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Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 14.06.1923
- Erscheinungsdatum
- 1923-06-14
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-192306144
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-19230614
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-19230614
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1923
-
Monat
1923-06
- Tag 1923-06-14
-
Monat
1923-06
-
Jahr
1923
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SE>2 Oie Wahlen ln Oldenburg Da» Land Oldenburg hat sich, soweit es nicht zum besetzten Gebiet gehört, trotz der Schwere der Zeit den Luxus von Landtagswahlen gestat tet. Die Landesregierung, an deren Spitze der Demokrat Tantzen stand, wollte aus Rücksicht auf unseren Abwehrkampf an der Ruhr den die politischen Leidenschaften aufwühlenden Wahl kampf jetzt vermeiden und beantragte zu diesem Zwecke, die Bestimmung der Landesverfassung, auf Grund deren gerade jetzt der Landtag neu zu wählen war, zu ändern. Auch der Reichskanzler empfahl dringend, die Wahlen zu verschieben. Dazu wäre nötig gewesen, daß im oldenburgischen Landtage eine Zweidrittelmehrheit die beantragte Verfassungsänderung gebilligt hätte. Aber die Zweidrittelmehrheit wurde nicht erreicht, weil — die Deutsche Volkspartei sich nicht dazu verstehen konnte, mit den Demokraten, dem Zen- trum und den Sozialdemokraten, zu stimmen, sondern mit den Deutschnationalen die Opposi- tion bildete. Die erste Folge dieser Haltung der Deutschen Dolkspartei war der Rücktritt des Ka binetts Tantzen, das durch ein Beamtenministe rium ersetzt wurde; die zweite, daß die Wahlen doch während des Ruhrkonfliktes stattfanden, und zwar am letzten Sonntag; die dritte: eine emp findliche Wahlniederlage der Deut- sch en Dolkspartei und ein ansehnlicher Gewinn der Demokraten. Das Wahlergebnis liegt jetzt vor. Gewählt wurde nur in den Landesteilen Oldenburg und (kutin, während in Birkenfeld, das im besetzten Gebiet liegt, die Wahlen ausgesetzt werden muß- ten, was bei der Vergleichung der Stimmen^ahlen zu berücksichtigen ist. Die Vereinigten sozial- demokraten sind nach wie vor die stärkste Partei des Landes; sie erhielten 43 300 Stimmen, gegen zusammen 6l 681 im Jahre 1920. Die übrigen Zahlen sind: Deutsche Volkspartei 37 700 (48 726), Zentrum 38 200 (38 945), Deutsche Demokratische Partei 33 800 (30 109), Deutschnationale 13 100 (8 8324), Kommunisten 11100 (2623), Ledebour- gruppe 2300. Die Mandate verteilen sich (einschließlich der von den vorigen Wahlen verbliebenen fünf Bir- kenfeldcr Sitze) wie folgt: Vereinigte Sozialisten 11 (vorher 15), Deutsche Dolkspartei 11 (14), Zentrum 10 (10), Demokraten 9 (6), Deutschnationale 3 (1), Kommunisten 2 (1), par teilos 0 (1). Die Mandatszahl ist von 48 auf 46 vermindert worden. Für Oldenburg selbst bedeutet dieser Aus- gong der Wahlen eine starke Dertrauenskund- gebung des Volkes für dieRepublik und für das demokratisch-republikanische Koalitionskabi- nett Tantzen, das nun die Regierung wieder übernehmen kann. Nicht weniger wichtig sind die allgemeinen Lehren, die sich aus dem Wahlergebnis ziehen lassen. Nach den schweren Enttäuschungen, die der Versailler Vertrag dem deutschen Volke gebracht hat, war cs nicht zu verwundern, daß große Scharen politisch Unge schulter, die sich im Januar 1919 unter die Fit tiche der Demokratischen Partei geflüchet hatten, dieser den Rücken kehrten und