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Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 12.06.1923
- Erscheinungsdatum
- 1923-06-12
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-192306127
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-19230612
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-19230612
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
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Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1923
-
Monat
1923-06
- Tag 1923-06-12
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Monat
1923-06
-
Jahr
1923
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vt«n«lL8, 6«a 12. ^aol Ein französischer Vor schlag zur Verständigung Don vr WUKulin ssr»«<lm«nn, Privatdozent an der Universität Leipzig Man hat allmählich in Deutschland gelernt, Zeugnisse der Vernunft au» Frankreich mit dem Gefühl hinzunehmen, daß es in diesem Lande zwar viele Kluge und verstündigungsdereite Menschen albt, diese aber doch gegen die Majori- tüt, die einer Regierung Potncarö das parla mentarische Leben ermöglicht, nicht aufkommen können. Man nimmt diese Zeugnisse als das was sie sind: Beweise eines guten Willens — nicht mehr und nicht weniger. Interessant sind sie als Stimmungsbild der Kreise, aus denen sie kommen. Man wird feststellen können, daß ein Großteil der geistigen Elite des Landes die offizielle Politik mißbilligt. Bekannt ist das ja von den Sozialisten aller Richtungen, von den extremen der Claris, den etwas gemäßigteren der HumanitS, den Unabhängigen der Ere Nou- veile, der Nouvelle Europ« und der Oeuvre oder der Revue d« l'Cpoque. Weniger bekannt ist der Kampf, den einige literarische Zeitschriften führen, in denen geistige und ethische Führer- Menschen Frankreichs ihren Ideen über Deutsch land und den Frieden Ausdruck geben: Die Taiers idäaliste», die der Sorbonneprofessor Edouard Dupardiy, einer der edelsten und vornehmsten Menschen unserer Zeit, leitet, kämpfen seit 1918 für einen billigen Frieden; in der letzten Nummer bemühen sie sich, die Halt losigkeit der Schuldlüge an Hand des diplomatt- schen Materials klarzulegen. Zurückhaltend war bisher in politischer Hinsicht die Nouvelle Revue Franvaise, das führende Organ der Zungen, nicht Jüngsten, die sich um Andrö Gide, SuarSs, Jule» Romain», Georges Duhamel, gruppieren. Hatte Gide schon vor einem Jahre ein geistiges Derständigungsprogramm mit Ausschaltung eines farblosen Internationalismus aufgestellt, hatte im Januar die Gedächtnisnummcr für Marcel Proust Beiträge deutscher Kritiker ge- bracht, so tritt nun in der Mainummer der Chef redakteur, Jacques Rivitre, sonst ein feinsinniger Literaturkritiker, mit einem beach tenswertem Artikel an die Oeffentlichkeit: Für eine ökonomische Verständigung mit Deutschland. RiviSre beurteilt die letzten Ereignisse nicht als Ethiker, sondern als Politiker. Er verur teilt nicht unbedingt die Ruhrpolitik der ersten Monate. Gr gibt ohne weiteres zu, daß der Ein marsch in» Ruhrgebiet einen Bruch des Der- s-ailler Vertrags darstellt. Gerade darin ober sieht er einen Vorzug — seine einzige Entschuldigung: „der Rahmen und die Prlnzi- pien de« Vertrages sind damit durchbrochen"'. Er erkennt im Vertrage von Versailles Zwei Grundfehler: erstens baut er alle Verpflichtun gen des Besiegten gegenüber den Siegern auf dem nbgezwungenen Bekenntnis der Schuld und der Reue auf; zweitens