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Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 01.07.1923
- Erscheinungsdatum
- 1923-07-01
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-192307017
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-19230701
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-19230701
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1923
-
Monat
1923-07
- Tag 1923-07-01
-
Monat
1923-07
-
Jahr
1923
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I^Lgerberickt Musik und Glflgar »rach Paktier Berichte« >t»t Paderewski, der ehemalige Polnisch« Mintsterpritsidrut «nd be rühmte Pianist, et« »rosse« Kon»«« zugunsten der französischen «tstgabtnduftrie. wettere Sanierte zum Vesten der chemischen Ladoratorien zur Erzeugnis von Stftga« fasten folgen. Wird zu besonderen Anlässen ein Konzert ver- onstaltet. dann zieht ein einziger Grundgedanke durch den ganzen Abend und die Darbietungen sind auf diesen eingestellt. Die Kunst soll ja den „Anlaß ' unterstreichen. Ich wußte nun gern, welche Stücke Paderewski zur Unterstützung der Giftgasindustrie spielt. Den Grundgedanken-des Abends müßte notwendigerweise die Tücke bilden. Denn bei Beethoven oder Mozart wäre eine Ablenkung möglich. Das Publikum könnte vergessen, wofür es sein Geld zahlte, es könnte glauben, daß es der Musik wegen kam. Wir leben zwar nicht mehr im alten Griechen land, wo unter Musik die Gesamtheit der Geist und Gefühl veredelenden Künste verstanden wurde. Immerhin dürfte cs auch heute für einen Musiker nicht leicht sein, Kompositionen zu finden, die wert sind, die tückischsten Kriegsmittel in Tönen zu malen. Paderewski ist Chopin-Spieler. Aber ich kann mir nicht denken, daß er an diesem Abend, für den eine besondere Einstellung notwendig ist, seinen Licblingskomponisten so erfaßt, wie dieser war und wie ihn Heine schilderte: „Polen gab ihm seinen chevaleresken Sinn und seinen Schmerz, Frankreich seine leichte Anmut und Grazie, Deutschland den romantischen Tiefsinn ..." Ich glaube, Choptn ist für diesen Abend nicht zu brauchen. Der Laie ist zu der Annahme geneigt: es wäre an der Zeit, die großen Beträge, die bisher die Gift gasfabrikation verschlang, den Konservatorien ooer verhungernden jungen Komponisten zur Verfügung zu stellen. Paderewski, der Musiker, scheint gegen' teiliger Ansicht zu sein. Sebulr * Siu Zwanzig-Mark-Gtück: 550 000 Mark. Der Ankauf von Gold für das Reich durch die Reichs- bank und die Post erfolgt vom 2. Juli ab bis auf weiteres zum Preis von 680 000 Mark für ein Zwanzigmarkstück, 275 000 Mark für ein gehnmark- stück. Für ausländische Goldmünzen werden ent- spreckende Preise gezahlt. Der Ankauf von Reichs silbermünzen durch die Reichsbank und die Post er folgt bis auf weiteres zum llOOOfachen Betrag des Nennwertes. * Aenderung de» Brandverficherungbgesetze«. Dem Landtage ist eine Novelle zum Brandversicherungs- gesctz zugegangen. In Zukunft sollen die tatsäch lichen Schadenvergütungen erst bei der Wieder beseitigung von Schaden festgestellt werden. Die erste Teilzahlung der Schadenvergütung soll fest- gestellt werden, sobald der Versicherungsnehmer er klärt, daß mit der Wiederherstellung de» Gebäudes begonnen werden wird. Deu eigenen Vater bestohlen. Der Sohn eines Geschäftsinhabers in Mittweida erbrach den Geld schrank seines Vaters und stahl daraus 1)4 Million Mark. Er floh nach Leipzig, wo er verhaftet wurde. Er hatte außerdem die Firma, bei der er