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Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 30.06.1923
- Erscheinungsdatum
- 1923-06-30
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-192306309
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-19230630
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-19230630
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1923
-
Monat
1923-06
- Tag 1923-06-30
-
Monat
1923-06
-
Jahr
1923
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LEtprisre Layedlatt av<1 S«»<Ie1»L«ttaos Loru»»d«»6, 6ea SV. smü zig er Hotel Schmuckgeaenstände und Decken und auch in Privathäusern Wertgegenstände gestohlen. Er erklärt, daß er morphiumsüchtig sei und zum Ankauf de» Morphium» große Summen benötige. Sogar im Gefängnis ist e» ihm aelu^gen, Mor. phium, das von der Kriminalpolizei beschlagnahmt und im Gefängnis aufbewahrt worden war. zu stehlen und im Strohsack seiner Arrestzelle zu ne» stecken. Deutschland und die verfaulenden Makrelen. Aus Tondern wird gemeldet, daß die Makrelen- sänge im Kattegat und im Skagerrak so groß find, daß sich die Fische nicht adsetzen lassen. In Schwe- den und in Dänemark wird ein großer Teil der Fänge al» Dung verwendet', dadurch, daß sich in Deutschland die Preise dem Weltmarktpreis nicht angepaßt haben, sei e» unmöglich, die Fische nach Deutschland zu bringen, die Frachtkosten würden nicht annähernd erseht werden. Dunkle Angelegenheiten im iiöhn-prozetz I« weiteren Verlauf de» Prozesse« gegen Köhn und Deuossen trat al« Zeuge der Konkursverwalter Schubert auf. Nach seinen Aussagen ist das Er gebnis der Verwertung des Köhnschen Rennstalles sehr ungünstig gewesen. Die Pferde hatte Köhn mit sechs Millionen Mark bezahlt. Sie waren den ganzen Winter durchgefüttert worden, und al» sie im Früh jahr laufen sollten, erließ der Unionklub ein Start- verbot, weil e« Konkurspferde waren. Die Pferd« mußten im März 1922 versteigert werden und brachten nur zwei Millionen Mark. Zwischen dem Zeugen und den Verteidigern kam es darauf zu mehreren lebhaften Zusammenstößen. Der Zeuge erklärte, daß er seinerzeit von der Staats- anwaltschaft den Auftrag erhalte« habe, einen Mit angeklagten mit Hilfe eine» Kriminalbeamten fest zunehmen. Er habe zu diesem Zwecke vor der Woh nung de» Verteidigers Dr. Ahrens gewartet, da er den Verdacht hegte, daß ein P e r s ch i e b u n g s - vertrag abgeschlossen werden sollte. Dr. Ahrens bestritt entschieden diese Behauptung. Unter allgemeiner Spannung wurde dann als Zeuge der Kaufmann Heinrich Sklarz auf- gerufen. Er bekundet, es sei ihm immer erzählt worden, daß er sich in den Wettkonzern hinein- gedrängt habe, um ein Geschäft zn machen. Die« sei unwahr. Von einer großen Zahl von Einzahlern sei er dringend gebeten worden, ihre Interessen zu wahren. Er habe versucht, noch schnell Ordnung in dg» Tohuwabohu zu bringen. Köhn sei beim Zu- sammenbruch völlig fassungslos gewesen. Rechtsanwalt Dr. Abren«: „Ist es nicht ein Widerspruch mit ^rhrer heutigen Aussage, daß Sie seinerzeit in dem Vnozeß Köhn sehr scharf norgingen und ihm betrügerische Mächten zuschrieben?" Zeuge Sklarz: ..Ich habe mich nur gegen dis Dummheit