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Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 26.06.1923
- Erscheinungsdatum
- 1923-06-26
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-192306266
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-19230626
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-19230626
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1923
-
Monat
1923-06
- Tag 1923-06-26
-
Monat
1923-06
-
Jahr
1923
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8eite 2 kLr. 149 Dortens französische Freunde Tie (Luthiilluugen de» Lbserver Paris, 25. Juni. (Eig. Tel.) Die Veröffent lichung des Obscrver ist auch in Paris unangenehm ausgefallen. In amtlichen Kreisen wird dazu be merkt, es sei unverständlich, daß der Bericht dem französischen Nheinlandkommissar zugcschrieben wer den konnte. Wahrscheinlicher sei es jedoch, daß der Bericht von einem Unterbeamten des französischen Rheinlandkommissariats stamme. Es ist bekannt, daß Dorten besonders unter den französischen Militärs im Rheinland Freunde gefunden hat, die ihn ernst nahmen, und daß General Mangin offen als Beschützer Dortens auf getreten ist und noch austritt. Indessen wird darauf verwiesen, daß die französischen Freunde Dortens Tirard und auch PoincarS scharf angegriffen haben, weil er Dorten während seiner Pariser Reise nicht empfangen habe. Man bezeichnet den vom Obscrver veröffentlichten Bericht als neuen Beweis dafür, daß dir französische Regierung und ihre maß- gebenden Vertreter im Rheinland die Pläne Dortens nicht billigen, da er nach der hier vorherrschenden Ansicht nicht als berufener Wortführer der rheinischen Bevölkerung gelten kann. Die Veröffentlichung des englischen Blattes gibt der französischen Presse Veranlassung, je nach ihrem Parteistandpunkt zur Dortenfragr Stellung zu nehmen. Es verdient ^besondere Beachtung, wenn die sozialdemokratische Populaire feststellen zu können glaubt, daß weder die französische Regierung, noch Tirard mit Dorten zusammenzuarbeiten schienen. Der Temps wirft den Engländern vor, fortgesetzt Unfrieden zwischen Deutschland und Frank reich zu stiften. Achnlichcs bezweckt der Matin, wenn er mit folgenden „Gegenenthüllungen" hervor tritt: „Der Observer hat vergeßen, eine wesentliche Cache zu erwähnen. Gerade in diesem Augenblick wird in Berlin und London ein außerordentlich binterlistigcs Komplott ausgearbeitet. Die Abgeordneten der Rheinlande sind kürzlich nach Berlin bestellt worden, wo die Negierung Cuno sich damit beschäftigt, den Eifer der Bevölkerung für die Fortsetzung des passiven Widerstandes wieder etwas anzuwärmen. Sic sind verpflichtet worden, dem Reichshof einen neuen Treueid zu leisten. Gleich zeitig hat man jedoch durchblicken lassen, daß, um Frankreich den Anschein einer Beruhigung zu geben, cs vielleicht nützlich sein würde, binnen kurzem die rheinischen Provinzen und das Ruhr- gebiet zu einer Art Pufferstaat zu machen, und daß sie nicht als Verräter angesehen werden würden, wenn sie sich einem derartigen Unter nehmen anschlösscn, allerdings unter der Voraus setzung, daß dies in Uebcreinstimmung mit England geschehe und unter der Führung rheinischer Persön lichkeiten, die von vornherein bestimmt sein sollten. Der Führer der Bewegung in einem solchen Falle würde der Oberbürgermeister, Dr. Adenauer, von Köln sein, dessen Zusammenarbeit mit den Eng- ländern bereits sehr weit zurückrcicht. Seit 1919, so heißt es im Matin weiter, hat der Leiter des eng lischen Spionagcwcscns, Oberst Ryom, mit ihm zu- sammcngcarbeitet und ihm im Augenblick