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Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 27.06.1923
- Erscheinungsdatum
- 1923-06-27
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-192306276
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-19230627
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-19230627
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1923
-
Monat
1923-06
- Tag 1923-06-27
-
Monat
1923-06
-
Jahr
1923
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8«U« 2 Ur. ISO Die Wemsrien Luleuburgs Die K«fSnge -er deutsch-englischen Entfremdung Wie e» wirklich gewesen ist, erfährt man immer erst »ach dreißig Zähren. Dieser bekannte Erfahrung»- satz hat eine neue Bestätigung erhalten durch die Memoiren Waldersees, die durch ihre Beiträge zur Geschichte des legten Jahrhundert» unter Wilhelm l. und des ersten Jahrzehnts unter Wilhelms ll. manche Ereignisse und Entwicklungen in ein ganz neue» Licht gerückt haben. Als ein ähnlich inhaltsreiches Memoirenbuch stellen sich die soeben im Verlag oon Gebrüder Paetcl in Berlin unter dem Titel „A u s -iinfzig Jahren" erschienenen Erinnerungen de» Fürsten Philipp zu Eulenburg-Hertc- selb heraus. Es ist unnötig, bei diesem Anlaß an die unerfreulichen Dinge zu rühren, die mir seinem Namen verbunden sind, da diese Memoiren sich haupt sächlich auf das letzte Jahrzehnt Kaiser Wilhelms und die eit bis zur Entlassung Bismarcks beschrän- ken. Da Eulenburg sowohl Bismarck al« auch dem nachmaligen Kaiser sehr uaheg! >tau0.n hat und mit Herbert Bismarckck eng befreundet war, so konnte er aus unmittelbarster Nähe die entscheidenden Wand lungen unserer Politik beobachten und Faden «nd Einschlag sich ineinanderfügen sehen. Die wichtigste Frage konzentriert sich darauf, wann die entscheidende Abkehr non der Linie erfolgt ist, auf der ein Deiterbestehcn eine» freundlichen Verhältnisses zu England möglich gewesen wäre. Eulenburg findet die letzten Ursachen, weshalb der junge Wilhelm II. alsbald in eine antienglikche Politik geriet und persönlich den englischen Hof brüskierte, wodurch dann die Feindschaft zwischen Onkel und Neffen entstand, in dem Gegensatz zweier Königinnen und in den Familienverhiiltnissen im kronprinzlichcn Palais. Wir erfahren eigentlich zum ersten Male etwas Genaueres über einen Faktor in der deutschen Politik, der viel zu wenig bei solchen Betrachtungen gewürdigt worden ist: dos Verhältnis zwischen der Königin Victoria und ihrer Tochter, der nachmaligen Kaiserin Friedrich. Die ganze welfische Feindschaft gegen Preußen richtete sich bei der Königin von England gegen Bismarck, und diese Abneigung ging mit den hannöverschen Fomilientraditionen auch auf ihre Tochter über, al» sie dem Erben der preußischen Königskrone die Hand reichte. Bekannt ist Bismarcks Urteil über diese Heirat: „Bleibt unsere künftige Königin auf dem preußischen Thron auch nur einigermaßen Eng länderin, so sehe ich unfern Hof von englischen Lin- flußbestrebungen umgeben." So schrieb Bismarck schon im Dezember 1856 an Leopold von Gerlach und sah bereits instinktiv seine Gegnerin. Die Kron- Prinzessin blieb Engländerin und sah den Däni schen Krieg wegen des mit dem englischen Königs- Hofe verschwägerten Herzogs von Holstein, und noch mehr den Krieg 1866 wegen Hannover als eine „Fa- miliensachc" an, bei der sie mit dem Herzen auf der andern Seite war. Aus dem Charakter der Königin von England, die er als eine „höchst merkwürdige Frauenseele" be- zeichnet, leitet