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8e!1« 2 Ur. ISS s.elpriger l'sgedlstl «iS H»n6elsrettuog Vie Staatsunternehmungen vor den Hcmshaltausschüssen Drerde», 28. Juni. (Eig. Tel.) Die Geld- beschaffung für die Unternehmungen des Staates wurde in den vereinigten Haushaltausschüffen.V und de« Landtages erörtert. Die Regierung legte den trostlosen Zustand ihrer Finanzlage dar. Das Reich hat noch keine endgültige Erklärung über seine Be teiligung del der tdeldaufbringung abgegeben. Der Finanz.ninister gab einen Ueberblick über die Be- mÜbungen der Regierung zur Er langung von Geldmitteln. Die Reichsbonk hat sich nicht entschließen können zur -ergab« von Gerbern. Die Frage der Beteiligung des Reiches an den sächsischen Saatskohlenwerken st mit dem Reichsschaßministerium erörtert worden., das irbee die Umwandlung der Werke in eine Aktien Unternehmung sür erwünscht bezeichnet. Für den Fall der Ueberfiihrung der Untcr- n'hmungen in gemischtwirtschaftlich« Betriebe oder ln di« Form d«r Aktienqesellsckaft, werde der Staat die Mehrheit der Anteil« behalten. tvertveständige Löhne Bon Vr. Ri. Von» Hcrr Dr Doß, Syndikus des Arbeitgeber verbandes der chemischen Industrie, Geschäftsstelle Lcipz H, schreibt uns: <truc«ulru:«ct,clte wird, soweit sich die» bi» jetzt üversehen lägt, verlangt: einmal Lohnregelung, durch di« für die Zukunft eine Entwertung de« Lohnes vermieden wird, zum anderen Annäherung der Rcallöhne an die Fricdenscinkommen. In diesen Forderungen steckt gewiß ein Kern, der durchaus verständlich ist und im Grunde genommen eine Pa role darstellt, die alle Kreise vertreten! Der Streit geht nicht um das Ziel, sondern um die Voraus- sctzungen, um den Weg! Auf Arbeitnehmcrseitc wird gesagt, »« müsse ein Wertmesser gefunden werden, der die Wertbeständigkcit des Lohnes garantiere. Zu diesem Zweck soll bei den Tarifverhandlunaen außer einem Grundlohn ein beweglicher Zuschlag fest gesetzt werden, dessen Höhe durch den der Geldent wertung entsprechenden Index automatisch geregelt wird. Dieser "Index soll nach wie vor vom Statisti schen Reichsamt, aber in einer für den Arbeitnehmer günstigeren Weise und wöchentlich errechnet werden. Das ist keine »gleitende Lohnskala", wie vielfach fälschlich gesagt wird! Bei der gleitenden Lohnskala regelt sich der ganze Lohn automatisch nach dem Index, noch dem geforderten System aber wäre der Grundlohn im Wege der Verhandlungen für jede Tarifpcriode neu zu vereinbaren, also nur der Zuschlag würde sich automatisch ver ändern. Die Lohnbewegung der Gewerkschaften zielt aber auch auf eine Erhöhung des Realein kommens ab. Dieser Forderung stellt man von Arbeit- geberscüe erhebliche Bedenken entgegen. Eine Wirtschaft, die wie die unsere heute dauernd von der Substanz zehrt, kann derartige neue Lasten ein fach nicht tragen. Mit einer Erhöhung der Real- löhnc können wir uns m. E. erst befassen, wenn es erst wieder aufwärts mit unserer Wirtschaft geht. Anders verhält es jjch mit der Erhöhung der Ra in in«! löhne. Es ist eine unbedingte Notwcndig- keir, di« nicht ernst genug betont werden kann, daß die Löhne und Gehälter bis an die äußerste Grenze des wirtschaftlich von den Firmen überhaupt noch Erträglichen erhöht werden. Man hat bisher ver- sucht, dieser Forderung gerecht zu