des Kapp- putschcs vorgcschlagcn, ein Rheinland zu schaffen, das von vornherein des Schutzes der englischen Regierung sicher sei und eine Anleihe von 30 Millionen Pfund Sterling erhalten würde. An Adenauers Seite, so schließt der Matin seine „Enthüllungen", sotten in der neuen Regierung Sitz haben: Hagen als Finanz minister, Heß als Minister des Unterrichts, Mönnig als Iustizminister und Meerfeld als Arbeitsminister. Das ist das letzte Manöver, um den französischen Ein- fluß zu verhindern, sich endgültig am Rhein fcst- zusetzrn." Unliebsamer Eindruck in London London, 25. Juni. (Eig. Tel.) Der vom Ob server veröffentlichte Artikel des französischen Kom missars im Rheinland Tirard über seine Be ziehungen zu Dorten hat in hiesigen politt- sehen Kreisen lebhaftes, zum Teil unliebsames Aufsehen erregt. Der Daily News und die West minster Gazette bezeichnen den Bericht als Beweis dafür, daß Frankreich im Ruhrgebiet andere als rein wirtschaftspolitische Ziele verfolge. Die übrige Presse nimmt von dem Inhalt des Berichtes nur ganz kurz 1'agodlstt Kenntnis, gibt aber die französische Erklärung, wo nach es sich um eine Fälschung handele, ausführlich wieder. Tirards Geheimbericht Aus den sensationellen Enthüllungen des Observer ist noch folgendes nachzutragen: Ein vom 10. Apuil d. I. datierter Geheimbericht des französischen Oberkommissars im Rheinland an seine Regierung befaßt sich mit den Anstrengun - gen de» französischen Oberkommissa- rials und der Führer der rheinischen Separatisten, um das gemeinsame Ziel, die Lostrennung der Rheinlande vom Deutschen Reiche zu erreichen. Der als persönlich und streng vertraulich bezeichnete G c - heim bericht erwähnt, daß der Verfasser des Be richtes im Mai 1921 mit der Aufgabe betraut wurde, mit Dr. Dorten in Fühlung zu treten. Mit Unter stützung des Oberkommissariats habe Dorten An hänger zusammenbekommen, die ihre Begeisterung hochhalten, seine Propaganda verbreiten und eine Zei tung drucken können. Der Oberkommissar habe jedoch seine Zusammenarbeit mit Dorten offiziell nicht zu- geben dürfen. Infolgedessen sei Dorten allmählich auf das Niveau eines untergeordneten Agenten im französischen Solde herabgesunken. Dorten habe ver sucht, Beziehungen zwischen Frankreich und den In- dustrien des Rheinlandes herzustcllen. In Wies baden habe er das an und für sich gemischte Bureau und später den „Rheinischen Verein" gegründet. Der Bericht erklärt, obgleich diese Versuche äußerst energisch vom Oberkommissariat unterstützt wurden, blieben sie fruchtlos. Dorten habe versucht, die rheinische Separatisten- bewegung mit d«n übrigen separatistischen Mittel punkten des nichtbcsetzten Deutschlands zu verbinden. Er sei in Verhandlungen mit Dr. Heim (dem König der bayerischen Bauern) getreten. Der Bericht fährt fort, Dorten habe vor kurzem eine „große Anstrengung" im Ruhr gebiet gemacht und habe ein Sekretariat in Düffel- darf gegründet. Da Dorten gefunden habe, daß große Ausschüsse Indiskretionen begünstigten, berufe er nur die Bürger der Bezirke, seinen vertraulichen General stab ein, dessen Beschlüsse den unteren Rängen über mittelt würden. Ende Februar 1923 habe das Oberkommissariat Dorten vorgeworfen, daß er nichts tue, um die separa tistische Bewegung zu entwickeln, daß er wissentlich ihre Bedeutung übertreibe und die französischen An strengungen im Ruhrgebiet mit einem vollständigen Mangel au Aktivität im Rheinland erwidere. Der Verfasser des Berichtes, der Dorten gegen diese An würfe in Schutz nimmt, erklärt, viele Agenten Dortens hätten wirkliche Energie gezeigt