sich, durch nativ- nale Phrasen berauscht, auf die rechte Seite schlu- gen. Die Demokratische Partei hatte sich in den Tagen der schlimmsten Not des Vaterlandes nicht gescheut, an verantwortliche Stellen zu treten und mit Einsetzung ihrer besten Kräfte zu retten, was zu retten war. Da not- gedrungen vieles anders verlief, als man wünschte, war es nur natürlich, daß Dank und Anerkennung ausblieben, dafür aber die natio nale Zuverlässigkeit der Demokraten hämisch an- gezweifelt wurde. Den Vorteil daraus zog zu- nächst die Deutsche Dolkspartei, der sich viele ehe malige Wähler der Deutschen Demokratischen Parei zuwandten, und es gab eine Zeit, da weite Volkskreise die Demokratie für erledigt hielten. Aber die Deutsche Demokratische Partei ließ sich durch den Abfall der Wähler und den Verlust von Mandaten nicht beirren. Obwohl der Zahl nach kleiner geworden, hielt sie doch daran fest, sich im Reich und in den Ländern an der Regierung zu beteiligen, wo es die politische Lage gebot, und die Verantwortung zu übernehmen. In Oldenburg war es besonders der Demokrat Tantzen, der sich als charakterstarker Politiker bewährte. Ueber die Grenzen seines Landes hin aus wurde er bekannt, als er im Herbst vorigen Jahres als erster mit dem Plan eines wert beständigen Zahlungsmittels, der oldenburgischen „Roggen-Anweisungen", hervor- trat. Durch eine echt demokratische Steuer- und Ernährungspolitik, die das Wohl der Volks gesamtheit über alle Sonderinteressen stellt, zog sich Tantzen die grimmige Gegnerschaft des in dem agrarischen Lande sehr einflußreichen Landbundes zu, dessen parlamentarische Vertreter die Deutsch nationalen und die Deutsche Dolkspartei sind. Als diese Parteien die Neuwahlen erzwangen, wer den sie gehofft haben, daß sich die Wähler noch mehr als bisher von denen, die für die Politik verantwortlich sind, abwenden und der Opposi tion auf der rechten Seite zuneigen würden. Das Wahlergebnis hat bewiesen, daß diese Rechnung falsch war. Die Wirkung hohler Der- sprerbungen und leerer Phrasen ist begrenzt. Auf die Dauer macht doch Fe sti gleit und Ziel klarheit einen stärkeren Eindruck auf die Wähler, als grundsatzloses Schwanken, das sich immer der jeweiligen Stimmung anpassen rstll. Die Wähler haben erkannt, und zwar gerade auch in den rein ländlichen Bezirken, daß die Deutsche Demokratische Partei, allen Verleum dungen zum Trotz, Vertrauen verdient, wenn sie sich selbst treu bleibt. Line Verschmelzung mit der Deutschen Dolkspartei aber, von der in der letzten Zeit hier und da die Rede war, würde die Deutsche Demokratische Partei gerade dessen be rauben, was ihr in Oldenburg den Erfolg ver schafft hat. k. »«le. Der Reichstag verabschiedet am nach eingehender Durchberatung da» R e i ch'» - voaaOrstag, 6«v IT. Zual kna».psch.asts,esetz. Gegen da» Gesetz stimm- ten die äußersten Flügel recht» und link». Dann vertagte sich das Hau» ans Mittwoch. Vie Neuregelung der veamtengrundgehSlter Darlt», 18. Kuli. (Eig. Tel.) Der Hau». Haltausschuß de- Reichstags nahm gestern nach längerer Aussprache den Entwurf einer neuen Ergänzung de» Besoldungs gesetzes in der Fassung an, die da» 33fache der letzten Grundgehälter als Norm für di« neue» Gehälter festsetzt. Demnach würden also dt« Grundgehälter betragen für Gruppe l 324000 btt 432000 ! Mark 44 II 357000 „ 476000 44 19 III 390000 „ 530000 »ff 49 IV 437000 „ 682000 49 V 494000 „ 658000 VI 557000 „ 748060 VII 636000 „ 848-00 vm 