Eulenburg die absonderliche Behaup tung ab, daß dtr Königin Viktoria 187«, al» die Tagc»"Kaiser Wilhelms gezählt schienen, den Titel cinbis^K a i s c r r n von Indien annahm, um fiir den Fall, daß ihre Tochter deutsche Kaiserin würde, ihr zu zeigen, "daß sie selber auf diesen Titel keinen Wert lege, und ihn deshalb an zweite Stelle rückte hinter den einer englischen Königin. Eulenburg er- zählt, daß er bei der ersten Bekanntschaft mit der Königin Viktoria „sofort während der Unterhaltung mit der kleinen, dicken Frau mit den Hängebacken deutlich gelesen habe, daß sie eiben Widerspruch nicht duldete". Er erzählt dann, wie ihre Augen „wie zwei harte Sprühkugeln" jedermann der Festtafel ge bannt hätten. Und diesem Zwange verfiel auch der junge Prinz Wilhelm, den Eulenburg „fast stumm und verlegen neben dieser kleinen Großmutter sah. Denn das war sonst niemals seine Art. Im Verkehr mit dieser Großmutter, die er bald haßte, bald an- betete, beherrschte ihn dos peinliche Gefühl, ihr nicht gewachsen zu sein. Auch er schien Furcht zu haben." Um den Prinzen Wilhelm von englischen Ein flüssen frei zu machen und ihn mit Abneigung und Hatz gegen England zu erfüllen, war Bismarck, ganz besonders aber Herbert Bismarck, unermüdlich tätig. Englandfeindliche Bemerkungen des Prinzen, und ganz besonders seine abfälligen Aeußerungen über seine englischen Verwandten, wurden stets seiner Mutter zugetragen, und von dieser weiter nach London gegeben. Kein Wunder, daß der Prinz bei seinem nächsten Besuch in London zum Jubiläum der Königin „schlecht behandelt" wurde, und entrüstet bis in die tiefste Seele heimkehrte. Dadurch wuchs die Feindschaft zwischen beiden Lagern: dem von Bismarck Pater und Sohn und dem der Kron prinzessin und ihres völlig unter ihrem Einfluß stehenden Gatten. Ausschlaggebend ist es dabei, daß kaum noch intimere Beziehungen zwischen der Mutter und dem künftigen Thronfolger bestanden. Die Kronprinzessin und Prinz Wilhelm waren einander innerlich früh entfremdet. Es folgte der bekannte Spielerprozeß in London, bei dem der Prinz von Wales als Zeuge fungierte, und als Prinz Wilhelm in seiner hemmungslosen Art erklärte: „Man kann mit dem Menschen nicht mehr verkehren," wurde das natürlich wenige Tage später in London bekannt. Als der Prinz dann Kaiser geworden war, glaubte er es sich bei seinem Antrittsbesuch in London leisten zu können, seinen Onkel zu „übersehen". Dieses „Uebersehen" aber hatte dann, als Eduard der Siebente zwölf Jahre später zur Regierung kam, Folgen, deren einzelne Phasen man au» den Erinnerungen Lckardtstein» bereits kennt. Ucberraschend war es, daß in der Zeit, wo jeder Eingeweihte einen akuten Konflikt befürchtet hatte, während der Regierungszeit Kaiser Friedrichs, zwischen Bismarck und der Kaiserin ein sehr gutes Verhältnis herrschte. Bismarck erwies sich auch hier wieder al» rin Meister der Menschenbehandlung und zeigte der Kaiserin .da» Bild eine« gefälligen Premierminister»". Za, al» die Königin Viktoria in den bv Tagen nach Berlin kam, um da. Batten bergische Heirat»projekt zu betreiben, fügte sich der „politisch kluge Kopf der kleinen, dicken Königin den Argumenten de» alten Fürsten gegen diese» Ehe- Projekt, und die Kaiserin sah plötzlich ihre Mutter an der Sette des verhaßten Fürsten stehen". So glaubt Eulenburg in den persönlichen Span nungen innerhalb der kaiserlichen Familie die letzten festren Spaltbildungen de» verhängnisvollen Riffes zwischen Deutschland und England