d-w Publikums gewandt. Van mir stammt das Wart: „Das Publikum ist ver lohnt und verklantet." Ich habe vor längerer Zeit einen Aufruf drucken lassen iür einen angeblichen Wettkonzern ..Wölkenkuckucksheim" mit der Adresse des llntersuchungsgefananisses Alt- Moabtt 12s. Auch hierauf haben sich Leute ge- meldet die für dielen Mettkonzern bei mir das Geld einzahlen wollten." Der Angeklagte Köhn mischt sich dazwischen und behauptet, daß Ellar z und Schneider den Konzern ruiniert hätten. Er habe im August noch mehr Aktiva als Passiva gehabt. Zeuoe Sklarz in großer Erregung: „Dafür müsse» Sie aesälliast erst den Beweis antreten." Köhn, laut schreiend: „Beweise habe ich genug dafür, nur w"ß man an mich glauben." Bei Schluß der Beweisaufnahme hatte tue Ver teidigung den Antraa aestellt. 35 000 Einzahler zu vernehmen. Der Vorsitzende erklärte jedoch, daß der Antrag kn diestr Form nicht zn verwerten sei. Er schlägt vor. erst einmal die elf bis zwölf von Rechts anwalt Tarnowski ansgcwählten Zeuaen zu ver nehmen. Dann walle man weite'- schlüssig werden. Die Verteidigung ist damit einverstanden. Die Ver handlung wird fortgesetzt. Nie erhöhten Eisenbahnfahrpreise Am l Juli treten wieder verschiedene Erhöhungen in Kraft, von denen die Erhöhung der Eisenbahn, fahrpreise ganz besonders ihre Wirkung ou»üben wird. Nachstehend geben wir eine Uebersicht über die Fahrpreise, wie sie, vom Leipziger Haupt bahnhof gerechnet, erhoben werden: v Altenburg . . . Annabcrg i. E. . Bad Elster . - - Bad Lausick - - - Berlin Bitterfeld. . . . Borna Borsdorf . . . - Brandts . . . . Burgstädt. . - - Chemnitz . . . . Colbitz Dahlen . . . . . Delitzsch Döbeln Dresden . . . . Eilenburg. . . . Eisenberg i. Th- - IlM 45 141 158 33 165 83 34 12 IS 74 81 46 44 21 67 118 25 70 109 2lS Grimma 31 Halle a. G .... 38 Hamburg 374 Jena 91 Kohren 50 Köln 547 Königsberg i. Pr. . 75l Leisnig 54 Liebertwolkwitz . . 13 s. Kl. 2. Kl. 4. Kl. tcm 2 Kl. r. Kl. 4. Kl. 18000 6750 4500 M. Magdeburg . . . . 120 48000 18000 12000 M. 5640 > 21150 14100 „ Markneukirchen . . 161 64400 24150 16100 - 63200 23700 15800 „ Markranstädt . . . 16 6400 2400 1600 „ 13600 4950 3800 , Mittweida . . . . 103 41200 15450 10300 . 66000 24750 16500 „ Narsdorf . 51 20400 7650 5100 „ 13.'00 4950 3300 „ Naunhof . 21 8400 8150 2100 „ 13600 5100 3400 „ Nerchau . 36 14400 5400 3600 „ 4800 1800 1200,, Oschatz . 53 21200 7950 5300 „ 7600 2850 1900 „ Osterode, Harz . . . 190 76000 28500 19000 „ 29600 11100 7400 „ Pegau . 33 13200 4950 3300 - 32400 12150 8100 „ Penig . 76 30400 11400 7600 . 18iOO 6900 4600 „ Plauen i. B . . . . 122 48800 18300 12200 » 17600 6600 4400 „ Rochlitz . 58 23200 8700 5800 „ 8400 3)50 2100 „ Roda, S.-A. . . . .104 41600 15600 10400 „ 26800 10050 6700 „ Roßwein - 77 30800 11550 7700 - 47200 17700 11800 „ Rötha . 24 9600 86M 2400 . 10000 3750 2500 ", Schkeuditz . . . . . 19 7600 2850 1900 „ 28000 10500 7000 „ Strehla . 65 26000 9750 6500 „ 43600 16350 10900 „ Swinemsinde . . . . 410 164000 61500 41000 „ 87600 32850 21900 „ Taucha . 10 4000 1500 1000 . 12400 4650 3100 „ Trebsen . 32 12800 4800 8200 - 15200 5700 3800 „ Waldheim . . . . 30400 11460 7600 „ 149600 56100 87400 „ Weimar . 