730000 ,, 973000 IX 838000 „ 1118000 — X 963000 „1284000 XI 1115000 „ 1487000 49 XII 1303000 „1737000 XII1 1560000 „2080000 49 Was die Ortszulagen anbetrifft, so wurde nach langen Berarungen der Vorschlag des Reichs rate» angenommen, der die Spannung der Re gierungsvorlage ein wenig verringerte. Die Orts zulagen betragen infolgedessen in Ortskasse -i 72 000 bis 180 000 Mark, in 8 58 000 btt 150 OSO Mark, in 6 50000 btt 130000 Mark, in v 13000 btt bis 110000 Mark, in L 36000 btt 90000 Mark. Wegen der Frauen- und Hausstands zulagen stellte sich der Ausschuß auf den Stand punkt, daß sie später eingehend zu behandeln seien, nahm aber einen Zentrumsantrag an, der die Frauenzulagen nicht nur an die Witwen der Be amten, sondern auch an die Witwen, soweit sie Beamte sind, gewährt wissen will. Ein volks parteilicher Antrag, die Frauenzulagen zu streichen, wurde abgelehnt. Prozeh Zuchs-Machhaus München, 13. Juni. Im weiteren Verlaufe des Prozesses Fuchs-Machhaus hob der Zeuge Kautter hervor, daß die Gerüchte von einem bevorstehenden Unternehmen große Unruhe in die nationalen Ver bände gebracht habe. Sogar aus Württemberg seien Leute gekommen und hätten gefragt, was denn eigent lich los sei. Kautter macht dann Mitteilungen über seine Zusammenkünfte mit Fuchs und Machhau». Er habe aus den Besprechungen den Eindruck erhalten, daß Fuchs und Machhau» damit gerechnet hätten, daß sie die Freiwilligenformationen nur unter Betrug gewinnen könnten. Don einer Bekämpfung des Bolschewismus sei wohl ein- oder zweimal gesprochen worden, aber als Grund der Aktton sei sie nicht genannt worden. , Zwei Leumundszeugen schilderten daraus die Persönlichkeit des Angeklagten Fuchs. Der Nerven arzt Dr. Lautenhammer bemerkte, die Einstel lung Fuchs' sei von jeher durchaus national gewesen. Kurz nach Ausbruch des Krieges sei Fuchs in da» Sanatorium des Zeugen unter Erscheinungen schwer ster Gemütsdepreffioncn gekommen. Fuchs habe es nicht ertragen können, daß man seinen phantastischen Ideen widersprach. Er selbst habe dar geglaubt, was er zusammenphantasierte. Aufs Geldverdienen habe er sich nie verstanden. Er habe nur idealen Zielen nachgestrebt, dabei sich aber für einen großen Praktiker gehalten und seine Schwäche nicht einge sehen. Ein ähnliches Urteil fällt auch der zweite Leumundszeuge über Fuchs, der Direktor der staat lichen Münzsammlung, Universitätsprofessor Dr. Babnch, der Fuchs seit 40 Jahren kennt. Lr nennt Fuchs eine speziell intuitiv veranlage Persönlichkeit. Gefühlmäßige Erwägungen überwöögen bei ihm da« Verstandesmäßige. Er sei mit hypertropischer Phan tasie behaftet. Merkwürdig sei bei ihm auch noch die in höherem Alter außerordentliche Beeinflußbarkeit und Lenkbarkeit. Der Politik sei er früher durchaus abgeneigt gewesen. Daß er jetzt Politik mache, sei eigentlich ein Rätsel. Nach der Meinung de» Zeugen ist er von dem überlegenen Intellekt Dr. Kühle»' und dem starken Temperament Machhous' fort gerissen worden. Al« letzter Hauptzeuge wurde hierauf Regierung», baumeister a. D. Schäfer vernommen. Er »achte folgende Angaben: Er sei Vorsitzender de» damaligen Bunde» .Treu Oberland' gewesen. In München hab« ihn Hauptmann Brendel mitgeteilt, daß auf Veranlassung des Herrn Machbau» eine Art von Mobilmachung der vaterländischen Verbände betrieben worden sei. Schäfer hab« Brendel erklärt, die Mobilmachung müsse sofort rück gängig gemacht werden, da seiner Ansicht nach di« vaterländischen