begründet er alle Dor- teile, die er dem Sieger sichert, mit einer Wieder gutmachung. Rivi-re geiselt die Weltfremdheit, die Ideo logie de» Vertrages. Reue eines Volkes ist eine Utopie, und die Angst vor Sanktionen ist ein lähmender, nicht ein schöpferischer Faktor. Für Riviere gilt der Satz: Man hätte für Deutsch- land ein Interesse am Erstark» des durch den Krieg geschwächten Deutschlands schaffen muffen: sein eigenes Erstarken. Er fährt dann fort: -Nach vier Jahren eines Pseudofriedens mußte Vie Ruhroperation auf Hindernisse stoßen, die vorher nicht existierten. Die Geister sind in Deutschland nicht mehr auf dem Punkt 1918. Der Verirrung und Niedergeschlagenheit von W18 Hütte das Angebot ökonomischen Zusam menarbeiten» eine Ablenkung geboten, die viel leicht bi» zum Enthusiasmus gegangen wäre und eine unvorhergesehene Bereitschaft mit sich ge bracht hätte. Heut« kehren sich die juristischen und moralischen Begriffe, die Frankreich in Umlauf brachte, gegen Frankreich selbst. Man fordert Gerechtigkeit gegenüber unserem Unter nehmen, gegenüber dem Vertrag, dessen dräuende und wirkungslose Klauseln sie so oft schwangen. Wir können heut« nicht mehr uns auf die Wxlt- metnung stützen, die uns gegenüber zerstreut, verständnislos, empört ist. Deutschland fühlt sich heute unterstützt, sein moralischer Weltkurs steigt. Und so flüchtet es sich mehr und mehr st, Untätigkeit."' Reparationen sind Unsinn, weil Deutschlands Interessen damit nicht gedient wird. Die Ruhr ist kein Pfand für Reparationen, sie kann nur eines sein: ein Pfand für ein ökonomisches Bündnis mit Deutschland. Statt dieses Ziel «rrgisH zu verfolgen, setzt man die Drohungs- Politik flirt. „Im Augenblick, wo es sich darum handeln sollte, Verträge zu schließen, hört man immer nur die Stimme des Gendarmen, des Gvtchtsvollziehers." Mit der dem Franzosen eigenen Logik ver- weist Rioiire auf die Sinnlosigkeit der Poinearv- schen Politik; die einerseits behauptet, die deutsche Regierung stehe unter dem Pantoffel der Industriellen, und anderseits jede direkte, von der pantoffelschwingenden Industrie ange- botrne Verhandlung ablehnt. Frankreich» Auf fassung vom Frieden, die auf einen Industrie, vwftrag nach Analogie der Handelsverträge hin- arbeiten müßte, ist rein militärisch geblieän. „Mr kümmern uns nicht um den Willen des Gegner», bemühen uns nicht um dessen tieferen Sinn, nicht darum, ob er sich nicht unserem Willen verbünden könnte: wir denken nur daran, diesen Dillen zu brechen. Zugegeben, ein Druck war nötig, aber nur als Mittel zum Zweck; aber mm heißt es dir Wirkungen ausnützen, ihnen Aufmerksamkeit schenken, Anregungen geben, sowie sie sich zeigen. Man darf nicht ungeduldig sein, aber auch nicht »u geduldig. Man d«f sich nicht einbtlden, daß die Dauer eine» Experiment« wie des gegenwärtigen gleichgültig wäre; sie kann in Deutschland und ta der Welt Empörung und Sühnegelüste Hervorrufen, vor denen wir eines Tage» zitternd und wehrlos stehen werden" Poinearü begeht einen schweren Fehler: er ist zu starr konsequent. Rioftre schlägt eine be achtenswerte Formel vor, auf die sich die Par teien einigen müssen: „Vier Iakre sind seit dem Krieg vergangen. Die Schuldigen sind die Schuldigen; «» steht jedem frei, ihnen im Herzen einen Namen zu geben und sie zu hassen. >'lber heute handelt fich's um den Frieden. Der Friede ist verfehlt worden. Man muß ihn von c'euem beginnen. Man muß ihn als etwas