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Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 27.06.1923
- Erscheinungsdatum
- 1923-06-27
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-192306276
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-19230627
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-19230627
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1923
-
Monat
1923-06
- Tag 1923-06-27
-
Monat
1923-06
-
Jahr
1923
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,W» Aller schon dagewesen Die alte Weisheit, daß alles schon einmal da gewesen sei, gilt auch für die heutige Zeit. Wir seutzen unter allen möglichen Uebeln und glauben, daß unsere Dorfohren es immer viel besser hatten. Dlüh blättern wir in der Geschichte, so finden wir er ander». Drei Jahrhunderte zurück und wir lesen in den Leipziger Chroniken, daß die da maligen Einwohner der Stadt dieselben Nöte durch- zummhen hatten wie wir heute. So berichtet der Chronist aus dem Jahre 1623 und der folgenden Zeit, daß die Steuern außerordent lich erhöht werden mußten. Die Wein- und Fleisch- steuer entstand in jenen Jahren. Die Stadt war das Asyl armer Verjagter, Dürftiger und Kranker. Gegen tausend Obdachlose irrten umher, das war ein Sieb- zehntel der damaligen Einwohnerzahl, ein bedeutend höherer Prozentsatz als der der heutigen Wohnungs- losen. Befremdend erscheint es dem Chronisten, daß auch in dieser traurigen Zeit die Verordnungen gegen Luxus aller Art erneuert und verschärft werben mußten. Perlen und Edelsteine zu tragen, wurde verboten, die seidenen Strümpfe mit goldenen und silbernen Zwickefir untersagt; Ratsdien.er wur den an die Kirchen gestellt, um den Weibern die verbotenen Gegenstände abzunehmen. Auch die heutige Not der Hypothekengläubiger war damals die Ursache mancherlei Kummers. Als Folge der „schädlichen Veränderung der Münzen" tauchte die Zunft der Wipper und Kipper auf, die Edelmetalle austauften, einschmolzen und mit leichter Münze anscheinend reich bezahlten. Die Leute waren dermaßen verblendet, daß sie für solches kupfernes Geld den Kippern und Wippern auch ihr Geschmeide, ihre Ketten, Becher und dergleichen Hingaben, die sie nachmals kaum mit vierfachem guten Gelbe wieder an sich bringen konnten. „Diele Güter, so mit Schulden überhäufet ge- wesen und viel teurer, als sonst bei gutem Gelbe ge schehen wäre," so sagt der Chronist, „sind verkauft worden, dadurch die Schuldenlasten abgetragen und die Gläubiger mit solchem schlechten Gelde sich haben abfinden müssen. Nicht weniger haben auch die Kirchen- und Schuldiener und andere, so von gewisser Besoldung leben, ingleichen armen Stipendiaten und ander gute Leute, so mit gedachter geringer Münze ausgezahlet worden, solches mit Schaden erfahren und sind darüber in merklichen Verlust geraten, in dem sie statt eines Güldens nur dritteinhalb Gro schen guten Wert nachempfangen." Mau sicht: Es war schon alles dal X. 1k. Deutsche Gerechtigkeit. Nach Zeitungsberichten ist in der französischen Kammer Protest erhoben worden gegen einen Beschluß der vierten Kammer für Handels- fachen beiun Landgericht Leipzig, vom 9. April 1823, durch dey einer in Mülhausen ansässigen, in einem Zivilprozeß als Klägerin auftretenden Firma mit Rücksicht auf die durch den Ruhreinbruch geschaffenen Verhältnisse jede weitere gerichtliche Hilfe verweigert worden ist. Es sei hierzu festgestellt, daß dieser