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Im Nurbad Don Voizl Bad Salzschlirf, Ende Juni. Geh nicht hin, wenn du nicht mußt. Das Muffen ober wird ausgewogen durch jene höchste Solidität der Lebensverhaltnisse, die außer dem Grund zur Benützung der Kur auch volle bür- gerliche Ueberlegenheit schafft. Ein erschöpfender Menschenkenner war Shakespeare doch nicht, als er die wohlbeleibten Männer als Typ der Gutherzigkeit hinstellte. Vielleicht hatten sie vor einem Julius Cäsar Respekt; dafür ist ihnen aber auf der andern Seite ein sehr feiner Instinkt eigen für die Mitmenschen, die keine Cäsarennaturen sind. Im Alltag kümmerst du dich wenig darum, ob du etwas hiervon an dir hast. Aber komm nur ins Kurbad, da merkst du sehr bald, daß du etwas bist, auf das der wohweleibte Mann herabsieht; etwas Winziges, Stipendiatenhaftes. Du hast kein Automobil, du wirst nie ein Automobil haben. Das merkt der Wohl beleibte dir sofort an. Woran? Mensch, du kannst ja gar nicht mitreden! Daß das Wetter heute schlecht ist, daß es schon Wochen lang schlecht ist, daß es nie besser werden wird schrei das dreimal täglich über die Tafel, aber so, daß alle Leute von dieser Weisheit erschlagen sind, dann kannst du dir Respekt verschaffen. Aber du Un- aliickswurm mußt lospiepsen, daß wir uns hier auf dem ältesten Boden deutscher Kultur befinden, wo bereits Karl der Große — — kein Wohlbeleibter guckt dich mehr an. Und dennoch — du kommst nicht los von den gro- hen breiten Herren des Kurbads. Wie eine Schlange ihr Opfer durch den bloßen Blick bändigt, so hat das Dicke hier überall den Suprriorttätskomvlex. Sitze nur im Korbsessel neben einem solchen dicken Herrn. Lr mag doch nicht da» geringste angehen, nicht eines Blickes seiner stets halbgeschloffenen Augen würdigen — du bist machtlos. Verzweifelt rufst du deine Phan tasie herbei: der Kerl ist doch nur Schieber, kann keinen richtigen Brief schreiben und davon, daß wir uns hier auf dem ältesten Boden deutscher Kultur befinden, wo schon Karl der Große...., hat er ge wiß keine Ahnung, das nützt dir alles nichts. Du ßnDst in Demut zwcück; der Dtcko^ebietet dtr, allein durch seine Körperfülle, daß du etwas stammelst, und wenn das Urteil über dich noch nicht durch das Fehlen von Wulsthals, Perlennadel und schwarze Fingernägel zusammengefügt ist, jetzt vollendet sich dein Unglück, weil der Dicke vurch Schweigen auf deine Anrede dich moralisch einfach zerquetscht. Armer Schlemihl, der du dich ohne Schatten von Wohlstand und Automobil in das Reich der Wohl beleibten verirrtest, die selbst einen breiten Schatten werfen! KraMe nur herum in deinen Kenntnissen, Leistungen, in der Wonne deiner Sehnsucht, in der Lust deines Geschmacks, es bleibt alles eitel Selbst befriedigung gegenüber dem Dicken, der Bürgertum und Platz repräsentiert. Was du br^est, isi nicht « inen Dreier wert. Aber ein Automobil, das ist etwas So lides. Das beweist, daß einer in dem Rennen um das, was alle begehren, Sieger geblieben ist. Einen Satz formen ein treffendes Adjektiv finden, da macht kein vernünftiger Bürger mit. Du bist stolz, weil du Primus bist. Der Dicke aber sagt sich, daß du der einzige in der Klaffe bist, und er findet dich mit deinem Primat albern. Welch klägliches