und hätten unter der Führung Dortens zweifellos interessante Ergebnisse gezeitigt. Der Bericht fährt fort: Eine Persönlichkeit, die sicher großen Einfluß auf Dorten ausüben und mit der er immer in sehr engen Beziehungen bleibe, sei General Mangin. Dorten habe General Mangin als den Mann angesehen, der als Einziger fähig sei, Frankreichs Geschick am Rhein zu erfüllen. Der Be richt schließt: Die Gründung des Rhein staates wird natürlich nicht ohne Widerstand statt finden. Die Arbeiter und die ehemaligen Kriegsteil. Nehmer, all diese Elemente, übten eine Rückwirkung aus. Anderseits verfüge Dorten über eine Organi- sation, die für uns ausgenützt werden könne. Schlimmstenfalls könne Dorten den Franzosen wert- volle Informationen liefern, so bezüglich der Leute und ihrer Behandlungsweise. Es würde ein Fehler sein, sich seiner Hilfe zu berauben, besonders da Dorten sich selbst den Rückzug abgeschnitten habe. Denn in Paris habe er seine Politik als in voll- ständiger Uebcreinstimmung mit Frankreich befindlich bezeichnet. Da die zwischen den Verlegern und Redakteuren von Rheinland und Westfalen gepflogenen Ver handlungen, die das letzte Hindernis für die In kraftsetzung des in seinen Grundzügen bereits fest stehenden Reichstarifs für Redakteure durch besondere Abmachungen für Rheinland und Westfalen beseitigen sollten, gescheitert sind, kann der Reichstarif vorläufig noch nicht in Kraft treten. uaä HLaäel8rei1iu»g Line Nanzlerrede in Königsberg Königsberg, 25. Juni. (Eig. Tel.) Im Rahmen der Ostmesse Königsberg wurde gestern die Land- wirtschaftliche Ausstellung eröffnet. Zur Eröffnung hatten sich als Vertreter der Reichsregierung Reichs kanzler Cuno und Reichsernährungsminister Dr. Luther eingefunden. Nach dem Rundgang durch die Ausstellung sprach Reichskanzler Dr. Cuno über die allgemeine deutsche Politik. Er betonte, daß die Politik, die für Rhein und Ruhr betrieben werde, eine aufrichtige und gerade, aber auch eine Politik sei, die darauf bedacht ist, die Leiden dieser Deutschen nicht über Gebühr zu ver- lungern, sondern möglichst zu verkürzen. Die „Politik des Nein" solle aufrecht erhalten wer den, solange als es für die Unabhängigkeit der Rhein- und Ruhrlande notwendig ist. Deutschland müsse seine Politik auf die praktischen Möglichkeiten und auf das Verhältnis der Kräfte zueinander einstellen. Frankreich habe erreicht, daß die Welt von dem aufrichtigen Willen Deutschlands überzeugt ist, alle Kräfte zur Reparation anzuspannen. Keine Regierung, selbst wenn sie es wollte, könnte den passiven Widerstand, der aus dem Willen der Bevölkerung gewachsen sei. durch ihre Befehle beenden. Keine Regierung könne auch diesen Wider stand zu beenden wünschen, solange sie nicht den Weg zu einer Lösung der Gerechtigkeit als Ergeb nis dieses Widerstandes zeigen könne. Dieses Ziel werde Deutschland um so eher erreichen, je stärker das deutsche Volk den Willen auf bringe. nicht zu erlahmen. Die Reichsregierung sei gewillt, mit Rücksichts losigkeit gegen die Kreise vorzugehen, die sich der Verpflichtung gegenüber dem ganzen Volke entziehen. Die Regierung sei unter dem außenpolitischen Druck gezwungen, auch Maßnahmen zu treffen, die ein ge sundes wirtschaftliches Gehirn in normalen Zeiten nicht erdenken würde. Jeder einzelne müsse sich aber sagen, daß es Verrat wäre, spekulativen Eigen- nutz auf Kosten der Gesamtheit zu treiben. Der Kanzler schloß mit einem warmen Appell, ein- mütig in dem Willen zur Erhaltung von Volk und Vaterland zusammenzustehen. Gedächtnisfeier für Rathenau Berlin, 25. Juni. (Eig. Tel.) Am