Be schluß inzwischen durch Entscheidung des Oberlandes- gerichts aufgehoben worden ist. Nachzahlung auf die Ruhestandsbezüge. Den im Ruhestand befindlichen Staatsbeamten und Geist lichen, ferner den Lehrern und ihren Hinterbliebenen wird in der ersten Woche des Juli ein Nachzah lungsbetrag zu ihren Dersorgungsgebührnissen für Juni und Juli überwiesen werden. In diesem Betrag ist zugleich ein Abschlagsbetrag für die neueste Erhöhung der Gebührnisse enthalten, die ab 16. Juni infolge Bemessung des Versorgungszuschlages auf 6000 v. H. einaetreten ist. Mit diesem Nachzah- lungs- und Abschlagsbetrag werden die Dersorgungs- gebiihrnisse bis auf eine verhältnismäßig geringe Spitze nach dem gegenwärtigen Stande Überwiesen sein. Sechs Person«« von einem Auto überfahren. Aus Chemnitz wird uns berichtet: Von einem Auto überfahren wurde eine Gruppe von 6 Per sonen auf der Bergstraße, die am Bordstein der Fahrstraße standen und sich unterhielten. Eine 46 Jahre alte Witwe und ihre 19jährige Tochter Vie Kunst, arm zu werden Don I.u«>vrls 8p«Ir>«I Dieser Aussatz ist nach den «rtogSjahren 1870/71 geschrieben, als Oesterreich insolge einer Finanzkatastrophe einen ähnlichen BerarmungL- prozetz durchmachte wie wir. Ludwig Speidels Betrachtungen, die wir de» gesannnelien Schrif ten (Berlag Adeher L Festen, Berlin), 3. Band des prachtvollen Wiener Feuilletonisten ent nehmen. sind, wenn man die entsprechMdcn Korrekturen vornimmt, sehr zettgemäh. Als mein alter Kanarienvogel kurz vor Weih- nachten wieder zu singen begann, dachte ich bei mir selbst: Das muß doch eine fröhliche Zeit sein, wenn selbst dieser betagte Herr, kaum einer gründlichen Mauser entgangen, sich ein neues goldenes Gefieder wachsen läßt und in die Stube hineinschmettert, daß einem die vier Wände fast zu eng werden. Und als .ich ihm vollends ein duftiges Tannenreis in den Käfig steckte, da sang er immer heftiger, wobei er auf der hölzernen Sprosse langsam tanzte und seinen blaßgelben Federwisch wie trillernd bewegte. Nach diesem Bogel zu schließen, sieht es in der Welt un- endlich heiter aus. Freilich,'er hat seinen Hanfsamen, sein frische« Wasser, sein Stückchen Zucker, und somit seine glücklichen Tage; aber für un» Menschen, we nigsten» für die Mehrheit, ist er kein Verkünder gegenwärtigen Glückes, höchstens ein Prophet der Zukunft.... Zur Linderung der Rot oder doch wenigstens zur Milderung der pessimistischen Anschauung möchte ich «in Hilfsmittel moralischer Art empfehlen: Die Kunst; arm zu werden. Arm sein, ist keine Kunst; man muß es eben, wie man blond ist oder braun; aber arm werden oder vielmehr ärmer werden, sich mit einer Art Genuß von der Höhe des Wohlstandes herabgleiten zu lassen, indem man das Werk der Notwendigkeit in einen freien Entschluß verwandelt — da» ist eine Kunst, welche nur die wenigsten verstehen. Ich habe e» al» ein Mittel gegen die Seekrankheit erprobt, die Bewegungen de» Schiffes mitzumachen, al« ob es die eignen wären. So auch bei empfindlichem Glücks- wechsel, man muß sich nicht gegen den Rhythmus einer solchen Veränderung stemmen, sondern ihm willig folgen. Um diese» zu können, dazu gehört fteilich einige», aber gor nicht zu viel: man muß das Talent besitzen, die Dinge mehr aus ihren inner» «k. 1« llettL S wurden dabei schwer verletzt, zwei Männer /und eine Frau erlitten leichtere Verletzungen. Außerdem wurden zwei Handwagen und ein Fahr- rad, dessen Besitzer