96 88400 14400 9600 - 36400 13650 9100 ,-r Wermsdorf. . . . . 48 19200 7200 4800 „ 20000 7500 5000 „ Wurzen . 26 10400 3900 2600 „ 218800 82050 54700 ,, Z-itz Zittau . 45 18000 6750 4500 „ 300400 112650 75100 „ .223 39200 33450 t2300 „ 21600 8100 5400 „ Zwenkau . 21 8400 8150 2100 „ 5200 1950 1300 „ Zwickau . SO 86000 13500 l/.OO. Nie Kosten des Ferngesprächs Mit der am 1. Juli d. I. eintretenden Portoerhöhung erfolgt auch eine bedeutende Herauf, setzung der Fernsprechgebühren. Wir haben die Etnzelgebiihrcn unseren Lesern bereits mitgeteilt und geben ihnen heute eine Ausstellung über die Höhe der Gesprächsgebühren nach einer Anzahl Orte in der näheren und weiteren Umgebung Leipzigs. Es kostet ein nicht-dringendes Gespräch nach: Adorf i-D. .... 3i50 M. Altenburg, S-A. . . 1500 M. Annabcrg, Erzgeb. . 2250 M. Auerbach, Vogtl. . . 2250 M. Bad Lausick .... 1500 M. Bad Elster .... 3150 M. Bautzen 3150 M. Berlin 315" M. Bitterfeld 1500 M. Borna 1500 M. BorSdorf 450 M. Brandts 750 M. Burgstädt 2250 M. Chemnitz 2250 M. Colditz 1500 M. Crimmitschau . . . 2250 M Dahlen, Sa 1500 M- Delitzsch 750 M. Döbeln 2250 M. Dresden 2250 M. Dürrenberg .... 750 M. Eilenburg 750 M. Eisenberg, S-A. . . 1500 M. EiSlebcn 2250 M. Freiberg, Sa. . . . 2250 M Frohburg 1500 M. Gaschwitz 450 M. Geithain 1500 M. Geringswalde . . . 1500 M. Glauchau 2250 M Gößnitz 1500 M. Greiz ....... 2250 M. Grimma 1500 M. Groitzsch 750 M. Großbothen .... 1500 M- Großenhain .... 2250 Hainichen 2250 M. Halle a. S 1500 M. Hartha 2250 M. Hermsdorf, S-?l. - - 2250 M. Jena 2250 M. Kahla 2250 M. Kieritzsch S.-A. ... 750 M. Kohren 1500 M. Kötzschenbroda . . . 225«) M. Leisnig 1500 M. Liebertwolkwitz . . - 450 M. Liegnitz 4050 M- Lucka S-A 1500 M Lützen 750 M. Lützschena 450 M- Lunzenau 1500 M. Markranstädt . . . 450 M. Meerane 1500 M. Merseburg .... 1500 M. Meuselwitz .... 1500 M. Mittweida .... 2250 M Mutzschen 1500 M. Narsdorf 1500 M. Naunhof 750 M. Nerchau 1500 M. Orlamünde .... 2250 M. Oschay 1500 M. Ostrau Sa 2250 M. Pegau 750 M. Penig 1500 M. Regis-Breitingen . . 1500 M. Rochlitz 1500 M. Roda, S-A. . . . . 2250 M. Ronneburg .... 1500 M. Rositz 150») M. Roßwein 2250 M. Nütha ...... 750 M. Schmölln S-A.. . . 1500 M. Strehla 2250 M. Taucha...... 450 M. Trebsen 1500 M. Waldheim 2250 M. Wermsdorf .... 1500 M. Wurzen <59 M. Zeitz 1500 M. Zwenkau 450 M. Zwickau 2260 M. Sell« 4 Xr. ISS Leipziger Sänger an der Ostsee An Bord der.Hertha", den 27. Juni. Der Leipziger Männergesangverein „Lieder- h a i n" mit seinem Doppelquartett, sowie befreundete sächsisch-thüringische Gesangvereine unternehmen zur zeit eine Sangerfahrt nach den Ostseebädern. Diese, von dein Leipziger Reisebureau Hermann Wolff organisierte Fahrt, au der sich etwa 1500 Personen beteiligen, ist bisher bei prächtigem Detter ausgezeichnet verlaufen. Ueberall wurden die Leip ziger Sänger dankbar herzlich empfangen und durch Ansprachen und festliche Veranstaltungen — in Saß nitz war die Rricbewehrmusik ansgeboten — geehrt. Den Höhepunkt der Fahrt bildete ein am 26. Juni in Travemünde veranstaltete» großes Wohltätigkeitskonzert zugunsten des Bun- des erblindeter Krieger und des