werden und der Arbeitnehmerschaft einen Ausgleich sür die zu er wartende Teuerung zu geben, indem man in den Tarifncrhandlungen die Teuerung der nächsten Zeit abschätzte und dementsprechend Lohnerhöhungen ver- einbürre. Run soll die Erhöhung automatisch ent- svrechend d«r Steigerung der Mcßzifser cintretrn. Da aber der Index natürlich immer erst nach Ab- lauf einer Woche veröffentlicht werden kann, so be deutet das nicht mehr und nicht weniger als eine automatische, rückwirkende Regelung des Zuschlages. Gegen die automatische Lohn regelung ist anläßlich der Debatte über die »glei tende Lohnskala" von Arbeitgeber- und Arbeit nehmer feite schon so viel geschrieben worden, daß darüber hier nichts mehr gesagt werden braucht. Unhaltbar aber ist die rückwirkende Fest setzung der Zuschläge. Man kann nicht die Löhne rückwirkend sestsetzen, weil es bei den Preisen — rEHastens im allgemeinen — nicht möglich ist. Da döt'Arbeitgeber vorher sür Offerten wissen muß, welche Preise er für seine Fabrikate zu nehmen hat, so muß er auch vorher wissen, was ihn die Her- stcllung seiner Fabrikate kostet, wie hoch also u. a. die Löhne sind. Was soll z. P. die Allgemeinheit der Industrie machen, die auf den Inlandabsatz an gewiesen ist. zu festen Preisen verkaufen muß und das Geld für ihre Produkte erst nach mehr oder weniger langer Zeit hcrcinbckommt, wenn die Löhne in der geforderten Weise festgesetzt würden? Die Preise würden der Geldentwertung anheimfallen, die Löhne und Gehälter, also ein erheblicher Teil der Herstellungskosten, aber würden rückwirkend um den gleichen Faktor erhöht, um den sich die Preise der Produkte, also die Einnahmen durch die Geldent wertung vermindert haben. Unter den obwaltenden Verhältnissen gibt es m. E. nur ein Mittel, den berechtigten For- derungen der Arbeitnehmerschaft entgegenzukommen, nämlich kurzfristige Tarife und kurz fristige Lohn- und Gehaltszahlungen. Dadurch wird es möglich sein, das Risiko oerUeber- holung der Lohnerhöhung durch die Geldentwertung und Teuerung bis auf ein Minimum auszuschalten, ohne die vorher angeführten wirtschaftlichen Ge- fahren sür den Unternehmer. Daß die Gewerkschaften mehr anstreben, als eine Erhöhung der Nominallohne bis an die Grenze des wirtschaftlich von Finnen über haupt noch Erträglichen, erscheint uns wenig wahrscheinlich. Jedenfalls werden sie in der Praxis nicht wciir erreichen können. Das ist siche", sike.' wir würden fast glauben, daß eine laiche Erhöhung der Nominallöhne auch eine Erhöhung des Neallohnes mit sich brächte. Zu untersuchen wäre auch noch, ob bei einer Indu- strie. die in Gold kalkuliert, nicht gerade die vorherige Vereinbarung von Pamermarklöhnen für einen kürzeren oder längeren Zeitraum einen nicht stabilen Faktor in die Kalkulation hinein bringt. Der inzwischen aufgetaucht« Versuch, di« Eisen- bahnen in weiterem Maße zu «lektristeren, lenke die Aufmerksamkeit wieder stärker aus Sachsen, da» die größten Braunkohlenlager einheitlich in staatlichen Besitz hat. Dieser Plan dürst« zu einer Der- ständigung mit der Neichsregiecung und einer Neichsbeteiligung an Sachsens Draunkohlenwerken führen. Die Lausitzer Draunkohlenwerke will die Regierung zunächst weiter ausbauen, später die west- sächsischen in Böhlen. In der Zwischenzeit wird der