sich noch durch Abspringen vor dem Ueberfahrenwerden schützen konnte, bei dem Zusammenstoß schwer beschädigt. Die Rache de» Verschmähte». Einem Brautpaar in Beulshausen in oer Nähe von Braun schweig wurde durch einen Streich Übel mitgespielt. Es hatte sein Aufgebot bestellt, aber da« Auf- gebot verschwand, ehe die Aushängefrist be endet war, aus dem Standesamtskasten. Stattdessen fand sich dort ein Zettel mit der, Aufschrift: „Die Rache des Verschmähten." Die Hochzeit mußte um zwei Wochen verschoben werden, um die Aushänge frist zu wahren. Lin Vries ab 1. Kugust 1000 Mk. B-lUn, SS. Juni. <Lig. T - >-> Noch Ist dl- für den 1. Juli vorgesehene Portocrhöhung nicht in Kraft getreten und tzchon gibt das Rcichspost- Ministerium die Grundzüge der von ihm für den 1. August neugeplanten Festsetzung der Gebühren bekannt. Ausganspunkt des neuen Tarife» ist darnach ein Portosatz für Fernblicke in Höhe von 1000 Mark. Die Postkarte kommt auf 400 Mark, der Ortsbrief kostet ebenfalls 400 Mark, die Orts- karte 200 Mark. Die Telegrammgebühren werden vervierfacht, so daß jedes Wort 800 Mark kostet. Um etwa 250 Prozent erhöht werden die Fernsprechgebühren. Das Ortsgespräch soll 500 Mark kosten, während es jetzt 30 Mark kostet, und ab 1. Juli 150 Mark. Die Grundgebühren sollen erst ab 1. Oktober neu geregelt werden. Wie aus dem Reichspostministerium mitgeteilt wird, hat unter der gegenwärtigen Markentwertung der Telegrammverkehr eine noch nie erzielte Aus dehnung genommen. Am 22. Juni wurden in Berlin 154 262 Telegramme gezählt, gegenüber einem Normalstond von 80 000 bis 90 000. Kampf zwischen einer Räuberbande und Dorf bewohnern. Eine Räuberbande überfiel in der Nacht das Gehöft des L^dwirtrs Knauth in Pergau bei Merseburg. Knauth und sein Sohn traten den Spitzbuben entgegen, wurden aber sofort niedergeworfen und gefesselt. Die Banditen plün derten daraufhin das Haus und raubten den Geld schrank aus, der recht gut gefüllt war. Dann flüch teten sie. Es gelang dem alten Knauth, sich seiner Fesseln zu entledigen und die Nachbarn zu alarmieren. Die Hausbewohner machten sich an die Verfolgung der Räuber. In der Nähe von Lenne witz konnte man sie einholen. Sie setzten sich mit Pistolen zur Wehr. Einer von ihnen wurde durch einen Flintenschuß verwundet, und nunmehr gelang es drei von den Räubern festzunehmen. Es stellte sich heraus, daß es Arbeiter aus Döllnitz bei Halle sind, die systematisch Raubzüge in die Umgebung unternahmen. Eine ganze Fuhre Langholz gestohlen. Im Walde bei Ringel ah haben unbekannte Spitzbuben nachts eine große Menge geschlagene» Langholz, das eine Holzgroßhandlung gekauft hatte, gestohlen. Es handelt sich um einen Transport von etwa fünfzig Millionen Mark Wert. Ein feiner Gesandtschaftrsekretär. In einem Frankfurter Hotel war der Sekretär der Berliner Gesandtschaft der Republik Georgien, der Student Lewan Roundadza, mit einer Witwe, die ebenfalls aus dem Osten stammte, abgestieaen. Während des kurzen Aufenthaltes gelang es dem Studenten, seiner Dame Wertsachen und einen Ge päckschein zu stehlen, mit dem er sich den auf dem Bahnhof deponierten Koffer holen wollte. Bei, diesem Versuche wurde der Student festgenom- men. Man fand in seinem Besitz nicht nur 17 Mil- lionen Mark Bargeld, sondern auch einige der Dame gestohlene Perlenkolliers mit über 70 Perlen. Unglück auf der Rew Parker Hochbahn. Bei einem Unglück auf der New Parker