Nachweisen und auf den Punkt Hinweisen zu können, wo unsere oo- litische. Entwicklung von der Linie adbog, auf der immer wieder eine Verständigung mit England mög- ltch gewesen wäre. Denn auf die politische Entfrem- düng folgte der Flottenbau, „der babylonische, Turmbau", an dem, wie Eulenburg schreibt, Deutsch land zugrunde gehen sollte. Er schließt dos Kapitel über die Episode der Regierungszeit Kaiser Friedrich» übrigen» mit dem nachdenklichen Wort: „E» wird un» schwer, nun selbst Bismarck al» eine „Episode" betrachten zu müssen!" R. K. Ein politischer Mord Vie Feine einer Rohbachorganisation Berlin, 25. Juni. (Eig. Tel.) Sieben Mit- glieder einer von dem bekannten Freikorpsführer Roßbach gegründeten rechtsradikalen Organisation haben in Mecklenburg einen Angehörigen ihrer Organisation in grausamer Weise ermordet. Bier der Mörder sind bereits verhaftet. Der Ermordete und die Mörder waren Mitglieder der in Preußen vor einigen Monaten verbotenen Deutschvölkischen Freiheitspartei, die in Mecklenburg noch nicht ver boten ist. Ihre engere Organisation nannte sich, ähnlich wie andere Gründungen des seit längerer Zeit im Gefängnis fitzenden ehemaligen Oberleut- nants Roßbach, ganz harmlos „Verein für landwirt schaftliche Berufsausbildung", hatte aber ebenfalls solche verschwörertsche Absichten, wie sie diesen Roß bach-Organisationen und damit auch der ganzen Deutschvölkischen Freiheitspartei in Preußen nach gewiesen wurden, denn der Ermordet«, namens Walter Cadow, ist der Feme der Roßbach- Organisation zum Opfer gefallen. Man hatte ihn im Verdacht, daß er gleichzeitig mit der Kommunistischen Partei in Verbindung stand. Die Ermordung erfolgte in der Nacht zum 1. Juni in der Nähe von Parchim. Im Kreise eine» sogenannten Rollkommandos, wie es bereits in Berlin zur Abwehr von Versammlungsstörungen gewalttätig in Erscheinung getreten ist, wurde Ladow zuerst betrunken gemacht, und dann fuhr man ihn in einem Wagen in den Wald. Hier warf man rhn vom Wagen, um ihn mit Knütteln zu bearbeiten und mit den Stiefelabsätzen ins Gesicht zu treten. Der aus vielen Wunden blutende Wehrlose wurde dann noch weiter in den Wald gezerrt, wo man ihm die Kehle durchschnitt und außerdem noch drei Schüsse durch den Kopf jagte. Am nächsten Tage wurde denn die Leiche im Dickicht verscharrt. Die Ent deckung des grauenerregenden politischen Mordes ist auf eine Anzeige zurückzuführen, die vor einigen Tagen zwei junge Leute in der Redaktton des Ber liner Vorwärts erstatteten. Unlersuchuag der Leiche Ladorvs Berli», 25. Juni. (Eig. Tel.) Die weitere Untersuchung des politischen Morde» in Parchim in Mecklenburg, dem der landwirtschaftliche Arbeiter Walther Eadow in der Nackt zum 1. Juni zum Opfer gefallen ist, wurde von der Landespolizei ge führt, mit der sich die Abteilung l» des Berliner Polizeipräsidium» in Verbindung gesetzt hat. Das Verbrechen ist in einem Wäldchen nahe der Ziegelei Neuhof verübt worden. Die Täter sind Landarbeiter, die auf den umliegenden Gütern beschäftigt waren. Sie gehören sämtlich der Organisation Roßbach an. Anscheinend ist das Verbrechen unter den dortigen Arbeitern schon einige Zeit bekannt gewesen, denn der Mordkommission wurde genau dieselbe Stelle bezeichnet, an der der Tote eingescharrt war. Im Beisein der Mordkommission wurde der Ermordete Cadow ausgegraben. Der Tote wies Verletzungen am Kopfe auf. Der Tod selbst aber ist infolge einer Schnittwunde an der Kehle herbeigeführt worden. Don den Tätern konnten im ganzen 6 