organisches empfinden, nicht ihn dekretieren, sondern ihm Leben schenken. Die Urzelle dieses Organismus ist eine französisch »deutsche ökonomische Zusam menarbeit. Die beiden Länder müssen trachten, an irgend etwas gemeinsame Arbeit zu verrich ten; alle Böswilligkeit schwindet, wenn eine Ar beit fortschreitet, an der man gemeinsam inter- essiert ist. — Arbeiten wir, sehen wir was der eine besitzt und der andere entbehrt, was wir austauschen können. Erzeugen wir Werte, statt einander die Reste vorhandener Werte zu neh men. Wir besitzen beide wundervolle Industrie- quellen: lasten wir sie ihre Wässer vereinigen und den Fluß bilden, der unsere Zwietracht ver- »richtet. Man muß den Frieden schließen, ihn schöpfen, seine normalen Bedingungen schaffen, und deren erste ist das Schweigen über unsere Beschwerden. Man muß das Vergessen schaffen." In klarer Erkenntnis sagt RiviSre: Deutsch, land konnte so leicht jedes Interesse am Kriege genommen werden. Ich bin überzeugt, daß es in seinem Innern keine Neigung zum Krieg- führen hat, und ein geregelter Wohlstand, dessen Fundament es verstehen würde, brachte es für lange von jedem Gedanken daran ab. Frank- reich setzt einen richtigen Faktor nicht genügend in Rechnung: die deutsche Freude an produktiver Arbeit. Deutschland leidet an behinderter Frucht barkeit, das macht es gallig und grämlich. Man kann ihm den Frohsinn zurückgeben, wenn man ihm die Möglichkeit der Arbeit und des Absatzes schafft. Für Frankreich handelt es sich darum, sich mit Deutschlands Expansion zu verknüpfen, mit einer Kraft sich solidarisch zu erklären, die nach Betätigung drängt, statt ihr entgegen-»- arbeiten, sie zu behindern, zu vernichten. (Be- ginnt man die Torbeit einzusehen, mit der man Deutschlands Kolonialpolitik vor dem Kriege ein- schränkte?) Da wir den Mut (oder die Toll kühnheit) einmal hatten, das Ungeheuer der deutichen Industrie in seiner Höhle aufz»suchen, müssen wir nun verstehen, ihm klug die Frei heit zu geben; und klug nenne ich: sich drauf- zuschwingen. Werden diese Vorschläge Beantwortung fin den? In der offiziellen Politik kaum; ihre Be- deutung beruht darin, daß bei dem ganz un zweifelhaft vorhandenen Einfluß gerade der Nouvelle Revue Francaise die Notwendigkeit einer Verständigung durch Verständnis für die deutsche Eigenart von neuen Menschen erkannt wird. Die Wirkung wiich sich weder heute noch morgen zeigen — kein politisch Denkender kann das erwarten — aber solche Erkenntnisse, wie die Riviäres sind Fundamente, auf denen sich in späterer Zeit einmal das Gebäude einer geistigen und wirtschaftlichen Zusammenarbeit zweier großer Völker, die eben ohne einander weder geistig noch wirtschaftlich nicht auskommen können, erheben wird. Künftige Generationen werden ja erst die großen, genialen Baumeister gebären, die den gewaltigen Dau ausführen werden aber wie ein Michelangelo, ein Shakespeare, ein Goethe, ein Beechoven nicht aus dem Nichts entstanden sind, sondern durch andere, kleinere vorbereitet sind, die sie dankbar verehren, darf man auch die Dorbereiter der großen Kathedrale der Verständigung nicht vergessen. Und deshalb dürfen wir an Aufsätzen, wie dem Riviöreschen, ohne uns Illusionen über ihre angebliche Trag weite hinzugeben, nicht achtlos vorübergehen. Luno über Deutschlands Lrfüllungswillen Münster, II. Juni. Am Sonnabend hielt Reichs kanzler Dr. Luno auf der Tagung de» Reichs oerband» der deutschen