angestellt war, um Kleidungsstücke, im Werte von etwa 3 Mil lionen Mark bestohlen. Ein neuer Schwindel. Bei einer Invaliden- rcntnerin in Pausa erschien ein unbekannter Mann und erbot sich, Zahngebisse zu reparieren. Die Frau gab dem Manne ihr Zahngcbiß im Werte von etwa 2 Millionen Mark zur Reparatur und erhielt cs nicht wieder zurück. Blinkfeuer für den Hamburger Flughafen. Vor einigen Tagen ist im Flughafen Hamburg- Fuhlsbüttel das neuerbaute Blinkfeuer dem öffent lichen Verkehr übergeben worden. Das Diel lampenfeuer besteht aus 96 eiförmigen Lampen, von denen jede eine Spannung von 56 Bolt und eine Lichtstärke von 60 Hefnerkerzen besitzt. Die Gesamt stärke des Blinkfeuers, das stets die Hälfte der Reise-Vorspiel Don «lullu» kttsl» Vom Wetter. Mein Freund Hugo zum Beispiel, der merkt den Ditterungsumschlag daran, daß ihm die Haare knistern. Aber man kann sich wenig daran halten, weil er schon seit längerem al» Frisur eine Glatze trägt und infolgedessen in der genauen Wahrnehmung des Anzeichens gehindert ist. Man Nachbar spürt das Wetter in der großen Zehe. Er hätte sie schon längst an die Landeswetterwarte verpachten können, aber seit es Vollbier gibt, reagiert besagte Zehe nicht nur auf Witterungsvorschläge, sondern auch auf lange Stammtischabende mit Zucken und Zucken. Die Hausmeisterin kennt das Wetter an der obersten Kellerstiegenstufe. Wenn diese Stufe feucht ist, dann schlägt das Wetter um. Aber man weiß manchmal nicht, ob der Azorl »on der Frau Rechnungsrat oder der kleine Peperl von Maiers ..... Meine Base Schaftihuber weiß es aus dem hun dertjährigen Kalender. Noch keines Menschen Auge har diesen hundertjährigen Aalender gesehen. Auch meine Base Schaftlhuber kennt die Gesetze des hundert jährigen Kalenders nur aus der Ueberlieferung von Geschlecht zu Geschlecht. Mein Freund, der Dichter Fridolin, merkt den Witterunasumschlag daran, wenn sein Füllfederhalter die Tmte nicht halten kann. Schusters haben einen Laubfrosch. Der sitzt schon seit sechs Tagen auf der obersten Sprosse. Es muß anders werden! Leider stellt sich heraus, daß das sonst zuverlässige Tier infolge Unterernährung schon seit längerem auf dieser Sprosse verschieden ist. Am zuverlässigsten ist mein Barometer. Es geht nicht» über die Wissenschaft. Ich habe da» Prä zisionsinstrument von meinem Freund Max zum Ge- burt»tage erhalten. Es ist em prächtiger Zimmer schmuck, wenn auch «ine Kleinigkeit daran fehlt: es ist nämlich kein Quecksilber mehr darin, sondern einige verhutzelte Kirschkerne liegen in der Kugel. Aber die Skala ist noch vollständig intakt, und wenn man da» Barometer fest schüttelt, so braucht man nur ein bißchen Phantasie und Illustonsfähigkett zu haben, um sich wa» au» der Wetterspeisekarte 'raus zusuchen. Da» Packen. Ich packe. Mein Ehrgeiz in jungen Jahren war, Löwenbän^ger »u werden. Wie kümmerlich kommt mir dieser Beruf jetzt vor, wenn ich, Äug' in Aua', meinen Kesser gegenüberstehe. Dieser Koffer ist 96 Lampen nach jeder Richtung gleichzeitig zeigt, be trägt mehr al» 19 000 Hefnerkerzen und ist auf 60—80 Kilometer weit sichtbar. Um das Blinkfeuer de» Hamburger Flugplatzes nicht mit den See- und Flußbefeuerunaen zu verwechseln, ist für Hamburg der Morsebuchstabe H gewählt worden. Tragischer Irrtum. In Bernried in Niederbayern hatten sich Einbrecher, die die dortige Gegend seit einiger Zeit unsicher machten, in einem Dickicht ver- schanzt, das von Dorfbewohnern zur Ergreifung der Bande umzingelt wurde. Ein