verhaftet, werden, während der siebente flüchtig ist. Weiter wird zu dem Morde noch gemeldet, daß Walther Ladow Lehreranwärter war und im 24. Lebensjahr stand. Er wohnte zuletzt bei seiner Mutter, einer armen Witwe in Wismar, vorher war er in Herzberg bei Parchim als landwirtschaftlicher Arbeiter tätig. Mitte Mai hatte er seine Arbeits stelle verlassen und hatte sich dann Ende Mai von seiner Mutter 22 000 Mark Reisegeld geben lassen, um, wie er sagte, in München sich auf sein zweites Lehrcrexamen vorzubereiten. Er hatte sich jedoch erst nach Parchim begeben, wo er seinen früheren Kame raden erzählte, er wolle nach Bochum reisen. Die Roßbachleute, die ihn schon früher im Verdacht hatten, daß er ein Spitzel sei, waren durch das Wiederauftauchen Ladows beunruhigt und beschlossen, ihn zu „rollen". Sie wollten damit nur voraehabt hasten, ihn zu prügeln. Erst als man sah, daß man zu stark losgedroschen habe, habe man Ladow den Gnadenstoß gegeben. Daß die Tat, die am 1. Juni verübt wurde, so lange verborgen bleiben konnte, er klärt sich daraus, daß die Mutter ihren Sohn in München glaubte. Ifttzl Noch ein politischer Mord aufgeklärt München, 25. Juni. (Eig. Tel.) Der Mörder des Studenten Karl Baur wurde in der Person des 24jährigen Münchener Studenten der Volkswirt schaft August Zwengauer festUestellt und verhaftet. Zwengauer hat zugegeben, daß er den ihm wohl bekannten Baur in der Nacht zum Sonntag, den 18. März, in der Nahe der Prinregentenbrücke er- schoflen und die Leiche in die Isar geworfen habe. Die Motive der jedenfalls al« politischer Mord an- zusprechenden Tat bedürfen noch der Auklärung. Der ermordete Baur war seinerzeit verhaftet worden, weil er ein Attentat gegen Scheidemann plante. Man hatte ihn jedoch wieder freigelaffen, da er nachweisen konnte, daß er von der Ausführung seiner Absicht Abstand genommen hatte. Im letzten Hoch- Verratsprozeß wurde dann festgestellt, daß Baur eine Zeitlang Privatsekretär de» antisemitischen Pri- vatdozenten Dr. Rüge gewesen sei und für den Zwengauer gearbeitet hatte. Der deutsche Botschafter Graf Drocküorfs- Rantzau in Moskau besuchte mit sämtlichen Mit gliedern der Botschaft die Gräber ehemaliger deutscher Kriegsgefangener, die -um großen Teil unbekannt ^verstorben find. Rach einer ergreifenden Ansprache legte der Botschafter am Grab« der unbekannten deutschen Soldaten einen Kran- nieder. Index und LSHne Berlin, 2d. Juni. (Eig. Tel.) Bei den gest rigen Verhandlungen im Reich»arb«it»»intst«riu» über wertbeständige Löhne ist ei« wesentlicher Fortschritt zur Klärung der Voraussetzungen erzielt worden. Die Verhandlung«« haben zwei Hauptpunkte zum Gegenstand gehabt, oon denen der erste, die Verbesserung und der Ausbau de» Index selber, nunmehr in eine« Ausschuß de» Statistischen Reich»amtes weiter beraten wird, wäh rend der zweite, die Auswertung de« Index, zurückgestellt worden ist, bi» gleichartige Verhand lungen, die zurzeit bei der Arbeitsgemeinschaft laufen, ein Ergebni» gebracht haben. Diese Ver handlungen sollen in der Hauptsache die Frage klären, ob eine mechanische Anwendung des Index oder eine gesetzliche Regelung zweckmäßig und möglich erscheint. Auf nächsten Dienstag ist eine neue Verhandlung im Reichsarbeitsmtnisterium angesetzt, in der die Spitzengewerkschaften über da» Ergebnis der voran gehenden Besprechungen mit der Regierung weiter beraten werden. In den beteiligten Kreisen nimmt man allgemein an, daß eine gemeinsame Lösung ge- funden wird, die zum mindesten