Gewächse aber stellst du nun gar dar, wenn du dich unter die Gesellschaft der Dicken mischst! Hi-I-, ans der . Mandelbahr ", schieben si- sic ' gemessenen Schrittes dahin, und wenn einer auch den andern nicht kennt: sie fühlen sich als Gemein- schäft der Dicken. Ihre Zehengelenke dienen als Nie derlagen für Kaviar und Pasteten, was sic nicht mehr ganz gesund erscheinen läßt: es zwickt mitunter. Aber vollständig auf der Höhe, allen Zweifel beiseite schiebend, ist ihr Ichgefühl. Da kneipt und wuppert nicht das Geringste. Heute ist das Wetter schlecht, gestern war cs schlecht, morgen wird es auch schlecht sein — was soll es mehr der Unterhaltung? Diese Unterhaltung ist echt, denn sie spiegelt Klarheit des Denken« wieder, das überdies durch sie erschöpft wird, Und dieses Denken hat bisher genügt zu einem Auto- mobil im Werte von einer viertel Milliarde. Auch hat es die Diamayten eingebracht, die die Gattin hoch oben fast wagerecht auf der Brust trägt. Die Gattin, für die die Made das praktische c^ewand des Jumpers erfand, der elastisch mit jeder Ausdehnung mitgeht. Hast du gute Augen, so kannst du van einer Flanke solch einer Gattin bis zur anderen hinüber sehen .... Geh nicht in» Kurbad, wenn du nicht mußt! Svv 2L. — D' - , Orlcetu» vulgaris Da» heißt auf deutsch: der gemeine Hamster, der sich vonz Obt und Kaukasus bis zum Rhein und zum 60. Grad nördlicher Breite, am häufigsten in Thüringen, findet. Jetzt hat die bei uns auftretendc Art, die zwar anders aussieht als das in Meyers Konversations lexikon (Nagetiere, Figur III) abgebildete Tier, ansonsten aber alle Eigentümlichkeiten mit ihm gemeinsam hat, ein neues Betätigungsfeld gefunden: e» werden Telephonmarken gesammelt; das geschieht seit dem Tage, an dem die erste Kunde von -er Erhöhung der Telephongebühren laut wurde. Diese neue .Sammelwut" dürfte bei uns vor kommen, denn der Oicotuz vulgaris ist in England, der Schweiz, in Dänemark und Schweden unbekannt. Aber während sogar das Konversationslexikon be merkt, daß der durch den „Hamster angerichtete Schaden sehr bedeutend ist", und daß deshalb „die Behörden auf seine Einlieferung öfter Prämien aus gesetzt haben", geschieht bei uns nichts Der Beamte, bei dem ich mich nach den Marken-Hamstcrn er- kündigte, lächelte sogar recht gütig und verständnis innig. Er unterschätzt die schnelle Vermehrung. Und wenn man liest, daß im Jahre 1818 in der Stadtflur Gotha allein 111817 Hamster gefangen wurden, muß man erkennen, daß man heute nicht mehr so tüchtig ist. Vielleicht ist die Behörde auch „feiger" geworden. Denn „der Hamster ist sehr wild und zornig und seht sich gegen Menschen heftig zur Wehr!" sagt das Lexikon. Versuchen könnte man es aber doch einmal. Schon wegen des Fiskus, der nach dem 1. Juli um die erhöhten Sprechgebühren betrogen werden soll. Seftuir Goch» Minute« Souueuschein iu einer Woche. Wir Deutschen sind gewiß durch den Sonnenschein nicht verwöhnt, und besonders in diesem Sommer nicht. Aber es geht uns doch noch besser als den Londonern, die lange Monate in einer ewigen Wolke von Rauch und Nebel leben. Wie in der Umschau mitgeteilt wird, ergibt sich aus den Wetter berichten von Greenwich, daß London und seine nähere Umgebung im vergangenen November wäh rend sieben