Kindergarten- Travemünde. Der große Städtische Kursaal erwies sich als viel zu klein, um die Menge der Zuhörer zu fassen. — Der künstlerische Erfolg, den die Leip- ziger errangen, war außerordentlich stark. Nicht endcnwollender Applaus erzwang fortgesetzt Zugaben. Das glänzende Können des „Li e d e r h a i n - Dop pel-Quartett«, das über eine selten schöne Falscttstimmc verfügt, rechtfertigte diesen Beifall durchaus. Unter den zusammenfassenden Bezeichnungen „Am Secgestadc", „Lenz und Liebe" und „Am Rhein beim Wein" wurden Kompositionen von Elarus, Silcher, Sonnet, Jüngst, Krarmcr u. a. zu Gehör gebracht. Der Männerchor unter Leitung seines Dirigenten Max Fischer sang in anerkennenswerter Voll endung Lieder von Gelbke und Petschke. Außer den Sängern hatte sich auch Dr. W. Rö th i g - Leipzig in den Dienst der guten Sache gestellt. Er steuerte seriöse Lieder zur Laute bei. — Das Kur- orchester unter Leitung seines Dirigenten Dr. Dusch Höfer legte mit dem Huldigungsmarsch von Grieg und der v. Weberschen Oberon-Ouvertüre Proben seines bemerkenswerten Könnens ab. Im Namen der Stadt und Kurverwaltung Trave- münde begrüßte Kur-Inspektor Lehmitz die Leipzi ger Gäste und sprach seinen Dank aus für den großen gehabten Genuß. ve. >4. Tschechischer Eingriff in da» deutsche Theater in Karlsbad. Aus Prag wird uns gedrahtet: Ohne daß die Direktion des Karlsbader Stadttheater« hiervon verständigt worden war, erschien heute der Direktor des Oliniitzer tschechischen Stadttheaters m't politischen Beamten bei ihm und verlangte die Ueberlasiung des Theaters für tschechische Vor stellungen ab 15. Juli auf 14 Tage während der Hochsaison, ohne eine Entschädigung anzubieten. Alle Einwendungen der Theatcrdircktion, daß dies ein Eing ss in sein Privatrecht bedeute, und daß da» Staüthcater ohne Einwilligung des Pächters (die Etadtgemciude) nicht vergeben werden könne, diese Einwilligung aber fehle, blieben fruchtlos, und der Olmützer Direktor beharrte auf der entschcidigungv- losen Uebcrgabe des Theaters. Da gerade für diese Zeit Gastspiele mit hervorragendem ausländischen Ensemble abgeschlossen sind, und das Theater gerade auf Einnahmen in der Hochsaison angewiesen ist, be deutet dieser, offenbar von der Regierung unter stützte Eingriff eine schwere Gefährdung des Theaters. — Der Eingriff ist um so sinnloser, als es in Karls bad weder unter der einheimischen Bevölkerung noch unter den internationalen Kurgästen auch nur «inen nennenswerten Prozentsatz von Tschechen gibt.) Der betrunkene Zauberkünstler. Bei der Ab schiedsvorstellung eines Zauberkünstlers in Il menau war dieser total betrunken. Da infolge dessen die Kunststückchon nicht gelangen, mißhandelte er seine beiden Gehilfinnen in brutaler Weise. Das Publikum uabm Stellung für die Gehilfinnen und stürmte die Buhne. Es kam zu wüsten Auftritten, denen die Polizei schließlich ein Ende machte. Ern Arzt al» Kleptomane nus Morphiumsucht. Die Göttinger Kriminalpolizei verhaftete einen Arzt, der sich im vorigen Jahr zur Ausübung der ärztlichen Praxis in einem Nachbarorte nieder gelassen hatte. Er hatte in der medizinischen Klinik in Göttingen wertvolle Mikroskope, in einem Leip- Anna Witte