Presse eine Rebe, in der er den Tharatter de» deutschen Memorandum» unterstrich. Ziel sei die Lösung des Reparationsproblem» auf dem Fuß« der gleich- berechtigten Verhandlung. Die Regierung müsse alle» vermeiden, wa» die Bevölkerung des Ruhr gebiets in ihrer selbstgewollten und selbstgewählten Abwehr schwächen könne. Dabei natürlich suche sie di« furchtbaren Leiden zu mildern und hab« darum den Anhalt, den ihr die Red« Turzon» gegeben habe, wahrgenommen, um ihr Angebot vom 2. Mat zu mache». Trotz der Ablehnung sei nicht» unterlassen worden, um dir außenpolitische Lage für einen weiteren Schritt zu erforschen. Angesicht» der fort schreitenden Schwächung unserer finanziellen und wirtschaftlichen Lag« hab« die Regierung sich ein« zahlenmäßige Selbst schätz» ng ihrer ihrer Leistungsfähigkeit versagen müssen. Tin« international« Instanz möge darüber ent scheiden für deren Urteil objektive Tatsachen erforschung maßgehend sein müsse, aber nicht poli tisch« Gunst oder Ungunst. In den Garantien gehe Deutschland bis zur Grenze de» Möglichen, um sich von seiner Repara- ttonelast zu befreien. Dieser Gedanke gehe vom Staat au». Der Staat werd« auch die Lasten nach den Grundsätzen der Gerechtigkeit verteilen; er sei nicht »u schwach, um di« Leistungsschwachen, die di« Wirtschaft ihm gehe, zur Erfüllung zu zwingen. Nachdem der Kanzler an di« von Deutschland vollbrachten Leistungen erinnert und di« uner hörten Ueberariff« der Franzosen gegenüber der Ruhr-Bevolkerung gegeißelt hatte, be- tonte er, daß Deutschland den Frieden wolle. Aber brutsche» Land an Rhein, Ruhr, Mosel oder Saar sei nicht feil! Darin sei sich da» ganz« deutsch« Volk einig! Jetzt gelt« e» -usammen- zuholten, Unruh« ober Störungen zu vermeiden und auf da» einzige Ziel di« Kraft einzusetzen: Alle» für Deutschland! Oie englische Auffassung Durch Nachgiebigkeit zum Siel Lied«, II. Juni. («1^ Tel.) Der heute vormittag stattfindende englische Kabinrtt»- rat und die ar/schließende Besprechung de« englischen Außenminisjxr» Lord Turzon mit den Botschaftern der anderen alliierte« Mächte dürste von entscheidender Bedeutung seiu für die nächsten Schritt« in der Behandlung der Reparationefrage und zugleich für dje zutünfttge Gestaltung der englisch-franzMschen Beziehungen. In hiesigen unterrichteten Kreisen vertritt man die Auffassung, daß die letzten 24 Stunden dazu beigetragen haben, daß die immer drohender wer dende Entfernung zwischen England und Frank reich, vor allem durch die Unterredung Lovd Tecil» und Millerand» nicht vergrößert worden ist. Auf merksame Beobachter der politischen Beziehungen verhehlen sich aber nicht, daß Poincars, wenn er auch in formeller Beziehung insofern nachgegeben hat, al» er der englischen Regierung zu verstehen gab, daß er bereit sei, in Enland die Reparationsfrage auf der Bast» de» französischen Reparattonsvorschlag« für die Pariser Konferenz zu besprechen, doch noch der Herstellung der interalliierten Einheitsfront die größten Schwierigkeiten bereite. Er fordert nämlich al» Vorbedingung dieser gemeinsamen Aktion einen gemeinsamen Schritt der Entente in Berlin, in dem Deutschland zum Rbbau des passiven widerstände» afgefordert wird, insoweit dieser auf Regierungs maßnahmen beruht. Obwohl die englische Presse heute hervorhebt, daß die englische Regierung nicht in der Lage sein wird, diese französische Vorbedingung ohne weiteres an zunehmen, wird man von deutscher Seite doch