aufeinander folgender Tage nur sechs Minuten Sonnenschein hatte. Dieser Mangel an Sonnenschei» zeigt sich in der Sterblichkeitsstatistik, die in der erwähnten Woche auf 13^ pro Tausend anstieg. Aber dieses Fehlen des Sonnenscheins kostet außer Menschenleben auch riesige Summen. So hat man berechnet, daß ein einziger starker Nebeltag London zu Mehrausgaben von einer Million Pfund Sterling zwingt, die durch stärkere Beleuchtung, durch besondere Transportmittel, durch Wäsche, Verlust an Löhnen und durch Verzögerungen verursacht werden. Siu künstlicher Blitz von zwei Millionen Bolt. Die stärkste elektrische Kraft, die jemals von Men schenhand hervorgebracht worden ist, eine Karst von zwei Millionen Volt, wurde kürzlich in den Labora- torien der Allgemeinen Elektrizitätsgesellschaft von Pittsfeld in Amerika erzeugt. Sie erreicht in ihrer elementaren Wirkungskraft den Effekt eines Blitz- strahls. Die Kraft wurde an einem in kleinem Maß stab zu diesem Versuch aufgebauten Dorf erprobt, das im buchstäblichen Sinne des Wortes durch die Ent ladung in Stand verwandelt wurde. Man verdankt die Erzeugung dieser gewaltigen Kraft dem Italiener Guiseppe Faccioli, der sich in Amerika den Ruf eines neuen Edison erworben hat, und der das Experiment zu dem Zweck ausführte, das Leitungsnetz der Ge- seschaft gllegen Blitzschäden zu sichern. Faccioli be hauptet, daß die Erzeugung so hochgespannter Ströme oer Umformung der Materie zu natürlichem Wege unendlich lange Zeit erfordert, im dienen bestimmt ist, da sie eine Entwicklung, die auf Augenblick her- vorzubringen vermag, so daß man auf diesem Wege Kohle und Diamanten künstlich erzeugen könnte. Jedenfalls bedeutet die Erzeugung einer so gewal tigen Spannung von zwei Millionen Volt eine außerordentliche technische Leistung. Bei« Baumfällen erschlagen. In der Ritterguts- waltung Niederforschhein bei Marienberg wurde ein Waldarbeiter beim Fällen von einem Baumstamme erschlagen. Einbruch bei einem Abgeordnete». Die Berliner Wohnung des Landtagsabgeordneten Oberregierungs- rat N e g e n b o r n am Schöneberger Ufer wurde von Einbrechern heimgesucht. Ein Koffer mit sämtlichen Anzügen und eine Ledertasche mit verschiedenen Schmucksachcn im Gesamtwerte von 15 Millionen Mark sind gestohlen worden. Ein englisches Riesen-U-Boot. Geheimpolizisten der Londoner City haben in den Bureaus des Daily Herold das Original und die Kopien einer Photo graphie des neuen britischen Riescn-U-Bootes kon fisziert. Diebstahl in einem Schlosse. Im Schlosse zu Kauppa (Lausitz) wurden von unbekannten Dieben drei echte Perserteppiche, fünf Fuchsfelle, eine Akten tasche mit goldenem Schlöffe und zahlreiches Silber gerät gestohlen. Der Gesamtwert der Deute beziffert sich auf viele Millionen Mark. Kupferdrahtdiebstahl. Aus der Freileitung vom Morgensternschacht 2 bei Zwickau nach Schacht 3 sind über 220 Meter Kupfcrdraht im Werte von 25 Mil lionen Mark gestohlen worden. Indianer von heute. Die Zeit der Indianer romantik, der Lederstrumpf, Winnetu, Eitting Bull usw. scheint endgültig vorbei zu sein. Ein ge- bildeter Indianerhäuptling von heute, zivilisiert, friedfertig und ehrbarer Architekt, hat sich kürzlich in New 2)ork verheiratet. Der rote Mann nahm dabei den französisch-irischen