Don ^02S- kolk Anna Witte verkauft Papier und Schreibgeräte in der Harüenbergstraße 42, in der Nähe der Tech nischen Hochschule, in einem bescheidenen, aber reich- lieh mit Waren versehenen Laden, den man einen „gutgehenden" nennen kann. Sic packt Papier, Reißzeug, Umschläge, Dlcistlftc, Stahlfedern und An sichtskarten in alte Nummern der Deutschen Zeitung, der Deutschen Tageszeitung, bestenfalls der Deutschen Allgemeinen Zeitung. Also hangt an der Glastür ihre» Laden» eine schwarzwcißrot umrandete Einladung zu einem Vortrag des Herrn Jürgen von Ramin; also sind im Schaufenster Ansichtskarten nationalen Charakters zu sehen, angcfangcn vom Bild einer patriotischen Alt- Heidelberg-Ruine bis tief hinunter zur Photographie des Kronprinzen. Anna Witte verkauft auch Photo- graphien von Prinzessinen, rührenden Hohcnzollern- lindern, und im Heeresbericht der Kriegojahre ge nannten Flugzeugführern. Sie arbeitet redlich von neun Uhr früh bis sieben Uhr abends — mit einer mittäglichen Unterbrechung von anderthalb Stunden. Ich sagte: redlich — weit und breit sand ich keinen Papierhändler, der Faber- stifte nach zu 350 Mark verkaufte. Die meisten Leut« haben sich an die neuen Preise rascher gewöhnt, al» an die neue Ltaatssorm. Wenn Beschränktheit die Voraussetzung reaktionärer Gesinnung ist — Anna Witte entschuldigt zumindest der Mangel kauf männischer Pfiffigkeit. Frauen dieser Art tragen immer diese Kleidung: ein dunkles, hochgeschlossene» Kleid mit Potsdam- kragen, einfach geglättetes Haar und eine frei« Sttt- lichkeitsstirn. Es ist eine betonte Abkehr von Eitel keit und den Torheiten weiblichen Wesens. E» ist ein Protest gegen die sündhafte Verirrung der mo> dernen Frau. Nur die Prinzessinnen dürfen Abend- kleider mit Ausschnitt tragen. Der schlichten Bürgerin ziemt der Stehkragen. Solche Frauen kenne ich: ich sah sie in den Portragssälrn, in denen Professor Brunner sprach, in den Sonntag-Nachmittagsauf- führungen der Ealderon-Gesellschast und manchmal in den Ziihen, die nach Potsdam fahren. Rur in Deutschland sieht man diese Kleider, dies« Frisuren, diese Moral auf Kosien des guten Geschmack». Es stecken meist anständige Menschen in diesen Kleidern. Sie haben nur da» Unglück, aus Grund unseliger Verwechslungen unsympathisch zu sein. Sir glaub»». Rückständigkeit wäre deutsche Treue; Stolz auf eigene Untertänigkeit wäre nationaler Stolz; Antisemitismus wäre Vaterlandsliebe; ein nationalistischer Mörder wäre ein Siegfried. Und so geschah es mit der Papierhändlerin Anna Witte. Sie sammelte für den Rathenaumörder Ernst Werner Techow. Sie wurde verurteilt, und sie wird wahrscheinlich vom Präsidenten Ebert begnadigt wer- den. Denn sie ist eine Papicrhändlerin, sie lebt von den Ansichtskarten, von den Hörern der Technischen Hochschule, sie liest die Deutsche Zeitung, sie trägt «ine entstellende unweibliche, antiweibliche Mode — sie ist bestraft genug. Gewiß tat ihr der junge Techow leid, der zu ihren Stammkunden zählt«. Sie ist eine einsam« Frau, sie bat sich nie vorteilhaft angezogen, ihre Moral hat sie immer gezwungen, Propaganda gegen ihre eigen» Weiblichkeit zu treiben. Sie hat nicht viel Liebe er lebt, spät