gut daran tun, sich keinen optimistischen Hoffnungen hin zugeben. In palamentarifchen Kreisen, die über die Stellungnahme der maßgebenden Regierungsmit glieder gut unterichtet zu sein pflegen, wurde gestern abend die Auffassung vertreten, daß e» der französischen Regierung durch di« aus- gedehnte Publikation der zahl reichen Erlass« des Kabinett» Cuno, mit denen die Fortsetzung de» passiven Widerstandes unter Androhung schwerster Strafen erzwungen worden sei, gelungen wäre, in englischen Regierungskreisen den Eindruck zu erwecken, daß der passive Widerstand der Ruhr bevölkerung kein spontaner mehr sei, sondern nur unter Druck aufrecht erhalten werde. Au» dieser Gin- stellung heraus sei e» sehr wohl denkbar, daß die englische Regierung sich bereit finden würde — obne zu der Rechtmäßigkeit der französischen Ruhraknon Stellung zu nehmen in Berlin wissen zu lassen, daß es unmöglich sei, eine vesprechung der deutschen Vorschläge herbeizuführen, wenn die deutsche Regierung nicht bereit sei, di« amtlichen Maßnahmen», die den deutschen Widerstand verstärkt hätten, während eines Waffenstillstände» außer Kraft zu setzen. Selbstverständlich, so wurde von englischer Seite betont, sei die deutsche Regierung be rechtigt, derartige Anregungen mit Fragen zu beantworten, die etwa den Sinn hätten, festzustellen, wie rasch Frankreich da» Ruhrgebiet räumen werde, wenn die Reparationsverhand lungen zu einem günstigen Abschluß gelangt seien? Man wird sogar von englischer Seit« gar nicht un gern sehen, wenn derartige deutsche Auflagen gele gentlich des Abschlusses eines Waffen st tll- stand es dazu beitragen würde di« Bedingungen, unter denen Verhandlungen zwischen Deutschland und den Alliierten eingeleitet werden, in vorbereiten den Besprechungen klar zu legen. Die Times deutet in einem Leitartikel diese Ent wicklung an, indem sie schreibt, daß es kein Unglück wäre, die französischen Vorbedingungen für die Er öffnung einer interalliierten Reparation«» ussprach« zurzeit zu genau zu prüfen. Keine englisch« Regierung könne, weder direkt noch indirekt, die französische Aktion im Ruhrgebiet billigen, aber man müsse sich in England darauf gefaßt machen, daß Frankreich nicht bereit schtz werd« und nicht bereit sein könne, die Reparattonefeag« ausschließlich al» wirtschaftlicbes Problem anzu- sehen. Wenn das Ausland nicht geneigt sei, seinen wirtschaftlichen Gesichtspunkt bei der Lösung der Reparationefrage preiszuaeben, jo müsse es bereit sein, die politische Auf fak- sungFrankreichs, die eine schwer überwind- lickie Tatsache im Rahmen der internationalen Politik Frankreichs sei, verstehen zu lernen« das bedeutet, da» es geneigt sein werde, voll Vorsicht und Freund schaft über die Frage d«r Sicherung Lrankrelchr nachzudenken. Ls wäre von jedem Gesichtspunkt« au» verhängnisvoll, wenn die Franzosen den Versuch machen wollten, das nationale Sicherungsproblem da- durch zu lösen, daß sie Deutschland so stark knebelten, daß es außerstande sein werde, angemessene Repa rationszahlungen zu leisten. Man dürft aber kaum zu weit gehen, wenn man di«r englisch« Auffassung dahingehend au»lege, daß es notwendig jein werde, Frankreichs Sicherheitsbedürfnisse be reit» jetzt zu befriedigen, um der flanzostschen Regierung jeden Vorwand für die Auf rechte ryaltung einer u N'w'i rtschaftlichen Besetzunaspolitik zu entziehen. Um sie »u erreichen, müsse dir Reparationsflage nach wirtschaft lichen