Namen Mac Neil de Barras an. Seine glückliche Braut heißt Margaret Metcalf. l-elpLiger 'tsgeblatt imS RMaäeLEVsttiMg Raubausall an der jugoslawischen Grenze. Die fünfundzwanzigjährige Regina Pregent aus Siffek in Kroatien war in Begleitung eines "Mannes und einer Frau, die sie am Bahnhöfe in Laibach kennen gelernt hatte, über Oberseeland auf österrei chischem Boden gegen drei Uhr früh eingetroffen. Gegen fünf Uhr nachmittags des gleichen Tages fan- den sie nun in der Nähe von Eittendorf zwei Bäue rinnen in sitzender Stellung an einem Baume ange bunden fast ohnmächtig vor. Sie befreiten die Un glückliche und brachten sie in das nächste Dorf. Als sie sich einigermaßen erholt hatte, gab sie an, daß sie von ihren beiden Begleitern plötzlich «»gefallen, mit dem Erschießen bedroht, aller Kleider, die sie am Leive hatte bis auf das Hemd, und ihres Rei ekoffers be raubt und schließlich an den Baum gefesselt worden zu sein. In dem geraubten Koffer befanden sich der in Agram ausgestellte Reisepaß der Angefallenen und ein Großteil ihrer Habseligkeiten. Die Nachforschungen nach den Räubern sind eingeleitet. prol. vr. ^rtoik von SlrümpoU MrstNor vor UnIvorsNSIaUIInIU in «.»ipriz dvxsftt lisuis selnsn 70. Ssburiutss Eine Kanal-Konferenz in Leipzig? Der Anschluß Leipzigs an das große Schtffahrts- netz der deutschen Flüsse wird seit vielen Jahren er strebt. Schon vor 150 Jahren entstand das Kanal- Projekt Leipzig — Torgau, das eine direkte ' Verbindung mit der Elbe schaffen sollte. Seine Aus- , sührung war damals um so eher möglich, weil ! Torgau zu jener Zeit noch chursächsisch war, der ' Kanal also unter sächsischer Staatshoheit gebaut > werden konnte. Aber eine lange Kriegezcit trat hindernd dazwischen, und so geriet das Projekt in Vergessenheit. Vor Kundert Jahren tauchte dann der Plan auf, die Luppe schiffbar zu machen und sf eine Schiff- fnhrtsverbindung mit der Saale herzuftellen. Man kam jedoch nicht über den Plan hinaus, und erst vier Jahrzehnte später war es der Ingenieur Karl Heine, der in den fünfziger Jahren des ver gangenen Jahrhunderts mit dem Gedanken des " nues eines Elster-Saale-Kanals an die Oeffcutlichkeit trat. Mit der ihm eigenen Tatkraft ging er auch an die Verwirklichung des Werkes, aber -in Laufe der Jahre zeigte sich immer mehr, daß > vrivate Kraft nicht ausreichte, um solchen Kanal zu schaffen. Nach Heines Tode (1888) nahm sich der Elster- Saale-Kanalverein der Sache an und versuchte sowohl die Stadt Leipzig als auch den Landtag und die Staatsregierung für die Ausführung des Kanals zu gewinnen. Er erzielte jedoch keinen durchgreifenden Erfolg. Zwar wollte die Stadt Leipzig eine wesent liche Beihilfe gewähren, aber die Staatoregierung verhielt sich sehr lau. Hätte sie damals, vor etwa 20 Jahren, die Angelegenheit energisch in die Hand genommen, so hätten wir heute den Kanal! Ganz plötzlich ist nun vor etwas mehr als einem Jahrzehnt das Kanalprojekt Leipzig — Torgau wieder in den Bereich der Erörterungen getreten. Der Anlaß hierzu ging merkwürdigerweise nicht von Leipzig aus, sondern vom Oberbürgermeister Dr. Belian in Eilenburg, der kurzerhand in unserer Stadt eine Versammlung einberief, die zur Gründung eines Kanalvcreine führte. In einer späteren