zurzeit dort in der Sommerfrische weilender Hauptmann aus Stuttgart drang allein in das Gestrüpp vor. Hier traf er auf einen von der anderen Seite das Dickicht durchsuchen- den Belagerer. Beide kannten einander nicht, und es kam zu einer Schießerei, bei der der Hauptmann schwer verletzt wurde. Stahlhelm gegen Kommunisten Ucbcr einen Zusammenstoß zwischen „Stahlhelm" und Kommunisten in Delitzsch wird uns berichtet: Am Donnerstagabend gegen 6 Uhr kam es zwischen einem Angehörigen des Stchlhelmbundcs, namens Engelhardt, und dem Arbeiter Hans Koppe, der sich in Begleitung dreier Kollegen be fand, zu Streitigkeiten. In wenigen Augenblicken waren die beiden Parteien in eine Schlägerei ver- wickelt, wobei Köppe zu Boden geschlagen wurde. Bald darauf fanden sich mehrere Stahlhelmleute ein, um ihren Genossen bcizustchen. Zugleich aber war auch die Polizei zur Stelle und führte die Skandalmachcr zur Wache. Unterdessen sammelte sich eine Gruppe von Kommunisten auf dem Marktplatz vor dem Polizeigebäude. Sie forderte die Aus lieferung Engelhardts und eines anderen Stahl helmers, die natürlich verweigert wurde. Einer weiteren Forderung der Menge, den Gasthof zum roten Löwen nach Waffen zu durchsuchen, gab die Polizei statt. Die Suche blieb jedoch erfolglos. Die Lage wurde dadurch verschäft, daß der Vor sitzende des Stahlhelmbundes Kläning die Polizei ersuchte, den Platz von der Menge zu säu bern. Als dieses Ersuchen abgelehnt wurde, be mühte sich Kläning, von außerhalb Sipomann schaften herbeizurufen. Doch wurde er von Kom munisten erkannt und angegriffen. Kläning zog sich zurück, wobei er seinen Revolver gegen die Menge richtete. Kurz vor seinem Hause wurde er jedoch von nachfolgenden Demonstranten erreicht. Er er hielt einen ungefährlichen Messerstich in den Kopf. Gegen 11 Uhr abends herrschte wieder Ruhe. Lutherischer Deltkonveut. Vom 19. bis 25. August findet m Eisenach ein lutherischer Weltkonvent statt, an dem SO reichsdeutsche Vertreter der evangelischen Kirche, 40 Vertreter aus Nordamerika, 13 aus Schweden, je 7 aus Norwegen, Rußland, England, 6 aus Dänemark, 4 au» Estland, je 3 aus Ostasien und aus der Tschechoslowakei und je 1 aus Australen und Südamerika teilnchmen werden. Die Verhand lungssprachen auf dem Kongreß sink Deutsch und Englisch. Derstaqtlichung der meteorologischen Station auf dem Sonnblick. Die in einer Höhe von 3103 Metern gelegene meteorologische Station auf dem Sonnblick (österreichische Alpen) ist die höchste Wetterwarte und dauernd bewohnte Stätte in Europa. Sie besteht seit 1886 und ist durch eine 25 Kilometer lange Telephon leitung mit Rauris verbunden, die aus privaten Mitteln bis jetzt unterhalten wurde. Da die Unter haltung aus privaten Mitteln gegenwärtig außer ordentlich schwierig ist, beabsichtigt der österreichische Staat, die Station zu verstaatlichen. Schneesturm in Norwegen. Aus Kopenhagen wird gemeldet: Der Nachtzug Bergen—Christiania kam dieser Tage mit einer mehrere Zoll hohen Schnee schicht auf den Trittbrettern in Ehristiania an. Er durchfuhr in den Bergen einen heftigen Schnee- sturm. — Die Aussichten der Landwirtschaft sind auch in Norwegen sehr ungünstig. Besonders in Nordnorwegen, Tröndelagen und dem Westlande ist man auf eine Mißernte vorbereitet. In einigen Gebirgsorten liegt der Schnee meterhoch. trotz Brehms Tierleben die heimtückischste Kreatur, die existiert. Er hat Klappverschlüsse aus Messing, die mit nachtwandlerischer Sicherheit immer