eine Ersparnis des gewaltigen Aufwande» an Zeit und Energie mit sich bringt, die die in immer kürzer werdenden Zwischen- räumen notwendig gewordenen Unterhandlungen in letzter Zeit verschlungen haben. Sächsischer Landtag Fortsetzung der Statoberatnng Dresden, 26. Juni. (Eig. Tel.) Die Tages- ordnnng der heutigen Sitzung de« Landtages be- schäftigte sich im übrigen mit der Weiterberatuna des Etats. Ueber einzelne Kapitel de» Wirtschafts ministeriums berichtete Abg. Zill er (Dnat.). Das Gehalt de» Minister» wird gegen die Stimmen der drei bürgerlichen Parteien angenommen. (Bei der Abstimmung begab sich Wirtschaftsminister Fellisch auf feinen Abgeordnetenplatz und stimmte für sein eigenes Gehalt mit.) Abg. Günther (Dem.) beklagte, daß es den An gehörigen de» bisherigen Mittelstandes nicht möglich sei, sich in Bad Elster zu erholen. Ein staatliches Bad müsse in erster Linie für die eigenen Volksgenossen eine Erholungsstätte darstellen. Aehn- lich forderte Abg. Granz (Komm.) eine Um- gestaltung des staatlichen Bades, damit es prole tarischen Volksgenossen und nicht nur Wucherern und Schiebern zugute komme. Zur Berätung steht ferner der Gesetzentwurf zur Abänderung de» Gewerbesteuer- gesetzt». Finanzminister Heldt begründet den Entwurf mit der , katastrophalen Geldentwertung. Die freien Berufen sollen von der Gewerbesteuer so weit befreit werden, al» ihre Einkünfte nur au« ihrer eigenen Arbeit herrühren. Die Gemeinden sollen einen Zuschlag erheben, der nach unten und oben begrenzt ist. Ab^. Dr. Sach» (Soz.) bezeichnet eine Erhöhung der Steuer al» unbedingt notwendig. , Mit der Frei- lassung l r freien Berufe von der Steuer seien seine Freunde einverstanden. Abg. Dr. Eckhardt (Dnatl.) meint, es bestehe die allerprößte Gefahr, daß die vorgesehene Steuer die sächsische Industrie ruinieren werde. Auch er begrüßt die Freilassung der freien Berufe. (Die Sitzung dauert fort.) Neue Anträge im Landtag Dresden, 25. Juni. (L i g. Tel.) Die Regierung soll ermächtigt werden, zum Ausbau der Kohlen- und staatlichen Elektrizitätsunternehmungen und zum Ausbau staatlicher Anstalten und Gebäude eine weitere Anleihe von 75 Milliarden Mark auf- zunehmen. Die Anleihe soll auch in ausländischer Wahrung oder auk Sachwerte lauten können. Nach denz letzten Anleihegesetz war die Regierung er- mächtigt worden, eine Anleihe bis zum Betrage von 25 Milliarden Mark aufzunehmen. Auf Grund dieses Gesetzes hat das Finanzministerium bereit« Anleihen im Gesamtbetrags von 13 Milliarden Mark unter- gebracht. Die Geldentwertung der letzten Wochen macht eine Erhöhung de» vorgesehenen Höchstbetrages notwendig. Auch zum Ausbau der gewerblichen Betriebe bedarf der sächsische Staat außerordentlicher Summen. Aus der neuen Novelle zum sächsischen Beamten besoldungsgesetz ist hervorzuheben, daß die sächsischen Minister, die bisher das gleiche Gehalt bezogen wie die Reichsminister, in Zukunft um 700 000 Mark im Monat hinter den Sätzen der Reichsminister im Grundgehalt zurückbleiben. Der Zahressatz der Hundesteuer soll in Zukunft 12 000 Mark betragen, doch soll die Erhöhung der Steuer bi» auf das 30fache de» gesetzlichen Betrage« »ugelaffen sein. Nack dem letzten Beschluß betrug die Hundesteuer 300 Mark und konnte br» auf 3000 Mark erhöht werden. ver Schlangentanz der Saareglerung Frankfurt a. M., 26. Juni. (Eig. Tel.) Zu dem Versuch der Regierungskommission für das Saargebiet, auf dem Wege der Ersetzung der alten Verordnung durch eine neue der von England