Versammlung wurde die Fortführung des Kanals nach Berlin ins Auge gefaßt, um so eine Verbindung Leipzigs mit der Havel, Spree und Oder zu erreichen. Das sind die Ziele des Kanal- j Vereins Berlin-Leipzig, denen allerdings der Welt krieg hemmend in den Weg getreten ist. Dieser Kanalverein Berlin-Leipzig hielt nun kürzlich eine Versammlung in Leipzig ab, die viel Interessantes und Neues bot. Dom Dor- sitzenden Dr. Belian wurde zunächst mitgeteilt, ein Vertreter der Wafferstraßenabteilung des Reichs verkehrsministeriums habe zwar erklärt, daß Mittel für Kanalbauten zurzeit nicht vorhanden wären, aber die Kanalvereine müßten unbedingt bestehen bleiben. In gleichem Sinne sprach sich Oberbaurat Mackowsky von der Kreishauptmannschäft aus, der, wie auch schon vom Vorsitzenden bekannt gegeben, die Mitteilung machte, daß die Kreishaupt- Mannschaft den Kanal in den erweiterten Be bauungsplan eingetragen hat. Bei der öffentlichen Auslegung seien nur wenige Einsprüche erhoben worden, die ihre Berücksichtigung finden werden. Es empfehle sich, daß auch andere Städte bei ihren Bebauungsplänen die Kanalführung berücksichtigen, damit bei einer Ausführung keine Schwierigkeiten entstehen. Die weitere Aussprache drehte sich zu einem großen Teile darum, wie man zu einer geeigneten Rentabilitätsberechnung gelangen könne. Es würde richtig sein, so führte der Vertreter der Leipziger .Handelskammer Dr. Uhlig aus, hierbei die Vor kriegszeit zugrunde zu legen, denn die Zeit der jetzigen Wirtschaftskrisis würde ein richtiges Bild nicht geben. Man beschloß, die paffenden Kräfte für die Vorarbeiten zu gewinnen. Vom Vorsitzenden wurde schließlich angeregt, eine Verständigung der vier Kanalvereine, nämlich Elster- Saale - Kanalverein, Kanalverein Berlin - Leipzig, Geraer Kanalverein und Gubener Kanalverein, über gemeinsame Fragen zu erstreben. Der Vertreter der Kreisbauptmannschaft stellte hierzu in Aussicht, daß diese Behörde die vier Vereine zu einer Aussprache einladen werde. Mit den Vorstandswahle'n, die u. a. die ein stimmige Wiederwahl des rührigen Vorsitzenden er gaben, erreichte die Versammlung ihr Ende. Dos Weiterbestehen de» Kanalverein» Berlin- Leipzig ist somit beschlossen. Hoffen wir, daß eine Kanal-Konferenz Ersprießliche» zutage fördert. Der große Nutzen eines Wasserwege» für eine so hoch entwickelte Industrie- und Handelsstadt wie Leipzig steht außer jeder Frage. Leipzig-Magdeburg elektrisch Am Dienstag mittag wurde auf der Bahnstrecke Roßlau — Gommern der elektrische Zugverkehr eröffnet. Damit ist die elektrische Zugver- bindung von Leipzig bis Magdeburg völlig hergestellt. An der Einweihungsfahrt der Strecke, die mit einem Sonderzug unternommen wurde, nahmen die Spitzenvertreter der Reichsbahn- direktionen Halle und Magdeburg teil, ferner Mit glieder der Reichs- und Anhaltischen Staatsregierung sowie Vertreter der mitteldeutschen Presse. Angefangen im Januar 1910, hat sich der Ausbau von elektrischen Derkehrsstrecken in Mitteldeutschland nur langsam entwickelt. Erst den letzten Jahren war es vorbehalten, dos einmal begonnene Werk zu voll- enden. Rund 177 Streckenkilometer sind heute elektrisiert. Diese ganze riesige Anlage wird von einem einzigen Kraftwerk, dem Werk Mulden, stein bei Bitterfeld