dann aufpringen, wenn man in der einen Hand ein Paket, einen Blumenstrauß und einen Regenschirm, in der andern den Koffer, den Mantel und den Fahrplan trägt, im Mund eine Zigarre und eine Fahrkarte hält, eine halbe Minute vor Fugabgang die Bahn- sperre passiert und hinter sich einen Mann mit einem Haklstock und einer tätowierten Stemmkugel auf der Hand weiß, der auch mitkommen will. Dieser Koffer ist ein Erbstück meines Onkels Balthasar. Ich schreibe mir immer astf einem Zettel auf, was ich ein- packe. Der Koffer lauert nur darauf, diesen Zettel zu fressen. Er verkrümelt ihn in seine letzte, ver- lorenste Futterfalte, genau so wie die Brieftasche und den Paß. Wenn man, schweißtriefend, gepackt hat, kann man allegro den ganzen Kram im Bogen wieder herausschmeißen und im Koffer nach Zettel, Paß und Brieftasche fahnden. Dann packt man wieder ein; Hemden, Anzug und Kragen sehen aus, als wären sie aus Versehen in eine Dreschmaschine gekommen. Nun muß man aber bemerken, daß der Koffer ein'Paar Stiefel und eine Decke einfach nicht mehr aufnimmt. Vorher hat alles Platz gehabt. Nichts zu machen! Der Koffer sagt: Besetzt! Lr mag nicht mehr. Man quetscht und preßt mit dem Erfolg, daß nun zwar Decke und Stiefel Platz haben, aber der Spirituskocher und die Wolljacke wie Awei Aussätzige ausgeschlossen sind. Mit Hilfe sämtlicher Hausgenossen drückt man den Kofferdeckel zu und wird durch ein melodisches Krachen und Klirren belehrt, daß der Kocher und die Butterbüchse im Kampf mit dem Deckel die Schwa- cheren waren. Auch das Reserveaugenglas, wohl- verdaut in kleine Splitter, speit der Koffer wieder au». Nun springt man mit beiden Beinen auf den ^ckel, weil'» gleich kd, und der Nachbar haut die Mappverschlüsse mit dem Schmiedehammer zu. Das Schloß schnackelt ein. Gott sei Dank! Nur der Schlüssel ist au» Versehen im Koffer liegen geblieben. Macht nix! Die Klappen springen am Bahnhof ja doch auf! Aber nein! Sie springen diesmal mit Fleiß nicht auf. Denn der Koffer weiß, was er dem Schlüssel schuldig ist. Die zwei haben seit Jahren ein Dündni» geschlossen? um mit Zähigkeit und Erfolg an der seelischen Zermürbung de« Menschen geschlechte» zu arbeiten. Oer Werkstudent 6S Prozent alter Studenten werktätig! — Semester« oder Kerienarbeit? Austauchende Probleme Der Abiturient, der vor dem Kriege die Universi tät bezog, war damit zum Studenten geworden. Das ist heute noch ganz dasselbe. Und doch besteht zwi- scheu dem Studenten von heute und dem vor dem Kriege ein grundsätzlicher Unterschied. Es sind zwei Typen durchaus verschiedenen Wesens. Früher stan- den dem Studenten 4 bis 5 Jahre ungestörter Arbeit zur Verfügung, in denen er seine Persönlichkeit bilden /und sich Wissensstoff und wissenscj> ftliche Methodik aneignen konnte, ohne der Gefahr einer von außen kommenden Ablenkung mrsgeset zu sein. (Wobei vom Bummelstudenten" natürlich abzusehen ist.) Er hatte die Möglichkeit einer unbeeinflußten, selbstbestimmten Lebcnsgestaltung. — Anders heute. Von vornherein muß er sich klar sein, daß die ver änderten Lebensverhältnisse, das beschleunigtere Tempo auch ihm andere Bedingungen aufzwingen werden, daß er nicht nur Studierender, sondern auch Erwerbender wird sein müssen, der ein gut Teil seiner geistigen Spannkraft an materielle Betätigung darangeben muß. Bei alledem hat aber die Institution der Uni versität koineswcgs eine ebenfalls grundlegende Aenderung erfahren. Der wissenschaftliche Betrieb ist der gleiche geblieben, die