Unwert dieses Stückes, das Fritz Peter Buch vom Deutschen Theater in Berlin nach eigener Bearbeitung der Scheringschen Aebertragung hier inszenieren durfte, sollte kein Streit sein. Ein „Wanderer" mit undeutlich geschriebenem Paß (man ahnt bloß, daß es der Unbedingte im Allzumensch- liehen der Konventionen sein soll) schreitet zwischen Ganz- und Halbschrmcn hindurch und erbricht seine Schmerzen in den leeren Raum, bis ihn bei der siebenten Station droben in der Bergeinsamkeit die Schneedecke erlösend begräbt. Ludwig Sievert hatte Bühnenbilder von beinahe suggestiver Unwirk lichkeit entworfen, und auch die Darstellung zeigte bemerkenswerte Qualitäten. 8ckl. Edisou über den Lehrfilm. Die amerikanischen Blätter beschäftigen sich eingehend mit einer Aeuße- rung Edisons, der auch schon vorher die Lehr- Methoden in den amerikanischen Schulen als unzweck mäßig und unpraktisch verurteilte. In dem er wähnten Interview erklärte der große Erfinder, daß ungefähr 85 Proz. allen menschlichen Wissens durch das Auge vermittelt werden, und somit der Film al» hundertprozentiges Bildungsmittel zu werten sei. „Ich habe mich viel mit Kindern beschäftigt," erklärte Edison, „aber niemals versucht, sie au« Büchern zu unterrichten. Selbst eine so abstrakte Wissenschaft wie die Chemie habe ich ihnen durch Bilder vermittelt. Ich glaube, der eigentliche Triumphzug des Kinos wird erst beginnen, wenn sie alles auf dem Wege de» lebenden Bilde« erlernen w»rden."
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