Hochbahn wurden 2 Personen getötet und 6 schwer verletzt. Wert als auf ihren Preis anzusehen. Man kann kleines Kapital innerlich potenzieren, es fruchtbarer machen, indem man billigen Sachen einen Affektions- wert beilegt. Dazu braucht man einige Phantasie des Herzens und jenen idealisierenden Blick, der nicht etwa übertreibt, sondern nur durch die Schale den Kern sieht. Wenn ich meine Seele in das ge- ringstc Ding hineinlege, so kann ich seinen Wert hun dert- und tausendfach steigern. Das ist das Ge heimnis der Wbe. Ich habe Wälder und Felder von unabsehbarer Ausdehnung verloren, aber mein Haus gärtchen ist mir geblieben mit seinem Lindenbaum und seinen Rosenhecken und seinen Solatbeeten; ich übersehe es leichter, ich kann es lieben, weil ich es umfassen kann. Ja, ich habe mein Hausgärtchen ver loren, aber was hindert mich daran, den beglückten kleinen Großgrundbesitzer zu spielen, wenn ich die Blumen vor meinem Fenster begieße? Ein ver- schwundenes Glück läßt immer ein anderes nach, vielleicht kleiner als das vorige, aber nur klein und lieb wie die Kinder, und diese Perspektive des ver kleinerten, aber nicht verminderten Glückes ist unendlich. Der moralische Zug unserer Zeit bewegt sich frei- lich nicht in der Richtung dieser Bescheidenheit und Selbstbescheidung. Da« letzte Jahrzehnt hat ein« ver derbliche Krankheit ausgebrütet, welche die Gemüter auszudorren und jede sittliche Kraft zu lähmen drohte. Es ist die krankhafte Neigung, um jeden Preis Millionär werden zu wollen. „Das Vergnügen beginnt erst bei der zweiten Million," konnte man wie oft sagen hören, während doch nach vielfacher Er- fahrung die zweite Million die geborene Feindin der ersten ist. Aber man müßte nicht nur eine Million, man mußte Millionen haben, um auch die Sprößlinge des Millionärs zu Millionären machen zu können. Die Kinder sind so reich wie möglich in die Welt zu entlassen, das war fast der einzige Erziehung«-* grundsatz. Als ich nach der bekannten Krisis mit einer Dame sprach, deren Vermögen einige Einbuße erlitten, zeigte sie sich um ihrer Kinder willen ganz aufgelöst und untröstlich. „Wo ich gehe und stehe," sagte sie, „im Wachen und im Schlaf, ist e« mir, als HHrte ilb meine kleine Marie bitterlich weinen!" Die arme Marie, sie wird sich schlimmstenfalls nur mit einer halben Million behelfen müssen! Aber so tief steckte die Millionärkrankheit den Leuten ia den Glie- Vern, daß es sie unglücklich macht«, ihre Rachkommrn Nie ne««« Sieuer Ermäßigungea Da» fortgesetzt« Sinken der Mark hat der Reich»- regierung Veranlassung gegeben, die Steuer ermäßigungen für den Steuerabzug vom Ar beitslohn wesentlich zu erhöhen. Die erst mit Wirkung vom 1. Juni 1923 puf 12«» «. 12 » 8«»« M 1«»«» «. «ouatttch: 12«» «. 2 stündlich: 12 «. wSchentlich: täglich: 288 M. 48 M für »en Arbeitnehmer, 288 «. 48 «. für »ie »hefran, 192» «. »20 «. für je 1 K n» n>» 24«» «. 4«» «. 1«» «. für »ie allgemeine« Werbnugtkostc» festgesetzten Beträge sollen nunmehr mit Wirkung vom 1. Iuli1923 entsprechend der vor einigen Tagen vom Steuerauoschuß des Reichstages getroffenen Entschließung einheitlich verfünffacht werden. Danach wären die vorstehenden Sätze auf monatlich: wöchentlich: täglich: 2ftün»lich: 6000«. 144» M. 24» M. 0» «. für »e« Arbeitnehmer, 6000«. 144» M. 24»«. »» «. für »ie Ehefrau, 4»»»»«. , SSOO M. 1«»»«. 