ge wünschten peinlichen Untersuchung der Verhältnisse im Saargebiet zu entgehen, schreibt da» Stockholmer Blatt Aftonbladed: „Der revidiert« Ukas dürft« die englische Regierung keineswegs zu einer Kurs- änderung veranlaffen. Das Saargebiet steht dem Namen nach unter der Oberhoheit des Völkerbundes, und e» wird auf die Dauer dessen Prestige ruiniert, wenn eine willkürliche Verordnung nach der anderen ergehen darf in einem Gebiet, das ohne weiteres seiner Kontrolle untersteht. Die neue Verordnung ist eine Herausforderung de» Völker bunde» und nicht -um wenigsten auch derjenigen Macht, die erklärt hat, sie wolle für das billige Verlangen der Saarbevölkerung nach Gerechtigkeit in die Dresche treten." England ist der Lausanner Konferenz müde Lauda», 26. Juni. (Eia. TeO Die schleppen- den Verhandlungen in Lausanne über den Orient- frieden verursachen der englischen Regierung neuer dings erhebliche Besorgnisse. Da die englischen LUßtvoär, 6« 27. Juul Unterhändler nicht wünschen, Lausanne ohne positive Ergebnisse -u verlassen, wird seit einigen Tagen in englischen Regierungskreisen die Möglichkeit er wogen, Frankreich und Italien -u veranlassen, zu- sammeu mit England einen rein politischen Friedenaverttag mit der Türkei abzuschlie- gen. Späteren Spezialverhandlungen soll es dann überlassen bleiben, die Frage der ottomaniscken Schuld und die Regelung der Ansprüche der europäischen Konzessionäre -u lösen. Nach Lausanner Nachrichten hat fick der franzö sische Delegierte, Bargeton, nach Vari» begeben, um mit Poincarä zu beraten. Der Petit Parisien erfährt, daß die Ankunft Burgeton» m Pari» und die Unterredung, die er mit VoincarS hatte, be- gründet war durch die Vorbereitung der Kollektiv- note, die die alliierten Delegierten m Lausanne an Ismet Pascha richten werden. Diese Rote, deren Vorbereitung voraussichtlich noch einige Tage in An- spruch nimmt, wird sich auf drei Hauptpunkte be ziehen: 1. die Konzessionsfratze, 2. die Bezahlung der türkischen Kupon», 3. die Räumung von Konstanti- nopel. Das neue Vulgarien Der frühere bulgarische Ministerpräsident Rado« sla wo ff, der augenblicklich in Deutschland lebt, hatte kürzlich in verschiedenen deutschen Blättern mitgeteilt, daß der Leiter des Sofioter Putsche» und derzeitige Ministerpräsident Zankoff eia Person- licher Freund des früheren Königs Ferdinand sei. Hierdurch war der Anschein erweckt worden, al» trete das neue bulgarische Kabinett für die Rückkehr des Exkönigs Ferdinand ein. * Demgegenüber rückt nun die bulgarische Regierung ostentativ von Radosla- woff ab, wenn sie offiziell durch die amtliche bul- aarische Telegraphenagentur mitteilen läßt, daß Zankoff niemals mit dem früheren König oder mit Radofiawoff persönlich befreundet gewesen sei. Weiter wird die Behauptung, daß der Bruder Zan- koffs, der Abgeordnete Assen Zankoff, der Kommu nistischen Parteh angehöre, dahin richtiggestellt, daß dieser Mitglied der Sozialdemokratischen Partei sei, die im jetzigen Kabinett ebenfalls ihren Vertreter habe. Diese offizielle Erklärung muß als eine Absage an all diejenigen gewertet werden, die von dem Um- stürz in Bulgarien eine Schwenkung zur Politik der Rechtsradikalen erhoffen. Da» Ministerium Zankoff legt anscheinend Wert darauf, al» das Kabinett der großen Koalition und somit der Mehr- heit des Volkes angesehen zu werden. * Der jugoslawische Außenminister Dr. Nin- tschitsch hat eine Anfrage des bulgarischen Ge- schäftsträqers in Belgrad, wann er ihn empfangen könne, damit