Jahrestag der Ermordung Rathenaus fand im Reichstag eine vom deutschdemokratischen Reichsbund veranstaltete Gedächtnisfeier statt. Neben Ver tretern der Reichsregicrung und der Regierungen der deutschen Länder waren viele führende Köpfe des geistigen Deutschlands erschienen, darunter Ger hart Hauptmann. Der Vorsitzende des Reichsbundcs, Regierungs präsident Hänisch, der frühere sächsische Kultus minister, eröffnete die Feier mit einer kurzen An- spräche, in der er die Mordtat an Rathenau al» eins der schwärzesten Plätter in der Geschichte der jungen deutschen Republik bezeichnete. Rathenaus Blut sei aber nicht umsonst geflossen, denn es habe die deutschen Republikaner zur Verteidigung gegen den Feind zusammengeschart. Der Dichter und Dramatiker Fritz von Un- ruh erschütterte die Trauergemeinde durch eine von ihm selbst vorgetragene Dichtung, in der er Rathenaus Geist als Mahner und Warner für ein zwischen Lust und Jammer dem Untergange ent gegentaumelndes Volk heraufbeschwörte. Der geistige Vater der Weimarer Verfassung, der demokratische Reichstagsabgeordnete Dr. Preuß, hielt dem gemordeten Freunde die Gedenkrede. Er bedauerte es, daß sogar eine Ehrung des An denkens Rathenaus von nicht unerheblichen Massen des Volkes als eine Parteisache oder Demonstration aufgefaßt werde. Solange dies möglich sei, wäre Theaterdirektoren Von Professor ^Xeioli Vincis (Leipzig) „Wer lange lebt, hat viel erfahren, ich hab' in meinen Wanderjahrcn schon kristallisiertes Menschen volt gesehen." So Mephisto. Er spielt damit nicht gerade auf die Spezies der Theaterdircktoren an, aber sie könnte damit gemeint sein, denn der Beruf wird nicht er griffen wie ein anderer, erst in der Retorte, die Le bensformen durcheinandcrschüttelt, bildet sich der Typ. Was heute Direktor ist, war vormals Schauspieler, Sänger, Literat, in der Zeit der seligen Hofthcater Rittmeister oder Äammerherr, an der Wiege wurde cs keinem gesungen, daß sein Lebensweg zu diesem Ziele führt. Kunslvcrstand und Fcldherrngabe sind die beiden Pole, zwischen denen sich die Fähigkeiten des Theater direktors offenbaren, das Pendel aber, das hin und her schwingt, wird von geschäftlichen Interessen be wegt. So finden wir an der Spezies Theater direktoren die seltsamsten Mischungen; die lediglich mit Kunstvcrstand ausgcstattcten scheitern je sicherer, je unverdünnter ihr Idealismus ist, die anderen halten die Zügel in mehr oder minder festen Händen, wenn auch zuweilen holterdiepolter der Thespis- wagen weitab vom Wege rollt. Ich hatte Gelegen heit, Theaterdirektoren in den Niederungen, aber auch auf den Höhen kennen zu lernen, und jeder be saß sein ganz besonderes Gesicht, das heißt das meines ersten Direktors — er hieß Rubicri und soll hcmals Tenor gewesen sein — bekam ich gar nicht zu Gesicht, denn kaum daß die Spielzeit begonnen, brannte er, Gläubiger halber, durch. Ein Meer- 'chweinchkndirritor schloß mich hierauf in seine väter lichen Arme. Der war sein eigener Regisseur, Cha- akterspiclcr, Vurcauvorstand, Garderobenverwalter, kassier und darum auch Dramaturg, denn die Dor- 'tellunHen mußten so eingerichtet werden, daß sein cweiliges Auftreten nicht eher erfolgte, al» sie die Talerstücke richtig geborgen waren. Eine Toch- ier war Naive, die andere Heroine, und der nicht nit gleichen Talenten gesegnete Sohn zog den Vor hang auf. Diese Sorte von Direktoren ist am Aussterben, ebenso die der skrupellosen Pächter, denen vordem kleine und größere Stadttheater ausgeliefrrt wurden, lediglich im Hinblick auf ihre finanzielle Tüchtigkeit. Heute stehen