Kapitalbedarf in Höhe von 7b Milliarden Mark angrfordert werden. Von bürgerlicher Seite wurde dem Grundsatz zu gestimmt, da die immobilen Wkrte des Staates nicht zur Befriedigung des gegenwärtigen Kapitalbedarfes her angezogen werden. Di« Kommunisten schlugen vor, die Sammlungen der Museen zu ver- kaufen, um auf diesem Wege Kapitalien zu erlangen. Allseitig herrschte die Auffassung, daß bei etwaiger Ilmgestaltung der Staatsbetriebe in Aktiengesell schaften der Staat die vorherrschende Stcllung be halten müsse. Hierüber verbreitete sich der Minister des näheren und wies darauf hin, daß auch die Ge- meinden als Teilhaber sich melden, so daß Reich, Staat und Gemeinden als Hauptträgcr der heutigen staatlichen Kohlen- und Elektrizitätswerke in De- tracht kommen dürften. I Vie Lage in vuer Buer, ». Juni. (Eia. Tel.) Di, Velgier haben die über den Krei» Vuer »«hängt«« scharf«« Sanktionen insofern gemildert, al» st« jetzt gestattet haben, daß die Straßenbahnen in be stimmten noch zu vereinbarenden Stunden zum Transport von Milch und sonstigen Waren verkehren dürfen. Ferner wird der Rangierdienst am Bahn- Hof Buer-Elld auch noch der Straßensperre wieder fortgesetzt. Die am Freitag voriger Woche ver hafteten Geiseln sind nunmehr ausgcwicsen worden. Weiter haben di« Belgier di« Beteiligung der Bürgerschaft an der Beerdigung der am Sonntag abend getöteten drei Deutschen verboten. Der Stadt Dortmund wurde von dem kam- mandierendcn General der Rheinarmee als Genug tuung für die Ermordung der zwei französischen Adjutanten eine Strafe von 2 Milliarden Mark aufcrlegt. Dieser Betrag soll auf da« bei der Staatskasse und bei der Retchsbank am II. und 12. Juni weggenommene Geld angerechnet werden. Auf dem Eisenwerke Union in Dortmund haben die Franzosen sämtliche Hochöfen gelöscht. Die Stillegung des ganzen Betriebes ist nur eine Frage von wenigen Tagen. Line Brandrede des Grafen Westarp München, 29. Juni. (E i q. Tel.) In einer Ver sammlung der Bayerischen Älittelpartei bielt gestern der dcutschnationalc Reichstagsabgeoronete Graf Westarp eine Rede im Ton des starken un- entwegten völkischen Mannes. Er erklärte, man müsse sich rüsten und zur allgemeinen Wehr- pflicht zurückkehreu, ohne die das fremde Joch nicht abzuschüttcln sei. Der große Gegensatz zwischen den Völkischen und dem Ministerpräsidenten Cuno liege darin, daß die Völkischen meinen, Verhand lungen um die Reparationen könnten nicht mehr wcitergcführt werden, weil di« Deutschen bereits zu Sklaven des internationalen Kapitalismus geworden seien. Dagegen lobte Graf Westarp die Landtage- rede des bayerischen Ministerpräsiden, ten. Als schweren Fehler bezeichnete er das Vor gehen der Regierung gegen die vaterländischen Verbände. Der völkische Kampf gegen den Marxis- mus hänge eng zusammen mit dem Kampf gegen das Judentum. Bei einer Schlageterfeier des Iungdeutschen Ordens in Rathenow kam es zu Schlägereien mit Kommunisten, die in den Saal gedrungen waren und die Versammlung sprengen wollten. Polizei mußte cingreifen und sperrte das Lokal ab. Die Kommunisten zogen darauf durch die Stadt, wo sie mit Teilnehmern der Versammlung in ein neue» Handgemenge gerieten. Hierbei wurde ein Fabrikant mit einem Schlagring niedergeschla gen, so daß er schwerverletzt ins Krankenhaus