beantworten lassen, daß er derzeit überaus beschäftigt sei und über keinen freien Augenblick verfüge. Er wisse auch nicht, ob er ihn im Laufe der nächsten Woche werde empfangen können. Ueber die Frage der Anerkennung der neuen bulgarischen Regierung seien Beratungen zwischen Jugoslawien und der Tschechoslowakei im Gange, und vor diesem Abschluß könne er sich nicht äußern. * Auf den Vorwurf, den der jugoslawische Außen- Minister Dr. Nintschitsch gegenüber Ztal jung erhoben hat, daß der bulgarische Staatsstreich von der italienischen Regierung finanziert worden ^lei,' antwortet jetzt der hochoffiziöse Popolo d'Itälia. Das italienische Blatt verlangt umgehende Zurücknahme dieser Beschimpfung, da es sonst rücksichtslos über das Verhalten Belgrads gegenüber der Vorgänge in Bulgarien feine Meinung sagen werde. Nach dieser versteckten Drohung scheint der von Mussolini selbst inspirierte Popolo d'Italia darauf hindeuten zu wollen, daß er Material zur Ver fügung hat, dessen Veröffentlichung in Belgrad un- angenehm wirken müsse. Rach einer Mitteilung des neuen bulgarischen Innenministers hat die Einwohnerschaft von Sla- wowitza, der Heimat Stambolijskis, in einem Telegramm an die Regierung ihrer Empörung über die Verbrechen Stambolijskis Ausdruck gegeben und um Umbenennung des Ortes in Dorisowow — nach dem König Boris —gebeten. Nunmehr sind sämtliche Mitglieder des Kabinetts Stambolijski von der neuen Regierung verhaftet, worden bis auf den Ackerbauminister Obow, dem es gelang, nach Rumänien zu entfliehen. Die ver hafteten Exminister sollen vor die gewöhn lichen Strafgerichte gestellt werden, um sich wegen Mord, Diebstahls usw. zu verantworten. NumSnischer KSnigsbesuch in Warschau Warschau, 26. Juni. Zn Warschau .sind der Kön ig und die Königin von Rumänien eingetroffen und am Bahnhof von dem Präsidenten der Republik, dem Ministerpräsidenten, den Präsi- Leuten der Kammer und de« Senat«, dem Kriegs- minist-r, dem Chef des Generalstabe« und dem diplo matischen Korps empfangen worden. Auf dem zu Ehren de« Königspaare» im Belvedere-Schloß ver- anstalteten Festessen wurden zwischen dem Präsidenten der Republik und dem König Trinksprüche gewechselt, die die Freundschaft und die Gemeinsam- keit der Interessen Polen» und Rumäniens betonten. Der Präsident der Republik Polen ver lieh König Ferdinand den höchsten polnischen Orden, da» Großkreuz Virtutt militari erster Klasse. Wie der Warschauer Korrespondent der Frank furter Zeitung meldet, hat der Besuch des rumänr- schen Königspaare» zum Unterschied von demjenigen Foch« keinerlei wesentliche politische Kommentare ge zeitigt. Di« aurgetauschten Reden waren völlig farblo« und die Presse begnügte sich mit allge meinen Mitteilungen; e» wurde lediglich angedeutet, daß da» Bügdni» mit Rumänien Polen den Beitritt zur Kleinen E.ntente erleichtere. Der ganze Besuch ist lediglich al» eine verspätet« Degenvisite zum Aufenthalt Pilsudski» in Sinaia aufzufassen. Dor dem rumänischen König wurde «ine geradezu glänzende Parade abgehalten, die hinsichtlich der Ausrüstung der Truppen und der Exaktheit »hrer Be- wegungen die seinerzeit vor Foch veranstaltete Truppenschau noch in den Schatten stellte. Dezeich. nend ist, daß sich der König mit allen Personen, die deutsch verstanden, auch mit Nattonalpolen, ganz un- geniert in deutscher Sprache unterhielt. Die Bevöl» nah» am de» Besuch wett weniger Anteil, al, damal« an der Anwesenheit Foch».
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