mit Strom gespeist. Von Mul- denstein aus wird die elektrische Kraft mit 60 000 Polt an drei Unterwerke, die Transformation». Stationen, versandt. Bei Leipzig befindet sich das Unterwerk Wahren; die anderen beiden sind Marke und Gommern. Bei der Eröffnungsfahrt am Dienstag wurde auch das Unterwerk Gommern besichtigt. Don 60 000 Volt wird hier der Strom auf 15 000 Volt trans- formiert, um dann über die Drahtleitungen in die Transformatoren der einzelnen Motorwagen geschickt zu werden. Auch der Transformator eines solchen Wagens muß den Strom wiederum reduzieren, und zwar auf 500 Volt. Die große Bedeutung der Eröffnung dieser Strecke liegt darin, daß nun die erste längere Dahn- linie in Deutschland elektrisiert ist. Freilich ist diese Elektrisierung wirtschaftlich noch nicht rentabel. Sie wird es erst, wenn auch noch die Strecke Halle—Cöthen—Magdeburg dem elektrischen Zugverkehr übergeben wird, so daß das Kraftwerk Muldenstein seinen Strom auf ein weit größeres Gebiet verteilen kann. Vorläufig stellt sich noch der Dahnverkehr mit Dampflokomotiven billiger. Es wird aber nicht länger als zwei Jahre dauern, dann wird auch die Verbindung Halle—Magdeburg mit elektrischer Zugförderung hergestellt seirü Die Van arbeiten hierzu find bereits eingeleitet. furchtbarer Wolkenbruch im sletna- Gebiet Auf den Feuerausbruch des Aetna ist am achten Tage nach dem ersten Ausbruch ein Wolken bruch gefolgt, wie man sich eines ähnlichen mch'i erinnert. Das Wasser fiel mit Gewalt von Katarakten auf den rauchenden Berg nieder und die Blitze und Donner erinnerten mit ihrem Höllen- lärm an die ersten Stunden nach dem Ausbruch. Ein starker Sturm verteilte Staub und Asche über' all hin. Nach einer Meldung aus Catania hat sich in der Nacht zum Mittwoch im zentralen Krater des Aetna eine neue Explosion ereignet. Die Ausbruchs- tätigkeit des Kraters von Monte Nero dauert an und die Lava bricht noch immer reichlich aus der Oeffnung. Typhusepidemte. In Aerenfeldbei Hannover ist eine Typhusepidemie ausgebrochen. Bis jetzt sind 00 Erkrankungen zu verzeichnen. Neuschnee tu Südtirol. In Sübtirol,'vor allem in der Gegend von Bozen und Meran, ist Neuschnee gefallen. Es herrscht Wintertemperatur. Der Nächstbeteittgte zu Emil Ludwigs „Entlastung*, Zu dem Bericht Mer einen Besuch Leipziger und Marburger Studenten im Hause Doorn bei Wil helm II., den wir kürzlich Wiedergaben, und der in der Presse viel beachtet wurde, war auch gesagt worden, daß der Kaiser auf Emil Ludwigs Stück „Die Entlassung" sehr schlecht zu sprechen sei und es als „völlig schi.f. parteiisch und sensations lüstern" ablehne. Das war nicht anders zu erwarten bei einem Manne, der alle Dinge stets so subjektiv gesehen hat wie Wilhelm II. Nun will es der Zu fall, daß in den siebcn erschienenen Erinnerungen des Fürsten Philipp zu Eulenburg-Herte- feld („Aus fünfzig Jahren", Verlag von Gebrüder Partei in Berlin!, einem außerordentlich inhalts reichen Buche zur Geschichte der wilhelminischen Zeit, eine Darstellung von Wilhelm II. selber vorliegt, die er Eulenburg unmittelbar nach dem Ereignis über seine entscheidende letzte Unterredung mit Bismarck gegeben hat. Zn seinen aus den Jahren 1890/01 stammenden Aufzeichnungen hat Eulenburg die Vorgänge