und ganz anders entwickelten sich ihre Ge fühle für di« Hörer der benachbarten Technischen Hoch schule. Ein« späte, karge Romantik. Sagen wir: e« war Mütterlichkeit. Sie spricht nicht viel, sie ist mißtrauisch gegen fremde Besucher, sie lebt mißtrauisch und verbittert, beschränkt und ehrlich, arbeitsam und eng» in dieser neuen Welt. Man lasse sie weiter, zur Strafe, An sichtskarten des Kronprinzen verkaufen. Paul Schreckeubach s. In Klitzschcn bei Torgau, , wo er al» Plärrer lebte, starb im Alter von 57 Jahren der Romanschriftsteller Paul Schrecken» bach. Seine Begabung entfaltete sich ausschließlich auf dem Gebiet« de» historischen Roman». Schrecken bach verfaßte u. a. „Der böse Baron von Krosigk", der um die Zeit von 1808 spielt, ferner „Der getreue Kleist", „Um die Wartburg", „Die letzten Rudels burger". „Der deutsche Herzog", ferner Erzählungen au» der Zeit Luther» „Der jüngste Tag'. Seine Roman, zeichneten sich durch gediegene» historische» Wissen au» und standen vielfach über dem Niveau der Unterhaltungslektür«. Da» Gchansptelertheater. In Berlin haben sich Schauspieler aller Bühnen zu einer Vereinigung zusammengeschlossen, die unter dem Namen „Das Schauspielertheater" wertvolle Werke der klassischen modernen Dramatik aufführen wird. Dem Schau- spielertheater gehören an: Elisabeth Dergner, Maria Leiko, Oskar Ebelsbacher, Manfred Fürst. Heinrich Georg«, Alexander Granach, Herz Großdart, Wolf gang Heinz, Fritz Jehner, Peter Ihle. Werner Kcptch, Friedrich Lobe, Karl Heinz Magnus, Hans Neussing, Erich Pabst, Jochen Pnel-ig, Leo Reutz, Leonhard Steckel, Robert Taube, Hans Heinrich von Twardowfli. Der Lurgtheaterdtrektor Sbt passive Reststenz. Aus Wien wird uns gedrahtet: Der neuernannle Regierungskommtssar für die Dundestheater Mi nisterialrat Renken, hat ein neue» Reglement für das Burgtheater und die Oper erlassen, in dem die Bewegungsfreiheit der Direktoren in allen Fragen, wie Engagementsgagen, Ausstattungstantiemen usw. derart eingeschränkt wird, daß Direktor Paulsen von der Burg beabsichtigt, auf dem Pro- zeßwcge gegen diese, seinen vertraglich zuge sicherten Kompetenzen zuwiderlaufenden Der- fügungen Einspruch zu erheben und vielleicht schon demnächst sein Amt niederzulegen. Richard Strauß und Schalk befinden sich beide in Südamerika und Jntendantsrat Lion, der die Direktionsgeschäfte führt, vermag nicht zu sagen, ob die Direktoren der Oper sich die Einschränkungen ge- fallen lassen werden. Wegen dieses Dekrets, da» vollkommen in die Zeit der kaiserlichen Intendanzen zurückführt, kann ern Spielplan über Neu einstudierungen und Novitäten für da» nächste Jahr noch nicht veröffentlicht werden. Ein Staatstheaterdtrektor, der passive Resistenz übt, ist wohl noch etwa» neues für do» an Zwischenfällen reiche Wiener Burgtheater. Direktor Paulsen hat al» Antwort auf den Erlaß de» neuen Staats kommissars für Oper und Durgtheater den Beschluß gefaßt, sich nunmehr streng jenen Obliegenheiten zu unterwerfen, die seinem Direktorenvertrag ent- sprechen. So sagte er die heutige Probe zu Schnitz ler» „Der junge Medardus" ab, weil er sie, wie er den Schauspielern erklärte, seinen vertraglichen Pflichten als