Anforderungen und Ziele sind noch dieselben. Daraus ergibt sich not wendigerweise eine Diskreganz, die sich dem Studcn- ten empfindlich geltend machen kann. Denn nun reiben sich praktische Ansprüche des Tages mit geisti gen Forderungen der Wissenschaft, die zu ernsthaften Zusammenstößen führen können. (Aeußerungsform: Durchfall im Examen.) Noch ist die Werk arbeit ein neues Kapitel in den Annalen der Universitäten. Jetzt schon end gültige Urteilsversuche über Nutzen und Frommen oder über die Unbrauchbarkeit zu machen, hieße das Kind mit dem Bade ausschüttcn, weil man ungerecht verallgemeinern würde. Es gilt vielmehr scharf zu scheiden zwischen reiner Universität und technischer Hochschule, zwischen Ferienarbeit und Semesterarbeit. Keineswegs bin ich bereit, mich der Meinung Minzenmays („Der Werkstudent ein Berufsproblem") anzuschlicßen, der dem Problem sehr optimistisch-utopisch gegenüber- steht, wenn er glaubt, daß in der im Beruf ge- gebenen Lebcnsberührung weltfremdes Denken ver hindert wird, Tatmenschen mit rascher Entschluß kraft und Umstellungsfähigkeit erzogen würden mit räumlicher Anschauung und bildhaftem Denken. Denn es sind meist sehr untergeordnete Tätigkeiten, die dem ahnungslosen, häufig nur einstweilen ein gestellten Studenten übergeben werden. Es sind großenteils die Beschäftigungen eines Lohnschrcibers, die er in Bureaus oder Danken tun muß. Man sucht vergeblich, wo hier eine Betätigung der Ent schlußkraft in Betracht gezogen werden könnte. Hier ergibt sich die Forderung nach Unter bringung im eigenen Fach. Verhältnis mäßig leicht ist sie beim technischen Studenten zu erfüllen, wo sich Zwang der Lage mit den Be- dingungen des Studiums (Nachweis praktischer Arbeitszeit) treffen. Schwieriger in anderen Füllen. Schon im Sommer 1922 gingen etwwa 50 Pro- zent der Studierenden einem Erwerbe nach. Heute, bei der wachsenden Notlage sind es noch bedeutend mehr, etwa 66 Prozent. Denn der studentische Monatswechsel (wenn überhaupt einer da ist!) be trägt schwerlich mehr als 80 000—200 000 Das sind Bruchteile von Wocheneinnahmcn anderer. Es gibt Voll- und Teilwerkstudenten. Die ersten arbeiten ganztägig und machen ungefähr 10 Pro zent der Werkstudenten aus. Die anderen arbeiten 2—5 Stunden täglich. — Nun müßte unbedingt versucht werden, den Natiovnalökonom etwa in der Dank oder Industrie, den Philologen vielleicht im Derlagsbetriebe, den Juristen bei Gerichtarbeitcn unterzubringen. Damit wäre statt Adrefsenschrcibcn und MarkenklebeM die Möglichkeit einer Verwen dung im wenigstens etwas bedeutungsvolleren Posten gegeben. In welchen Berufen arbeitet der Berufs student? Fast in allen. In Land- und Forstwirt schaft, Bergbau und Torfgewinnung, in Industrie und Handel, zur Messe, im Handwerk (z. B. Buch- bndcrei und Schuhmacherei), im Unterricht, in staat' lichcn Betrieben (Post, Eisenbahn), in Verlagen usw. Dann kommt „das Sonstige". Da» sind die Kuriosa, die in ihrer Tragikomhik zum Lächeln zwingen: der Student als Nachtwächter (in Fa briken), der Student als Fremdenführer, als Klavierspieler (im Kino) oder als Zeitungsver käufer. Im allgemeinen erfolgt die Bezahlung nach dem Tarif für ungelernte Arbeiter. Auch studentische Eigenbetriebe sind gegründet worden. In eigner Druckerei werden Drucksachen hergestellt, ein Uebcrsetzungs- und Dolmetscherbureau wird besonders zur Messe sehr in Anspruch genommen. Eigne Buchbindereien be stehen. Hier in Leipzig haben Studenten der Naturwissenschaften