4«»«. für je 1 Nin» nn» S»VV»M. 12»»» M. 2«»V «. öS» «. für »ie allgemeinen «erbungskoften zu erhöhen, d. h'. also, von jedem nach dem 30. Juni 1923 zur Auszahlung kommenden, jedoch erst nach dem 30. Juni 1923 fällig werdenden Lohn, wird als Steuer 10 Prozent gerechnet, und von diesem Betrage die neu festgesetzte (verfünffachte) Er- Mäßigung abgerechnet. Der Rest ist dann ein- zubehalten und entweder in Steuermarken zu ver- wenden oder in bar oder bargeldlos an die Finanz- kaffe, die für den Betrieb zuständig ist, zu überweisen. Die einzubehaltenden BetEge find seit dem 20. April 1923 auf volle 10 -st nach unten abzurun den. Einzelbeträge von weniger als 10 -st werden nicht mehr einbehalten. Unser Hinweis auf die für nach dem 30. Juni geltenden Sätze der Steuerermäßigung stützt sich lediglich auf die allgemeine Pressenachricht aus Berlin. Sie werden auch diesmal erst rechtswirksam durch eine noch zu erwartende öffentliche Bekannt machung. Sobald diese in unserer Rubrik: „Oeffent- liche Bekanntmachung" erscheint, werden wir unsere Leser in geeigneter Weise besonder» darauf Hin weisen. * Gleichzeitig bringen wir unseren Lesern in Er- innerung, daß seit 1. Juni 1923 auch die Naturalbezüge gegenüber den vorher bekanntgewesenen ver- doppelt worden sind. Bei weiblichen Dienstboten ohne Altersunterschied werden demnach als Wert für Naturalbezüge statt wie in den Monaten März, April und Mai je 30 000 «>ü nunmehr pro Monat 60000 Mark zum Barlohn hinzugerechnet. Es steht zu erwarten, daß auch der Satz für die Natural bezüge demnächst wieder erhöht wird. Auch dies wird öffentlich bekannt gemacht. Für männliche Dienstboten und Gesellen usw. gelten seit 1. Juni 1923 als Wert für Naturallohn monatlich 80 000 -st (vorher im März, April und Mai je 40 000 -st). Andere als vom Landeefinanzamt Leipzig festgesetzte — vorstehend besprochene — Naturallohn sätze, die regelmäßig bei Neufestsetzung von den zuständigen Finanzämtern öffentlich bekanntgegeben werden, dürfen nicht benutzt werden, gleichviel, ob diese dem Werte nach hinter etwaigen tariflich festgesetzten Naturallohnsätzen stehen. Endlich machen wir unsere Leser darauf aufmerk- sam, daß gleichfalls mit Wirkung vom 1. Juni 1923 die Krieg»-efthädigten'Werb«ngsf»ste« wesentlich höher in Anrechnung gebracht werden. Jeder erwerbstätige Kriegsbeschädigte mit 30 und mehr Prozent Erwerbsbeschränkung hat Anrecht auf die Kriegsbeschädigten - Werbungskosten. Darunter ist ein Zuschlag zu den oben ziffernmäßig auf geführten allgemeinen Werbung» kosten zu verstehen. Bisher, d. h. vor dem 1. Juni 1923, kaut die» dadurch zum Ausdruck, daß auf Antrag de» Kriegsbeschädigten vom zuständigen Finanzamt ge- nehmigt wurde, daß je nach der Höhe der Erwerbs beschränkung im Januar und Februar 2400 «ll, 4800 Mark, 7200 -st oder 9600 ^st im März, April und Mai da» Vierfache dieser Beträge jährlich zur Steuerermäßigung hinzugerechnet wurden. Ie nach der Lohn- oder Gehaltszahlung wurden diese Be- träge durch zwölf, fünfzig, dreihundert oder zwölf- hundert geteilt, und dieser Teilbetrag zum all gemeinen Werbungskostensatz (siehe oben) hinzu- gerechnet. Seit 1. Juni 1923 ist da» Hinzunehmen der Kriegsbeschädigten-Werbungvkosten in einfacherer Weise möglich. Die Beträge sind aber obendrein in folge der Geldentwertung wesentlich erhöht worden. Das Hinzurechnen der Kriegsbeschädigten - Wer- bungokosten darf allerdings erst geschehen, wenn das Finanzamt auf Antrag des Kriegsbeschädigten die Genehmigung hierzu