Verbände nicht dazu da seien, sich von Dritten in Abenteuer stürzen zu lassen. Der Zeuge erzählte dann, wie er mit Fuchs und Mochaus bekannt geworden und durch eine Aeußerung des Machhaus stutzig geworden sei, der erklärt habe, für die Gesundung der deutschen Verhältnisse dürfe kein Tropfen bayrischen Blute« vergossen werden. Au« dieser Aeußerung habe Schäfer geschloffen, daß Mach hau» vielleicht Absichten verfolge, di« nicht im ge samtdeutschen Interesse lagen. Rechtsradikale MordplSae München, 13. Juni. (Eig. Tel.) Vor dem Volk»gericht München begann heute noch ein Pro- zeß, der die Skrupellosigkeit der Rechtsradikalen in der Ordnungszelle München grell beleuchtet. An geklagt ist Dr. jur. Römer, Hauptmann a. D., weil er den Schriftsteller Wilhelm Kiefer (genannt Hauptmann v. Kessel) wiederholt aufgefordert hat, den bekannten Kapitänleutnant Ehrhardt und den Major Severinghau» zu ermorden, weil Ehrhardt zu den Juden übergegangen fei. Der Anschlag aus Ehrhardt sollte so ousqeführt werden, daß im Bund Oberland eine Schießerei in Szene gesetzt wurde, bei der Ehrhardt und Severinghau» getötet und, um die Urheberschaft zu verschleiern, Römer und Kiefer leicht verwundet werden sollten Die aus pr aadebura gemeldet wird, nahm die Polizei in den letzten Tagen zahlreich« Ver haftungen vor, und zwar handelt e« sich dabei hauptsächlich um Mitglieder dr» sogenannten R»landb«nde«, eine« wenig hervorgetretenen Iugendbunde». Insgesamt sollen 27 ftmg« Leute verhaftet, iedoch zum Teil wieder entlassen worden sein. Zwölf von ihnen wurden in Haft behalten. velgienr Siel« im Ruhrgebiet Pari«, IS. Juni. (Eig. Tel.) Die au» Brüssel gemeldet wird, kam «» gestern in der belgischen Kam mer zu einer großen Debatte über die Reparations frage. Hierbei drückte Panderv «lde, der be- kannte sozialistische Führer, sein Bedauern darüber aus, daß Frankreich und Belgien sich geweigert Ka den, mit England cm einer gemeinsamen Antwort auf di« erste deutsch« Rote zusammenzuarbeiten. Zn Deutschland gebe es eine sozialistische Partei, die aufrichtig die Durchführung der Reparationen wünsche. Dandervelde warnte davor, Deutsch land zu zerstückeln und dadurch die ganze Welt zu vergiften. Er schloß mit dem Hinwei», baß die belgischen Sozialisten bereit seien, alle Unter haltungen über die endgültige Lösung der Repara tionsfrage zu fördern. Außenminister Iaspar antwortete dem sozialisti schen Führer eingehend. Er gab zunächst eine Ueber- sicht über die .Nichterfüllungen" Deutschlands und fuhr dann fort: .Wenn Sie sagen, es gebe zwei ver schieden« Deutschland, so muß ich darauf antworten, daß die sozialdemokratisch« Partei in Deutschland, als sie an der Macht war, niemals etwas getan htat, um die Reparationen durchzufllhren. I ch glaube den Erklärungen der deutschen Sozialisten nicht mehr, als ich denen des Reichskanzers Cuno glauben würde. Ich kenne nur ein Deutschland, nämlich das Deutschland der Nichterfüllung. Das Deutschland, das nicht zahlen will, gibt täglich Millionen von Goldmark für seine Propaganda im Auslande aus. Ich habe die Pflicht zu sagen, daß unsere Haltung immer durch unser Interesse und unser Verantwor tungsgefühl eingegeben wird. Ich verlange von den Sozialisten, daß sie unter den Arbeitern die unge nauen Vorstellungen zerstreuen, die dort augenblick lich herrschen. Wir wollen die einzigen Mittel an wenden, die un» noch übrigbleiben und die die Deutschen verstehen: wir werden im