Werkstätten für natur wissenschaftliche Lehrmittel ins Leben gerfen. Gerade in diesem Falle ist ncttürlich das Verhältnis zwischen wissenschaftlichem Beruf und praktischer Erwerbstätigkeit besonders glücklich ge staltet. Problematisch steht es um die Frage: Se m e st c r- arbeit oder Ferienarbeit? Ohne viel Bedenken wird man, vornehmlich für die jüngeren Semester, Ferienarbeit gut heißen können. Hier mag es wohl zutrcffen, daß die Veränderung neu« Kräfte weckt, daß das Schaffcnsbewußtsein Selb ständigkeit verleiht und Erziehungsfaktor wird. Aber dringend nötig ist, daß bei der dauernden Markentwcrtung der Verdienst goldsicher angelegt wird, damit beim beginnenden Semester der Stu dent nicht wieder vor dem Nichts steht und Kraft und Zeit (den kostbarsten Wert des Werkstudentenk) vergeudet hat. Auch in dieser Hinsicht sind schon durch die Organisationen wichtige Schritte getan. Nun aber die Semesterarbeit? Sie läuft meist auf die bekannte Geschichte mit den zween Herrn hinaus, denen man zugleich nicht dienen kann. Acltere Semester sollten deshalb möglichst ganz dar auf verzichten, und sich an die D a r l e h n s k a s s e wenden, die Geldmittel zur Beendigung der Studien unter günstigen Bedingungen zur Verfügung stellt. Denn ich konnte beobachten, wie solche Studenten das Studium nur noch als peinliche Unterbrechung ren tablerer Tätigkeiten betrachten müssen. Zugegeben: sie stehen im wirklichen Leben. Aber es wird ihnen nur zu einer dauernden Pendelbewegung zwischen Arbeitsort und Universität. Hingabe an geistig wissenschaftliche Arbeit ist äußerst erschwert. Er forscht nicht mehr selbständig, sondern übernimmt mrr rezeptiv und relativ kritiklos das gebotene Material. Er paukt eben Examcnsstoff. Man sieht: die Aktivi tät wendet sich rein nach außen, wird äußerliche Be triebsamkeit. Und das wird gewissenhaften Gemütern zu einem Gewissenskonflikt — oder zum Ruin der Gesundheit. Denn es beginnt die nervenzer- rüttende Nachtarbeit. Dabei sind nach Friedberger- Greiswald 46 Prozent aller Studenten unterernährt. Das gibt zusammen mit der Ueberarbeitung schlimme Resultate. Im Winter semester 1920/21 schon waren z. B. von den Leipziger Studenten 13,11 Prozent lungentubcrkulös. Wie mag das jetzt erst sein? — Verständlich wird dadurch, daß unter solchen Um- ständen viele vorziehcn, vom Studium „abzu- springen". Mag sein, daß mancher erst in der Wcrkarbeit seine praktische Begabung erkannt bat und nun seinen wahren Beruf gefunden hat. Da schadet es nichts, wenn manches Pfund einer ange- fangenen Doktorarbeit in der Lade liegen bleibt. Die Universitäten wären heute privilegierte In- Esperanto-Weltkongreß i« Nürnberg. Vom 1. bis 8. August 1923 findet in Nürnberg unter dem Pro tektorat des Präsidenten der deutschen Republik Ebert der 16. Esperanto-Weltkongreß statt. An gemeldet sind annähernd 4000 Besucher aus 38 ver schiedenen Ländern aller fünf Erdteile. Verschiedene Regierungen und internationale Körperschaften ent- senden Vertreter. Während des Kongresses wird durch Derufsschauspieler „Nathan der Weise" von Lessing — in Esperanto übertragen von Karl Minor — zur Aufführung gebracht. Stella David stand vorigen Freitag — nun mehr zum allerletzten Mal — als Blutter Dockerat in den „Einsamen Menschen" vor uns. Ihre Rolle. „Auf mich alte Person, da braucht ihr keine Rücksicht zu nehmen,,, sagte sie und sorgte und schaffte und betete und konnte doch nicht ver hindern, daß das dunkele Schicksal die