ge- bracht werden muhte. Die Nonterbande ver „wimplevon",, Haag, 29. Kuni. Der Ständige Internationale Gerichtshof Hot in der Angelegenheit des Dampfers »Wimpledon", der während des Russisch-Polnischen Krieges Konterbande durch den Kieler Kanal schunrg- geln wollte, dem Ersuchen der polnischen Regierung, sich dem von England, Frankreich, Italien und Japan anhängig gemachten Verfahren anschließen zu dürfen, stattgegeben aber nicht auf Grund des Artikels 62 des Statuts des Gerichts hofes, wonach ein juristisch an der Frage inter essierter Staat an der Klage zuzulassen sei, sondern auf Grund des Artikels 63, wonach ein Teilnehmer an dem Vertrage das Recht zur Intervention hat, wenn cs sich um dis Frage handelt, ob der Vertrag verletzt worden ist. Im vorliegenden Falle handelt es sich um dis Auslegung de» Versailler Vertrages. Die Hauptverhandlung in der »Wimplcdon"-Ange- Icgenheit ist auf den 3. Juki festgesetzt worden. Polens Erpresserpolittk invanzig Danzig, 29. Juni. Drr Senat der Freien Stadt Danzig hatte an den diplomatischen Vertreter von Polen eine Note gerichtet, in der cs heißt: »Der Senat bedauert, daß die polnische Negierung die Ausweisung von 16 Danziger Staats angehörigen nicht rückgängig gemacht hat. Bet den Ausweisungen polnischer Staatsangrhöriger aus Danzig handelte es sich fast ausnahmslos um Personen, die unsere Gesetze verletzt haben. Der Umstand, daß die polnische Regierung während der vergangenen Jahre keine Danziger aus Polen aus gewiesen Hot- ist weniger auf das Wohlwollen der polnischen Behörden zurückzuführen, erklärt sich vielmehr einfach daraus, daß die Danziger Staats angehörigen, die in Polen wohnen, niemals irgend einen Grund zur Ausweisung gegeben haben. Dem jetzt gestellten Verlangen, den polnischen Staats- angehörigen in Danzig mit Ausnahme der politi schen Rechte dieselben Rechte einzuräumen wie den Danziger Staatsangehörigen und diesen Stand punkt der polnischen Regierung gegenüber formell anzuerkennen, vermögen wir nicht zu entsprechen. Dieses Verlangen wird in der Bevölkerung von Danzig als Erpressung empfunden. Der csenat hat daher die Ausweisung von 16 Danziger Staats angehörigen dem Oberkommissar des Völkerbundes zur Entscheidung unterbreitet." , Der diplomatisci-e Vertreter von Polen hat diese Note mit einem Schreiben zurückgeschickt, in dem es heißt: Diese Note kann ich, da sie nicht im ge- ziemenden, der allgemeinen Höflich- keit entsprechenden Tone abgefaßt ist, nicht zur Kenntnis nehmen. Wie Londoner Blätter melden, wurde der Ober- befehlshaber des englischen Rhein heeres kürzlich in Aachen gezwungen, den Schlaf- wagen zu verlassen, während die Belgier die Papiere des Generals durchsuchten. Die Belgier glaubten, der General führe den Bericht englischer Beamten über die Lage im Ruhrgebiet mit sich. Die britische Regierung hat in Brüssel Protest eingelegt. * Oberbürgermeister Dr. Adenauer-Köln teilt mit, daß die vom Matin verbreiteten Nachrichten, wonach unter Führung Adenauer» ein Kabinett rheinischer Politiker au» Zentrumskreisen und Mehrhcitssozlalisten für die Rheinische Republik im Einverständnis mit der britischen Besatzung«- bchörd« und der Reichsregierung in Berlin bereits gebildet gewesen sei, von Anfang bi» Ende frei er funden sind. Essen in Lebenrmittelnot