Gesichtspunkten geregelt werden. Di« erfolg reich« Geltendmachung der wirtschaftlichen Gesichts punkte könne aber möglicherweise gewisse eng lische Konzessionen cm Frankreich auf dem Gebiet, der Sicherungen zur Folg« haben. Dem Rompromitz entgegen Berlin, II. Juni. (Eig. Tel.) Dir Erörte rungen über da» deutsch« Memorandum innerhalb der Ententemächte scheinen sich, wie au« allen Mel dungen hervorgeht, bisher vor allem um die flau- höfische Forderung zu drehen, daß vor feder Ver handlung der passive Widerstand eingestellt wer den müßte. Auf deutscher Seit» steht man auf dem Standpunkt, daß die Entstehung des passiven Widerstande» ein« spontane Kundgeduug der un mittelbar betroffenen Bevölkerung »ar, die durch di« Maßnahme» der Reicharegierung nur tu ge- ordnet« Kanäle geleitet wurde. Deähakb würden Regterung»an»rdnung«n gegeu dteftik unverkenn baren Volk»willen gar nicht die notwendig« Autori tät haben, um von der Bevölkerung, der Urheber!« de» passiven Widerstand«» di« sich in dieser Be ¬ ziehung ohne Unterschied der Partei und de» Be rufe» einig ist, befolgt g» »erden. Dieser Standpunkt schließt aber ketn«»meg, au», daß ein« Formel gefunoen »erden Gant«, um bet vollkommen« Deg«seitigkeit de» guten Willen» zu ein« Verständigung auch in dies« Frage zu kommen. Man kdnntze sich denken, daß man sich für die Verhandlungen auf französisch-belgischer Seite den Verzicht auf Bestrafung, auf Maßrege lungen und Ausweisungen zusichert, daß Ma» deutscherseits aber auf die Verfolgung von Ver gehen gegen dir ergarffenen Sonderverovdnnng verzichtet, kurz, daß man geistig alle» vorbereitet, um den gegenwärtigen »Kriegszustand* bei einer Verständigung vollkommen abbauen zu können. Prof. Goetz über das neue Angebot Leipzig, II. Juni. Im demokratischen Partei heim sprach gestern mittag Rrichstagsabgeordneter Prof. Dr. Goetz iu äußerst anregender und sachlicher Weift über da» neue Angebot der Reicbsregierung. Es müsse immer wieder festgestellt werden, daß e» nur die Politik Wirth» sei, die da» Kabinett Cuno vertrete, und daß Wirth, wenn er zur Zeit de» flau- zösischen Ruhreinfall» noch Kanzler gewesen wäre, genau denselben passiven Widerstand ausgenommen hätte, wie Luno. In der ersten Note habe man auf Beitreiben der Sozialdemokaten die Summe von 30 Doldmilliarden angeboten, in der jüngsten Note sei mit Recht kein fester Betrag genannt worden Don englischer Seite sei aber der Degenwartswert der zuletzt von Deutschland angeborenen Jahres leistungen auf nur 24 Goldmilliarden berechnet worden. Die Wirtschaft werde wahrscheinlich mehr leisten müssen al» sie angeboten habe, man müsse je doch bei der Beurteilung der Leistungsfähigkeit der Industrie sehr vorsichtig sein, da verschiedene Indu strien, die keinen Export hätten, in äußerst schwie riger Lage seien. Da» neue Angebot habe im Aue- lande eine günstige Aufnahme gefunden, nur Frank reich sei anscheinend entschlossen, auch diesen Ver ständigungsversuch zu hintertreiben. Der passive Widerstand könne nicht aufgegeben werden, wenn mann auch darauf verzichten müsse, daß da» Reichs gebiet vor dem Begin der Verhandlungen geraum« werde. — An den recht beifällig aufgenommenen Vortrag schloß sich eine längere Aussprache, in der besonder» der Unwille über die bisherige Untätigkeit der Regierung Cuno zum Ausdruck kam. Der Reichskanzler in Heidelberg Heidelberg, II. Juni. (Eig. Tel.) Heute mittag trafen mit dem Schnellzug der