erteilt hat. Ist diese Geneh- migung erteilt, tritt folgende Berechnung ein: Soviel Prozent der Kriegsbeschädigte er werbsbeschränkt ist, genau soviel Pro- zente der allgemeinen* Werbung», kosten (siehe oben) gelten seit 1. Juni 1923 als Kriegsbeschädigten-Werbungskosten. Ist ein Kriegs- beschädigter z. B. 60 Prozent erwerbsbeschrankt, so werden für ihn 60 Prozent der allgemeinen Wer- bungskosten al» Zuschlag «zu den allgemeinen Wer- bungskoften berechnet. Wer weniger al» 30 Prozent erwerbsbeschränkt ist, bekommt nur bei beson deren Gründen — auch auf Antrag — Kriegs- beschädigten-Werbungskosten vom Finanzamt zu gesprochen. Neben den Kriegsbeschädigten-Werbungskosten wird auf Antrag ein besonderer Zuschlag gewahrt, und zwar für Oberschenkelamputierte 40 Proz., Unterschenkelamputierte 30 „ Beinapparateträger für das ganze Bein 30 „ Beinamputierte für den Unterschenkel 15 „ Armamputierte 20 „ ftntergrmamputierte 10 „ Hülsenträger für Unterarmamputierte 5 „ Besonderer Zuschlag und Kriegsbeschädigten- Werbungskosten dürfen — zusammengerechnet — nicht mehr als 100 Prozent der allgemeinen Werbungskosten betragen. Alle mit der Kriegsbeschädigung zusammen- hängenden Unkosten werden von jetzt ab durch die neue Derechnungsart al» abgegolten betrachtet. Die neue Derechnungsart darf nur auf besondere Genehmigung de» Finanzamtes angewendet werden. Neben dem Einzelantrag des Kriegsbeschädigten kann der Arbeitgeber zugleich für alle von ihm beschäftig, ten Kriegsbeschädigten Sammelanträge auf Geneh- migung der neuen Berechnungsart stellen. Diese Anträge sind aber trotzdem immer nur bei den für Kriegsbeschädigte zuständigen Finanzämtern an hängig zu machen. Wenn ein Finanzamt in einem Steuerbuch« be- reit» die prozentuale Erwerbsbeschränkung vermerkt haben sollte, was bei innerlicher Kriegsbeschädiguyg der Fall sein könnte, so braucht von diesem Kriegs- beschädigten kein besonderer Antrag gestellt zu wer- den. In diesen Fällen berücksichtigt der Arbeitgeber statt der nach „Markbeträgen" zugebilligten Kriegsbeschädigten - Derlustkosten den betreffenden Prozentsatz der Erwerbsbeschränkunq nach vvrstehen- der Anleitung. Die neue Berechnungsart gilt rückwirkend ab 1. Juni 1923, Zugleich auch für sonstige Er- werbsbeschränkte, insbesondere Blinde. Es kann dicserhalb ein Ausgleich nachträglich vorgenommen werden, worüber in den Demerknngospalten der Steuerabzugsunterlagen (Steuermarkenblatt oder Ueberweisungsblatt) ein entsprechender Vermerk ge- macht werden muß. Der Rentenbescheid oder ein« von den für Kriegs- beschädigte zuständigen Behörden ausgestellte Be- scheinigung gilt als Ausweis für die Crwerb»- beschränkung. nicht als Millionäre durch die Zukunft schreiten zu sehen. Für den Unsegen der Million hatten sie keine Augen. Wie sie zu blindem Genuß trieb, alle Dinge dieser Welt nach dem Preiskurant taxierte, die Fa- milieybande lockerte, davon wollte ma nichts sehen; die größten Verwüstungen geschahen auf dem Felde der Liebs. Daß solche widerliche Erscheinungen vermindert wurden, kann man als Segen der Ki«tsi» prei- sen.' Die Kunst, arm zu werden, ist an den soeben geschilderten Leuten verloren. Ich denke mir al» Zöglinge dieser Kunst ernstere, feinfühligere, bessere Naturen, welche begreifen, daß im Reichtum etwa« wie eine Schuld liegt, und daß der Verlust de« Heber» flüssigen eine Sühne für das noch Erhaltene bildet. Man muß sich auf kleinern und