Essen, 29. Juni. Zn der gestrigen Sitzung der Stadtverordnetenversammlung der Stadt Essen ent rollte der Lebensmitteld^ernent ein außer ordentlich trübes Bild. Nach seiner Mei- nung steht Essen in der Lebensmittelversorgung vor einer Katastrophe. Durch die Besetzung der Bahnhöfe ist die Stadt gezwungen, Lebensmittel von den weitgelegenen Bahnhöfen Frintrop, Nierenhof, Velbert und Vuer mit Lastkraftwagen heranzuschaf fen. Diese Bahnhöfe liefen bi» 13 Kilometer von Essen entfernt. Die Schwierigkeiten werden noch da durch erhöht, daß die Fernsprech- und Telegraphen- Verbindungen von den Franzosen unterbunden wor- den sind, so daß es den von der Stadt beauftragten Händlern unmöglich ist, rechtzeitig einzukaufen. Die städtischen Lagerhäuser für Lebensmittel sind leer. Ebenso schlecht steht es mit der Kartoffelversorgung. Die neue Kartoffelernte ist wegen des ungünstigen Wetters noch sehr weit zurück. Gemüse wird nur noch zu einem Drittel der erforderlichen Menge zu- gefübrt. Außerdem ist man gezwungen, es von weit her durch Lastkraftwagen heranzuholen. Die Milch- zufuhr ist auf ein Fünftel des sonst täglichen Bedarf» zurückgegangen. Dabei werden für" die Kranken- anstaltcn allein täglich bis zu 50 000 Liter benötigt. Vie Leiden der Eisenbahner Bei der Eisenbahndirektion Dresden liegt da» ge- nauo statistische Material über die bis zum 16. Juni gegenüber deutschen Eisenbahnern verhängten Stra- fen. Insgesamt wurden 223 Jahre 8 Monate und 10 Tage Freiheits st rafe, 148 558 200 «4t und 250 Franken Geldstrafe verhängt. (Die nach dem 16. Juni gefällten Urteile mit den Mil liardensummen sind also noch nicht berücksichtigt.) Die Zahl der Verurteilten betrug 124, von denen 70 auf das altbesctzte und 54 auf das neubesetzte Ge biet entfallen. Don den Freiheitsstrafen kommen 173 Jahre S Monate 7 Tage Gefängnis und 30 Jahre Zwangsarbeit auf das altbesetzte, 4S Jahre II Mo- nate 3 Tage Gefängnis auf das ncubesetzte Gebiet. Im gleichen Zeitraum sind 6879 Beamte, Angestellte und Arbeiter ausgewiesen worden, davon 4392 aus dem altbesetzten und 2487 aus dem neubesctzten Ge- biet. Unter Einrechnung der Familienangehörigen beträgt die Zahl der Ausgcwiesenen 15905, hiervon 10 691 aus dem altbesetzten und 5214 aus dem neubesctzten Gebiet. Ferner sind bis zum 16. Juni 22 566 Personen aus ihren Wohnungen vertrieben worden, und zwar 16 281 au« dem alt besetzten und 6285 au« dem neubesetzten Gebiet. Vie Strecke Frankfurt—Darmstadt unterbrochen Frankfurt a. M., 29. Juni. (Eig. Tel.) Heute früh haben die Franzosen die Strecke Darm- stadt — Frankfurt a. M. zwischen den Stativ- neu Langen und Buchschlag unterbrochen, indem, wie es heißt, eine französische Militärabteilung die Schienen oufgerissen hat. Die Züge muffen deshalb von Frankfurt auch über Offenbach nach Darmstadt geleitet werden. Die durchgehenden Schnellzüge, die vom Süden über Frankfurt a. M. nach dem Norden, und Westen verkehren, fahren über Darmstadt—Ha- nau. Die D-Züge erleiden etwa eine Stunde, die Personenzüge zwei Stunden Verspätung. Was die Franzosen veranlaßt hat, die Bahnverbindung zwi- schen Darmstadt und Frankfurt a. M. lahmzulcgen, ist zur Stunde noch nicht sestzustellen. Ferner haben die Franzosen heute morgen die zu den Außenonlagen de» Hauptbahnhofe» Frankfurt