Reichskanzler Dr. Cuno und der Staatssekretär Hamm auf dem Heidelberger Hauptbahnhof ein. Reichs- wirtschaftsminister Becker war schon im Laufe de» Vormittags angekommen. Zum Empfang waren der Bürgermeister Wielandt, der Oberamtmann und der Prlizeidirektor erschienen. Außerdem begrüßten den Reichskanzler auf dem Hauptbahnhof die ihn erwar tenden aktiven Studierenden der katholischen Ver bindung Arminia, der der Reichskanzler während seiner Heidelberger Studentenzeit angehörte. Die Minister begaben sich in da» nahe dem Bahnhof ge legene Hotel Heidelberger Hof. Im Hotel werde» die Minister sofort nach dem Essen Besprechungen mit Vertretern der pfälzischen Dienststellen, ferner de» pfälzischen Industrie, Landwirtschaft und des Ge werbe» haben. Die Weiterfahrt nach Karlsruhe soll nach dem bisherigen Plan um 3-L Uhr erfolgen. Eine Abfuhr Während seine» Aufenthalte» in Münster hat ein Professor Brückmann dem Reichskanzler einen deutschnational«» Iugendbund vorgestellt mit den Worten: „Diese Jugend, di, hier steht, trägt Ihnen durch mich den Wunsch vor: Landgraf, werde Hartl Die hier stehen, find bereit, den passiver/ Widerstand in den aktiven zu verwan deln. Die Regierung hat schon zu viel verhandelt und nachgegeben! Wir wollen ein Halt!" Mit einer Geschwindigkeit, die man an ihm sonst gar nicht gewöhnt ist, hat Reichskanzler Dr. Luno dem Herrn Professor erwidert, er möge überzeugt sein, daß er, der Professor, auch keiner größeren Lieb« zum Voterlarid fähig sei, als alle übrigen Deutschen. Wenn er an seiner, Luno», Stell« säße und die Verantwortung täglich und stündlich zu tragen hätte, würde er auch keinen anderen Schritt unternommen haben, al» Reichsregierung unternehmen mußte. Da» »ar in der Tat einie recht harte Antwort de» vom Herrn Professor Krückmann apostrophierten Landgrafen und zugleich eine treffende Lharakteri- sierung de» unverantwortlichen Maulhelden, dec, ohne von politischem Verständnis belastet zu sein, sich doch groß und frei genug fühlt, um di« Reichs- regierung anzubrttrlu, sie möchte die deutsche Zu- gen- für rechts und wieder nicht« in die Pfanne hauen. Gott behüte Zungdoutschland vor solchen Schar latanen! Lin bedenklicher Vorschlag Dresden, II. Juni. (Eig. Tel.) Im Dresdner Stadtverordnetenkollegium hat die deutsch- nationale Fraktion an den Rat da» Er- suchen gerichtet, zur Erinnerung an den von den Franzosen erschossenen Kaufmann Sch lag et er «in« Straße ia Dr«»den nach ihm zu benennen. Dem Schicksal de» von den Rechtsradikalen ver- führten Schlaget« wird niemand sein menschliches Mitleid versagen. E» ist aber bedenklich, wenn durch eine besondere Kultivierung der Erinnerung an dies, politisch nutzlose Tat, womöglich gar weitere Kreise dazu verführt werden, über ein, Pol tik gegenüber den flanzösiscben Eindringlingen nachzu- sinnen, die für di« deutsch« Sache nur verhängnis voll werden kann. Bedenken wir doch das eine: wir befinden uns im Ruhrkampf aus drr Etappe. Da ist die heroisch« Gest« billig. Di« Recht»part«ien ab«, deren skrupellos« Demagogie Echlaaeter er leg« ist, kitten «st «echt alle» Gründ, in dieser Sach« „ schweigen. Di« Frarmosea haben üb« die beide« Gemeiaden Nied und Griesheim, di« unmittelbar an d«r Grenz« de» besetzten Gebiet« liege«, den ver schärften Belagerung»Instand verhSngt. vberretzternngrrat Gall« ist »um Di rekt»« bet« N«tch»ta§ ernannt worden.
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