reinern Fuß ein- richten und den verlorenen äußern Glan- durch Hi- zensklugheit und einige Kunstgriffe de» Gemüt» zu ersehen suchen. Und dann bleibt ja noch die Arbeit' diese» heroische Mittel, die Sorge zu vergessen und sie in ihren Wurzeln zu zerstören. Während ich so weise rede, hebt mein Kanarien- voqel wieder zu singen an. Er läßt sich sein Recht nicht nehmen, fröhlich zu sein, und jubiliert wie eine Lerche. Am Ende hat dieser gute, dumme Vogel doch recht. Wir sollen das Notwendige mit Anmut tra gend, uns freuen und die Sorge auf morgen ver- tagen. Auch wir erleben noch einmal Tag«, da wir singen und jubeln werden. 70. Geburtstag von Prof. Vr. v. §trümp«k Professor Dr. Adolf von Strümpell, der Direktor der Medizinischen Universitätsklinik in Leipzig, be- geht am 28. Juni seinen 70. Geburtstag. Strüm- pellv Name ist in Aerztekreisen hauptsächlich durch sein „Lehrbuch der speziellen Pathologie und Thera- pie der inneren Krankheiten" bekannt aeworden, das vor vierzig Jahren zum erstenmal -erschien, seitdem zahlreiche Neuauflagen erlebt hat und vielfach in fremden Sprache» übersetzt worden ist. Ganz« Gene rationen von Studenten und Aerzten haben au» dem „Strümpell" ihre Kenntnis der inneren Memzin er- worben, der durch seine vorsichtig abwägende Art und seine klare Au»druck»wrise de« trefflich« Kii- niker und Lehrer erkennen läßt. Don Monographien seien erwähnt sein Werk über: „Die Entstehung und Heilung der Krankheiten durch Vorstellungen" und „Die Untersuchung, Behandlung und Beurteilung von Unfallkrankheiten". Strümpell wurde in Kur land geboren, wo sein Vater Professor der Philo- sophie an der Universität Dorpat war. Al» dieser 1872 nach Leipzig berufen wurde, setzte nun der Sohn seine in Dorpat begonnenen Studien in Leipzig fort und war von 1876 bi» 1882 Assistent an der Medizinischen Klinik in Leipzig unter Wunder- lich und Wagner. Auch der Leipziger P oge Cohnheim hat damals bedeutenden Einfluß au, den jungen Forscher ausgeübt. Im Jahr« 1878 habili tierte er sich in Leipzig, wurde 1882 außerordent- licher Professor und Leiter der Leipziger Klinik für innere Krankheiten. 1886 folgte er einem Ruf ale Nachfolger Leubes nach Erlangen, 1903 wurde er nach Dreslau und 1908 nach Wien berufen. Sei» 1910 wirkt er in Leipzig, wo er der Nachfolger Curschmann» wurde. 1915/16 war er Rektor der Leipziger Unive»sttat. Geheimrat v. Strümpell ist, wie erinnerlich, erst kürzlich an da» Krankenlager Lenin« berufen worden, an dem er einige Wochen weilte. — Am Donnerstag findet im Klinischer Airsaal eine Feier für den Gelgßrten statt, an dei zahlreiche Gelehrte von auswärts, ehemalig« Schüler von Professor Strümpell, teilnehmer werden, au» diesem Anlaß wird eine Düste des Jubilars enthüllt werden. Ha»» Peter Schmiedel, bisher al» künstlerischer Leiter der „Retorte" tätig, wurde, wie wir er- fahren, ab 1. September von Direktor Fritz Vieh weg an» Leipziger Schauspielhaus al, Regisseur verpflichtet. Da» Schauspielhaus ha: damit sicherlich ein« individuell schöpferisch« Aras', mit starkem Dühneninftinkt gewonnen — was abr> soll ohne Schmiedel au» der augenblicklich obdach losen „Retorte" werden? Reimann, Zeise-Gött, unk nun auch Schmiedel verließen da, sinkende Schiff, von dem e» hieß, daß e» gerade wieder gehoben wer- den sollte- um im August i» Rosentalkafino fröh lich« Auferstehung p, erlebe«.
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