o. M. gehörende Eisenbahnwerk st ätte Nied beseht und den zur Arbeit erscheinenden Deutschen den Eintritt in da» Derk veru -hct. Bisher 190 Milliarden Bargeld geraubt Berlin, 28. Juni. Die Gesamtsumme der bei den Reichsbankstellen im besetzten Gebiet durch dis Franzosen und Belgier beschlagnahmten Betrage ist auf 190 Milliarden Mark gestiegen. Die Fälschungen deutschen Papiergeldes durch die Fran- »osen dauern an. In Mülheim wurden mit der Her- stellunq von Noten beschäftigte Arbeiter gezwungen, nicht fertiggsdruckte Notenbogen zu nnmrrieren und zu schneiden, offenbar zu dem Zweck, die so gefälsch- ten Notensormulare in Umlauf zu setzen. Wiesbaden im Seichen der verbehrssperr« Wiesbaden, 29. Juni. (Gig. Tel.) Wiesbaden lendet unter der.Derkehrssperre und den neuen Gin- reiserrschwerungen sehr stark. Der Fremdenbesuch betragt nur noch ein Drittel de» früheren durch- schnittlichen Besucher. Man befürchtet für die SdM, dis vollständig auf Kur eingestellt ist, eine wirt schaftliche Katastrophe. Schon jetzt weist die Kurverwaltung ein Defizit von über einer halben Milliarde Mark auf. Pon der Stadtverordneten versammlung heraus wurde an den Magistrat da» Ersuchen gerichtet, Schritte zu unternehmen, um die sofortige Aufhebung oder ein« Erleichterung der Derkehr»beschrankung und damit die üea SV. /an! Möglichkeit «tu« regere« Fremdenverkehr» wieder zu erreichen. Im Wtmbadener R«gierun-sgÄ>8ude haben die Franzosen sämtliche Raum« einer gründlichen Durchsuchung unterzogen, nachdem erst dieser Lage ein Kurier der Regierung, der nach Frankreich unterwegs war, bei Hochheim angehalten und visitiert worden ist. Luftwehr-vebatte in der fran zösischen Kammer Part», 29. Juni. Im Laufe der gestrigen Budget- beratuag der Kammer kam es während der Nacht sitzung zu einer Debatte über da» Verhältnis der französischen zu der englischen Luftfahrt, in der der Abg. Benazet auf die von» Premierminister Baldwin im Unterhause abgegebene Erklärung hinwies, England bedürfe einer Luft rüstung, die derjenigen der stärksten Luftmacht im näheren Umkreis mindesten« gleichkomme. Der Red- ner protestierte energisch gegen diese im Londoner Unterhause gefallene Aeußerung, die die Annahme enthalte, daß Frankreich an einen Angriff denke. Krieasminister Magi not führte au«, Frank reich hatte beim Waffenstillstand 3500 Flugzeugs und Maschinen gehabt und hab« zurzeit nur noch 1800. Für Frankreich sei e» eine Notwendigkeit, die Zahl seiner Flugzeuge und Geschwader zu erhalten, da es bestimmt wisse, daß Deutschland erhebliche An- strenaungen mache, um sich eine Luftschiffahrt zu schaffen. Es handele sich nicht um England, es handele sich ausschließlich um Deutschland. Es wäre von fran- zösischer Seite unverzeihlich, sich neuerlich einer deutschen Gefahr auszusetzen. An der Debatte beteiligte sich auch General Easiel nau, der unter stürmischem Beifall de» Hauses erklärte, in der Lust- schisfahrt gehe Frankreich allen Nationen voran, und es werde sein äußerstes tun, diesen Vorsprung zu erhalten. Die Kammer nahm unmittelbar darauf den Son- derkredit in Höhe von 37 Millionen Franken für wissenschaftliche Untersuchungen auf dem Gebiete der Luftfahrt mit 490 gegen 70 Stim- men an. . * Nach einer Stockholmer Meldung der Frankfurter Zeitung werden die englischen