Ruhrgebiet bleiben, bis wir Wiedergutmachun gen erhalten haben.' Die französische Regie rung hat, das kann ich versichern, denselben Gedan ken; sie verfolgt keinerlei politische Ziele, wie sie auch immer wiederholt hat. Das sollte man den Ar- beitern sagen. Es ist nicht unser Ziel, Deutschland zu ruinieren, noch dazu beizutragen, daß e» zusam- menbricht. Unser Ziel ist es, die Magnaten der deutschen Industrie zum Nachgebrn zu zwingen. Sie werden mit mathematischer Sicherheit gehorchen. Im Anfang wollte man kein Angebot machen, heute liegen bereits zwei Angebote vor. Sie sind zweifellos unannehmbar, aber man wird jenseits des Rheins noch zu vernünftigeren An sichten gelangen. Es ist zunächst notwendig, daß die Reichsregierung den Widerstand aufgibt, den sie organisiert hat. Ich unterstreiche das Wort: Den sie organisiert hat. Es ist auch notlyendig, daß man aufhört, unsere Leute zu töten." Noch «inTodesopfer in Dortmund Dortanmd, 13. Juni. (Eig. Tel.) Am Freitag vormittag wird in der Leichenhalle des Luisehospitals ein« Totenfeier für die am Sonntag abend Erschossenen stattfinden. Die Beerdigung der Opfer, deren Zahl sich iowischen auf sieben erhöht hat, erfolgt auf dem Westfriedhof. Die deutschen Behörden in Dortmund find mit der weite ren Aufklärung des Mordes an den beiden franzö sischen Feldwebeln beschäftigt und hoffen, die Unter suchung noch heute abschließen zu können. Auch über Dortmund-Huckarde ist jetzt der Be- lagerungszustand verhängt worden, ebenso über Eickel und Röhlinghausen, weil dort angeblich Deutsche Schüsse gegen französische Schildwachen ab gegeben haben. Da die Bevölkerung dieser Kreise zum größten Teil aus Bergleuten besteht, trifft sie die Derkehrssperre besonders schwer. Reue Truppen verstärkungen sind auch gestern wieder in Dortmund eingetroffen. Die Franzosen gehen jetzt dazu über, Dürgcrquartiere anzufordern, während sie bisher nur öffentliche Gebäude beschlagnahmt hatten. Die Bevölkerung verhält sich vollkommen ruhig. Als die Reichsbank am Montag früh beseht wurde, fielen den Franzosen anfangs nur geringe Kaffenbestände in die Hände. Nach zehnstündiger Durchsuchung der Räume und Angestellten, fanden sie zwei Tresorschlüffel... Mit einer Beute von einer Milliarde Mark konnten sie nach- mittag» gegen 6 Uhr abziehen, nachdem sie Wacht posten in der Dank hinterlassen hatten. Die Reichs- bank ist auch heute noch besetzt und der Reichsbank direktor Iunke noch in Haft. In der Stadthanpt- kasse haben die Franzosen am Montag etwa 41 Mil lionen Mark beschlagnahmt. Dagegen trifft es nicht zu, daß auch in Privatbanken Gelder beschlagnahmt worden sind. Line neue franzSfische Darstellung Pari», 13. Juni. Ueber die Vorfälle in Dort- mund in der Nacht vom Sonntag zum Montag gibt Havas folgende Darstellung: Eine französische Pa trouille sei von deutschen Zivilisten, die sich trotz de« Verkchrsverbotes auf der Straß« aufgehallen hätten, bedroht worden. 