diese Betriebe meist in städtischer Regie, und der Leiter wird nicht ausschließlich auf seine ge- fchästlichcn Fähigkeiten hin eingesetzt. Vormals aber waren manche der kleinen und mittleren Stadttheater sogenannte Goldgruben, man spielte nur sechs bis sieben Monate, nutzte die gute Zeit aus, trieb Raub bau, brachte die Schlager der Hauptstadt, ließ Vir tuosen gastieren, und hatte der Pächter das Feld ab gegrast, zog er mit gefülltem Säckel von dannen. Ein Musterexemplar dieser Gattung war mein ehemaliger Direktor in Posen. Man behauptete, er habe vordem den Englischen Garten geleitet, ein Re staurant, das sich durch tadellose englische Küche aus- zeichnete, mit der englischen Literatur stand er jedoch auf gespanntem Fuß, denn als ein berühmter Gast spieler den Othello spielen sollte und dem Direktor vorhielt, er habe keinen Jago, tat dieser sehr ver wundert und fragte, ob da» eine so bedeutende Rolle sei. Hofluft wehte in Oldenburg. Dort hieß die Thea terleitung „großherzogl. Theaterkommission', sie war doppelhäuptig, der Finanzmann ein Hofrat, Durcau- krat reinsten Wassers, starr, schroff, die künstlerische Spitze ein schöngeistiger Freiherr, Lyriker, zart, schüchtern, der den Proben nur als heimlicher Zu schauer im dunkelst Parkett beiwohnte. Ein vermeintlicher Cäsar aus dem Theaterthron war Alexander Heßler, mein Direktor in Straßburg. Man nannte ihn Alexander den Großen. „Ich und Laube", war seine stehende Redensart; er hatte in Paris das Konservatorium besucht, den unter ihm vereinigten elsässischen Theatern gehörte auch eine französische Truppe an, und Heßler betrachtete sich al» Bindeglied der Nationen. Gerhart Hauptmann, der in späterer Zeit bei dem dann Entthronten in Berlin dramatischen Unterricht nahm, hat ihm in der Figur de« Theaterdirektors Hassenrcuter in den „Ratten" ein Denkmal gesetzt; das ist Heßler wie er leibt und lebt«. Wer ihn gekannt, tut einen Blick in die Werkstatt de» Dichters, bewundert die Kunst Hauptmann», da» Modell in Gestaltung zu ver» wandeln. Ein echter Dichterintendant war Gustav zu Putlitz in Karl»ruhe; er konnte in seiner Herzen güte niemanden etwa» abschlagcn. So hatte er einer Reibe von Mitgliedern, die ihn darum angingen, ßir Roll, dr» Hamlet versprochen; um nicht in Unan nehmlichkeiten zu geraten, blieb ihm nichts übrig, als dieses und im gleichen Falle manch anderes Stück vom Spielplan grundsätzlich auszuschließen. Der In- tcndant des Kasseler Hoftheaters, ein Freiherr von Gilsa, war ein militärischer Intendant: Disziplin, Ordnung hieß die Losung, wenn auch die Schauspie- Icrschaft dem Kommando sich fügte, die Musen taten cs nicht immer. In Wien geriet ich unter Durckhards Lei- tung. Nebst anderen vorteilhaften Eigenschaften zeich neten ihn der Stößer und die „Reschen" aus, er war Theatcrdiplomat in Hemdärmeln. Mißliche Angele genheiten erledigte er gern en passant und so oben hin. Seinen Regisseuren hatte er vom Engagement Mitterwurzers kein Sterbenswort verraten, nur al» Hartmann gelegentlich der angcsctzten Vorstellung sagte: „Montag kann ich doch den Hüttenbesitzer nicht spielen, da bin ich auf Urlaub," erwiderte Durckhard: „Den spielt Herr Mitterwurzer." „Als Gast?" und Hartmann machte große Augen. „Nein, als enga- giertes Mitglied..." und schon war Burckhard weg und aus Schußweite. Kavalier-Intcndant war Graf Seebach. Un terredungen glichen Audienzen, eine Würde, eine Höhe entfernte die Vertraulichkeit... eine spanische Wand, hinter die sich der Theaterdirektor Uüchtet vor unbequemen Fragern. Unbelastet von Tradition ritt Scebach, der