bei der Entlassung Bismarcks in einer Form niedergelegt, die er zur Veröffentlichung nach seinem Tode be- stimmte. Die bekanntlich sehr stürmisch verlaufene Unterredung am 15. März 1890 in der Villa Her bert Bismarcks im Reichskanzlergarten schilderte der Kaiser unmittelbar danach — wörtlich, wie Eulen- bürg hervorhebt — in ruhiger Weise und an- scheinend ohne Bitterkeit folgendermaßen: „Ich saß am Tisch, den Säbel zwischen meinen Beinen, eine Zigarre rauchend. Der Kanzler stand vor mir, und seine sich immer mehr steigernde Heftigkeit machte mich immer ruhiger. Schließlich ergriff er eine große Schreibmappe und warf sie mit einem Knall vor mich auf den Tisch. Ich fürchtete, er würde mir da» Tintenfaß an den Kopf werfen! Nun, ich hielt ja eben meinen Säbel! Ich habe nicht geglaubt, setzte der Kaiser mit tiefer Be- trübnis hinzu, daß der Fürst imstande sei, so sehr den schuldigen Respekt vor seinem König zu ver- gcffen. Scin Größenwahn und meine Ruhe machten ihn rasend. Nachher weinte er plötzlich. Dann aber fiel er wieder in seine Heftigkeit zurück. Ich ver- longte die Kassierung der alten Drucke von 1882 — er weigerte sich. Lr gab mir in nichts nach. Ich sagte ihm zum Schluß, daß ich eine Mitteilung die geschehene Kassierung der Drucke verlange." Da diese Darstellung Daldersee in seinen Lr- innerungen erwähnt, dem der Kaiser alles auch noch am selben Tage erzählt hat, so dürfte diese Schilderung der denkwürdigen Unterredung, ab- gesehen von den rein subjektiven Urteilen über di» Sachlage, ungefähr der Wirklichkeit entsprechen. Dann aber ist auch Otto Ludwig» Darstellung durch aus nicht so -schief, parteiisch und sensationslüstern", wie der Kaiser es heute wohrhaben will. Rur daß der Kaiser bei der Unterredung gesessen hat, und daß die Briefmappe noch etwas kräftiger auf die Tisch- platte niedergesaust ist. Ruhiger konnte bei solcher Unterredung natürlich der bleiben, der, wie wir jetzt von Wolderse« wissen, schon fett drei Vierteljahren entschlossen war, seinen Kanzler zu entlassen. Karl Scheidemautel, dessen Tod wir gestern meldeten, war vor zwanzig Jahren einer der besten Baritonisten deutscher Zunge. Lin Vierteljahr- Kundert (bis 1S11) wirkte er an der Dresdener Oper mit Perron zusammen im gleichen Fach. Oft erschien er in Hauptrollen, wie Amfortas, Kurwepal, in den Bayreuther Festspielen. Auch al» Be arbeiter und Uebersetzer Mozartscher Opern hat er Erfolge gehabt. Sein« Don-Iuan-Uebersetzung wurde preisgekrönt, Hot sich aber nicht durchgesetzt. Auf gesangspädagogischem Gebiet veröffentlichte er die wertvollen Werke: „Stimmbildung" und „Gesangs- bildung" (beide bei Breitkopf L Pariel). Als Direktor der Dresdner Oper ist er nur zwei Jahre tätig gewesen. Di« diesjährige Tagung de» Deutsche» Serkbuude» Der Deutsche Werkbund halt seine diesjährige Iahresversammlung am 14. und 15. September in Weimar ab. Zur Besprechung sollen vornehmlich di« Fragen der Erziehung unseres künstlerischen Nachwuchses kommen. Line Ausstellung von Lehrer und Schülerarbeiten de» Weimarer Bauhause» und ein vom Bauhaus errichtete» Wohngebäude mit seiner Ausstattung werden Gelegenheit geben, die ersten zusammenfassenden Ergebnisse diese» inter essanten und vielumstrftienen Versuche» kennen zu lmmen.