'Sie hätte nach dem üblichen Air ruf auf die Deutschen gefeuert, die sich geweigerr hätten, auseinander zu gehen. Es seien sechs Per- sonen getötet und «ine verletzt worden. Diese Darstellung von Havas ist bereits durch die bisher veröffentlichten deutschen Feststellungen widerlegt. E« ist jedoch bemerkenswert, daß von beiderseitigen Schüssen, von denen noch di« gestrigen Pariser Morqcnblätter berichtet hatten, nicht Mehr die Rede ist. Roh bis zur Unmenschttchkett Reckli«gha«fe», 13. Juni. Der 21jährige Kauf mann Möller», der von einer Geschäftstour nach Dortmund zurückkehrte und ohne Kenntni« von der Derkehrssperre durch di« Straßen ging, wurde ohne Anruf angeschossen. Lr lag drei Stunden schwerverletzt an einer Straßenecke, ohne daß ihm ärztliche oder geistliche Hilfe, nach denen er verlangt«, zuteil wurde, und -verstarb auch so auf der Straß«. Di« Stadt hat diescrhalb beim kommandierenden General Vorstellungen gegen diese unerhört« Härte und Unmenschlichkeit erhoben, die in der Verordnung de« sofortigen Schießen« ohne Anruf liege. Verkehrsverbot in wierbabeu Frankfurt a. M» 13. Juni. (Lig. Tel.) Wäh rend für die Orte Nied und Diresheim der ver schärft« Deloaerunaszustand wieder ausgehoben wor den ist, find über den Bezirk Wiesbaden andere schwere Maßnahmen verhängt worden. Der gesamte Verkehr von Kraftfahrzeugen zwischen dem befttzten und unbesetzten Gebiet ist mit sofortiger Wirkung verboten, und der Rochtoerkehr zwischen abend« S Uhr bi» morgen» k Uhr ist untersagt wor den. Diese« verbot wird in Zusammenhang mit Sabotageakten auf der Bahnstrecke Höchst-Wiesbaden gebracht. Dort kann aber nicht» Wesentliche» passiert sein, da der Zugverkehr, den die Franzosen eingerichtet haben, normal verläuft. Strafverschärfung für vetriebrratrmitgNed Müller Düsseldorf, 13. Juni. (Lig. Tel.) Degen das Betriebsrat-Mitglied Müller der Firma Krupp fand heut« vor dem französischen Kriegsgericht in Düsseldorf die laut Revisionsurteil unge ordnete neue Verhandlung statt. Müller wurde, weil er bei der Desetzun, der Kruppschen Auto mobilhalle am Ostersonnabend an dem Beschluß, die Sirenen zu ziehen, beteiligt war, wegen Stö- rung der öffentlichen Ordnung zu sieben Mo nate» Gefängnis verurteilt. In erster In stanz -in Werden hatte da» Urteil nur auf sechs Monate gelautet. Poincar4r innerpolittfche Sorgen Pari«, 13. Juni. (Eig. Tel.) Für kommenden Freitag steht in der französischen Kammer eine große Debatte über die innere Politik Poincares be vor, für die sich bereits eine große Zahl Redner des nationalen Blockes einschreiben ließ, und für die auch die bekanntesten Redner der Linken vorgemerkt sind. Auf der Tagesordnung steht zunächst eine Interpellation des Abgeordneten des rechten Flügels der rcpublikanisch-demokratischen Entente Pbarne- garay über die Stellung, die die Regierung ein zunehmen gedenkt in dem sehr heftig gewordenen Kampfe zwischen dem nationalen Block und dem Block der Linken. Der genannte Abgeordnete hatte diese Interpellation ohne vorherige Verständigung mit seiner Fraktion einaebracht. Diese hat darauf hin einen ihrer Vizepräsidenten, den Abg. Bellet, beauftragt, eine -weite Interpellation einzubringen, die mit der ersten gemeinsam be handelt werden soll, und die sich mit der zukünftigen Innenpolitik der Regierung auf breiter republikanischer Grundlage auf Grund eines genauen Programms einer einheitlichen und stabilen Mehrheit befaßt. Bellet hat dieser Inter- pellation einen Brief an den Ministerpräsidenten beigefügt, der wie folgt lautet: „Die Gruppe der rcpublikanisch-demokratischen Entente hätte nicht die Absicht gehabt, eine Debatte über die Innenpolitik zu eröffnen, in einer Stunde, wo die Sorgen des Lande» und ihre eigenen Sorgen mehr denn je auf die wichtigen Probieme der Reparationen gerichtet sind. Die Debatte wurde ohne unser Zutun eröffnet. Sie ist eröffnet und unbeendet geblieben. Sie haben erklärt. Sie seien bereit, sie am Freitag wieder auf- zunehmen, und wir wünschen, daß sie an diesem Tage vollständig durchgeführt wird im Interesse Ihrer auswärtigen Politik selber. In diesem Sinne hat die Gruppe der Entente kräh «beauftragt. Sie zu interpellieren.