ehemalige Kavallerieoffizrer, gegen Ver altetes Attacke, setzte sportlustig über die Hecken der Vorurteile und hatte Mitarbeiter in Karl Zelß, dem jetzigen Münchener Generalintendanten, chemal» Gymnasiallehrer, und Meyer Waldeck, ehemaliger Prinzenerzieher am badischen Hof und kurze Zeit, aber nicht mit sonderlichem Glück, Leiter der Leip ziger städtischen Theater. Ob Ueberzeugungs- treue, ob Aushängeschild: die „Moderne" ist ein Wappen, das in jedem Falle Geltung verschafft; wer etwa» auf sich hält und nicht unter den Schlitten kommen will, wird diese» Wap pen» sich bedienen, und so sehen wir denn die Ko karde auf allen Mützen. Manch einer steckt auch ver schiedene Farben auf, so der Direktor des Deutschen Theaters in New Pork, Maurice Baumfeld: er richtet Wochenabonnemcnts für Klassische», Familienhafte» und Moderne» ein. Mit dem Programm vermochte aber die Durchführung nicht Schritt zu halren, so kam es, daß den „Klassischen" -an» Huckebein und den Modernen „Alt-Heidelbrrg" serviert werden mutzte. vrenstsg, 6eu 26. full! Deutschlands Lage im Innern und nach außen hosf- nuntzslo». Da» Ausland sei an diesem Zustande mitschuldig, denn e» habe bei der Verleugnung aller völkerrechtlichen Ideale eine Verbitterung er zeugt, die zu solchen Auswüchsen führte, von Leu- ten, die dem nationalen Gedanken zu dienen glau ben, wenn sie den Vorkämpfer wahrer nationaler Gesinnung meucheln. Rathenaus oft falsch ver standene Erfüllungspolitik habe Deutschland weniger Opfer auferlegt als die Ruhrbesehung, von der viele sagten, man könne es ruhig darauf ankommen lassen. Rathenau habe diese Gefahr lange ab gewehrt. Die Republik, die in Rathenau den Blutzeugen de» über Fraktion»- und Klassenhavcr thronenden Gedanken der nationalen deutschen Demokratie und der nationalen Verständigung ehrt, müsse alle Kraft daransctzen, den Schand fleck dieses schwarzen Tages auszutilgen, indem sie an der Durchführung der Gedanken arbeitet, in deren Dienst Rathenau fiel. Musikvorträge rahmten die würdige Feier ein. vynamitattentat in Münster Münster, 25. Juni. (Eig. Tel.) In der Nacht zum Sonntag ist auf das Gebäude des sozial demokratischen Organs in Münster Der Volks wille ein Dynamitattentat verübt worden, wobei das Druckereigebäude mit den Druck- und Setzmaschinen fast vollständig zerstört wurde. Das Attentat wurde gegen 144 Uhr nachts verübt. Nach der sehr starken Detonation hörte man in den dem Verlagsgebäude benachbarten Häusern laute Hilfe rufe. Man vermutet, daß eine Person unter den Trümmern begraben liegt. Die sofort auf- genommene Fahndung nach den Tätern ist bis^ - ohne Erfolg geblieben. Vie Hltler-Gar-e am Werk München, 25. Juni. (Eig. Tel.) Nachdem eine Zeitlang nach dem Erlaß der bayerischen Not verordnung ziemlich Ruhe geherrscht hatte, haben nun seit einigen Tagen die Hitleraktivisten wieder begonnen, hre von früher her sattsam bekannte Pro- paganda der Tat zu betreiben. Der Ueberfall auf Kommerzienrat Mrenkel war der Anfang. In der vergangenen Nacht überfielen nun Hakenkreuz- ler die Gruppe Nordwcst der Arbeiter jugend, die von einer Sonnenwendfeier mit ein gerollter Fahne ruhig heimzog, und versuchten ihne:i die Fahne zu entreißen.. Bei der sich entwikelnvcn Schlägerei wurde einer der jungen Sozialisten von den etwa 20 Leuten auf das Pflaster geworfen und so unmenschlich verprügelt, daß er be wußtlos ins Krankenhaus gebracht werden mußte. Außerdem gab es noch vier leichter Der- letzte. Ausschreitungen auch in Lisleben Eisleben, 25. Juni. (Eig. Tel.) Hier kam cs gestern nachmittag zu einem blutigen