Luftrüstunyen von der schwedischen Presse als ein äußerst bedeu- tungsvolles Zeichen der außerordentlichen Spannung in den internationalen Verhältnissen angesehen. poincarLr verschleppungrmanSver Pari», 29. Juni. (Ltg. Tel.) Petit Parisien stellte heute erneut fest, daß Poincarä in der Reparationrfrage weiterhin für mündliche Per- Handlungen zwischen England und Frankreich eintrete, da die Meinungsverschiedenheiten zwischen Frankreich und England noch immer außerordentlich groß seien. Eine allzu genaue Formulierung der französischen Antwort könne daher die Schwierig- leiten nur noch erhöhen. Außerdem beabsichtige die französische Regierung nicht, ein schriftliches Doku ment angesichts der außerordentlich schwierigen Der- Handlungen in den Händen der englischen Regierung zu lassen. ver Präsident der italienischen Kammer ermordet Rom, 29. Juni. (Eig. Tel.) In Neapel wurde gestern mittag gegen I Uhr der Präsident der italie- nvschen Kammer Pietravalle auf dem Oberdank, platz von einem Unbekannten überfallen und durch einen Dolchstoß lebensgefährlich ver, letzt. Es scheint sich um die Tot eine« A^>eits- losen zu handeln, der vor einigen Tagen bei Pietra- volle um eine Stelle nochgekommen ist. Der Zustand de» Präsidenten ist hoffnungslos. Der Dolch, ein Schustermesser, ist in die Magenhöhle ein- gedrungen. Pietravalle gehörte der demokratischen Fraktion der Kammer an. Meine politische Nachrichten Wie au» Schwerin gemeldet wird, ist der mecklen- burgische Staatsminister Asch wegen persvn- kicher Angriffe im Landtage und wegen der Unter- Zeichnung der Roggenwertanleihe -urückge- treten. Der Reichsrat hat gestern eine Verordnung zur Aenderung der Valutasvskulations- ordnung und de» Kapitalfluchtgesetzes angenommen. Es handelt sich dabei um das Verbot des Ankauf» von ausländischen Effekten von einem ausländischen Verkäufer und um da» Vorgehen gegen den Notenhandel. * Wie au Hagen gemeldet wird, besetzte eine Ab- teilung französischer Soldaten in Stärke von etwa 300 Mann die historische Hohensiegburg. Am Denkmal wurde die Trikolore gehißt. * Da» Revisionsgericht der Rheinarmee in Düssel dorf hat die von Direktor Kellermann von der Gute Hoffnungshütte und von Bergassessor Falke, Direktor der Rombacher Hütte, gegen ihre Per- urteilung zu 5 Jahren Gefängnis und 170 Mil- liarden und 42 Milliarden Mark Geldstrafe ein- gelegte Berufung verworfen. * Ein Eisenbahnunglück, da» am Mittwoch abend in der Nähe de» Gelsenkirchener Hauptbahn- Hofe» einen französischenGüterzug traf, hat unter dem französischen Eisenbahnpersonal drei Tote gefordert. Die Zahl der Verwundeten steht-" noch nicht fest. Die Unglücksstelle bildet einen wüsten Trümmerhaufen. Der Londoner Parteitag der englischen Ar beiterpartei hat den Abgeordneten Newbol », der sich offen zum Kommunismus bekannt batte, mit 2,2 Millionen gegen 200 000 Stimmen aus der Frak- tion ausgeschlossen. In London sind di« britischen, französischen und spanischen Sachverständigen zur Beratung der Tangerfrage im Forrign Office zusammen getreten. England ist vertreten durch den britischen diplomatischen Vertreter in Tanger Robertson, Frankreich durch Beaumarchö von der Kolonial abteilung de« Ouoi d'Orsay und Spanien durch den Marquis dela Torrehermosa vom spanischen Auswartigen Amt. .