* NRnifterprSfi-ent Zeigner über bie Dresdner Unruhen Im weiteren Verlauf der Landtagsfitzung begrün dete am Dienstag Abg. Renner (Komm.) eine Anfrage feiner Partei über die Organisation der sächsischen Landespolizei. Er be hauptetes der polizeiliche Apparat in Sachsen sei nicht so eingestellt, wie der einer Arbeiterregierung entspreche. Die reaktionäre»! Polizeioffiziere be herrschten die Situation, besonders in Leipzig. Hieraus b-an^wortete Mksiist-i'n'-ösid'"'t D^. Z s« a- ncr einige Anfragen. Eine gesetzliche Regelung des Achtstundentages erübrige sich, nachdem dies reichs gesetzlich geschehen sei. Der Freistaat Sachsen werde den Klägern der Erwerbslosenfürsorge Landesmittcl für eine einmalige Beihilfe zur Verfügung stellen. Der sächsischen Regierung stehe kein Recht zu, sich in die Ruhrangelegenheiten einzumischcn. Zu den Un ruhen in Dresden übergehend, bemerkte der Ministerpräsident, es sei Tatsache, daß in Dresden zwei Mann mit Ausweisen des Reichskommissars für öffentliche Ordnung aufgetreten seien. Der Re- gierungskommissar Dillinger habe sich in Dres den auf Urlaub befunden. Lr sei aber nicht hierher gekommen, um sich putschistisch zu betätigen. Der Unt^r«-^ '--i- r - ! I . d"" cs mordung von Rosa Luxemburg eine Rolle gespielt habe, sei, wie der Reichskommiffar für öffentliche Ordnung erklärt, nicht mit einem Auftrage hierher gekommen. > s?übria'n Anfragen b"antwn-»et" der Ministl— des Innern Liebmann, dessen Ausführungen oft von großer Unruhe unterbrochen werden. Er nimmt vor allem den Dresdner Polizeipräsidenten Menke und die Hundertschaften in Schutz und behauptet, die Schuld an den Unruhen trage die Politik, die von den besitzenden Klassen im Reiche gemacht werde. Diese Leute sollten froh sein, daß die Ernte von Vem, was sie gesät hätten, nicht schlimmer aurfalle. Als der Minister die Angaben in dem Artikel des Bcr- T-'fje!' ' ^tr, non d-r regten Seite ein allgemeines Aha. Die Störung der Der- sammlung im Dresdner Ausstellungspalast und m d?r V<rsa^!N'ii"in T'"'b st >0» d - harmlos und deshalb straffrei hin. Die Einwande rung von Ostjuden sei nicht entfernt so groß, wie der Abg. Börner behauptet habe. Pon Kriegsende bi» 30. April 19*2 seien in Leipzig z. B. zu- gezogen 4622 Ostjuden, von denen 2100 wieder weg gezogen seien. In Chemnitz betrage der Zuwachs 13 Familien, in Zwickau 155 Personen, in Plauen 246 Personen. Die Werdauer Denkmals weihe sei nicht so harmlos geplant gewesen, wie sie dargestellt werde. Man habe eine Regimentsferrr veranstalten wollen und habe bei der Behörde nur eine schlichte Denkmalsweihe angemeldet. Wirtsct"is'^>"'i-'s-— A ? l c , s-rtlö-te »ns r^ne Anfrage, daß der Reichsverband der deutschen In- dustrie kein Recht habe, dem Reich wegen der Er füllung de» Reparationsplanr» Bedingungen zu stellen. Die sächsische Regierung werde die Forderung aas Erfassung der Sachwerte beim Reich nachdrück- lich vertrete». Rach längerer Debatte wirb die Sitzung auf Donnerstag 1 Uhr vertagt. Die französische Regierung hat beschlossen, Pierre Loti auf Staatskosten beerdigen zu lassen. Der Beschluß wurde auf Antrag des Marine- Minister« gefaßt, weil Lott Kapitän zur See a. D. war. >,
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