Zusam- menstoßzwischenEtahlhelmleutenund Kommunisten. Die Stahlhelmleute feierten ein Fest, zu dem aus verschiedenen Städten der Provinz Sachsen Gäste erschienen waren. Zu gleicher Zeit fand in Eisleben ein Gewerkschaftsfest unter der Lei- tung der Kommunisten statt. Da in den kommunisti- schen Blattern gegen die Etahlhclmleutc aefchürr worden war unter Hinweis auf die Vorgänge in Eilenburg, wo die Kommunisten den kürzere:: gezogen hatten, traf die Polizei umfangreiche Vordere'tungen, um Ausschreitungen zu verhindern. DiH Ilmzüge der beiden Parteien verliefen ohne Störung. Dann aber, am spaten Nachmittag, überfielen etwa 100 mit Stöcken und Gummischläuchen bewaffnete Kommu nisten eine Iugendgruppe des Halleschen Stahlhelm, die vor dem Lokal Terrasse Posten standen. Einer der Stahlhelmleute erhielt dabei einen Messer stich in den Bauch, so daß er ins Krankenhaus ge bracht werden mußte. Drei andere erhielten eben falls Verletzungen. In dem folgenden Handgemenge wurde einKomm uni st totgeschlagen; zwölf andere Kommunisten erlitten zum Teil schwere Ver letzungen. Die Polizei griff schließlich mit starkem Aufgebot ein und trennte die Parteien. Bei der Stadtverordnetenwahl in Beuthcn entfielen von 44 Mandaten 41 auf die deutschen und drei auf die polnischen Parteien. Im Schauspielhaus brillierte vergangenen Sonn tag Bernhard Wildenhain als Theater- direktor Strieße im „Raub der Cabinerinncn". Das will schon etwas bedeuten; denn wir Leipziger sind durch Büllers „Strieße" verwöhnte und außerdem in der Lage, die Sächsischkeit des Schmierendirektors besser als ein Münchner oder ein Berliner Publikum kontrollieren zu können. Da muß man denn sagen: Wildenhain ist einer der Unseren! Wärglj wahr! Wer phonetisch nur Halbwegs wach ist, weiß, daß es ein halbes Dutzend sächsische Dialekte gibt. Der Leibzjr z. B. hält das Idiom seines Meißn>^ Stammesbruders für sehr „buzzj" und lacht darüber. Und umgedreht. Wildenhain verzapft ein Sächsisch mit unheimlich echtem Lokalkolorit. Das gurgelt wie Pleißewasser. Wie eine Strchkahnpartie am ersten Pfinastfeiertag früh um viere — so ruckt und schau- kelt dieses Mannes Rede daher. Doch auch seine Gestik war Heimatszauber. Gan» die lächerliche Pathetik de» Scherbelbcrges. S te l l a David akkompanierte den neuen Strieße als fröhlich darinn hupfenden Trampel, Rosa genannt. Die übrigen Rollen sind schrecklich konventionell und altmodisch- lustspielhaft. Ihre Darsteller fanden sich in guter Form damit ab. «Ivkn Buchhändler - Schlüsselzahl: 8000. Mit Wirkung vom 26. Juni wurde die Schlüsselzahl für den deutschen Buchhandel um 27 Prozent von 6300 auf 8000 erhöht. — Die letzte Erhöhung trat am ver- aangenen Mittwoch ein. Die immer kürzeren Intervalle beleuchten kraß die rapide Geld- rntwertuilg, die sich trotz de» augegnblicklich rück läufigen Dollarkurses jetzt erst auszuwirkcn beginnt. Der Wodaukult der Deutschvölkischen. Die deutsch- völkische Zeitschrift „Der Hammer", Leipzig, bringt in ihrer letzten Nummer einen Bericht über den „zweiten Gauthing der Wodananbeter", der in L i n z stattgefunden hat. Da« Christentum wurde als „eine unserem Polk«wesen fremde und un» daher gleich allem widernatürlich Fremden arg schädigende Religion" bezeichnet; zugleich wurde die Regierung heftig angegriffen, weil sie den Wodankultus noch nicht staatlich anerkannt hat und keinen entsprechenden Religionsunterricht in den Schulen zuläßt. An der Spitze der neuen Religion steht ein „Gaugraf", dem seine Gesinnungsgenossen den Adel verliehen haben.
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