Direktor de» Purgtheater» zuwider laufend, nicht leiten könne. Ferner sagte er seine Mitwirkung an der heutigen Abendvorstellung vom „Wintermarchen", in dem ein« Roll« übernommen hatte, ad, ein Kollege mußt« für ihn cinspringen. Prof. Hetz 4. Au» München wird vn» gedrahtet: In Paflenhof am Starnberger See starb nach kurzer Krankheit Geheimrat Professor Dr. Karl Heß, der berühmte Augenarzt und Leiter der Münchner Universität«. Augenklinik im Alter von 60 Jahren. G Feine Unterscheidung. Wir lesen in der Welt- bühn«: Moritz Rosenthal wurde einmal gefragt, ob er den Pianisten L kenn». Er erwiderte: „Persön lich ja. Dem Namen nach nicht." > Eheverbote Die Eheverbote, wie sie in verschiedenen Ländern erlassen worden sind, verfolgen einen doppelten Zweck. Einmal soll eine Ehe vermieden werden zwischen Personen, die ihrer seelischen Veranlagung nach nicht die Gewähr dauernden Zusammenlebens bieten, sodann soll die Erzeugung minderwertiger Nachkommen verhindert werden. E» ist nun die große Frage, ob von einer gesetzlichen Rege- lung dieser überaus schwierigen Dinge ein durch greifender Erfolg zu erwarten ist. Prof. Lübn r, der in der Deutschen Medizinischen Wochenschrift die „psychiatrische Beratung bei Eheschließungen und Adoptionen" behandelt, vertritt die Ansicht, daß die Zeit »um Erlaß gesetzlicher Eheverbote heuto noch nicht gekommen ist, weil sich generelle Maß regeln nicht aufstellen lassen, daß es vielmehr die Aufgabe des Arzte« ist, von Fall zu Fall nach bestem Wissen und Gewissen zu entscheiden. Ec gibt «ine Uebersicht über die bisher erlassenen Eheverbote und zeigt, zu welchrn radikalen Mitteln man gegriffen hat, die selbstverständlich viel Ungerechtigkeiten n it sich bringen und zum Teil wohl ganz undurchführ bar sind. Die mildeste Form ist da» gesetzliche Ehe- verbot, wie es in den nordischen Staaten, in der Schweiz, in einzelnen nordamerikanischcn Staaten, in Uruguay, besteht. In der Schweiz z. D. erstr." e»- sich lediglich auf Geisteskranke. Man Hot auch verlangt, daß Trinker und geistig Abnorme, di« wegen ihre» Leiden» vorübergehend zwangsinterniert waren, bei der Eheschließung einen ärztlichen Desundheit»schein oorlegen müssen. Andere Forscher haben die Forderung ausgestellt,^ daß Geisteskranke, bei denen die Gefahr der Fort pflanzung besonder« groß ist, al« gemeingefährlich anzusehen sind und daher interniert werden müssen. Roch weiter geht «in Gesetz des Staate» Indiana, das befiehlt, bei unverbesserlichen Verbrechern- bei Blödsinnigen und Schwachsinnigen, die sich in einer Anstalt befinden, „eine Operation zur Verhütung der Zeugung" vorzunekmen. Diese Operation darf aber nur in Fällen erfolgen, die von den Sachver ständigen als nicht besserungsfähig erklärt worden sind. In einem nordameritanisqea Staat geht man sogar mit der Absicht um, alle diejenigen chronischen Falle, die sich mehr al» zwei Jahre in ZrrenanstalteA befinden, von Staat» wegen -u töten. Jedenfalls können für etwaige Eheverbot« nur die schwersten Fälle in Betracht kommen, und der praktischen Durchführbarkeit gesetzlicher Maß- nahmen stellen sich große Schwierigkeiten entgege»
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