geliebten Personen ihres Kreises immer mehr und mehr von der menschlichen Lebens- und Liebesgemeinschast isolierte und sie zu einsamen Menschen machte, denen der Tod einziger Ausweg. Es war ein kleines symbolisches Geschehen, als unter den Beifalls stürmen des letzten Aktes ein schöner Blumenstrauß der Gefeierten direkt in die bescheiden abweisenden Hände fiel. Ja, j«, es stimmt: eine Stella David braucht sich nicht mehr nach Rosen und Lorbeer zu bücken, bitter nur für uns, daß es Dresdner Rosen und Dresdner Lorbeer sein werden, die in Zukunft unsere liebe Frouve beglücken. . . Gleichzeitig nahm Hanns Steiner seinen Abschied. Die Rolle des Johannes Pockerat gab ihm seine besten Möglichkeiten: Darstellung des modernen Gesell- schaftsmenschen, dessen seelische Zerrissenheit sich m schwerer körperlicher Neurasthenie spiegelt. Steiner geht an das Neustädter Theater nach Dresden. Er wird seinen Weg machen, dafür bürgt seine Leip- ziger Zeit, die ihm und uns eine wesentliche Be reicherung seiner Fähigkeiten brachte. L. -nadevtag der Architekten. In den ersten August- tagen wird in Hannover der diesjährige Tag des Bundes deutscher Architekten stattfinden. Lom Theater zur Zigarettenfabrik. Das vor etwa 25 Jahren erbaute Deutsche Theater in Stuttgart, das unter dem Namen Residcnztheater gute Auf- stihrungen Herausgebracht hatte, ist an eine Ziga rettenfabrik verkauft worden, die cs zu einer Ziga- rrttenfabrik umbaut. Erkenntnisse Don p«ul Sutmrmn Ehrgeiz wird bestraft — Erfolg belohnt. * Der Geistreiche braucht Kredit. Er ist verurteilt, dauernd geistreich zu sein. Der Geistige hat sein Kapital gesichert. Er ist so weit, daß er stch's ge statten kann, bisweilen Torheiten zu sagen. * Ein Bekannter bemüht sich drei Stunden, mir klarzumachen, was für ein bedeutender Mensch er sei. Ich bin über soviel Bescheidenheit bis zu Tränen ge- rührt; denn wie wenig vertraut er auf sein eigene-; Urteil und wie viel liegt ihm an dem meinen. * Ein alter Weiser lag im Sterben. Seine Schüler beklagten seins schwindende Lebenskraft. „Beruhigt euch", sprach zu ihnen der Meister. „So alt, wie ich bin, rann ich gar nicht werden." * Ein Dichter hatte keinen Erfolg. Er begann den Narre» zu spielen. Da lachte man über ihn, aber nahm ihn nicht ernst. Er wurde aus Verzweiflung wahnsinnig. Da begann das Interesse für ihn. Als er gestorben war, rissen sich die Verleger nm seine Werke. Die Jäger behaupten, daß ein Wild um so besser schmecke, je mehr es vor dem Abschuß gehetzt werde. Dem Verein Leipziger Iahresausstelluug (LIA.) ist es gelungen, für seine diesjährige Ausstellung die Teilnahme einer großen Anzahl führender Kunst- ler aus Berlin, Hamburg, Dresden und München zu gewinnen. Aus dem Kreise der Münchner Neuen Sezession werden u. a.' F. Claus, O. Coester, Hans Gött, I. Heß, F. Koelle, M. Lau terburg, R. Lichtenberger, Prof. W. Püttner, Prof. Schinnerer und W. Teutsch mit eigenen Werken ver treten sein. Ein Musikkritiker zum Ehrendoktor ernannt. Der bekannte Opernkritikcr der Hamburger Nachrichten Prof. Ferdinand Pfohl wurde von der philosophi schen Fakultät der Universität Rostcck zum Ehren- doktor ernannt. Au» den TbeaterbureaaS. lGtLdttschc D ll 5 n « n.i Am DienStag, 3. Juli, verabschiedet sich Joies Vogl als Santo in .Data»,»' vom heutigen Publikum. — Heun, Lrrmiag, 1. Juli, beginnt di« neue Operrtten-Spielzcit Mit der erfolgreichen vperettr „Madam« Pompadour'.
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